OGH 2Ob65/93

OGH2Ob65/939.12.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner, Dr.Graf, Dr.Schinko und Dr.Tittel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** P*****, ***** vertreten durch Dr.Georg Schwab, Rechtsanwalt in Wels, wider die beklagten Parteien 1. Johannes G*****, und 2. ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Harald und Dr.Ilse Fahrner, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wegen S 2,073.026,88 s.A. und Feststellung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 9.Juli 1993, GZ 6 R 17/93-43, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 19.November 1992, GZ 1 Cg 350/91-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 26.248,86 (darin enthalten S 4.374,81 an Umsatzsteuer, keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 15.10.1990 wurde der damals 23jährige Kläger als Beifahrer eines vom Erstbeklagten gelenkten Motorrades lebensgefährlich verletzt. Der Erstbeklagte hat den Unfall dadurch verschuldet, daß er nach Genuß von Alkohol auf der Autobahnauffahrt umkehren wollte und dabei mit dem Motorrad ins Schleudern kam und stürzte. Die Zweitbeklagte war Haftpflichtversicherer des Motorrades.

Der Kläger, der im Sommer 1990 aus dem Iran nach Österreich geflohen war, hatte den Erstbeklagten erst am Abend des Unfallstages kennengelernt. Der Kläger erlitt bei dem Unfall eine Gehirnerschütterung und eine Rißquetschwunde im Schädelbereich sowie einen Bruch des 3.Halswirbelkörpers mit Verrenkung zwischen dem 3. und dem 4.Halswirbelkörper mit sofortiger hoher Rückenmarksquerschnittsläsion. Damit ist eine komplette Lähmung der oberen und unteren Extremitäten sowie eine komplette Blasen- und Mastdarmlähmung verbunden. Darüber hinaus treten Decubitalgeschwüre auf. Eine Besserung dieses Zustandes ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen. Der Kläger wird zeitlebens an den Folgen der hohen Querschnittsläsion mit den genannten kompletten Lähmungen und Beeinträchtigungen leiden. Vorübergehende Besserungen sind nur dadurch möglich, daß ein bestehender Decubitus sich zur Gänze zurückbildet und daß die Blasenentleerung besser beherrschbar wird.

Der Kläger hat aufgrund der Querschnittslähmung eine eingeschränkte Lebenserwartung. Diese kann durch intensive Rehabilitationsmaßnahmen, die immer wieder und mehrmals jährlich erfolgen sollen, verlängert werden, es ist aber mit äußerster Wahrscheinlichkeit auszuschließen, daß ein durchschnittliches Lebensalter erreicht wird. Die durchschnittliche Lebenserwartung in derartigen schweren Fällen beträgt unter der Voraussetzung einer ständigen optimalen Rehabilitation etwa 40 bis 50 Jahre.

Aufgrund der hohen Querschnittslähmung sind in den von der Lähmung betroffenen Körperteilen herkömmliche Schmerzempfindungen nicht vorhanden. Der Kläger leidet allerdings unter schmerzhaften Muskelzuckungen. Dazu kommt, daß er ständig seine Position wechseln muß, um einen Decubitus zu vermeiden, sodaß er nicht länger als drei Stunden hintereinander in sitzender Position in einem Rollstuhl verbringen kann. Ein herkömmlicher Sexualverkehr ist dem Kläger nicht möglich. Für den Kläger besteht ständig eine latente Lebensgefahr wegen der generellen Infektionsgefahr im Bereich der Atmungsorgane, der Ausscheidungsorgane sowie durch vom Decubitus ausgehende Infektionen. Durch laufende fachgerechte medizinische Betreuung kann diese Lebensgefahr geringer gehalten werden, eine gänzliche Beseitigung ist aber nicht möglich. Die hohe Querschnittslähmung und die dadurch verursachte Minderung der Lebensqualität verursacht schwerste psychische Beeinträchtigungen, die zu schweren Depressionen und, sofern dies körperlich überhaupt möglich ist, zum Selbstmord führen können. Eine Quantifizierung der vom Kläger zu erduldenden Schmerzen ist nicht möglich, zumal der Kläger zeitlebens neben den körperlichen Schmerzen Beschwerden und Beeinträchtigungen erdulden muß. Personen mit derartiger Querschnittslähmung sind häufig nicht transportfähig, der Kläger kann jedoch im Rollstuhl lehnend transportiert werden. Er wäre in einem normalen Haushalt völlig hilflos, er könnte allenfalls entsprechend adaptierte Geräte mit der Zunge, dem Kinn oder allenfalls mit dem Kopf bedienen.

Aufgrund der nach dem Unfall eingetretenen allgemeinen Herz- und Atmungsprobleme mußte ein Luftröhrenschnitt durchgeführt werden, die Trachealkanüle muß der Kläger nunmehr aber nicht mehr tragen.

Zum Unfallszeitpunkt war der Kläger Asylwerber und im Rahmen der Flüchtlingsbetreuung in einem Gasthaus in Seewalchen untergebracht. Der Flüchtlingsstatus des Klägers ist mittlerweile rechtskräftig festgestellt worden.

Der Kläger begehrt Schadenersatz wegen der erlittenen Verletzungen. Unter Berücksichtigung einer Akontierung in der Höhe von 1 Mill.S begehrt er den Zuspruch eines Betrages von S 2,053.026,88, davon Schmerzengeld in der Höhe von S 1,5 Mill. sowie Verunstaltungsentschädigung von 300.000 S. Der Kläger brachte dazu vor, der Erstbeklagte habe den Unfall infolge eines Fahrfehlers und aufgrund seiner Alkoholisierung allein verschuldet. Die Alkoholisierung des Erstbeklagten sei dem Kläger nicht erkennbar gewesen, zumal er sich zum Unfallszeitpunkt erst seit 2 Monaten in Österreich aufgehalten und kaum Erfahrungen mit alkoholisierten Personen gehabt habe. Bis zum Unfallszeitpunkt habe er am Verkehrsgeschehen in Österreich kaum teilgenommen, weshalb es ihm auch nicht möglich und zumutbar gewesen sei, volle Kenntnis der österreichischen Verkehrsvorschriften zu haben.

Die Beklagten wendeten ein, den Kläger treffe zumindest gleichteiliges Mitverschulden, weil er gemeinsam mit dem Erstbeklagten mit dem Motorrad in ein Gasthaus gefahren sei. Dort habe der Erstbeklagte mehrere alkoholische Getränke konsumiert, die Alkoholisierung des Erstbeklagten sei dem Kläger auch aufgefallen. Weiters habe der Erstbeklagte den Kläger aufgefordert, den einzig vorhandenen Sturzhelm aufzusetzen, der Kläger habe dies aber abgelehnt. Die schweren Verletzungen des Klägers seien nur dadurch entstanden, daß er keinen Sturzhelm getragen habe.

Ausgehend vom Alleinverschulden des Erstbeklagten sprach das Erstgericht dem Kläger einen Betrag von S 2,001.391,15 samt Zinsen zu, das Mehrbegehren auf Zahlung von S 71.635,70 wurde abgewiesen, die Haftung der beklagten Parteien für zukünftige Schäden des Klägers wurde bejaht. Der Zuspruch beinhaltet Schmerzengeld von S 1,500.000 sowie Verunstaltungsentschädigung von S 300.000.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend traf das Erstgericht folgende Feststellungen:

Der Kläger lebte in den letzten Jahren im Iran und hatte wenig Erfahrung im Umgang mit alkoholisierten Personen. Er hatte vor dem Unfall aber schon alkoholisierte Personen gesehen, deren Alkoholisierung hatte er an der Art ihres Ganges und ihrer Sprache erkannt. Derartige Anzeichen einer Alkoholisierung fielen dem Kläger beim Erstbeklagten vor Antritt der Fahrt nicht auf. Der Kläger hielt sich zum Zeitpunkte des Unfalls erst seit etwa 2 Monaten in Österreich auf und verstand nur wenig Deutsch. Er war nicht darüber informiert, ab welchem Grad der Alkoholisierung es in Österreich verboten ist, ein Fahrzeug zu lenken.

Am Abend des Unfalls traf der Kläger den Erstbeklagten, den er bis dahin noch nicht gekannt hatte, und den Zeugen W*****, den er am Vortag kennengelernt hatte, an der Bushaltestelle gegenüber dem Gasthaus A***** in Seewalchen, in dem der Kläger damals untergebracht war. Der Kläger nahm die beiden mit auf sein Zimmer in diesem Gasthaus. Der Kläger, der Erstbeklagte und der Zeuge W***** hielten sich etwa eine halbe Stunde im Zimmer des Klägers auf. In dieser Zeit konsumierten der Kläger und der Erstbeklagte je zwei Flaschen Bier. Um etwa 21,30 Uhr verließen sie das Zimmer, um in ein Gasthaus zu fahren. Der Kläger fuhr am Sozius auf dem Motorrad des Erstbeklagten mit, er setzte keinen Sturzhelm auf. Hätte er zum Unfallszeitpunkt einen Sturzhelm getragen, so wäre die Halswirbelsäulenverletzung dennoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten.

Ob der Kläger mit dem Erstbeklagten auch im Gasthaus L***** war und ob er den über 2 Flaschen Bier hinausgehenden Alkoholkonsum des Erstbeklagten kannte, konnte nicht festgestellt werden, desgleichen konnte nicht festgestellt werden, ob dem Kläger die Alkoholisierung des Erstbeklagten aufgefallen war und ob er sich der Fahruntüchtigkeit des Erstbeklagten bewußt war.

Der Unfall ereignete sich um 21,45 Uhr, zum Zeitpunkte der Blutabnahme um 23,38 Uhr betrug der Blutalkohol des Erstbeklagten 1,64 %o. Die den Unfall aufnehmenden Beamten nahmen an der Unfallstelle selbst und während der Vernehmung, die um 22,50 Uhr begann, beim Erstbeklagten Alkoholgeruch wahr, sie stellten auch leicht gerötete Augen fest. Bei der klinischen Untersuchung um 23,25 Uhr wurden eine deutliche Sprache, ein gering schwankender Gang, eine Rötung der Augenbindehäute und ein beherrschtes Benehmen festgestellt.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht ein Mitverschulden des Klägers und vertrat die Ansicht, aufgrund seiner geringen Erfahrungen erscheine der Umstand, daß er die Fahruntüchtigkeit des Erstbeklagten nicht erkannte, entschuldbar. Auch die Verletzung der Sturzhelmpflicht begründe kein Mitverschulden, weil der Kläger dieselben Verletzungen auch dann erlitten hätte, wenn er einen Sturzhelm getragen hätte.

Im Hinblick auf den Zustand des Klägers und den notwendigerweise eingetretenen Verlust jeglicher Lebensfreude und der Abhängigkeit von Betreuungspersonen und der mit all diesen Umständen verbundenen psychischen Belastung erachtete das Erstgericht ein Schmerzengeld in der Höhe von 1,5 Mill.S als angemessen. Zweifelsohne sei auch eine Verunstaltung des Klägers gegeben, die eine Heirat als ziemlich unwahrscheinlich erscheinen lasse und eine Verunstaltungsentschädigung in der Höhe von 300.000 S rechtfertige.

Während der klagsabweisende Teil des Urteiles in Rechtskraft erwuchs, erhoben gegen den Zuspruch von S 1,775.695,15 s.A. sowie hinsichtlich des Ausspruches einer 50 % übersteigenden Haftung die beklagten Parteien Berufung.

Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig.

Zur Rechtsfrage vertrat das Berufungsgericht die Ansicht, es könne weder aus dem vom Kläger beobachteten Alkoholkonsum des Erstbeklagten von 2 Flaschen Bier noch aus der durch die Blutabnahme objektivierten Alkoholisierung geschlossen werden, daß dem Kläger, der noch dazu im Umgang mit alkoholisierten Personen wenig Erfahrung hatte, die durch die Alkoholisierung hervorgerufene Herabminderung der Fahrtüchtigkeit des Erstbeklagten bekannt gewesen sei oder hätte bekannt sein müssen. Der Alkoholgeruch des Erstbeklagten und die leicht geröteten Augen stellten noch kein ausreichendes Indiz für eine Erkennbarkeit der Beeinträchtigung des Erstbeklagten für den Kläger dar.

Zur Höhe des Schmerzengeldes führte das Berufungsgericht aus, es sei ein Betrag von S 1,5 Mill. angemessen, weil die psychischen Schmerzen eines hochgradig Querschittgelähmten, der sich seines unabänderlichen Zustandes sowie der damit verbundenen Folgen (latente Lebensgefahr, Herabminderung der durchschnittlichen Lebenserwartung bei optimaler Rehabilitation auf nur 40 bis 50 Jahre, ständige Angewiesenheit auf andere Personen) voll bewußt sei, bei der Ausmittlung des Schmerzengeldes nicht geringer bewertet werden könne, als eine geistige Behinderung. In einem Fall wie dem vorliegenden komme der Ausgleichsfunktion des Schmerzengeldes erhöhte Bedeutung zu, der Verletzte solle in die Lage versetzt werden, sich als Ausgleich für die Leiden auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen.

Auch die vom Erstgericht zugesprochene Verunstaltungsentschädigung sei der Höhe nach im Hinblick auf den Zuspruch in vergleichbaren Fällen durchaus angemessen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß der Berufung Folge gegeben und das Klagebegehren bis auf einen Betrag von S 225.696 s.A. abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt und weiters beantragt, das Feststellungsbegehren der klagenden Partei dahingehend abzuändern, daß die Haftung der beklagten Parteien lediglich für 50 % der zukünftigen Schäden ausgesprochen werde.

Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der Beklagten nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Beklagten vertreten in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, der Kläger hätte die Alkoholisierung des Erstbeklagten erkennen müssen; da er aufgrund seiner Geburt im Iran und dem dort bestehenden Alkoholverbot keine Erfahrungen mit dem Umgang von Alkohol hatte, hätte ihm umso mehr die Alkoholisierung des Erstbeklagten auffallen müssen. Eine nicht Alkohol gewöhnte Person besitze eine wesentlich höhere Sensibilität gegenüber Alkoholisierten, noch dazu bei einem Blutalkohol von 1,8 %o.

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes trifft den Fahrgast, der sich einem infolge Alkoholgenusses fahruntüchtigen Lenker anvertraut und bei einem von diesem verschuldeten oder mitverschuldeten Unfall Schaden erleidet, nur dann ein Mitverschulden, wenn er von der die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung Kenntnis hatte oder nach den Umständen haben mußte. Die Frage, ob jemand Kenntnis von einem bestimmten Sachverhalt hat, ist eine Tatfrage; ob die Alkoholisierung des Fahrers durch den Fahrgast bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkannt werden müssen, ist hingegen eine Rechtsfrage. Die Erkennbarkeit einer derartigen Alkoholisierung kann sich für den Fahrgast entweder aus dem wahrnehmbaren Verhalten des Lenkers oder daraus ergeben, daß ihm die vom Lenker genossenen Alkoholmengen bekannt waren. Es ist daher nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen, ob der Fahrgast bei Berücksichtigung der Erfahrungen des täglichen Lebens damit rechnen mußte, daß sich der Lenker durch den Alkoholgenuß in einem seine Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Zustand befand. Zweifel darüber, ob diese Annahme gerechtfertigt wäre, gehen zu Lasten desjenigen, den die Beweislast für das Mitverschulden des Fahrgastes trifft (ZVR 1988/118; ZVR 1989/24 uva, zuletzt 2 Ob 123/89 und 2 Ob 96/89).

Daß im vorliegenden Fall der Kläger von einer die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigenden Alkoholisierung des Erstbeklagten Kenntnis hatte, wurde von den Vorinstanzen verneint, auf diese Tatfrage ist daher nicht mehr einzugehen. Zu beurteilen bleibt daher nur, ob solche Umstände vorlagen, aus denen der Kläger bei gehöriger Aufmerksamkeit das Vorliegen einer derartigen Alkoholisierung des Erstbeklagten erkennen hätte müssen. Dies trifft nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht zu. Allein die Kenntnis des Konsums von 2 Flaschen Bier rechtfertigt nicht die Annahme eines Mitverschuldens (vgl. die bei Apathy, KommzEKHG, Rz 57 zu § 7 zitierten Entscheidungen). Davon unabhängig zeigte aber der Erstbeklagte keine Merkmale, wie etwa schwankender Gang, lallende Sprache oder sonstiges auffälliges Verhalten, aus denen der Kläger auf eine durch Alkoholgenuß beeinträchtigte Fahrfähigkeit schließen hätte können. Auch die den Unfall aufnehmenden Beamten stellten lediglich Alkoholgeruch und leicht gerötete Augen fest. Bei der klinischen Untersuchung knapp zwei Stunden später wurde eine deutliche Sprache, ein gering schwankender Gang, eine Rötung der Augenbindehäute und ein beherrschtes Benehmen festgestellt. Alle diese Feststellungen rechtfertigen es nicht, dem Kläger eine Sorglosigkeit in eigenen Angelegenheiten mit der Begründung vorzuwerfen, er hätte eine die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Alkoholisierung des Erstbeklagten feststellen müssen.

Zur Frage des Schmerzengeldes und der Verunstaltungsentschädigung machen die Beklagten geltend, daß der hier zu beurteilende Sachverhalt nicht mit jenem, der der Entscheidung 2 Ob 66/92 zugrundeliege, verglichen werden könne, weil der Kläger im vorliegenden Fall bereits eine erhebliche Strecke seines Lebens im unversehrten Zustand zurückgelegt habe, während ein verletztes Kind (im Fall der Entscheidung 2 Ob 66/92) noch gar nicht die Möglichkeit hatte, Lebensqualität zu erreichen. Auch hinsichtlich der Verunstaltungsentschädigung sei ein angemessener Betrag der Höhe nach außer Streit gestellt worden.

Auch dem kann nicht gefolgt werden. Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat, ist bei der Bemessung des Schmerzengeldes einerseits auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen, anderseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung aber ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen im Einzelfall nicht gesprengt werden (2 Ob 18/90, 2 Ob 7/91, 2 Ob 60/92 uva). Der Oberste Gerichtshof erkannte bei besonders schweren Verletzungen mit Dauerfolgen wiederholt einen Betrag von 1 Mill.S zu (2 Ob 18/90; 2 Ob 7/91); in 2 Ob 55/91 wurde ein Betrag von 1,2 Mill.S als berechtigt angesehen, in 2 Ob 60/92 ein solcher von 1,3 Mill.S, in ZVR 1993/150 ein solcher von 1,5 Mill.S. Im Fall der Entscheidung ZVR 1993/150 wurde ein knapp über ein Monat altes Kind bei einem Verkehrsunfall lebensbedrohlich verletzt und ausgeführt, ein Schmerzengeld von 1,5 Mill.S sei angemessen, weil das Kind aufgrund seines geringen Alters und der Schwere der Verletzungen nie in der Lage war und nie in der Lage sein wird, die Freuden und Leiden eines normalen menschlichen Lebens zu erfassen und zu erleben. Wenngleich der hier zu beurteilende Sachverhalt mit jenem, der der Entscheidung ZVR 1993/150 zugrundeliegt, in keiner Weise verglichen werden kann, ist nach Ansicht des erkennenden Senates dessenungeachtet ein Schmerzengeld von 1,5 Mill.S angemessen, weil der Kläger außergewöhnlich hohe psychische Schmerzen zu ertragen hat; er ist sich der latenten Lebensgefahr, der Herabminderung der Lebenserwartung und der ständigen Angewiesenheit auf andere Personen voll bewußt, sodaß er auch außergewöhnliche seelische Schmerzen zu erdulden hat. Gerade in einem solchen Fall kommt - wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat - der Ausgleichsfunktion des Schmerzengeldes erhöhte Bedeutung zu, weil dem Kläger durch die von den Beklagten zu leistenden Zahlungen wenigstens ein gewisser Ausgleich für seine Leiden geschaffen werden kann.

Gegen die Höhe der von den Vorinstanzen zugesprochenen Verunstaltungsentschädigung werden in der Revision keine sachlichen Argumente vorgetragen, es bestehen auch dagegen keine Bedenken, sodaß dem Rechtsmittel der Beklagten ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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