OGH 17Os16/17g

OGH17Os16/17g25.9.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. September 2017 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wetter als Schriftführer in der Strafsache gegen Georg H***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 17. Mai 2017, GZ 16 Hv 18/17g‑39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0170OS00016.17G.0925.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Georg H***** „der Verbrechen“ (richtig:) des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 StGB (I) und der Vergehen der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.

Danach hat er in H*****

I/ mit dem Vorsatz, dadurch den Staat an seinem Recht auf Strafverfolgung zu schädigen, folgende Beamte (im strafrechtlichen Sinn) wissentlich zu bestimmen versucht, ihre Befugnis, im Namen des Bundes als deren Organe in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, zu missbrauchen, und zwar

A/ am 2. Februar 2017 die Richterin des Landesgerichts S***** Mag. W***** als für das gegen ihn geführte Hauptverfahren zuständige Richterin durch Übermittlung eines Schreibens, in dem er sie unter Stellung einer unberechtigten Schadenersatzforderung und Androhung der Eintragung eines Pfandrechts in ein internationales Schuldenregister und anschließender Zwangsvollstreckung sinngemäß aufforderte, dieses Hauptverfahren „nicht weiter zu führen, mithin keine mündliche Hauptverhandlung durchzuführen“;

B/ am 10. Februar 2017 die Staatsanwältin der Staatsanwaltschaft L***** Mag. F*****, welche den Strafantrag in dem zu Punkt A genannten Verfahren gegen Georg H***** eingebracht hatte, durch Übermittlung eines Schreibens, in dem er sie unter Stellung einer unberechtigten Schadenersatzforderung und Androhung der Eintragung eines Pfandrechts in ein internationales Schuldenregister und anschließender Zwangsvollstreckung sinngemäß aufforderte, das genannte Hauptverfahren durch Zurückziehung des Strafantrags gemäß § 227 Abs 1 StPO zu beenden;

II/ durch die zu den Punkten I/A und I/B genannten Handlungen Mag. W***** und Mag. F***** durch gefährliche Drohungen mit einer Verletzung am Vermögen zu einer Handlung oder Unterlassung zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen (teils bloß nominell) aus § 281 Abs 1 Z 5, 5a, 9 lit a und b, 10a und 11 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten ist nicht berechtigt.

Die Mängelrüge erklärt nicht, weshalb die Feststellungen zum Inhalt der an Mag. W***** und Mag. F***** gerichteten Schreiben bloß deshalb undeutlich (Z 5 erster Fall) sein sollen, weil das Erstgericht diesen „sinngemäß“ wiedergibt (US 2, 12). Zum in diesem Zusammenhang nominell geltend gemachten Widerspruch (Z 5 dritter Fall) argumentiert die Rüge nicht.

Dem weiteren Rechtsmittelvorbringen zuwider ist es vielmehr Aufgabe der Tatrichter, den Sinn inkriminierter Äußerungen als Sachverhaltsgrundlage für die rechtliche Beurteilung (hier §§ 15, 12 zweiter Fall, 302 Abs 1 und §§ 15, 105 Abs 1 StGB) klarzustellen. Die Wiedergabe des (exakten) Wortlauts dient allenfalls der Begründung dieser Feststellungen. Dass einzelne – vom Beschwerdeführer als übergangen reklamierte (Z 5 zweiter Fall) – Passagen der von diesem selbst mehrfach als „wirr“ bezeichneten Schreiben diesen Konstatierungen erörterungsbedürftig entgegenstehen (RIS-Justiz RS0098646 [insbesondere T8]), vermag die Rüge nicht darzulegen.

Mit eigenständigen Erwägungen zum Bedeutungsinhalt der Schreiben wird bloß die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung kritisiert.

Die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite „aus dem äußeren Geschehen“ (US 11) ist rechtsstaatlich vertretbar und bei einem – wie hier (insoweit) leugnenden – Angeklagten methodisch in der Regel nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882). Die Annahmen zur intendierten Einflussnahme auf das gegen den Beschwerdeführer geführte Strafverfahren hat das Erstgericht überdies – unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit unbedenklich – aus dem von diesem in der Hauptverhandlung vermittelten persönlichen Eindruck (er habe sich „intensiv mit den Befugnissen und Aufgaben von Richterinnen und Staatsanwältinnen in einem Ermittlungs- bzw. Hauptverfahren nach der Strafprozessordnung auseinandergesetzt“) abgeleitet (US 12).

Der Einwand unterbliebener Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Beschwerdeführers (Z 5 zweiter Fall) geht angesichts deren Erörterung (US 11 f) ebenso ins Leere wie der Vorwurf eines „Widerspruchs“ (Z 5 dritter Fall) der Begründung zum Akteninhalt. Ein solcher kann sich nämlich bloß aus dem Urteilsinhalt selbst, nicht aus dessen Vergleich mit den Verfahrensergebnissen ergeben (RIS-Justiz RS0117402 [T16]).

Indem der Beschwerdeführer zur Tatsachenrüge (Z 5a) ohne eigene Argumentation bloß auf das Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) verweist, verkennt er den wesensmäßigen Unterschied dieser Nichtigkeitsgründe und verfehlt die prozessordnungsgemäße Darstellung (RIS-Justiz RS0115902).

Die Rechtsrüge (nominell Z 9 lit a und b, der Sache nach ausschließlich lit a [ Ratz , WK-StPO § 281 Rz 636]) erklärt nicht, weshalb die dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Versuche, Mag. W***** von der Durchführung einer mündlichen Hauptverhandlung abzuhalten, und Mag. F***** zum Rücktritt von der Anklage zu bewegen, auf Basis des Urteilssachverhalts untauglich im Sinn des § 15 Abs 3 StGB gewesen seien, also die Vollendung der Tat bei maßgeblicher Ex-ante-Betrachtung auf die vorgesehene Art bei generalisierender Betrachtung, somit losgelöst von den Besonderheiten des Einzelfalls, geradezu denkunmöglich sei und demzufolge unter keinen wie immer gearteten Umständen erwartet werden könne (vgl dazu US 16; RIS-Justiz RS0115363 [insbesondere T4]). Dies wird auch durch den Verweis auf (justiz-)„interne Kontrollmechanismen“ nicht dargelegt. Verfahrensergebnisse, welche Feststellungen zu diesem negativen Tatbestandsmerkmal indizieren würden, zeigt die Rüge nicht auf ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 602).

Die Diversionsrüge (Z 10a) verfehlt, indem sie– erneut auf Grund eigenständiger Beweiswerterwägungen – behauptet, in den inkriminierten „Schreiben finden sich tatsächlich keinerlei Äußerungen und/oder Ausführungen, welche in jedweder Form als ernstzunehmende Drohung und/oder Straftat zu interpretieren wären“, den vom Gesetz vorgegebenen, in der Gesamtheit der Feststellungen (insbesondere zum Bedeutungsinhalt der Schreiben) gelegenen tatsächlichen Bezugspunkt (RIS-Justiz RS0119091). Im Übrigen vermag der Beschwerdeführer nicht darzulegen, weshalb seine Schuld trotz Tatwiederholung und (zufolge Idealkonkurrenz) Begründung mehrerer strafbarer Handlungen mit Blick auf die in der Strafdrohung zum Ausdruck kommende Vorbewertung des deliktstypischen Unrechts- und Schuldgehalts durch den Gesetzgeber (RIS‑Justiz RS0116021 [T17]) gering sein soll (vgl § 198 Abs 2 Z 2 StPO).

Die Sanktionsrüge (Z 11) enthält mit der Kritik am Unterbleiben einer außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 StGB) bloß ein Berufungsvorbringen ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 728).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Der verfehlte (vgl RIS-Justiz RS0121981) Schuldspruch wegen zweier Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt wirkte sich nicht konkret zum Nachteil des Angeklagten aus (vgl US 16), weshalb sich der Oberste Gerichtshof nicht zu amtswegiger Wahrnehmung veranlasst sah (vgl Ratz , WK-StPO § 290 Rz 22 ff). Angesichts dieser Klarstellung ist das Oberlandesgericht bei der Entscheidung über die Berufung nicht an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

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