OGH 11Os126/16p

OGH11Os126/16p4.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat am 4. Juli 2017 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger, Mag. Michel und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart der Richterin des Landesgerichts Dr. Sadoghi als Schriftführerin in der Strafsache gegen Michael F***** und andere Angeklagte wegen des Vergehens der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Michael F*****, Claudia B***** und Mag. Bernd S*****, die „Beschwerde“ des Letzteren und die Berufung der Privatbeteiligten A***** AG gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7. Juni 2016, GZ 125 Hv 150/15t‑139, sowie die Beschwerde dieser Privatbeteiligten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 26. Juli 2016, GZ 125 Hv 150/15t-158, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0110OS00126.16P.0704.000

 

Spruch:

 

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen, demzufolge auch in den Aussprüchen über die Strafe und über die privatrechtlichen Ansprüche gemäß § 369 Abs 1 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren weiteren Rechtsmitteln werden die Angeklagten und die Privatbeteiligte auf diese Entscheidung verwiesen.

 

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Freisprüche der Mitangeklagten Dr. Achim K*****, Dr. Anton Sc***** und Mag. Rudolf F***** enthält, wurden Michael F***** (zu C), Mag. Bernd S***** (zu B) und Claudia B***** (zu A) jeweils des Vergehens der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB, Letztere weiters (zu D) des Vergehens der Begünstigung nach §§ 15, 299 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach haben

(A) Claudia B***** im Jänner 2008 in Graz zur strafbaren Handlung des außer Verfolgung gesetzten Mag. Gernot Sch***** beigetragen, der

„seine Befugnis“ als Mitglied des Vorstands der T***** Aktiengesellschaft „wissentlich missbrauchte“, indem er die vorsatzlos handelnden Dr. Achim K***** und Dr. Anton Sc***** „anwies und dazu beitrug“, dass diese ihre ihnen als Geschäftsführer der e***** GmbH eingeräumte Befugnis, über das Vermögen der e***** GmbH & Co KG zu verfügen oder diese zu verpflichten, „missbrauchten“ und (dadurch) „der genannten Gesellschaft“ einen 50.000 Euro übersteigenden Vermögensnachteil zufügten, indem sie die Bezahlung einer von der c***** Gesellschaft mbH an die e***** GmbH & Co KG ausgestellten Rechnung im Betrag von 119.760 Euro veranlassten, obwohl die fakturierten Leistungen nicht erbracht wurden,

indem sie die Ausstellung dieser Scheinrechnung veranlasste und in weiterer Folge die Zahlung der e***** GmbH & Co KG entgegennahm;

(B) Mag. Bernd S***** im Jänner 2008 in Graz zu der im Punkt A beschriebenen strafbaren Handlung des Mag. Sch***** beigetragen, indem er die Daten des Rechnungsempfängers sowie den Inhalt der zu erstellenden Scheinrechnung an B***** weiterleitete und ihr auftrug, die von der e***** GmbH & Co KG zu leistende Zahlung entgegenzunehmen;

(C) Michael F***** im Jänner 2008 in Wien zu der im Punkt A beschriebenen strafbaren Handlung des Mag. Sch***** beigetragen, indem er die Daten des Rechnungsempfängers sowie den Inhalt der zu erstellenden Scheinrechnung an Mag. S***** weiterleitete und Dr. Achim K***** mitteilte, dass diese Zahlung vorzunehmen sei;

(D) Claudia B***** am 27. und am 28. April 2016 in Wien durch ihre Verantwortung in der Hauptverhandlung des Verfahrens AZ 125 Hv 150/15t des Landesgerichts für Strafsachen Wien, sie habe „in der gegenständlichen Causa ausschließlich Kontakt mit dem Kronzeugen Mag. Gernot Sch***** und dem verstorbenen Dr. Karl Br***** gehabt“, Mag. S*****, der eine (nämlich die vom Schuldspruch B erfasste) mit Strafe bedrohte Handlung begangen hatte, der Verfolgung absichtlich zu entziehen versucht.

 

Ihre dagegen erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden stützen die Angeklagten F***** auf Z 9 lit a, Mag. S***** und B***** auf Z 3, 5, 5a, 9 lit a und 11, Letztere darüber hinaus auf Z 10 und 10a jeweils des § 281 Abs 1 StPO.

 

Nach den Feststellungen des Ersturteils liegt den Schuldsprüchen A, B und C folgender Sachverhalt zugrunde:

Im Jänner 2008 war die T***** Aktiengesellschaft (im Folgenden: T***** AG) Alleingesellschafterin der e***** GmbH. Diese wiederum war Komplementärin der e***** GmbH & Co KG, deren Kommanditistin zugleich die T***** AG war.

Als Mitglied des Vorstands der T***** AG erteilte Mag. Sch***** den beiden Geschäftsführern der e***** GmbH, Dr. K***** und Dr. Sc*****, die „Weisung“, namens der e***** GmbH & Co KG aus deren Vermögen eine an diese von der c***** Gesellschaft mbH gestellte Rechnung über 119.760 Euro zu bezahlen. Dr. K***** und Dr. Sc***** – tunlichst darauf bedacht, ihr weiteres berufliches Fortkommen im Unternehmen nicht zu gefährden – veranlassten daraufhin aufgrund des ausgeprägten Abhängigkeitsverhältnisses die entsprechende Geldüberweisung und unterließen jede von Mag. Sch***** klar als unerwünscht deklarierte selbständige Prüfung der Rechnung. Dieser in Wahrheit „rechtsgrundlosen“ (US 25) Zahlung stand indes „keinerlei Gegenleistung gegenüber“ (US 21). Mag. Sch***** wusste dies, während Dr. K***** und Dr. Sc***** völlig „vorsatzlos“ handelten.

F***** (ein Bereichsleiter der T***** AG) und Mag. S***** (der Geschäftsführer der *****partei) förderten die beschriebenen Vorgänge, indem Ersterer dem Zweiteren und dieser sodann B***** den Inhalt der erwähnten, von ihr zu erstellenden Scheinrechnung sowie die Daten der Rechnungsempfängerin mitteilte; B***** (die Geschäftsführerin der c***** Gesellschaft mbH) schließlich, indem sie die erwähnte Scheinrechnung namens der von ihr vertretenen Gesellschaft an die e***** GmbH & Co KG ausstellte.

Diese Verhaltensweisen der Angeklagten F*****, Mag. S***** und B***** beurteilte das Erstgericht rechtlich als Beiträge sowohl (1.) zu einer auf Ebene der T***** AG begangenen Untreue deren Vorstandsmitglieds Mag. Sch***** (in Gestalt der dargestellten Weisungserteilung an die Geschäftsführer der Tochtergesellschaft) als auch (2.) zu einer auf Ebene der e***** GmbH & Co KG begangenen Untreue der beiden Geschäftsführer deren Komplementärin, der e***** GmbH (in Gestalt der Freigabe der betreffenden Zahlung).

Die durch die Zahlung des Rechnungsbetrags bewirkte Verringerung der Aktiven der e***** GmbH & Co KG habe sich als Schaden „in exakt gleicher Höhe auch im Vermögen der e***** GmbH sowie – durch entsprechende Verringerung des Vermögens dieser Kapitalgesellschaft – bei deren Alleineigentümerin“, der T***** AG, ausgewirkt (US 21).

Rechtliche Beurteilung

Wie die Rechtsrügen (Z 9 lit a) im Kern zutreffend aufzeigen, ist das angefochtene Urteil in seinen Schuldsprüchen A, B und C (gleichermaßen) mit materieller Nichtigkeit behaftet.

 

Vorausgeschickt sei, dass § 153 StGB mit BGBl I 2015/112 und 154 (Inkrafttreten am 1. Jänner 2016)– somit zwischen Tat- und Urteilszeitpunkt – geändert wurde.

Neben sprachlichen Modifikationen (in Abs 1), die den Regelungsinhalt unverändert ließen, kam es zu einer Anhebung der Qualifikationsgrenzen (bislang Abs 2, nun Abs 3). Weiters definiert der neu gefasste Abs 2 Befugnismissbrauch (Abs 1) – nunmehr ausdrücklich – als unvertretbaren Verstoß gegen solche Regeln, die „dem Vermögensschutz des wirtschaftlich Berechtigten dienen“ (vgl N. Huber in Kert/Kodek, HB Wirtschaftsstrafrecht Rz 4.5 ff und 4.31 ff). Im Schrifttum ist umstritten, inwieweit diese Formulierung – aufbauend auf die zur sog Ein-Mann-GmbH entwickelte Rechtsprechung (SSt 53/45; RIS‑Justiz RS0094723) – Fälle aus dem Tatbestand ausscheidet, in denen eine vom Machtgeber (zB Gesellschaft) verschiedene Person als dessen „wirtschaftlich Berechtigter“ in Betracht kommt (zB Anteilseigner) und (1.) der dem Machtgeber entzogene Vermögenswert dieser Person zufließt (Letztere also nicht geschädigt wird) und/oder (2.) diese Person der schädigenden Vertretungshandlung (wirksam) zugestimmt hat (dass die vom Initiativantrag 1110/A 25. GP intendierte Regelung, wonach eine Zustimmung des Machtgebers oder des wirtschaftlich Berechtigten Missbrauch jedenfalls ausschließe, nicht Gesetz wurde, schmälert insoweit die Aussagekraft des JAB [728 BlgNR 25. GP 5 ff]; zum Meinungsstand siehe nur Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 153 Rz 10 und die dort zitierte Literatur; zur tatbestandsausschließenden Wirkung einer Zustimmung des Rechtsgutsträgers siehe Hinterhofer in Hinterhofer, Praxishandbuch Untreue 123 [126 ff]).

Nach dem Urteilssachverhalt wurde die in Rede stehende Zahlung aus dem Vermögen der e***** GmbH & Co KG geleistet. An dieser war letztlich – als einerseits Kommanditistin, andererseits Alleingesellschafterin der Komplementärin – ausschließlich die T***** AG beteiligt, somit (ebenfalls) „wirtschaftlich berechtigt“ (sog Ein‑Personen‑GmbH & Co KG; vgl Edelmann in Bergmann/Ratka, HB Personengesellschaften2 Rz 5/7; zur Rechtsfähigkeit einer solchen siehe nur § 161 Abs 2 iVm § 105 zweiter Satz UGB [zur Tatzeit bereits in Geltung stehend]).

Im Gegenstand kam es allerdings nicht zu einer Vermögensverschiebung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft, sondern – ebenso wie zu 11 Os 52/15d, jedoch anders als zu 12 Os 117/12s – zu einem schädigenden Vermögensabfluss aus dem Unternehmensverbund (vgl McAllister, ÖJZ 2015, 780 [787]). Auch von einem tatbestandsausschließenden Einverständnis – sei es der jeweiligen Gesellschaft (als Machtgeberin), sei es der jeweiligen Anteilseigner – ist nach den Feststellungen weder auf Ebene der T***** AG noch auf Ebene der e***** GmbH & Co KG auszugehen.

Jedenfalls für die konkrete Fallgestaltung bewirkte die angesprochene Gesetzesänderung somit keine Einschränkung (oder Erweiterung) der Strafbarkeit (gegenüber der zur Tatzeit geltenden Rechtslage), die im Rahmen des nach § 61 zweiter Satz StGB vorzunehmenden Günstigkeitsvergleichs noch vor Betrachtung der Unrechtsfolgen beachtet werden müsste (RIS‑Justiz RS0118096, RS0119085 [T1]).

Ein den Tatbestand ausschließendes Einverständnis wäre – wie zu ergänzen bleibt – hier lediglich auf Ebene der e***** GmbH & Co KG in Betracht zu ziehen gewesen: Nämlich in Gestalt der festgestellten Weisung eines (selbst nicht als [Allein-]Aktionär an der von ihm vertretenen Gesellschaft beteiligten) Mitglieds des Vorstands der T***** AG gegenüber den Geschäftsführern der e***** GmbH (zur Vertretung einer GmbH & Co KG durch die Geschäftsführer der Komplementär-GmbH siehe nur Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 § 170 Rz 7). Unabhängig davon, ob diese Weisung ihrerseits Untreue gegenüber der T***** AG darstellt (dazu unten Punkt 1.), hätte sie die beiden Geschäftsführer jedoch (schon) aus folgenden Gründen nicht von ihrer Treuepflicht zu dispensieren vermocht:

Gesellschafter einer GmbH sind gegenüber deren Geschäftsführern weisungsbefugt (§ 20 Abs 1 GmbHG). Deren Befugnisfehlgebrauch kann ausgeschlossen sein, wenn die Gesellschafter ihrer (die Gesellschaft schädigenden) Vertretungshandlung wirksam zugestimmt haben. Dafür genügt die bloße Weisung durch einzelne (Minderheits-)Gesellschafter jedenfalls nicht (für Zustimmung aller Gesellschafter etwa Rüffler in FS Jud 533 [547]; N. Huber, ÖJZ 2010, 999 [1004 f]; für eine [bloß] mehrheitliche Beschlussfassung bspw Schima in FS Reich‑Rohrwig 161 [189 f]).

Ist (wie hier) einzige Gesellschafterin der GmbH eine AG, werden deren Gesellschafterrechte durch ihren Vorstand wahrgenommen. Dessen Weisung (oder Zustimmung) gegenüber den Geschäftsführern (als Repräsentanten sowohl der GmbH als auch der GmbH & Co KG) kann genügen, um einen Befugnisfehlgebrauch (auf Ebene der Tochtergesellschaft[en]) auszuschließen (Fuchs in Lewisch, Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht 2014, 9 [12 f]; McAllister, ÖJZ 2015, 780 [786]; Bollenberger/Wess, RdW 2014, 247 [248]; Schmieder/Singer, SWK 2014, 545 [548 f]; zu Reichweite und Wirksamkeit einer Zustimmung, die ein Machthaber, dessen eigener Befugnisfehlgebrauch in Rede steht, für den von ihm Vertretenen erteilt hat vgl Schima, RdW 2015, 288 [289]; eine Zustimmungskompetenz des Vorstands in solchen Fällen überhaupt verneinend hingegen Lewisch in Lewisch, Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht 2014, 19 [26]).

Schon angesichts der Kriterien für ein wirksames Einverständnis der Gesellschafter gegenüber den Machthabern der Gesellschaft würde aber eine allfällige tatbestandsausschließende Zustimmung der AG durch (bloß) ihre organschaftlichen Vertreter – die somit ihrerseits fremdes Vermögen verwalten – jedenfalls die Wahrung der Gesamtvertretung erfordern (vgl 11 Os 52/15d):

Gemäß § 71 Abs 2 AktG sind, sofern die Satzung nichts anderes bestimmt, die Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich vertretungsbefugt. Rechtsgeschäftliche Erklärungen werden daher grundsätzlich erst dann wirksam, wenn sich sämtliche (nach dem Gesetz oder der davon abweichenden Satzung erforderlichen) Gesamtvertreter an ihnen beteiligen (Nowotny in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 § 71 Rz 13). Dies war nach den Feststellungen des Ersturteils aber nicht der Fall, weil ein Vorstandsmitglied allein diese „Weisung“ erteilte (vgl US 68, wonach Mag. Sch***** gemäß der Satzung der T***** AG nur gemeinsam mit einem weiteren Vorstandsmitglied [oder einem Prokuristen] zur Vertretung berufen war). Damit fehlte es bereits an einer Weisung des Vorstands (zur mangelnden Bindung der Geschäftsführer an absolut nichtige [und nicht bloß im Sinn des § 41 GmbHG anfechtbare] Weisungen [Gesellschafterbeschlüsse] vgl zudem erneut 11 Os 52/15d mwN; RIS-Justiz RS0130392; Kodek/Csoklich in WK2 Gesellschaftsrechtliche Aspekte des Wirtschaftsstrafrechts Rz 87).

Dass (bloß) Kollektivvertretungsbefugte – im Verhältnis zum vertretenen Machtgeber (hier: der Muttergesellschaft) – auch einzeln Untreue begehen können (RIS-Justiz RS0094845, RS0130419) und die (zivilrechtliche) Anfechtbarkeit oder Ungültigkeit einer Rechtshandlung (hier: „Weisung“ des Vorstandsmitglieds) für deren Beurteilung als Untreue bedeutungslos ist (RIS-Justiz RS0094787; Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 21), steht, wie der Vollständigkeit halber angemerkt sei, dem Erfordernis zivilrechtlicher Gültigkeit für die Wirksamkeit einer von organschaftlichen Vertretern der Muttergesellschaft gegenüber den Organen der Tochtergesellschaft erklärten (somit allenfalls deren Befugnisfehlgebrauch ausschließenden) Zustimmung nicht entgegen (anders, weil insoweit nicht differenzierend Jaroš/Cernusca/Adrian, RWZ 2016, 66).

1. Zum Vorwurf der Untreue auf Ebene der T***** AG:

Der Tatbestand des § 153 StGB ist nur verwirklicht, wenn der Machtgeberin der Vermögensschaden unmittelbar durch die unter Missbrauch der Vertretungsbefugnis gesetzte Handlung des Machthabers – und nicht etwa (erst) durch zusätzliche Handlungen des Vertretenen (Machtgebers) oder eines Dritten – entstanden ist (RIS-Justiz RS0130418; Pfeifer SbgK § 153 Rz 35, 38; McAllister, ÖJZ 2014, 13 [18]; Stricker JBl 2017, 475 [475 f]).

Unmittelbar durch die Weisung des Vorstandsmitglieds der T***** AG (Mag. Sch*****) an die beiden Geschäftsführer des Tochterunternehmens (Dr. K***** und Dr. Sc*****) wurde vorliegend aber kein Mittelabfluss bewirkt. Dazu bedurfte es vielmehr noch der (auftragsgemäßen) Veranlassung der Geldüberweisung aus dem Vermögen der e***** GmbH & Co KG durch deren Machthaber.

Klarstellend sei hinzugefügt, dass zwar die Tathandlung des § 153 StGB auch in einer (pflichtwidrigen) Weisung zu einer schädigenden Handlung bestehen kann (RIS‑Justiz RS0094733 [insbesondere T2]; Kienapfel/Schmoller, StudB BT II § 153 Rz 52, 59). Dazu muss aber diese schädigende Handlung selbst – auch wenn sie an Untergebene delegiert wurde – in die Kompetenz des Täters fallen (15 Os 97/14z; 15 Os 98/14x). Mit anderen Worten: Es muss dem Täter zumindest die (ihm allenfalls mit anderen gemeinsam zustehende) Rechtsmacht zukommen, (hier:) die Zahlstelle des die schädigende Zahlung leistenden Unternehmens (also der e***** GmbH & Co KG) zur Überweisung von Geldern zu verpflichten (vgl RIS‑Justiz RS0094595 [T4, T6]).

Da die Organe der Muttergesellschaft (in rechtlich abgesicherter Weise) nur im Wege der Ausübung von Gesellschafterrechten auf die Tochtergesellschaften Einfluss nehmen können (Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht Rz 3/935), kommt ihnen aber nicht selbst die Rechtsmacht zu, über das Vermögen der Tochtergesellschaften zu verfügen und Zahlungen aus deren Vermögen zu leisten.

In diesem Sinn führt die missbräuchliche Vertretungshandlung (Weisung) dann nicht unmittelbar zum Schaden, wenn für den Schadenseintritt – wie hier – die (nicht bloß rein manipulative) Handlung eines anderen Machthabers (Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft) den Ausschlag gibt, der für die Anweisung zur Auszahlung zuständig ist (abermals 15 Os 97/14z; 15 Os 98/14x).

Die in Rede stehende Weisungserteilung kommt daher – in der aktuellen Konstellation und de lege lata (trotz der Ähnlichkeit mit der Anweisung an eine bloße Zahlstelle– vgl Lewisch, BT I2 251) – nicht als Ausführungshandlung im Sinn des § 153 StGB in Betracht. Schon aus diesem Grund scheidet die Annahme von sonstiger Beteiligung (§ 12 dritter Fall) der Beschwerdeführer an einer von Mag. Sch***** (als Mitglied des Vorstands der T***** AG dieser gegenüber) in unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall) begangenen Untreue aus (anders, jedoch ohne Auseinandersetzung mit dem dargestellten Konnexitätserfordernis zu vergleichbaren Fallgestaltungen offenbar Fuchs in Lewisch, Jahrbuch Wirtschaftsstrafrecht 2014, 9 [13], 2015, 345 [357] und 2016, 37 [43 f]; wie dieser wohl auch McAllister, ÖJZ 2015, 780 [786]; vgl weiters Schumann/Soyer, Jst 2014, 195 [199]).

Damit kann offen bleiben, ob eine durch die nachfolgende Auszahlung nicht nur (unmittelbar) der e***** GmbH & Co KG, sondern zugleich der (von Mag. Sch***** als Vorstandsmitglied vertretenen) T***** AG als Kommanditistin dieser Personengesellschaft (und Alleingesellschafterin deren Komplementärin) entstandene Vermögensverkürzung in Gestalt einer Minderung ihrer Beteiligungswerte, die solcherart zwar just die (durch Mag. Sch*****) vertretene Gesellschaft (vgl RIS‑Justiz RS0094723, RS0094792, RS0108965; zur Schädigung gerade des Geschäftsherrn [und nicht eines Dritten] als Charakteristikum der Untreue RIS-Justiz RS0106192; Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 36), allerdings bloß mittelbar (in ihrer Eigenschaft als Gesellschafterin ihrer Tochtergesellschaften) trifft, als Untreue-Schaden infrage kommt (verneinend Schima, RdW 2015, 288 [289 und FN 14]; zum als mittelbarer Vermögensschaden zivilrechtlich nicht ersatzfähigen, sog Reflexschaden Trenker , GesRZ 2014, 10 [13]; vgl auch Eckert/Tipold , GES 2013, 59 [70]).

Bemerkt sei, dass das Verhalten des Vorstandsmitglieds jedoch – abhängig von der Täterintention – als Bestimmung (§ 12 erster Fall) zur Untreue (siehe Punkt 2.) oder als Betrug fassbar sein kann.

 

2. Zum Vorwurf der Untreue auf Ebene der e***** GmbH & Co KG:

Beim Sonderpflichtdelikt (§ 14 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StGB) der Untreue (§ 153 StGB) hängt das Unrecht der Tat – somit auch die Haftung aller extranen Beteiligten – von einem „Missbrauch“, also einem vorsätzlichen Fehlgebrauch einer Befugnis durch den Intraneus (ie den Machthaber) ab (RIS-Justiz RS0090558 [T8, T9, T10, T11, T13], RS0116032; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 69, 104 und § 14 Rz 15, 17; Leukauf/Steininger/Flora, StGB4 § 153 Rz 46).

Im Gegenstand ging das Erstgericht indes davon aus, dass die beiden Geschäftsführer der e***** GmbH– als Machthaber der e***** GmbH & Co KG – „vorsatzlos“ handelten (insbesondere US 5, 18, 20, 26, 69, 71).

Dass der Extraneus einen – tatsächlich aber nicht vorhandenen – Vorsatz des Intraneus in Bezug auf dessen Befugnisfehlgebrauch (solcherart irrtümlich) bloß „für gewiss hält“ (US 24, 25), kann seine Strafbarkeit wegen (hier: sonstigen Beitrags zur) Untreue – der Auffassung des Erstgerichts zuwider – nicht begründen.

Zur Frage allfälliger Versuchsstrafbarkeit (§ 15 StGB) sei auf Basis der Tatsachenfeststellungen im Ersturteil klarstellend festgehalten:

Da die beiden Geschäftsführer ihre Befugnis– mangels vorsätzlichen Fehlgebrauchs ihrer Rechtsmacht – nicht „missbrauchten“, wirkten sie durch ihr (wenngleich der Weisung des Mag. Sch***** entsprechendes) Handeln nicht in der von § 153 StGB geforderten „bestimmten Weise“ (§ 14 Abs 1 zweiter Satz zweiter Fall StGB) mit. Demnach gelangte die von Mag. Sch***** und den Nichtigkeitswerbern intendierte Tatausführung durch die Intranei zu keinem Zeitpunkt auch nur (mit Blick auf die vom Tatbestand vorausgesetzte vorsatzgeprägte Ausführungsart) „objektiv“ ins Versuchsstadium. Ausgehend davon wäre zwar die Weisungserteilung durch Mag. Sch***** als versuchte Bestimmung (§§ 15, 12 zweiter Fall StGB) zur Untreue zu werten (zum Bestimmungsversuch Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 72 ff; zu dessen Strafbarkeit bei Sonderpflichtdelikten vgl RIS-Justiz RS0108964). Eine Strafbarkeit des festgestellten Verhaltens der B*****, des Mag. S***** und des F***** als versuchte Beteiligung durch sonstigen Beitrag (§ 12 dritter Fall StGB) jedoch scheidet e contrario § 15 Abs 2 StGB aus (Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 94, 108 f; RIS-Justiz RS0090016 [insbesondere T8, T9]). Diese quantitative Akzessorietät der Beitragstäterschaft (Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 97 f) bewirkt Straflosigkeit ihrer Tathandlungen auch, soweit sie (zugleich) als Mitwirkung am (wiewohl seinerseits strafbaren) Bestimmungsversuch des Mag. Sch***** aufzufassen sind (Hager/Massauer in WK2 StGB §§ 15, 16 Rz 216; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 96, 109).

 

Die Beurteilung der festgestellten Verhaltensweisen der Beschwerdeführer als Beiträge zu einer Untreue (sei es des Mag. Sch***** als Mitglied des Vorstands der T***** AG, sei es des Dr. K***** und des Dr. Sc***** als Geschäftsführer der e***** GmbH) ist daher – auf Grundlage des Urteilssachverhalts – rechtlich verfehlt.

Aus der vom Erstgericht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 20. Oktober 2015, AZ 11 Os 52/15d (US 71), ist für den ersichtlich argumentierten gegenteiligen Rechtsstandpunkt – Annahme strafbarer Beteiligung ohne vorsätzlichen Befugnisfehlgebrauch der Intranei sowie von (nicht nur Bestimmungs-, sondern auch) unmittelbarer Täterschaft des Mag. Sch***** (in seiner Eigenschaft als Machthaber der T***** AG) – nichts zu gewinnen. Lagen doch den im genannten Erkenntnis angeführten Schuldsprüchen I D, I E 2 und I F 1 (anders als im aktuellen Fall) Handlungen zugrunde, die der betreffende, als unmittelbarer Täter des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs 1 und 2 zweiter Fall StGB (idF vor BGBl I 2015/112 und 154) schuldig erkannte Angeklagte jeweils selbst als Befugnisträger (faktischer [I D] und handelsrechtlicher [I E 2] Geschäftsführer sowie Vorstandsmitglied [I F 1]) der von ihm (selbst) vertretenen und unmittelbar geschädigten Gesellschaften – wenn auch unter Anweisung eines vorsatzlos handelnden, in den genannten Gesellschaften teils als Rechnungswesensleiter, teils als handelsrechtlicher Geschäftsführer tätigen Mitangeklagten – gesetzt hatte.

 

Dass Mag. Sch***** den beiden Geschäftsführern die in Rede stehende Weisung mit Täuschungsvorsatz erteilt hätte, hat das Erstgericht auf Sachverhaltsebene zwar ausdrücklich verneint (insbesondere US 19 f). Nicht durch Feststellungen geklärt ist aber, ob B***** bei Ausstellung der Rechnung an die e***** GmbH & Co KG sowie Mag. S***** und F***** bei ihren diese Rechnungslegung fördernden (§ 12 dritter Fall StGB) Informationserteilungen etwa mit Tat- und Bereicherungsvorsatz im Sinn der §§ 146, 147 Abs 2 StGB handelten.

Aus diesem Grund kann die Frage nach gerichtlicher Strafbarkeit (Z 9 lit a) des von den Schuldsprüchen A, B und C erfassten Verhaltens derzeit nicht abschließend beantwortet werden.

Der aufgezeigte Rechtsfehler bewirkt zugleich Nichtigkeit des (B*****l betreffenden) Schuldspruchs D, weil die Urteilsfeststellungen (insoweit auch) die Annahme, der Begünstigte (Mag. S*****) habe eine mit gerichtlicher Strafe bedrohte Handlung (tatsächlich) begangen (zu diesem Tatbestandsmerkmal des § 299 Abs 1 StGB Pilnacek/Swiderski in WK2 StGB § 299 Rz 6 f; RIS-Justiz RS0117599), nicht zu tragen vermögen.

Dies führt – in weitgehender Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§§ 285e, 288 Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO).

Mit ihren Berufungen waren die Angeklagten– Mag. S***** auch mit seiner ebenfalls gegen das Urteil angemeldeten „Beschwerde“ – und die Privatbeteiligte darauf zu verweisen.

Deren Beschwerde gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Schöffengerichts vom 26. Juli 2016, GZ 125 Hv 150/15t-158, mit dem ein Antrag der Privatbeteiligten auf Urteilsberichtigung abgewiesen wurde, ist aufgrund der Kassation des Ersturteils gegenstandslos.

 

Zur Vermeidung von Missverständnissen im weiteren Verfahren sei abschließend bemerkt:

a) Das Erkenntnisgericht im zweiten Rechtsgang kann – in Hinsicht auf die der Anklage (noch) zugrunde liegenden Taten – sowohl zu anderen Feststellungen als auch zu einer vom vorangegangenen Rechtsgang abweichenden rechtlichen Beurteilung gelangen (Ratz, WK-StPO § 293 Rz 1 f; zur Reichweite der in § 293 Abs 2 StPO normierten Bindungswirkung siehe auch Rz 13). Die rechtskräftigen Freisprüche des Dr. K***** und des Dr. Sc***** (US 8) würden daher auch Feststellungen im neuen Verfahren nicht entgegenstehen, welche – anders als die (auch nur bedingten) Vorsatz der Intranei in Bezug auf deren Befugnisfehlgebrauch ausschließende Feststellungsbasis im Ersturteil – eine rechtliche Beurteilung des vom Anklagevorwurf erfassten Verhaltens der Angeklagten B*****, Mag. S***** und F***** als (Beiträge zur) Untreue zuließe.

b) Als schadensbegründend (im Sinn des § 153 StGB) wäre die in Rede stehende Zahlung nicht (schon allein) deshalb in Betracht gekommen, weil es sich bei dieser Transaktion um eine (verschleierte) Parteispende handelte (US 13 ff, 19 ff; vgl zur Frage deren Zulässigkeit aus wirtschaftsstrafrechtlicher Sicht unter Berücksichtigung korruptionsstrafrechtlicher Gesichtspunkte Kahl/Stücklberger, ZWF 2017, 108), sondern deshalb, weil ihr den Feststellungen des Ersturteils zufolge – auch nach der Intention der Beschwerdeführer – überhaupt kein (der Machtgeberin bzw deren wirtschaftlich Berechtigten zugute kommender) Nutzen gegenüberstand (US 21, 23; vgl Kirchbacher/Presslauer in WK2 StGB § 153 Rz 35 ff). Nichts anderes ergibt sich– entgegen dem Verständnis des Erstgerichts (US 63) – aus der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 25. November 2015, AZ 13 Os 142/14b, mit Blick auf den dort zugrundeliegenden Sachverhalt.

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