Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dejan M***** wird verworfen.
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Alexandru S***** und Vijorel P***** wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den diese beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zu Recht erkannt:
Es werden
Alexandru S***** für die ihm zur Last liegenden Verbrechen des Mordes nach §§ 15, 75 StGB und des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB nach § 75 StGB unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB zu einer
Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn) Jahren
und Vijorel P***** für das ihm zur Last liegende Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter und vierter Fall StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 143 StGB zu einer
Freiheitsstrafe von 11 (elf) Jahren
verurteilt.
Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe werden diese beiden Angeklagten auf die Strafneubemessung verwiesen.
Der Berufung des Angeklagten Dejan M***** gegen den Ausspruch über die Strafe wird Folge gegeben und dieser zu einer Freiheitsstrafe von
16 (sechzehn) Jahren
verurteilt.
Der Berufung des Angeklagten Vijorel P***** gegen das Adhäsionserkenntnis wird nicht Folge gegeben.
Die Vorhaftanrechnung wird hinsichtlich aller Angeklagten dem Erstgericht überlassen.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alexandru S***** je eines Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (A) und des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (B/I), Dejan M***** (zu B/II) und Vijorel P***** (zu B/I) des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 zweiter und vierter Fall StGB, Ersterer auch nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.
Danach haben in der Nacht vom 30. Juni auf den 1. Juli 2010 in L*****
(A) Alexandru S***** den Ismail K***** durch die Abgabe eines Schusses in dessen untere Halsvorderseite leicht rechts der Mittellinie aus einer Entfernung von etwa fünf bis zehn Zentimetern zu töten versucht, was eine Verletzung der Luft- und Speiseröhre, des zweiten Brustwirbelkörpers und des Rückenmarks und eine dadurch ausgelöste vor allem motorische Querschnittslähmung der unteren Gliedmaßen sowie Lähmungen der Blasen- und Mastdarmfunktion zur Folge hatte;
(B/I) Alexandru S***** und Vijorel P***** im einverständlichen Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Stefan Se***** und Vanja B***** durch Gewalt gegen Personen und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) unter Verwendung von Waffen Gewahrsamsträgern einer A*****-Tankstelle und anderen am Tatort Anwesenden fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen und abzunötigen versucht, indem sie den Verkaufsraum großteils vermummt und - Alexandru S***** mit einem geladenen Revolver, Vijorel P***** mit einem stangenähnlichen und einem klingenartigen Gegenstand und Vanja B***** mit einem stockartigen Gegenstand - bewaffnet betraten, wobei Alexandru S***** tatplangemäß die Anwesenden mit der Waffe in Schach halten und die übrigen Mittäter ihnen Vermögenswerte wegnehmen sollten und Ersterer in der zu A beschriebenen Weise auf Ismail K***** schoss und die Gewaltanwendung die dort dargestellte Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich zog;
(B/II) Dejan M***** zur Ausführung des zu B/I beschriebenen schweren Raubes beigetragen, indem er den Tatplan miterstellte, Alexandru S***** die Tatwaffe samt Munition übergab, die unmittelbaren Täter zum Tatort chauffierte und das Fluchtfahrzeug lenkte.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richten sich die von Alexandru S***** und Vijorel P***** aus dem Grund der Z 13 und von Dejan M***** aus jenem der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten. Nur jenen der beiden Erstgenannten kommt Berechtigung zu.
Nicht im Recht ist zunächst die eine Zusatzfrage nach Putativrücktritt vom Raubversuch (§ 16 Abs 2 StGB) reklamierende (Z 6) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Dejan M*****.
Bei der hier aktuellen Mitwirkung an der versuchten Realisierung eines von mehreren Personen gemeinsam geplanten Raubvorhabens kann dem einzelnen Mittäter strafbefreiender Putativrücktritt vom Raubversuch nur dann zustatten kommen, wenn er sich in Unkenntnis vom Unterbleiben der (weiteren) Ausführung der Tat durch die (anderen) Beteiligten oder des Erfolgseintritts um deren Verhinderung freiwillig und ernstlich bemüht (Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 165, 177).
Indem der Beschwerdeführer im Wesentlichen bloß Teile seiner Verantwortung (wonach er kurz vor Betreten der Tankstelle Angst bekommen, seinen Mittätern - erfolglos - den Abbruch „der ganzen Sache“ und deren Verlegung auf einen anderen Tag vorgeschlagen, Vijorel P*****, der ihn daraufhin beschimpfte und den anderen zurief: „Wer mitmachen will, geht mit!“, verbal „zum Teufel geschickt“, während der [versuchten] Tatausführung durch die Mittäter aber dennoch bei seinem in etwa 200 Meter Entfernung abgestellten Auto eine Zigarette geraucht und danach das Fluchtfahrzeug [zunächst in Unkenntnis des Misslingens des Raubversuchs] gelenkt habe [ON 227 S 3; ON 258 S 6, 9, 14; ON 336 S 30, 32 ff, 44]) hervorhebt, auf einzelne - diese Angaben (nur teilweise) bestätigende - Aussagepassagen der Mitangeklagten (Alexandru S*****, ON 337 S 14, ON 260 S 16 und 27 f; Vijorel P*****, ON 266 S 7, ON 337 S 61, 66 f) verweist und diese Verfahrensergebnisse um weitere - auf eigenen Beweiswerterwägungen basierende - Sachverhaltselemente ergänzt, spricht er kein die begehrte Fragestellung nach gesicherter allgemeiner Lebenserfahrung ernsthaft indizierendes Verfahrensergebnis (konkret für eine in die Tat umgesetzte „innere Umkehr“ und ein „ernstliches Bemühen“ um Verhinderung - hier mit seinem Wissen tatsächlich erfolgter - weiterer Tatausführung, welches nur dann gegeben ist, wenn der Täter alle in seiner Macht stehenden Anstrengungen unternommen hat, also unter Aufbietung aller verfügbaren Kräfte und unter Einsatz aller für ihn erreichbaren Mittel die Erfolgsabwendung betrieben hat; vgl dazu Hager/Massauer in WK² §§ 15, 16 Rz 176; Fabrizy StGB10 § 16 Rz 10; SSt 62/131; RIS-Justiz RS0119096, RS0107399, RS0090420) an (Ratz, WK-StPO § 345 Rz 23).
Die Nichtigkeitsbeschwerde dieses Angeklagten war daher zu verwerfen.
Zutreffend remonstriert demgegenüber der Angeklagte Alexandru S***** im Rahmen seiner Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) gegen die Berücksichtigung des Erschwerungsgrundes einer „einschlägig zu wertenden Vorstrafe in Rumänien“, weil die hiezu alleine getroffene Feststellung, diese Verurteilung (zu einer Bewährungsstrafe von 20 Monaten) sei 2006 „wegen eines Verkehrsunfalls“ erfolgt (US 11), - schon mit Blick auf die Möglichkeit, dass der Abstrafung eine in Österreich nicht strafbare fahrlässige Sachbeschädigung zugrunde lag - für die Beurteilung gerichtlicher Strafbarkeit nach österreichischem Recht und damit des Vorliegens einer der Voraussetzungen des § 73 StGB nicht ausreicht.
Gleichermaßen im Recht ist die Sanktionsrüge (Z 13 zweiter Fall) des Drittangeklagten Viorel P*****, die in der Wertung seiner vier in Serbien erlittenen Verurteilungen wegen „Schlägereien“ als erschwerend zufolge deren bereits zum Entscheidungszeitpunkt gegebener Tilgbarkeit ebenso zutreffend eine offenbar unrichtige Beurteilung für die Strafbemessung maßgebender entscheidender Tatsachen beim Ausspruch über die Strafe erblickt.
Nach § 7 TilgG stehen diese ausländischen Verurteilungen (wegen auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbarer Taten [§§ 83 ff, 88, oder § 91 StGB]) nämlich inländischen gleich, weshalb ihre Tilgung nach dem österreichischen TilgG zu beurteilen ist (11 Os 12/06h; 11 Os 31/01; zuletzt 13 Os 134/10w), die Tilgungsfrist aber nach § 7 Abs 2 TilgG mit dem Tag beginnt, der sich ergibt, wenn man dem Tag der Rechtskraft der Verurteilung die Dauer der mit ihr ausgesprochenen Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe oder der Summe dieser Strafen hinzurechnet. Ist keine Freiheits- oder Ersatzfreiheitsstrafe verhängt worden, beginnt die Tilgungsfrist mit Rechtskraft der Verurteilung.
Nach den - unter Bezugnahme auf die aktenkundige Auskunft aus dem serbischen Vorstrafenregister (ON 241) getroffenen und damit auch in Betreff der Rechtskraft der Verurteilungen zureichenden - Urteilsannahmen wurde Vijorel P***** mit jeweils am selben Tag rechtskräftigen Erkenntnissen der Gemeindegerichte Pozarevac und Zajecar vom 12. September 1989 zu einer fünfmonatigen und vom 25. November 1989 zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe, vom 10. Dezember 1998 zu einer Geldstrafe sowie vom 8. Dezember 2004 zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.
Nach dem Vorgesagten endete die - um zwei Jahre verlängerte - fünfjährige Tilgungsfrist (§ 3 Abs 1 Z 2 iVm § 4 Abs 1 und Abs 2 TilgG) der beiden ersten Verurteilungen aus dem Jahr 1989 zu insgesamt neun Monaten Freiheitsstrafe demnach vor jener vom 10. Dezember 1998, welche wiederum - in Ermangelung einer (Ersatz-)Freiheitsstrafe - am 10. Dezember 2003 endete. Zum Zeitpunkt der letzten Abstrafung des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2004 zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe lag damit keine ungetilgte Verurteilung vor, womit auch deren fünfjährige Tilgungsfrist am 8. April 2010 und somit vor der angefochtenen Entscheidung (vom 29. April 2011) endete und keine dieser Verurteilungen bei der Strafbemessung als erschwerend in Anschlag gebracht werden durfte (RIS-Justiz RS0106650).
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Alexandru S***** und Vijorel P***** war daher das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den diese beiden Angeklagten betreffenden Strafaussprüchen aufzuheben, ohne dass es eines Eingehens auf das weitere Vorbringen der Sanktionsrüge des Zweitgenannten bedurfte, und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO mit Strafneubemessung vorzugehen (vgl Ratz, WK-StPO § 285i Rz 3-5; § 288 Rz 28 ff).
Dabei war bei Alexandru S***** das Zusammentreffen von zwei Verbrechen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie die - nach der vom Obersten Gerichtshof eingeholten und im Gerichtstag verlesenen rumänischen Strafregisterauskunft wegen der nach österreichischem Recht als Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 StGB zu beurteilenden Straftat der fahrlässigen Körperverletzung nach § 184 Abs 2 und Abs 4 des rumänischen Strafgesetzbuches 2006 erfolgte und damit einschlägige (vgl Jerabek in WK2 § 71 Rz 8) - in Rumänien erlittene Vorstrafe zu einer bedingt nachgesehenen 20-monatigen Freiheitsstrafe (§ 33 Abs 1 Z 2 StGB), bei Vijorel P***** kein Umstand als erschwerend zu werten, als mildernd dagegen bei beiden Angeklagten das (bei Vijorel P***** teilweise) Geständnis zum schweren Raub (§ 34 Abs 1 Z 17 StGB) und der Umstand, dass es (bei Alexandru S***** bei beiden Taten) beim Versuch geblieben ist (§ 34 Abs 1 Z 13 StGB), bei Vijorel P***** zudem dessen bisher ordentlicher Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB; RIS-Justiz RS0106650, RS0075894).
Bei hier vorliegender sofortiger Schussabgabe aus kürzester Distanz in den Hals des Tatopfers im Zuge eines akribisch geplanten schweren Raubes unter Verwendung einer - gerade zur Überwindung solchen erwarteten Widerstands bewusst - geladenen Schusswaffe kann keine Rede davon sein, dass Alexandru S***** den Mord(-versuch) aus Unbesonnenheit beging, sich in einer allgemein begreiflichen Gemütsbewegung dazu hinreißen ließ oder am Raub nur in untergeordneter Weise beteiligt war (§ 34 Abs 1 Z 7, 8 und 6 StGB). Dass er von Dejan M***** zur Beteiligung „überredet“ wurde, stellt den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 4 StGB nicht her.
Für eine untergeordnete Beteiligung des Angeklagten Vijorel P***** am Raub bietet der Akteninhalt gleichermaßen keinen Anhaltspunkt.
Ausgehend von den genannten Strafzumessungsgründen sah sich der Oberste Gerichtshof zur Verhängung der im Spruch genannten Strafen bestimmt.
Mit ihren Berufungen gegen den Ausspruch über die Strafe waren diese beiden Angeklagten auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Zur Berufung des Angeklagten Dejan M***** gegen den Ausspruch über die Strafe:
Das Geschworenengericht verhängte über Dejan M***** eine Freiheitsstrafe von siebzehn Jahren. Dabei wertete es dessen sieben in Deutschland erlittene einschlägige Vorstrafen und „seinen wesentlichen Beitrag zur Tatbegehung“ als erschwerend, das Geständnis zum schweren Raub (ohne Dauerfolgen) und den Umstand, dass es dabei beim Versuch geblieben ist, als mildernd.
Der dagegen erhobenen Berufung dieses Angeklagten kommt Berechtigung zu, wiewohl das Geschworenengericht die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig erfasste.
Das teilweise Geständnis des Angeklagten wurde ohnehin zu seinen Gunsten berücksichtigt, die angeblich abgelegte „Lebensbeichte“ betraf schon nach dem Berufungsvorbringen nicht verfahrensgegenständliche Straftaten und ist daher hier nicht relevant. Die eingewendete „Spielsucht“ im Verein mit Sorgepflichten für fünf Kinder stellt den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 10 StGB nicht her. Dieser liegt vielmehr nur bei einem zur Tatzeit bestehenden oder drohenden Mangel am notwendigen Lebensunterhalt vor, soweit der Täter darauf zielte, durch die Straftat seine existenziellen Lebensbedürfnisse zu befriedigen (Ebner in WK² § 34 Rz 24), was hier nicht behauptet wird.
Die in Beantwortung der Fragenrüge zitierte Verantwortung des Berufungswerbers rechtfertigt die Annahme des reklamierten Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 11 StGB schon deshalb nicht, weil dieser voraussetzt, dass die Tat unter Umständen begangen wird, die einem Schuldausschließungs- oder Rechtfertigungsgrund nahe kommen (zu Strafaufhebungsgründen vgl Ebner in WK² § 34 Rz 27).
Letztlich wurde mit Blick auf die Aussagen der Mittäter, wonach Dejan M***** den Tatplan weitgehend alleine entwickelte, den Tatort bestimmte, die Schusswaffe und die übrigen beim Raub verwendeten Waffen sowie (teilweise) die Maskierung besorgte und zur Verfügung stellte, Alexandru S***** zur Beteiligung am Raub überredete und das Fluchtfahrzeug lenkte (vgl Alexandru S***** ON 336 S 24 ff; Vijorel P***** ON 336 S 55, 57, 63 und 65) auch die führende Beteiligung dieses Angeklagten (§ 33 Abs 1 Z 4 StGB) zu Recht als Erschwerungsgrund gewertet.
Wiewohl alleine die Relation zu der über einen Mitangeklagten ausgesprochenen Strafe schon in abstracto keinen Grund für die allfällige Reduktion der strikt täterbezogen auszumessenden Sanktion (§ 32 Abs 1 StGB) darstellt, rechtfertigen Unrechtsgehalt der Tat und Täterschuld unter Berücksichtigung der - von den Tatrichtern zwar nach dem Vorgesagten zutreffend dargestellten, aber aus Sicht des Obersten Gerichtshofs zu sehr zu Lasten des Angeklagten gewichteten - Erschwerungs- und Milderungsgründe eine Strafreduktion auf sechzehn Jahre.
Zur Berufung des Angeklagten Vijorel P***** gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche:
Das Geschworenengericht verurteilte die Angeklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe von 100.000 Euro an den Privatbeteiligten Ismail K***** sowie von Schmerzengeld in Höhe von 2.000 Euro an Goran T***** und stellte deren Haftung „für sämtliche zukünftigen Nachteile und Folgen aus der angeführten Tat zum Nachteil des Privatbeteiligten Ismail K*****“ fest (§ 69 Abs 1 StPO).
Vorauszuschicken ist, dass Schmerzengeld nach ständiger Rechtssprechung der Zivilsenate des Obersten Gerichtshofs eine Globalabfindung für alle eingetretenen und für alle nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden künftigen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch die Verletzungen und ihre Folgen darstellt. Das Schmerzengeld ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen. Tendenziell erscheint es geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen (vgl für viele: 2 Ob 105/09v mwN). Zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ist aber auch ein objektiver Maßstab anzulegen, indem der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt wird (RIS-Justiz RS0031075).
Nach dem Gutachten des dem Verfahren beigezogenen Sachverständigen Univ.-Prof. Dr. Sch***** (ON 304 S 189 bis 207; ON 336 S 68 ff) erlitt der zum Tatzeitpunkt 30-jährige Privatbeteiligte Ismail K***** durch den inkriminierten Vorfall eine an sich schwere und konkret lebensgefährliche Verletzung in Form eines Hals-Brustkorbsteckschusses mit - operativ versorgten - Verletzungen der Luftröhre, der Speiseröhre, des zweiten Brustwirbelkörpers und des Rückenmarks und daraus resultierender neurogener Blasen- und Mastdarmstörung und einer Querschnittslähmung vom Stadium ASIA C. Trotz mindestens sechsmonatiger stationärer und zum Zeitpunkt der Urteilsfällung erster Instanz fortdauernder Rehabilitationsbehandlung bestehen bei dem Genannten weiterhin Lähmungen der Blasen- und Mastdarmfunktion und der unteren Gliedmaßen mit Betonung des linken Beins. Er ist auf den Rollstuhl angewiesen, eine entscheidende Besserung des Zustands ist auch in Zukunft nicht zu erwarten (ON 304 S 205). Das mit den Verletzungsfolgen verbundene Ungemach kann demnach - trotz (von der Berufung thematisierter) nicht exakter Vorhersehbarkeit künftiger Schmerzperioden und Lebenseinschränkungen des Verletzten - mit hinreichender Sicherheit bereits überblickt werden.
Ausgehend von den aufgezeigten speziellen Umständen des Einzelfalls und unter Berücksichtigung inflationsbedingter „Verdünnung“ des Geldwerts und der Entwicklung der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu immer stärkerer Gewichtung der Komponente des psychischen Leides bei Bewertung von Dauerfolgen (vgl 3 Ob 128/11m) sprengt der erstgerichtliche Zuspruch von 100.000 Euro den von der bisherigen Judikatur gezogenen Rahmen nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs nicht (vgl dazu etwa 2 Ob 65/93; 2 Ob 4/87; 15 R 262/06v des Oberlandesgerichts Wien; 2 R 272/0pv des Oberlandesgerichts Innsbruck [die Revision wurde zu 1 Ob 68/10x zurückgewiesen]).
Hinsichtlich des Feststellungsinteresses, das nur dann zu verneinen ist, wenn zukünftig eintretende Schäden aus einem bestimmten Schadensereignis schlechthin und absolut auszuschließen sind (3 Ob 57/07i mwN), ist die auf das Gutachten des Sachverständigen gestützte Beurteilung des Erstgerichts ebensowenig zu beanstanden.
Die vom Tatopfer des schweren Raubes, Goran T*****, erlittene posttraumatische Belastungsstörung, die zu Ein- und Durchschlafstörungen sowie zur vorübergehenden (zumindest 14-tägigen) Arbeitsunfähigkeit führte und zumindest bis zum 28. April 2011 psychische Behandlung erforderlich machte (vgl die - in der Hauptverhandlung verlesenen [ON 336 S 71] - Beilagen B und C zu ON 336) rechtfertigt - auch mit Blick auf die nach der üblichen Gerichtspraxis herangezogenen Schmerzengeldsätze (etwa 100 Euro pro Tag für leichte Schmerzen; vgl Hartl, Schmerzengeldsätze in Österreich, RZ 2011, 66) - jedenfalls die vom Erstgericht vorgenommene Zuerkennung von Schmerzengeld in Höhe von 2.000 Euro.
Über die Anrechnung der Vorhaft (§ 38 StGB) hat gemäß § 400 StPO der Vorsitzende des Erstgerichts mit Beschluss zu entscheiden.
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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