OGH 11Os31/01

OGH11Os31/0126.6.2001

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2001 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Habl, Dr. Zehetner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Eichinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf B***** und andere wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster Satz zweiter Fall StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Niclas B***** sowie über die Berufung des Angeklagten Rudolf B***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Innsbruck vom 19. Dezember 2000, GZ 20 Vr 2011/00-127, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kirchbacher, der Angeklagten Rudolf B***** und Niclas B***** sowie deren Verteidiger Mag. Frick und Dr. Heiter, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, dass die Freiheitsstrafen hinsichtlich Rudolf B***** auf 10 Jahre und hinsichtlich Niclas B***** unter Anwendung des § 41 Abs 1 Z 3 StGB auf drei Jahre herabgesetzt werden.

Den beiden Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Rudolf B***** des Verbrechens des schweren Raubes in zwei Fällen nach §§ 142 Abs 1, 143 Abs 1 zweiter SatzStGB (Punkt A 1 und 2 des Urteilssatzes) und Niclas B***** des als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) zum Faktum A 2 begangenen Verbrechens des schweren Raubes (B) sowie des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 (ersichtlich nur:) Abs 2, Abs 3 und Abs 4 zweiter Satz StGB (C) schuldig erkannt.

Darnach hat Rudolf B*****

(zu A) durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) und unter Verwendung einer Waffe nachangeführten Personen durch Vorhalten einer Gas-, Pfeffer- und Schreckschusspistole und Verlangen von Bargeld mit den Worten "Kohle her" fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abgenötigt, und zwar

1) am 9. Juni 2000 in Walchsee der Bankangestellten Karin R***** rund 608.000 S und

2) am 4. 8. 2000 den Bankangestellten Sonja M*****, Markus K***** und Herbert R***** 1,781.209 S und

Niclas B*****

(zu B) zu der unter A 2 angeführten Tat dadurch beigetragen, dass er mit Rudolf B***** das Leisten von Aufpasserdiensten vereinbarte sowie

(zu C) in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken mit Olga Guerrero R***** ***** am 9. Juni 2000 in Bad Häring Sachen, die Rudolf B***** durch die zu A 1 beschriebene Tat gegen fremdes Vermögen erlangte, nämlich Bargeld in einem 25.000 S übersteigenden Betrag dadurch, dass er Teile der Beute nahm, an sich gebracht, wobei die mit Strafe bedrohte Handlung, durch die die Sache erlangt wurde, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre übersteigt und ihm die Umstände bekannt waren, die diese Strafdrohung begründeten.

Nur den Schuldspruch wegen des Verbrechens des schweren Raubes bekämpft Niclas B***** mit seiner auf § 345 Abs 1 Z 9 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, während Rudolf B***** auf die Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde verzichtet hatte (S 157/V), weshalb die von ihm späterhin selbst verfasste Nichtigkeitsbeschwerde vom Vorsitzenden des Geschworenengerichtes gemäß §§ 344, 285a Z 1 StPO als unzulässig zurückgewiesen wurde (ON 134). Den Ausspruch über die Strafe fechten beide Angeklagten mit Berufung an.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die für den Schuldspruch des Beschwerdeführers zum Faktum B bedeutsame anklagekonform nach bewaffnetem Raub (in unmittelbarer Täterschaft) gestellte Hauptfrage 3 wurde von den Geschworenen verneint, jedoch die für diesen Fall zu beantwortende Eventualfrage 1 (fortlaufende Zahl 4 des Fragenschemas), ob dieser Angeklagte zu dem vom Mitangeklagten Rudolf B***** am 4. August 2000 in der Sparkasse Kufstein ausgeführten bewaffneten Raub beigetragen habe, "indem er mit Rudolf B***** das Leisten von Aufpasserdiensten vereinbart habe und dieser Vereinbarung auch nachgekommen sei", bejaht, allerdings mit der (gemäß § 330 Abs 2 StPO zulässigen) Einschränkung, dass Rudolf B***** der Vereinbarung nicht nachgekommen ist.

Darin, dass die Eventualfrage von den Geschworenen bejaht, dabei jedoch die wiedergegebene Einschränkung vorgenommen wurde, erblickt die Beschwerde einen dem Wahrspruch anhaftenden inneren Widerspruch iSd relevierten Nichtigkeitsgrundes.

Statt jedoch einen solchen Fehler des Wahrspruches aus diesem selbst aufzuzeigen (Mayerhofer, StPO4 § 345 Z 9 EGr 6 f), wendet sich der Angeklagte mit dem Großteil der Einwände nach Art einer zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile nicht vorgesehenen Schuldberufung gegen die dem Wahrspruch zugrunde liegende Beweiswürdigung der Geschworenen. Insoweit wird eine prozessordnungsgemäße Ausführung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes ebenso verfehlt wie mit dem auf ein vorangegangenes Moniturverfahren und die Aussetzung eines anderen Wahrspruches (S 157/V) bezogenen Beschwerdevorbringen.

Die weiters vorgetragene Ansicht "logische Konsequenz" der Nichtannahme tatsächlicher Aufpasserdienste des Angeklagten wäre die uneingeschränkte Verneinung der Eventualfrage 1 gewesen, ist unzutreffend. Die Fragestellung umfasste - wie übrigens von den Geschworenen in der ergänzenden Belehrung gemäß § 327 StPO zutreffend dargelegt wurde - zwei Verhaltenskomponenten, die gesondert als jeweils die Tatausführung fördernde Handlungen in Frage kamen, nämlich die Vereinbarung des Leistens von Aufpasserdiensten als psychischer und das Erbringen solcher Dienste als physischer Beitrag. Mit der Nichtannahme tatsächlicher Aufpasserdienste war daher keineswegs denknotwendig die Verneinung der Frage verbunden, ob solche Dienste vereinbart wurden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Zur Berufung des Rudolf B*****:

Das Geschworenengericht verhängte über diesen Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von zwölf Jahren und wertete dabei als erschwerend die Tatwiederholung, die, allerdings überwiegend längere Zeit zurückliegenden, Vorstrafen, die Höhe der Beute (rund 2,3 Mio S), das arbeitsteilige Vorgehen zum Faktum A 2 und die dabei erfolgte Bedrohung von drei Personen sowie die Verführung seines Sohnes zu dieser Tat, als mildernd die Sicherstellung des größten Teiles der Beute aus dem Raub vom 4. August 2000 und das wenngleich unter erdrückender Beweislast erfolgte Geständnis.

Zwar ist der punktuellen Kritik des Berufungswerbers, der eine Herabsetzung des Strafmaßes anstrebt, an einzelnen Strafzumessungserwägungen nur zum geringen Teil zuzustimmen, bei Abwägung aller strafrelevanten Umstände kann ihm im Ergebnis Berechtigung aber nicht zur Gänze verwehrt werden:

Verfehlt ist das Argument, das Geständnis wäre reumütig und zudem als wesentlicher Beitrag zur Wahrheitsfindung (und damit als mildernd iSd § 34 Abs 1 Z 18 StGB) anzusehen, setzt doch Reue eine - hier nicht zu beobachtende - innere Umkehr voraus und war die Täterschaft des Angeklagten durch die detaillierten Angaben seines Sohnes zu beiden Raubfakten bereits erwiesen, ganz abgesehen davon, dass der Berufungswerber durch seinen Versuch, den Zweitangeklagten zu decken, gerade keinen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hat.

Die Vorstrafenbelastung des Angeklagten wurde zwar nicht detailliert, doch nicht undifferenziert berücksichtigt. Tatsächlich war Rudolf B***** bis und mit dem vom Geschworenengericht hervorgehobenen Urteil vom 8. November 1973 in Deutschland insgesamt neunmal, davon fünfmal wegen (nach der Definition des § 71 StGB) einschlägiger strafbarer Handlungen zu Freiheitsstrafen in der Gesamtdauer von über neunzehn Jahren verurteilt worden und danach wieder ab einem Urteil vom 18. Juli 1983 sechs weitere Male in der Bundesrepublik Deutschland und in der Schweiz, darunter am 13. Mai 1986 und 25. August 1998 wegen Betruges zu zusammen zwei Jahren und sechs Monaten und zuletzt am 5. März 1998 wiederum wegen Betruges zu einer Geldstrafe (ON 19).

Weil ausländische Verurteilungen tilgungsrechtlich inländischen Verurteilungen dann gleich stehen, wenn sie den Rechtsbrecher wegen einer Tat schuldig sprechen, die auch nach österreichischem Recht gerichtlich strafbar ist (§ 7 Abs 1 TilgG) - womit die Urteile vom 10. April 1961 wegen Fahrens ohne Führerschein und vom 31. Jänner 1984 (Gesamtstrafe für die in ON 19 unter Punkt 12 und 13 angeführten Straftaten: Steuerhinterziehung, falsche Versicherung an Eides statt und Fahren ohne Führerschein) außer Betracht bleiben - und eine öffentliche Urkunde, aus welcher eine Tilgung nach deutschem (oder eidgenössischem) Recht hervorgeht, nicht vorliegt (§ 7 Abs 3 TilgG), gilt § 4 iVm §§ 3 und 7 Abs 2 TilgG. Darnach ist aber keine einzige der ausländischen Verurteilungen getilgt, sodass der diesbezügliche Berufungseinwand nicht stichhältig ist.

Keinen beachtlichen Milderungsgrund stellt der behauptete psychische Druck als Folge einer lang anhaltenden Belastungssituation dar, ebensowenig wie der Hinweis auf das Alter des Angeklagten (von fünfundsechzig Jahren), womit die damit reklamierte besondere Strafempfindlichkeit nicht hinreichend begründet wird.

Hingegen ist dem Berufungswerber zuzugeben, dass von einer den Grad eines beachtenswerten Erschwerungsgrundes erreichenden arbeitsteiligen Vorgangsweise bei der Raubtat vom 4. August 2000 nicht gesprochen werden kann.

Wägt man die zu Tage liegenden Strafzumessungsgründe ab, dann ist vor allem zu beachten, dass die Strafzumessungsschuld, die sich hM zufolge aus Erfolgsunwert, Handlungsunwert und fehlerhafter Einstellung des Täters gegenüber den rechtlich geschützten Werten zusammensetzt, einer näheren Prüfung bedarf.

So wird der an sich hohe Erfolgsunwert durch das Zustandebringen eines Großteils der Beute erheblich reduziert, während bei der Beurteilung des Handlungsunwertes zugunsten des Angeklagten insbesondere ins Gewicht fällt, dass die bei den Raubtaten verwendeten (qualifikationsbegründenden) Waffen, eine Schreckschusspistole und eine (ungeladene: vgl S 39/I) Gaspistole, als fraglos mindergefährlich einzustufen sind. Auch unter Einbeziehung der durch die zahlreichen Vorverurteilungen - auch wegen nicht einschlägiger Taten - dokumentierten, in den verfahrensgegenständlichen Taten aktualisierten ablehnenden Einstellung des Angeklagten gegenüber rechtlich geschützten Werten ergibt sich, dass die Strafzumessungsschuld gegenüber dem vom Geschworenengericht ersichtlich angenommenen Schweregrad nicht unerheblich zurückbleibt. Im Zusammenhalt mit den übrigen Strafzumessungskomponenten ist dementsprechend eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf zehn Jahre gerechtfertigt.

Zur Berufung des Niclas B*****:

Die über diesen Angeklagten nach §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB verhängte Freiheitsstrafe von sechs Jahren begründete das Geschworenengericht mit den Erschwerungsgründen des Zusammentreffens zweier Verbrechen, der Höhe der Beute (fast 1,9 Mio S), des arbeitsteiligen Vorgehens und der Qualfikation auch nach § 164 Abs 3 StGB sowie den Milderungsgründen der Unbescholtenheit des zur Tatzeit noch nicht 21 Jahre alten Angeklagten, seiner untergeordneten Rolle bei der Raubtat, der weitgehenden Sicherstellung der dabei erzielten Beute sowie seiner maßgeblich zur Wahrheitsfindung beitragenden Angaben und seines Geständnisses zur Hehlerei.

Mit seinen Rechtsmitteln zielt der Angeklagte auf eine Reduzierung des Strafmaßes unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB, jedenfalls aber auf die Gewährung teilbedingter Strafnachsicht. Die Berufung ist begründet.

Auch hier gilt, dass das Ausmaß des Erfolgsunwertes als Element der Strafzumessungsschuld durch die weitgehende Wiederbeschaffung der Raubbeute verringert wurde; der Handlungsunwert wiederum erschöpft sich in einer (immerhin schon schuldbegründenden) psychischen Unterstützung des grundsätzlich tatentschlossenen Erstangeklagten bei der Raubtat vom 4. August 2000, die er zudem unter maßgeblicher Einwirkung seines Vaters verübt hat (§ 34 Abs 1 Z 4 StGB) und der Ausnützung einer sich unerwartet bietenden Gelegenheit bei der Hehlerei. Auch der Gesinnungsunwert ist als nicht hoch zu werten, sodass bei Berücksichtigung des bisher tadelsfreien Vorlebens des Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren und seine zur Wahrheitsfindung entscheidend beitragenden Angaben auch unter Bedachtnahme auf die mit Abstrichen (arbeitsteilige Vorgangsweise) vom Erstgericht zutreffend angenommenen Erschwerungsgründen die Milderungsgründe beträchtlich überwiegen. Die Jugend des Angeklagten und seine bisherige Unbescholtenheit bieten Grund zur Annahme, dass er auch bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß von fünf Jahren unterschreitenden Freiheitsstrafe keine weiteren strafbaren Handlungen begehen werde, weshalb das Strafmaß unter Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 Abs 1 StGB auf drei Jahre herabgesetzt werden konnte.

Die günstige Verhaltensprognose allein rechtfertigt dagegen nicht auch die Gewährung bedingter oder teilbedingter Strafnachsicht (§§ 41 Abs 3, 43 und 43a StGB).

Einer gänzlich bedingten Nachsicht stehen schon generalpräventive Überlegungen entgegen, während die für eine teilbedingte Strafnachsicht hier gemäß § 43a Abs 4 StGB zudem zu fordernde hohe Wahrscheinlichkeit künftigen Wohlverhaltens nicht prognostiziert werden kann.

Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.

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