BVwG W232 2134478-1

BVwGW232 2134478-111.10.2017

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §35

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2017:W232.2134478.1.00

 

Spruch:

W232 1407348-2/21E

 

W232 1438402-2/22E

 

W232 2117135-1/10E

 

W232 2134478-1/7E

 

W232 2167623-1/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1.)

XXXX , geb. XXXX , 2.) mj. XXXX alias XXXX , geb. XXXX , 3.) mj.

XXXX , geb. XXXX , 4.) mj. XXXX , geb. XXXX , 5.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle mj. Kinder gesetzlich vertreten durch die Mutter XXXX , alle StA. Äthiopien, vertreten durch RA Dr. Herbert POCHIESER, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2015, vom 07.07.2016 und vom 19.04.2017, Zlen. 1.) 780840507/1038154, 2.) 830103501/2218916, 3.) 1051024102/150113325,

4.) 1104384009/160176125, 5.) 1148815609/170446596, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.02.2017, zu Recht erkannt:

 

A)

 

I. Die Beschwerden werden gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

 

II. Die Anträge auf Ersatz der Verfahrenskosten gemäß § 35 VwGVG werden zurückgewiesen.

 

B)

 

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I. Verfahrensgang:

 

1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.09.2008 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

 

2. Am 12.09.2008 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin nach dem AsylG 2005 statt. Sie sei Staatsangehörige von Eritrea, aber in Äthiopien geboren und aufgewachsen. Sie sei in Addis Abeba mit einem Omoro verheiratet gewesen. Nachdem sie Schwierigkeiten gehabt hätten, habe er der Polizei gesagt, dass sie Eritreerin sei. Sie sei dann in ein Lager gesteckt und von dort nach Eritrea deportiert worden. Ihre beiden Kinder habe sie bei ihrem Mann zurücklassen müssen. Nach zwei Monaten sei sie gemeinsam mit drei weiteren Personen in den Sudan geflüchtet. Im Sudan sei sie von der Polizei aufgegriffen und von einem Polizisten vier Jahre lang gefangen gehalten worden. Dieser habe sie vergewaltigt und sie habe von ihm ein Kind bekommen. Anschließend sei sie an einen Sudanesen in Saudi Arabien vermittelt worden und habe dort fünfeinhalb Jahre für eine arabische Familie arbeiten müssen. Mit dieser Familie sei sie nach Österreich gekommen.

 

Am selben Tag fand eine weitere Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin durch das (damals zuständige) Bundesasylamt (BAA) statt. Dabei gab sie an, mit der arabischen Familie, für die sei seit fünfeinhalb Jahren arbeiten müsse, nach Österreich gekommen zu sein. Ihr sei die Flucht aus dem Hotel gelungen, wo sie eingesperrt gewesen sei. Sie sei aus Äthiopien geflohen, weil sie eritreische Staatsbürgerin sei. Ihr Vater sei Eritreer, die Mutter Äthiopierin. Sie sei verheiratet mit einem Äthiopier und habe in Addis Abeba gelebt. Ihre Kinder seien in Äthiopien, der Vater der Kinder habe sie entführt als sie 17 Jahre alt gewesen sei. Ihre jüngste Tochter sei nach Äthiopien geschickt worden, sie habe dem Kindesvater gesagt wo ihre anderen Kinder wohnen würden und er habe ihre Tochter dorthin geschickt.

 

3. Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem (damals zuständigen) BAA am 08.04.2009 gab die Erstbeschwerdeführerin an, ihre Kinder, XXXX und XXXX , würden in Addis Abeba leben. Sie habe keinen Kontakt zu ihnen. Der Vorname ihres Mannes sei nicht XXXX , sondern XXXX . Ihre Tochter XXXX sei im Sudan geboren, sei aber jetzt in Äthiopien. Wo sie sich genau befinde, wisse sie nicht. Möglicherweise sei sie bei ihrer Tante. Der Vater habe sie im Sudan einer Frau übergeben, die sie nach Äthiopien bringen sollte. In Äthiopien habe sie noch eine Tante, in Eritrea habe sie keine Angehörigen, ihre Eltern seien bereits verstorben. Als sie 17 Jahre alt gewesen sei, sei sie auf dem Heimweg von der Arbeit entführt worden. Sie habe den Mann nicht gekannt. Er habe sie zwei Monate lang in Oromo versteckt, danach hätten sie geheiratet. Sie sei Staatsangehörige von Eritrea. Dokumente besitze sie keine. Ihre Großmutter habe ihr erzählt, dass sie am XXXX geboren worden sei. Sie habe in Äthiopien nie um die Staatsbürgerschaft angesucht. Sie sei nur dort gewesen und habe als Haushaltshilfe gearbeitet. Im Jahr 1998 sei sie nach Eritrea deportiert worden. Es sei das erste Mal gewesen, dass sie nach Eritrea gekommen sei. Dort habe sie zwei Monate in einem Camp gelebt und als Wäscherin gearbeitet. Wegen der schlechten Bedingungen im Camp sei sie mit anderen Personen in den Sudan gegangen. Ihr Mann und seine Familie seien gegen sie gewesen, weil ihr Vater Eritreer gewesen sei. Sie hätte oft mit ihrem Mann gestritten. Er habe nicht mehr mit ihr zu tun haben wollen und die Polizei informiert, die sie abgeholt habe. Als sie sich nicht von ihren Kindern trennen wollte, sei sie weggestoßen worden. Andere Probleme habe sie in Äthiopien nicht. Die Erstbeschwerdeführerin wurde darüber informiert, dass das (damals zuständige) BAA davon ausgehe, dass sie äthiopische Staatsangehörige sei. Deportationen nach Eritrea würden mittlerweile nicht mehr stattfinden. Darauf entgegnete die Erstbeschwerdeführerin, dass sie Muslimin sei und möglicherweis umgebracht werde, da sie Kinder von zwei Männern habe. Sie wolle nicht nach Äthiopien zurück.

 

4. Mit Bescheid des (damals zuständigen) BAA vom 27.05.2009 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 10.09.2008 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Festgestellt wurde, dass die Erstbeschwerdeführerin Staatsangehörige von Äthiopien sei. Zusammengefasst ging das (damals zuständige) BAA aufgrund der vagen und allgemein gehaltenen Aussagen hinsichtlich einer weiterhin bestehenden Bedrohungssituation für Menschen mit eritreischen Wurzeln von einer Unglaubwürdigkeit des Vorbringens aus. Die Ereignisse im Sudan und in Saudi Arabien seien asylrechtlich nicht relevant. Aufgrund der schwierigen Situation für Frauen in Äthiopien wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

 

5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheids wurde mit Schriftsatz vom 16.06.2009 Beschwerde erhoben.

 

6. Die minderjährige Zweitbeschwerdeführerin reiste mittels eines durch die Österreichische Botschaft Addis Abeba ausgestellten Visums in das österreichische Bundesgebiet ein. Die Erstbeschwerdeführerin stellte als ihre gesetzliche Vertreterin am 24.01.2013 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab sie an, dass ihre Tochter keine eigenen Fluchtgründe habe. Sie wolle einfach, dass ihre Tochter bei ihr sei. Am 04.09.2013 wurde die Erstbeschwerdeführerin zur Antragstellung ihrer Tochter einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass ihre Tochter in der Obhut ihrer Tante gewesen und die Einreise mit Hilfe des Roten Kreuzes organisiert worden sei. Über den Verbleib ihre Tochter XXXX , etwa 13 oder 14 Jahre alt, und ihres Sohnes XXXX , etwa 14 Jahre alt, wisse sie nichts. Das Rote Kreuz werde ihre Kinder suchen.

 

7. Der Antrag der mj. Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 24.01.2013 wurde mit Bescheid des (damals zuständige)n BAA vom 30.09.2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Begründend verwies das (damals zuständige) BAA auf den Bescheid der Erstbeschwerdeführerin. Diesbezüglich sei ein Beschwerdeverfahren beim Asylgerichtshof anhängig. Ihre Mutter habe für die Zweitbeschwerdeführerin keine individuellen Fluchtgründe vorgebracht.

 

8. Mit Schriftsatz vom 14.10.2013, eingelangt beim (damals zuständigen) BAA am 15.10.2013, wurde gegen Spruchpunkt I dieses Bescheids Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, die Verfahren der Zweitbeschwerdeführerin und der Erstbeschwerdeführerin seien nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 unter einem zu führen. Das (damals zuständige) BAA hätte daher den Asylgerichtshof vom Antrag in Kenntnis setzen müssen, damit dieser im bereits anhängigen Beschwerdeverfahren hätte mitbehandelt werden können. Die Zweitbeschwerdeführerin erfülle wie die Erstbeschwerdeführerin die Voraussetzungen zur Asylgewährung. Sie wäre als uneheliches Kind, das aus einer Vergewaltigung hervorgegangen sei, massiven Verfolgungshandlungen und einer menschenunwürdigen Behandlung ausgesetzt.

 

9. Am 09.12.2013 stellte XXXX , geb. XXXX , in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser gab an, der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin zu sein.

 

10. Mit Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.11.2014 wurde Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide betreffend die Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverweisen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Staatsangehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin nicht in nachvollziehbarere Weise festgestellt worden sei. Das (damals zuständige) BAA habe sich im Bescheid allein auf die Angaben der Erstbeschwerdeführerin gestützt, die aber gleichbleibend angegeben habe, Staatsbürgerin von Eritrea zu sein. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl werde sich mit dem äthiopischen und dem eritreischen Staatsbürgerschaftsgesetz auseinanderzusetzen haben. Darüber hinaus seien die Länderfeststellungen zur Lage von eritreischen Staatsbürgern in Äthiopien im Jahr 1998 lückenhaft.

 

11. Am XXXX wurde der Sohn der Erstbeschwerdeführerin und des XXXX , der Drittbeschwerdeführer XXXX , geboren. Die Erstbeschwerdeführerin stellte für ihn am 30.01.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

 

12. Am 08.04.2015 wurde die Erstbeschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab sie an, von einem Mann namens XXXX in Äthiopien entführt worden zu sein. Er habe noch Kinder mit einer anderen Frau gehabt, die sie wie ihre eigenen großgezogen habe. Die Namen der Kinder seien XXXX und XXXX . Eines Abends habe der Mann die Polizei geholt und gesagt, dass sie Eritreerin sei. Die Polizei habe sie hinausgezerrt und geschlagen. Nach drei Tagen sei sie nach Eritrea in ein Lager gebracht worden Dies sei etwa 1998 oder 1999 gewesen, sie sei etwa 20 Jahre alt gewesen. Ihr Mann habe sie der Polizei ausgeliefert, weil sie einen anderen Mann gehabt habe, mit dem sie sich gut verstanden habe. Ihr Mann habe ihr vorgeworfen, dass sie mit diesem Mann Kontakt habe. Er habe sie auch immer geschlagen. Er heiße XXXX , wobei sie seinen Familiennamen/Vatersnamen nicht kenne. Auf den Vorhalt, dass sie in ihrer Einvernahme am 08.04.2009 angegeben habe, dass sein Vorname nicht XXXX , sondern XXXX sei, gab sie an, sie habe das meiste vergessen. Auf die Frage, weshalb sie bisher angegeben habe, dass

XXXX und XXXX ihr Kinder seien, antwortete sie, dass sie sie wie ihre eigenen Kinder großgezogen habe. Sie habe die Kinder etwas länger als ein Jahr betreut. Sie habe in Äthiopien nie um die Staatsbürgerschaft angesucht, da ihre Eltern und ihre Großmutter bereits verstorben seien und ein Familienmitglied den Antrag unterschreiben müsse. Zu ihrer Tante habe sie zu diesem Zeitpunkt nicht viel Kontakt gehabt, außerdem sei diese blind. Die Tochter ihrer Tante habe alles für die Einreise ihrer Tochter erledigt. Dokumente seien nur durch Bestechung erhältlich. Ihre Tochter habe zu ihr kommen wollen, da sie Angst gehabt habe beschnitten zu werden. Den Vater ihres in Österreich geborenen Kindes habe sie in Äthiopien kennen gelernt. Sie habe ihn heiraten wollen, dann habe der andere Mann sie entführt. Sie hätten ca. 1993 etwa ein Jahr zusammen verbracht. Im Jahr 1996 nach dem äthiopischen Kalender, vor 7 oder 8 Jahren, hätten sie traditionell geheiratet. Nachdem ihr Mann ins Gefängnis gegangen sei, sei sie entführt worden. Es habe nach der Entführung keine Hochzeit gegeben. Auf den Vorhalt, dass sie 2009 andere Angaben gemacht habe, gab sie an, dass sie nicht gedacht habe, dass es so kommen werde. Sie sei nicht so gefragt worden. Sie habe keine Hoffnung gehabt, dass er aus dem Gefängnis kommen werde.

 

Sie brachte weiters vor, dass Moslems in Äthiopien diskriminiert werden würden. Alle Anführer der Moslems seien im Gefängnis. Man könne nicht in die Moschee gehen und beten. Für Moslems gebe es keine Freiheit.

 

13. Am 08.07.2015 wurde den Beschwerdeführern Anfragebeantwortungen von ACCORD zur Frage der Staatsbürgerschaft der Erstbeschwerdeführerin, zu Abschiebungen von Eritreern im Jahr 1998 und zur Lage von Musliminnen in Äthiopien sowie das aktuelle Länderinformationsblatt zu Äthiopien übermittelt.

 

14. In einer Stellungnahme vom 16.07.2015 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sich aus den vorliegenden Berichten ihre eritreische Staatsangehörigkeit ergebe. Da sie sich nach Erreichen der Volljährigkeit nicht für die äthiopische Staatsangehörigkeit entschieden habe, habe sie sie verloren. Sie habe im Alter von 16 Jahren ihren jetzigen Ehemann geheiratet. Als dieser aus politischen Gründen inhaftiert worden sei, sei sie von einem anderen Mann entführt worden. Sie habe mit ihm leben und seine Kinder erziehen müssen. Sie sei regelmäßig geschlagen und vergewaltigt worden. Er habe ihr mit der Polizei gedroht und dies bei Ausbruch des Krieges auch umgesetzt. Im Zuge der Deportation sei sie misshandelt und vergewaltigt worden. Sie sei aufgrund ihrer eritreischen Nationalität Flüchtling. Die Erstbeschwerdeführerin habe die Zweitbeschwerdeführerin so schnell wie möglich in Österreich in Sicherheit bringen müssen, da ihr in Äthiopien die Genitalverstümmelung drohe. Die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin seien überzeugte Kopftuchträgerinnen. Die Zweitbeschwerdeführerin habe in Äthiopien in der Schule die Anweisung bekommen, ihr Kopftuch abzunehmen. Muslimen werde der Zugang zu Gebetsräumen nicht gestattet. Sie seien daher auch aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit Flüchtlinge. In Äthiopien wäre die Erstbeschwerdeführerin geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt und könne kein selbstbestimmtes Leben führen. Daher sei die Flüchtlingseigenschaft auch aufgrund der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppe der Frau gegeben.

 

15. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2015 wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.

 

Der Antrag des Drittbeschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 30.01.2015 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.).

 

Zusammengefasst ging das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aufgrund der vagen und allgemein gehaltenen Aussagen hinsichtlich einer weiterhin bestehenden Bedrohungssituation für Menschen mit eritreischen Wurzeln von einer Unglaubwürdigkeit des Vorbringens aus. Weiters sei die Glaubwürdigkeit der Erstbeschwerdeführerin durch die widersprüchlichen Aussagen zu ihren Kindern schwer erschüttert worden. Auch die Angaben zu ihrem Ehemann, insbesondere die Angaben zum zeitlichen Ablauf, seien nicht schlüssig. Zur Bedrohung aufgrund der Religionszugehörigkeit sei zu bemerken, dass aufgrund der Länderinformationen nicht von einer systematischen Verfolgung von Muslimen ausgegangen werden könne. Zur Staatsangehörigkeit wurde angeführt, dass eine großzügig gehandhabte Wiedereinbürgerungsmöglichkeit vorhanden sei.

 

16. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom 19.10.2015 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

 

17. Mit Schriftsatz vom 03.11.2015, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingelangt am 04.11.2015, wurde gegen die angefochtenen Bescheide Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin eritreische Staatsangehörige sei. Nach äthiopischem Recht würden Kinder von Eltern verschiedener Staatsangehörigkeit beide Staatsangehörigkeiten bis zur Volljährigkeit behalten. Wenn die Person dann ihre ausländische Staatsangehörigkeit nicht ablege, werde ex lege unterstellt, dass sie auf die Äthiopische verzichtet habe. Die Erstbeschwerdeführerin habe daher die äthiopische Staatsangehörigkeit verloren. Die Beurteilung der Behörde, dass sie äthiopische Staatsangehörige sei, gleichzeitig aber einen Antrag auf Verleihung stellen könne, sei unschlüssig. Die Behörde habe daher ihre Begründungspflicht nach AVG verletzt. Aufgrund ihrer eritreischen Nationalität habe die Erstbeschwerdeführerin wohlbegründete Furcht vor Verfolgung in Äthiopien. Dies gehe auch aus den Länderberichten hervor. Die Situation zwischen Äthiopien und Eritrea sei noch immer angespannt und ein neuer Kriegsausbruch wahrscheinlich. In Äthiopien wäre die Erstbeschwerdeführerin geschlechtsspezifischer Gewalt und Diskriminierung ausgesetzt. Die Zweitbeschwerdeführerin betreffend wurde ausgeführt, dass Praktiken wie Beschneidung, Kinderehe und Brautraub mit Zwangsverheiratung besonders in ländlichen Gegenden in Äthiopien weit verbreitet seien. Da es in Äthiopien üblich sei, dass Frauen beschnitten würden, habe die Erstbeschwerdeführerin sie so schnell wie möglich in Österreich in Sicherheit bringen müssen. Genitalverstümmelung stehe in Äthiopien unter einer sehr milden Strafe. Daher sei die Flüchtlingseigenschaft auch aufgrund der Zugehörigkeit zu sozialen Gruppe der Frau gegeben. Die Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Die Erstbeschwerdeführerin habe sowohl im Hinblick auf ihre Kinder als auch auf zeitliche Abläufe stets gleichlautende Angaben gemacht. Allfällige abweichende Angaben von Jahreszahlen seien auf die Zeitrechnung in Äthiopien und die geringe Schulbildung der Erstbeschwerdeführerin zurückzuführen. Die Behörde habe auch den schlechten psychischen Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin nicht berücksichtigt. Der Behörde sei weiters eine Verletzung des Parteiengehörs vorzuwerfen, da die Erstbeschwerdeführerin nicht über die beabsichtigte Abweisung ihres Antrags informiert worden sei und sie nicht mit den angeblich widersprüchlichen Aussagen konfrontiert wurde. Da die Behörde in willkürlicher Weise jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen habe, habe sie das BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung verletzt. Abschließend wurde der Ersatz der Verfahrenskosten gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-AufwErsV beantragt. Der Ausschluss des Kostenersatzes diskriminiere Beschwerdeführer im Bescheidbeschwerdeverfahren gegenüber Beschwerdeführern im Maßnahmenbeschwerdeverfahren und sei daher verfassungswidrig.

 

18. Die gegenständlichen Beschwerden und Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 13.11.2015 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

 

19. Am XXXX wurde die Tochter der Erstbeschwerdeführerin und des XXXX , die Viertbeschwerdeführerin XXXX , geboren. Die Erstbeschwerdeführerin stellte für sie am 04.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab dabei an, dass die Viertbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe habe.

 

20. Der Antrag der Viertbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 04.02.2016 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.07.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde auf den Bescheid der Erstbeschwerdeführerin verweisen.

 

21. Mit Schreiben vom 27.10.2016 wurden die Erstbeschwerdeführerin,

XXXX , die Zweitbeschwerdeführerin, und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 09.12.2016 geladen.

 

22. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 09.12.2016 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die amharische Sprache und im Beisein einer Rechtsberaterin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Erstbeschwerdeführerin zu ihrer Eheschließung mit XXXX als Zeugin befragt wurde.

 

23. Am 23.12.2016 wurde ein psychotherapeutischer Kurzbericht betreffend die Erstbeschwerdeführerin vom 18.12.2013 vorgelegt.

 

24. Mit Schreiben vom 03.02.2017 wurden die Erstbeschwerdeführerin, die Zweitbeschwerdeführerin, und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.02.2017 geladen.

 

25. Am 17.02.2017 wurde ein klinisch-psychologischer Befund vom 06.02.2017 vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass die Erstbeschwerdeführerin an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet.

 

26. Am 19.01.2017 wurde eine Stellungnahme übermittelt, in der im Wesentlichen das bisherige Vorbringen wiederholt wurde. Ergänzend wurde ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin in Äthiopien auch als Ehebrecherin angesehen würde und ihr strenge Strafen drohen würden. Als Ehefrau eines Oppositionellen sei sie genau wie ihr Ehemann von asylrelevanter Verfolgung bedroht. Die Erstbeschwerdeführerin leide an Depressionen und einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese Diagnose und die erlittenen Misshandlungen seien bei der Beweiswürdigung zu berücksichtigen. Die Zweitbeschwerdeführerin sei bis zu ihrem achten Lebensjahr bei einer Tante ihrer Mutter aufgewachsen. Genitalverstümmelung sei in der Familie üblich und geradezu unumgänglich. Es bestehe also ein familiärer und gesellschaftlicher Druck. Bei einem Großteil der Schulfreundinnen sei die Prozedur bereits durchgeführt worden. Ohne Beschneidung bestehe keine Chance auf Verheiratung und würde sie Opfer von frauenspezifischer Diskriminierung. Die Familie der Erstbeschwerdeführerin setze Genitalverstümmelung aktiv durch, eine Verweigerung würde einer Ausgrenzung aus dem gesellschaftlichen und sozialen Leben gleichkommen. An der Erstbeschwerdeführerin sei die Genitalverstümmelung in ihrer schwersten Form durchgeführt worden.

 

27. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 21.02.2017 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die amharische Sprache und im Beisein einer Rechtsberaterin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurden.

 

28. In einer Stellungnahme vom 23.02.2017 wurde erneut auf die Praxis der Genitalverstümmelung hingewiesen, die 70% der weiblichen Bevölkerung in Äthiopien betreffe. Auch die Viertbeschwerdeführerin wäre spätestens im 5. Lebensjahr davon betroffen. Es bestehe jedoch die Gefahr, auch nach dem 15. Lebensjahr Opfer von Genitalverstümmelung zu werden. Eine effektive Schutzgewährung durch den Staat sei nicht gegeben. Die Erstbeschwerdeführerin könne die Sicherheit ihrer Töchter auf Dauer nicht gewährleisten.

 

29. Am XXXX wurde die Fünftbeschwerdeführerin Neima XXXX geboren. Die Erstbeschwerdeführerin stellte für sie am 12.04.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz und gab dabei an, dass die Fünftbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe habe.

 

30. Der Antrag der Fünftbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 12.04.2017 wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.04.2017 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde auf den Bescheid der Erstbeschwerdeführerin verweisen, der subsidiärer Schutz zuerkannt wurde. Das Verfahren sei hinsichtlich Spruchpunkt I. beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Über den Antrag des Vaters auf internationalen Schutz sei noch nicht entschieden worden.

 

31. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 06.08.2017 Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, die Verfahren der Fünftbeschwerdeführerin und der Erstbeschwerdeführerin seien nach § 34 Abs. 4 AsylG 2005 unter einem zu führen. Der Antrag der Fünftbeschwerdeführerin hätte an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet werden müssen. Im Übrigen wurde das bisherige Vorbringen zur Gefahr der Genitalverstümmelung in Äthiopien wiederholt. Abschließend wurde der Ersatz der Verfahrenskosten gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-AufwErsV beantragt.

 

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

 

1. Feststellungen:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Aufgrund der Anträge auf internationalen Schutz vom 10.09.2008, 24.01.2013, 30.01.2015, 04.02.2016 und 12.04.2017, der Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, das Bundesasylamt und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerdeschriftsätze, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.02.2017, der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das Zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Strafregister werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt.

 

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführer:

 

1.1.1. Die Beschwerdeführer sind äthiopische Staatsangehörige und bekennen sich zum Islam. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der minderjährigen Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer. Der Vater der Erstbeschwerdeführerin war eritreischer Staatsangehöriger, ihre Mutter Äthiopierin. Der Vater der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer ist der äthiopische Staatsangehörige XXXX . Er ist mit der Erstbeschwerdeführerin nach islamischem Ritus verheiratet und lebt mit den Beschwerdeführern in einem gemeinsamen Haushalt.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer ihre Heimat aufgrund asylrelevanter Verfolgung verlassen haben. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aus Gründen ihrer Glaubensrichtung oder aus sonst in ihrer Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wären.

 

1.2.1. Zur Situation in Äthiopien enthält das Länderinformationsblatt der Staaten-dokumentation vom 16.01.2017 folgende Ausführungen:

 

1. Politische Lage

 

Entsprechend der 1995 in Kraft getretenen Verfassung ist Äthiopien ein demokratischer Bundesstaat. Die Einführung eines föderalen Systems bedeutete eine Abkehr von der Tradition starker Zentralisierung (AA 8 .2016; vgl. GIZ 1.2017a) und der früheren Dominanz der Volksgruppe der Amharen (AA 8 .2016). Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zwar zugelassen werden, jedoch faktisch in ihren Handlungsoptionen stark eingeschränkt sind (AA 8 .2016). Der Präsident hat eine weitgehend repräsentative Rolle und darf keiner Partei angehören (AA 8 .2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die politische Macht liegt beim Premierminister, der die Exekutive leitet, dem Ministerrat vorsitzt und die Streitkräfte befehligt (AA 8 .2016; vgl. CIA 14.12.2016; GIZ 1.2017a).

 

Nach dem Tod des Premierministers Meles Zenawi im August 2012 ging die Führung des Landes friedlich an den damaligen Außenminister Hailemariam Desalegn über. Unter seiner Führung haben sich Regierung und Partei zur Erhaltung des Status Quo und der politischen Kontinuität bekannt (AA 24.3.2016).

 

Dominierende politische Kraft ist die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier Parteien zusammensetzt, der Tigray People's Liberation Front (TPLF), der Amhara National Democratic Movement (ANDM), der Oromo People‘s Democratic Organisation (OPDO) und der Southern Ethiopian Peoples' Democratic Movement (SEPDM) (AA 8 .2016). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die den Befreiungskrieg gegen das Derg-Regime anführte (AA 24.5.2016). Die Opposition ist ideologisch, ethnisch und regional breit gefächert und gilt nach den Parlamentswahlen 2015 weiterhin als geschwächt. Ihr Handlungsspielraum bleibt eingeschränkt (AA 8 .2016).

 

Das Parlament besteht aus zwei Kammern, dem Oberhaus "House of Federation" mit 108 Sitzen, die für eine fünfjährige Amtszeit von der Versammlungen der Regionalstaaten ernannt werden, und dem Unterhaus "House of Peoples' Representatives" mit 547 Sitzen, die für eine ebenfalls fünfjährige Amtszeit vom Volk gewählt werden (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Seit den letzten Parlamentswahlen im Mai 2015 hält die EPRDF alle 547 Sitze (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Die EU kritisierte im Vorfeld der Wahl die massiven Einschüchterungsversuche gegen Oppositionsparteien und Verhaftungen unabhängiger Journalisten (GIZ 1.2017a). Der Premierminister wird nach den Parlamentswahlen von der Partei ernannt, die die Wahlen für sich entscheiden konnte (CIA 14.12.2016). Der Präsident wird von den beiden Parlamentskammern für eine sechsjährige Amtszeit gewählt. Bei den letzten Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober 2013 wurde Teshome Wirtu MULATU gewählt (CIA 14.12.2016).

 

Seit Ende des Jahres 2015 gab es immer wieder Proteste gegen den so genannten "Masterplan" für Addis Abeba, der eine Vergrößerung der Hauptstadt in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vorsah. Im Januar 2016 gab die äthiopische Regierung nach anhaltenden (teils gewalttätigen) Protesten die Rücknahme des "Masterplans" bekannt. Die regierungskritischen Proteste hatten sich in 2016 stetig ausgeweitet. Angehörige der ethnischen Gruppen der Oromo und Amhara protestierten gegen die Korruption und die politische Dominanz der regierenden EPRDF, forderten eine bessere Verteilung der Früchte des Wirtschaftswachstums und mehr politische Mitbestimmung. Die Regierung ging weiterhin rigide gegen die Proteste vor. Hunderte Personen kamen ums Leben, Tausende sollen im Rahmen des im Oktober 2016 verhängten Ausnahmezustandes verhaftet worden sein. Es ist davon auszugehen, dass die Regierung durch ihre Maßnahmen im Rahmen des Ausnahmezustandes die Lage weitestgehend wieder unter ihre Kontrolle gebracht hat. Inwieweit politische Maßnahmen wie der Austausch des Regierungskabinetts durch Premierminister Hailemariam langfristig zu einer Harmonisierung beitragen können, bleibt abzuwarten (GIZ 1.2017).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

2. Sicherheitslage

 

Die äthiopische Regierung hat am 9. Oktober 2016 den Ausnahmezustand verhängt. Vorausgegangen waren Massendemonstrationen und teils gewaltsame Proteste gegen die Regierung, überwiegend in den Regionen Oromia und Amhara (AA 3.1.2017). Diese hatten bereits Ende des Jahres 2015 begonnen, als die Hauptstadt Addis Abeba in den umliegenden Bundesstaat Oromia hinein vergrößert werden sollte. Die Proteste erweiterten sich später mit Forderungen nach einem Ende willkürlicher Festnahmen und ethnischer Ausgrenzung sowie gegen die Dominanz der Regierungspartei und mit der Forderung nach mehr politischer Mitbestimmung. Die Regierung ging rigide gegen die Proteste vor wobei mehrere hundert (AI: 800, GIZ: 400) Personen durch Sicherheitskräfte getötet wurden (AI 9.11.2016; vgl. GIZ 1.2017a). Nachdem sich die Sicherheitssituation in den Provinzen Oromia und Amhara und im Gebiet Konso in der SNNPR (Region der südlichen Nationen, Nationalitäten und Völker) zwischen Juli und Anfang Oktober 2016 zeitweise massiv verschlechtert hat, ist in der Provinz Amhara nunmehr eine gewisse Beruhigung eingetreten. In der Provinz Oromia sowie im Konso-Gebiet bleibt die Lage jedoch weiterhin angespannt. Mit einem Wiederaufflammen gewalttätiger Proteste und einer erneuten Verschlechterung der Sicherheitslage in den Provinzen Oromia und Amhara muss gerechnet werden (BMEIA 3.1.2017a).

 

Die Grenze zu Eritrea ist gesperrt und die Lage im Grenzgebiet ist angespannt (BMEIA 3.1.2017b). Bei Fahrten in das direkte Grenzgebiet zu Eritrea und in die Danakilsenke in Nord-Afar können Überfälle durch Banditen und örtliche Untergrundorganisationen sowie Entführungen nicht ausgeschlossen werden (AA 3.1.2017).

 

In den letzten Jahren gab es vereinzelte (versuchte) Sprengstoffanschläge in Addis Abeba. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Äthiopien auch zukünftig Ziel von Anschlägen sein wird (AA 3.1.2017). In vielen Regionen Äthiopiens sind Minen verlegt, vor allem bis 80 km innerhalb der Grenzen zu Eritrea, Somalia, Sudan, Südsudan und Kenia (Borana Region); aber auch das Landesinnere ist teilweise vermint (BMEIA 3.1.2017b).

 

Als weitere Sicherheitsbedrohung gilt eine Reihe von bewaffneten Gruppen die von der äthiopischen Regierung als Terrororganisation eingestuft werden, wie die Oromo Liberation Front (OLF), die Ogaden National Liberation Front (ONLF) und Ginbot 7 (DCR 18.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

3. Rechtsschutz/Justizwesen

 

Das äthiopische Rechtssystem enthält Elemente mehrerer westlicher Rechtssysteme und ist schwer zu systematisieren (GIZ 1.2017a). Gesetzlich ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 13.4.2016; vgl. GIZ 1.2017a), dennoch kommt es regelmäßig zu Einschränkungen von Rechtsstaatlichkeit, zuletzt durch die Erklärung des Ausnahmezustandes für eine Dauer von 6 Monaten am 9. Oktober 2016 (AA 8 .2016). Durch den Ausnahmezustand werden den Provinzverwaltungen Kompetenzen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung entzogen und bei der äthiopischen Bundesregierung zentralisiert. Diese kann damit auf zukünftige Unruhen schneller reagieren (AA 3.1.2017).

 

Das Justizwesen wird als korrupt und undurchsichtig wahrgenommen. Richter gelten als schlecht ausgebildet und nicht immer über die geltenden Gesetze ausreichend informiert. Dies schlägt sich entsprechend in den Verfahren nieder (GIZ 1.2017a). Zivilgerichte arbeiten weitgehend unabhängig, die Strafgerichte sind aber weiterhin schwach, überlastet und werden politisch beeinflusst. Sowohl religiöse als auch traditionelle Gerichte sind verfassungsmäßig anerkannt. Viele Bürger in ländlichen Gebieten haben kaum Zugang zum formalen Justizsystem und sind auf traditionelle Konfliktlösungsmechanismen angewiesen. Scharia-Gerichte können religiöse und Familienrechtsfälle übernehmen, die Muslime betreffen. Scharia-Gerichte erhalten finanzielle Unterstützung durch den Staat und urteilten in der Mehrheit der Fälle in den vorwiegend muslimischen Somali- und Afar-Gebieten. Daneben gibt es noch weitere traditionelle Rechtssysteme, wie etwa Ältestenräte. Einige Frauen stellten fest, dass sie im traditionellen Rechtssystem keinen Zugang zu freien und fairen Verhandlungen haben, da sie traditionellerweise von der Teilnahme an Ältestenräten ausgeschlossen sind und in ländlichen Gebieten Diskriminierung aufgrund des Geschlechts verbreitet ist (USDOS 13.4.2016).

 

Eine Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die nach Merkmalen wie Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung diskriminiert, ist nicht ersichtlich. Die äthiopische Regierung bestreitet zudem Strafverfolgung aus politischen Gründen. Allerdings berichten Oppositionspolitiker, Journalisten und inzwischen auch vereinzelt muslimische Aktivisten von Einschüchterungen, willkürlichen Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Dies geschieht inzwischen oft unter dem Vorwand der Terrorbekämpfung und Wahrung der Sicherheit und Integrität des Landes. Bei einer vermuteten Nähe zu gewaltbereiten Gruppen (OLF, ONLF, Ginbot 7) oder einem (teilweise noch unbestätigten) Verdacht, zu Terrorismus anstiften zu wollen, wird hart durchgegriffen (AA 24.5.2016).

 

Das in der Verfassung verankerte Recht, nach der Verhaftung innerhalb von 48 Stunden einem Richter vorgeführt zu werden, wird - unter anderem wegen Überlastung der Justiz - häufig nicht umgesetzt. Darüber hinaus gibt es regelmäßig Berichte über Misshandlungen, insbesondere in Untersuchungshaft, unbekanntem Verbleib zwischen Verhaftung und Vorführung vor Gericht bzw. Einlieferung in ein staatliches Gefängnis oder auch darüber, dass Familienangehörige von Verhafteten unter Druck gesetzt werden. Hinzu kommen weitreichende Befugnisse, die z.B. das Antiterrorgesetz den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einräumt, z.T. auch ohne gerichtliche Überwachung (AA 24.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

4. Sicherheitsbehörden

 

Die Bundespolizei untersteht dem Ministerium für Bundesangelegenheiten, das wiederum parlamentarischer Aufsicht unterliegt. Diese Aufsicht ist allerdings locker. Jeder der neun Regionalstaaten hat eine eigene Staats- oder Sonderpolizeieinheit, die jeweils den regionalen zivilen Behörden untersteht (USDOS 13.4.2016). Im ganzen Land gibt es zudem lokale Milizen, die sich in ihrer Arbeit mit regionalen und föderalen Polizei- und Militäreinheiten lose abstimmen. Das Ausmaß der Abstimmung variiert in den einzelnen Regionen. In vielen Fällen sind die Milizen der verlängerte Arm der Regierungspartei (USDOS 13.4.2016). Die Milizen sind von Gemeindevertretern gewählte, jedoch bewaffnete Personen, die ehrenamtlich militärische und Polizeidienste leisten und im Wesentlichen Polizeiaufgaben in (teilweise sehr entlegenen) ländlichen Gebieten erfüllen (vergleichbar mit "Community Police"). In manchen Fällen werden Milizen auch im Kampf gegen bewaffnete Rebellen eingesetzt, insbesondere in der Somali-Region im Osten Äthiopiens gegen die Ogaden National Liberation Front (ONLF) (AA 24.5.2016).

 

Die Sicherheitskräfte handeln im Allgemeinen diszipliniert und sind effektiv (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016), sind aber oftmals schlecht ausgebildet, schlecht ausgerüstet und ohne Kenntnis der gesetzlichen Vorschriften (AA 24.5.2016). Straffreiheit ist weiterhin ein ernstes Problem. Mechanismen zur Untersuchung von Missbräuchen durch die Bundespolizei sind nicht bekannt und die Regierung gibt die Untersuchungsergebnisse nur selten öffentlich bekannt. Sie bemüht sich aber, Menschenrechtsschulungen für Polizei- und Militärschüler anzubieten (USDOS 13.4.2016). Es wird zudem berichtet, dass sich in Einzelfällen die Sicherheitsorgane oder andere Behörden über Gerichtsurteile hinweggesetzt haben (z.B. in Ostäthiopien/ Ogaden) (AA 24.5.2016).

 

Die Streitkräfte wurden in den letzten Jahren mit dem Ziel umstrukturiert, sie von Aufgaben der inneren Sicherheit, die der Polizei obliegen, zu entbinden. Dies ist noch nicht landesweit umgesetzt. In einigen Regionen (Oromia, Somali Region/Ogaden, Gambella, Sidamo) gehen Polizei und Militär weiterhin gezielt gegen vermutete und tatsächliche Unterstützer und Angehörige der dort aktiven, z.T. militant bis terroristisch operierenden oppositionellen Gruppierungen ONLF, OLF, Ethiopian National United Patriotic Front (ENUPF) und Sidamo Liberation Front (SLF) vor (AA 24.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

5. Folter und unmenschliche Behandlung

 

Die Verfassung und weitere Gesetze verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (USDOS 13.4.2016). Das in der Verfassung verankerte Verbot von Folter wird in der Praxis unterlaufen. Von verschiedener Seite werden immer wieder Vorwürfe über Misshandlungen durch Polizei und Militär laut (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Berichte von Folter und Misshandlung gibt es insbesondere während der Untersuchungshaft und von Häftlingen, die unter Verdacht stehen, mit Terrororganisationen in Verbindung zu stehen. Eine adäquate und konsistente Reaktion der Behörden auf z.B. in Gerichtsverfahren geäußerte Folter- und Misshandlungsvorwürfe ist nicht zu erkennen (AA 24.5.2016). Zudem verschwinden Berichten zufolge nach Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Rebellengruppen immer wieder Zivilisten – jedoch gibt es weniger glaubwürdige Berichte darüber als in den Vorjahren (USDOS 13.4.2016).

 

Systematische Verhaftungen und Folter bzw. Misshandlung durch Polizei, Militär und andere Mitglieder der Sicherheitskräfte sind nicht auszuschließen, insbesondere in Fällen, in denen der Verdacht oppositioneller Tätigkeit oder der Mitgliedschaft in bewaffneten Oppositionsgruppen und ein (vermuteter) Zusammenhang mit Terrorismus bestehen. Das Ersuchen des Sonderberichterstatters des UN-Menschenrechtsrates gegen Folter um einen Länderbesuch in Äthiopien wurde bisher abgelehnt (letzte Anfrage 2011) (AA 24.5.2016).

 

Laut NGO-Berichten, wurden tausende Oromos, denen die Regierung Terrorismus vorwirft, willkürlich festgenommen und in manchen Fällen gefoltert (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

6. Allgemeine Menschenrechtslage, Opposition

 

Der äthiopischen Regierung ist die Gewährleistung von Sicherheit und Stabilität erkennbar wichtiger als demokratische Freiräume, Bürger- und individuelle Menschenrechte (AA 24.5.2016). Zu den signifikantesten Menschenrechtsproblemen in Äthiopien zählen die Einschränkung der Meinungs- und Vereinigungsfreiheit (unter anderem durch Festnahmen), politisch motivierte Gerichtsverfahren, Schikane und Einschüchterung von Oppositionspolitikern und Journalisten, sowie die Einschränkungen von Printmedien, Zivilgesellschaft und NGOs (USDOS 13.4.2016).

 

Die Verfassung und weitere Gesetze sehen die Meinungs- und Pressefreiheit vor (USDOS 13.4.2016). Journalisten, Oppositionsaktivisten und regierungskritische Personen werden jedoch schikaniert, verhaftet und strafrechtlich verfolgt. Die Aktivitäten der politischen Opposition werden überwacht und behindert (USDOS 13.4.2016; vgl. HRW 27.1.2016). Stärker als das Medien- und Informationsgesetz wirkt sich das Antiterrorgesetz auf die Meinungs- und Pressefreiheit in Äthiopien aus. Denn es umfasst nicht nur direkte und indirekte Unterstützung von Terrorismus als Tatbestand, sondern auch Berichterstattung über terroristische Gruppen oder Aktivitäten, die von der Öffentlichkeit als Anstiftung bzw. Propaganda aufgefasst werden könnten. Hinzu kommen weitreichende Befugnisse, die das Antiterrorgesetz den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden einräumt, z.T. auch ohne gerichtliche Überwachung (AA 24.5.2016). Angesichts der Verhaftungen und Prozesse herrscht eine große Verunsicherung bei Medienvertretern, was die Praxis einer gewissen Selbstzensur verschärft (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

 

Das Antiterrorgesetz schränkt auch die Meinungsfreiheit im Internet ein. Das Internet spielt in Äthiopien mit einer geschätzten Anwender-Zahl von unter 1,5% der Bevölkerung (die Regierung beziffert die Internetanwenderquote mit 4%) eine untergeordnete, aber im urbanen Bereich wachsende Rolle. Die Regierung filtert und sperrt im Internet den Zugang zu unerwünschten Seiten bzw. Inhalten. Eine ganze Reihe von (regierungs-)kritischen Webseiten, Blogs und Internetmedien werden blockiert, aber vereinzelt auch internationale Webseiten und Programme. Die staatliche Ethio-Telecom ist der einzige Anbieter von Telekommunikationsdiensten. Eine Privatisierung des Telekommunikationssektors lehnt die Regierung ausdrücklich ab (AA 24.5.2016).

 

Die Verfassung gewährleistet Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, beide werden in der Praxis aber eingeschränkt (FH 27.1.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Versammlungen sind genehmigungspflichtig. Die Behörden können die Genehmigung (dem Gesetz nach) nicht verweigern, können aber verlangen, die Veranstaltung an einem anderen Ort oder Zeitpunkt zu veranstalten (USDOS 13.4.2016; vgl. AA 24.5.2016). In der Realität werden Demonstrationen allerdings meist von Sicherheitskräften blockiert, Menschen festgehalten oder verhaftet, mit der Begründung, dass keine Genehmigung vorliege (AA 24.5.2016). Seit den Protesten im Herbst 2015 kam es immer wieder zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Protestierenden, bei denen es zahlreiche Tote und Verletzte gab (AA 3.1.2017).

 

Im Bereich der Vereinigungsfreiheit haben das NGO-Gesetz (Verbot für NGOs, in bestimmten Bereichen tätig zu sein) sowie die Ende 2011 dazu eingeführten Verwaltungsvorschriften erhebliche Auswirkungen auf zivilgesellschaftliches Engagement, insbesondere im Menschenrechtsbereich (AA 24.5.2016). Die unabhängige Tätigkeit von Gewerkschaften im Lande wird trotz der in der Verfassung garantierten Vereinigungsfreiheit behindert, nicht partei- bzw. regimetreue Gewerkschaften werden oftmals untergraben (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

6.1. Opposition

 

Die zugelassene politische Opposition hat nur wenige Möglichkeiten, sich zu entfalten und zu arbeiten. Parteibüros werden durchsucht, Parteimitglieder und –anhänger (gelegentlich) verhaftet oder – v.a. von den Sicherheitskräften – eingeschüchtert. Weite Teile der Opposition werden von der Regierung nicht als legitime politische Akteure anerkannt. Die Regierung hat wiederholt versucht, die legalen Oppositionsparteien als "Schirm" für Terroristen, extremistische islamische Gruppierungen oder ethnische Separatisten dazustellen. Die Vorgehensweise gegen Oppositionelle begründet die Regierung regelmäßig mit gesetzlichen Bestimmungen (Antiterrorgesetz, Strafrecht), Sicherheitsgründen sowie der Bekämpfung des Terrorismus (AA 24.5.2016). Zu den wichtigsten Oppositionsparteien gehören das Forum for Democratic Dialogue in Ethiopia (Medrek), Oromo Federalist Democratic Movement (OFDM), Unity for Democracy and Justice (UDJ), Semayawi Party und All Ethiopian Unity Party (AEUP) (UKHO 12.2016a).

 

Einer Studie von Amnesty International vom Oktober 2014 zufolge sind zwischen 2011 und 2014 mindestens 5.000 Angehörige der Volksgruppe der Oromos (ca. 35% der äthiopischen Bevölkerung) aufgrund einer tatsächlichen oder vermuteten Gegnerschaft zur Regierung verhaftet worden, die Mehrzahl hiervon offenbar ohne Haftbefehl oder wochenbis jahrelang ohne Anklage. Die in der Studie behauptete systematische Verfolgung der Oromo konnte allerdings auf im November 2014 stattfindenden Feldmissionen westlicher Botschaften nach Oromia nicht belegt werden (AA 24.5.2016). Bei den Protesten von 2015/2016 die in der Region Oromia begonnen haben und immer wieder als gewalttätig und terroristisch bezeichnet wurden, ging die äthiopische Regierung besonders gegen die Oromos und die Protestierenden dort vor. Dabei kam es zu vielen Toten und zahlreichen - zum Teil willkürlichen - Verhaftungen. Besonders betroffen waren u.a. Studierende, Aktivisten und Oppositionsmitglieder (UKHO 12.2016b).

 

Neben der legalen politischen Opposition gibt es militante "Befreiungs"-Bewegungen (AA 8 .2016). Gegen diese militanten Gruppen, insbesondere diejenigen, die vom Parlament als Terrororganisation gelistet wurden und/oder sich für Waffengewalt und Terrorismus aussprechen, wird hart vorgegangen. Wer in führender oder verantwortlicher Stellung in einer solchen Organisation tätig war bzw. ist oder dessen verdächtigt wird, muss mit Strafverfolgung wegen terroristischer Aktivitäten rechnen. Dies betrifft vor allem die OLF, Teile der ONLF, Ginbot 7, al Qaida und al Shabaab, aber auch "al-Ittihad Al-Islamia" (AIAI), ENUPF und SLF. 2010 wurde jeweils ein Friedensabkommen mit Teilen der ONLF und der United Western Somali Liberation Front (UWSLF) abgeschlossen, das die Freilassung von Gefangenen, die Reintegration ehemaliger Kämpfer und eine Amnestie für diejenigen zusichert, die ihre Waffen freiwillig abgeben. Allerdings ist die Umsetzung der Abkommen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Manche ehemaligen Kämpfer wurden nach Freilassung wieder eingesperrt, andere Kämpfer sind zu dem noch kämpfenden Flügel der ONLF übergelaufen (AA 24.5.2016). Schätzungen bezüglich der Anzahl politischer Gefangener variieren erheblich (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

7. Haftbedingungen

 

Es gibt in Äthiopien 6 Bundes- und 120 regionale Gefängnisse. Die Behörden sperren manchmal Jugendliche mit Erwachsenen ein. Männliche und weibliche Gefangene werden in der Regel getrennt. Die Bedingungen in Gefängnissen und Untersuchungshaftanstalten sind weiterhin schlecht, in einigen Fällen lebensbedrohlich (USDOS 13.4.2016) und jedenfalls nicht mit europäischen Standards vergleichbar (AA 24.5.2016). Die Gefängnisse sind überfüllt (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). In der Regel erfolgt die Unterbringung in großen Gemeinschaftszellen. Verpflegung und sanitäre Anlagen sind landestypisch einfach. Aufgebessert werden die Haftbedingungen entweder durch finanzielle Mittel oder durch die weit verbreitete Unterstützung durch Angehörige (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Es wird immer wieder berichtet, dass Angeklagten und/oder Verurteilten unter dem Antiterrorgesetz der Zugang zu Anwälten, Besuch von Angehörigen sowie adäquate medizinische Versorgung verwehrt wird (AA 24.5.2016). Zudem gibt es Berichte, dass Wärter Häftlinge schlagen. Die medizinische Versorgung nach solchen Schlägen ist in manchen Fällen unzureichend (USDOS 13.4.2016).

 

Quellen:

 

 

 

8. Todesstrafe

 

Einige Gesetze, zum Beispiel das Strafgesetz und das Antiterrorgesetz, sehen nach wie vor die Todesstrafe vor (AA 8 .2016). Sie ist daher in Äthiopien formell weiterhin in Kraft (AI 6.4.2016) und wird vereinzelt verhängt. Die Todesstrafe wurde in Äthiopien seit 1991 zwei Mal vollstreckt. Seit der letzten Hinrichtung im August 2007 herrscht ein de-facto Moratorium (AA 8 .2016).

 

Die Verhängung der Todesstrafe ist für folgende Straftaten möglich:

Mord, Verbrechen gegen den Staat, Hochverrat, Verletzung von internationalem Recht (u.a. Spionage, Kriegsverbrechen, Genozid), militärische Verbrechen, schwere Vermögensdelikte und schwere Straftaten aus den Bereichen Verbreiten von Krankheiten und Verschmutzen der Umwelt. Nach dem Antiterrorgesetz kann die Todesstrafe verhängt werden, soweit ein "terroristischer" Akt verübt wurde oder jemand dies versucht, vorbereitet, geplant, jemanden dazu angestiftet oder sich dazu verschworen hat (AA 24.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

9. Religionsfreiheit

 

Im Zensus 2007 wurde geschätzt, dass 44% der Bevölkerung der äthiopisch-orthodoxen Kirche angehören, 34% sunnitische Muslime sind und 19% evangelikalen oder Pfingstkirchen angehören. Des Weiteren gibt es eine kleine Anzahl von Katholiken, Zeugen Jehovas, Juden, Mormonen und einige Anhänger indigener Religionen (USDOS 10.8.2016; vgl. GIZ 1.2017b).

 

Die Verfassung und die meisten Gesetze und Richtlinien schützen die Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. AA 24.5.2016), Staat und Religion sind getrennt. Die Regierung bemüht sich, bei hochrangigen Personalentscheidungen (Ernennung von Vize-Premiers oder Ministerposten), die Muslime des mehrheitlich christlich geprägten Landes einzubinden. Ihr Anteil an politischen Entscheidungsfunktionen spiegelt aber unverändert nicht ihre Bedeutung in der Gesellschaft wider (AA 24.5.2016).

 

Grundsätzlich sieht sich Äthiopien als Modell für interreligiöse Toleranz und Verständigung (AA 24.5.2016) und ist für die friedliche Koexistenz der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, vor allem für das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen, bekannt (GIZ 1.2017b). In den letzten Jahren kommt es jedoch vor allem durch den Einfluss (islamischer und christlicher) fundamentalistischer Kräfte zunehmend zu Konflikten. In der Praxis existieren daher vielschichtige Spannungen inter- und intrareligiöser Art.

 

Inzwischen erkennt die Regierung religiöse Spannungen an und versucht, darauf zu reagieren (AA 24.5.2016).

 

Die Regierung beobachtet angeblich islamistisch-fundamentalistische Strömungen besonders kritisch, ebenso den wachsenden Einfluss wahhabitischer bzw. salafistischer Gruppen und begründet hartes Vorgehen gegen Muslime mit dem Kampf gegen extremistische Strömungen und Terrorismus. Äthiopische Muslime ihrerseits werfen der Regierung Einmischung in religiöse Angelegenheiten und eine Beschränkung der Ausübung der Religionsfreiheit vor, z.B. im Zusammenhang mit den Wahlen zum Islamischen Rat (Islamic Affairs Supreme Council) und mit vom äthiopischen Ministerium für föderale Angelegenheiten im Zusammenarbeit mit dem (regierungsnahen) Islamic Affairs Supreme Council organisierten Lehrgängen zur äthiopischen Verfassung und zu einer gemäßigten Form des Islam (Al-Ahbash) (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 10.8.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

10. Ethnische Minderheiten

 

In Äthiopien gibt es mehr als 80 ethnische Gruppen (USDOS 13.4.2016; vgl. GIZ 1.2017b). 34,4% gehören der Gruppe der Oromo an, 27% sind Amharen, 6,2% Somali, 6,1% Tigray und die restlichen rund 26% gehören anderer Volksgruppen an (CIA 14.12.2016; vgl. GIZ 1.2017b). Die Grenzen der Regionalstaaten sind weitgehend entlang der Grenzen der Lebensräume der größten ethischen Gruppen gezogen. Die meisten politischen Parteien basieren vorwiegend auf ethnischer Zugehörigkeit (USDOS 13.4.2016; vgl. AA 24.5.2016).

 

Die Verfassung gewährt den ethnischen Gruppen Gleichberechtigung und weitgehende Autonomierechte. Die meisten der derzeit 76 anerkannten Ethnien sind mit zumindest einem Vertreter in der zweiten Parlamentskammer, dem "House of Federations", vertreten (sowie einem weiteren Vertreter je 1 Million Angehöriger). Eine nach Hautfarbe, Herkunft oder Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis ist nicht feststellbar, es gibt jedoch nicht verifizierbare Berichte, dass kleinere indigene Gruppen in der Praxis diskriminiert werden. Angesichts eines wahrgenommenen überproportionalen politischen Einflusses der kleineren Ethnie der Tigray fühlen sich die beiden größten Ethnien der Oromos und der Amharen politisch unterrepräsentiert. Tigray haben zudem auch großen Einfluss in der Wirtschaft. Politisch in der Opposition aktive Mitglieder der Oromo werden von Sicherheitskräften häufig der Nähe zur OLF verdächtigt (AA 24.5.2016), einige, die als einflussreiche Mitglieder der Oromo-Gemeinschaft gelten, werden gezielt verhaftet (HRW 6.2016). Im Jahr 2014 und Ende 2015 bis Oktober 2016 protestieren vor allem Oromos gegen die langjährigen Missstände. Seit der Verhängung des Ausnahmezustandes im Oktober 2016 ist die Zahl der Proteste jedoch zurückgegangen (UKHO 12.2016b).

 

Vorwürfe der Diskriminierung gegen bestimmte ethnische Gruppen werden auch im Zusammenhang mit Umsiedlungsprogrammen sowie mit landwirtschaftlichen Großinvestitionen im Westen (Gambella) und Süden (Südomo) des Landes vorgebracht. Verschiedene Fact-Finding-Missionen der Geber in die genannten Gebiete konnten systematische Menschenrechtsverletzungen nicht nachweisen, Einzelfälle sind hingegen nicht auszuschließen. Aus der vor allem von ethnischen Somalis bewohnten Somali Region/Ogaden wird in regelmäßigen Abständen von Menschenrechtsverletzungen bei Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen und bewaffneten ONLF-Anhängern berichtet. Eine unabhängige Bestätigung der Vorwürfe ist nicht möglich (AA 24.5.2016).

 

Traditionell einflussreiche Ältestenräte, Clanführer oder andere, innerhalb einer ethnischen Gruppe angesehene Persönlichkeiten haben an Ansehen und Einfluss verloren. Konflikte werden deshalb in zunehmendem Maße "unkoordiniert" ausgetragen und traditionelle Mechanismen der Konfliktschlichtung funktionieren immer weniger. Die Antwort der Regierung auf die in Äthiopien herrschenden ethnischen Konflikte ist der Ethnische Föderalismus. Er soll durch weitgehende Autonomie der nach ethnischen Gesichtspunkten gegliederten Bundesländer den Wunsch nach Selbstbestimmung der ethnischen Gruppen befriedigen und sie so zu zufriedenen Angehörigen der äthiopischen Nation machen. Kritiker bemängeln jedoch, die an ethnischen Grenzen orientierte Verwaltungsstruktur verstärke die Besinnung auf ethnische Unterschiede und verstärke so bestehende Konflikte. Auch die Beibehaltung des Amharischen als alleinige Amtssprache ist nicht unumstritten (GIZ 1.2017b).

 

Quellen:

 

 

 

 

 

 

 

11. Relevante Bevölkerungsgruppen/ Frauen und Kinder

 

Frauen sind nach der äthiopischen Verfassung gleichberechtigt. Allerdings beinhalten Gesetze diskriminierende Regelungen, wie z.B. die Anerkennung des Ehemanns als legales Familienoberhaupt und als einzigen Fürsorgeberechtigten für Kinder über 5 Jahre (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). In der gesellschaftlichen Realität haben Frauen eine schwächere Position als Männer, nur wenige Frauen haben Führungsämter in Wirtschaft und Politik inne (AA 24.5.2016). Die Situation von Frauen ist oft von körperlich sehr harter Arbeit, Benachteiligung und Bevormundung, von traditioneller Rollenzuschreibung und Gewalterfahrungen geprägt (GIZ 1.2017b).

 

Trotz steigender Tendenz ist die Einschulungsquote für Mädchen nach wie vor deutlich niedriger als bei Buben. Das gilt auch für den Hochschulbereich. Insbesondere auf dem Land werden Frauen diskriminiert und verfügen über nur sehr eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten (AA 24.5.2016; vgl. GIZ 1.2017b). In den Städten ist die Situation der meisten Frauen deutlich besser als auf dem Land. Vor allem in der noch in der Entstehung befindlichen neuen Mittelschicht sind die Töchter mindestens genauso gut ausgebildet wie die Söhne. Von den neu immatrikulierten Studierenden im Jahr 2011 waren bereits über 46% Frauen. Berufstätige Mütter sind in Addis Abeba an der Tagesordnung (GIZ 1.2017b).

 

Vergewaltigung (Strafmaß: bis zu 20 Jahre) und häusliche Gewalt sind verboten aber dennoch weit verbreitet. Die Durchsetzung der Gesetzeslage ist dürftig, häufig auch mangels Anzeige (USDOS 13.4.2016). Häusliche Gewalt wird meist nicht gerichtlich verfolgt oder als Scheidungsgrund anerkannt. Vergewaltigung in der Ehe ist kein Strafdelikt (AA 24.5.2016; vgl. USDOS 13.4.2016). Traditionelle Praktiken zum Nachteil von Frauen, wie Beschneidung, Kinderehe und Brautraub mit Zwangsverheiratung stehen unter Strafe, kommen aber, insbesondere in ländlichen Gegenden, weiterhin vor (AA 24.5.2016).

 

Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genitale Mutilation, FGM) ist seit der Reformierung des Strafgesetzbuches 2005 gemäß Art. 565 mit Geldstrafe ab 500 Birr (ca. 20 Euro) oder mit mindestens dreimonatiger, in besonders schweren Fällen mit bis zu 10 Jahren Gefängnisstrafe bedroht (AA 24.5.2016). Die Regierung setzt das Verbot von FGM jedoch nicht aktiv um und bestraft Personen nicht, die FGM ausführen (USDOS 13.4.2016). Trotz sinkender Zahlen - nach unterschiedlichen Quellen hat sich die Zahl der Neuverstümmelungen inzwischen auf 25-40% der Mädchen verringert - ist Genitalverstümmelung nach wie vor mit großen regionalen Unterschieden weit verbreitet. Die Zahlen schwanken auch hier zwischen 56% und über 70% landesweit. Am häufigsten ist sie in ländlichen Gebieten der an Dschibuti und Somalia grenzenden Regionen Somali und Afar sowie in der gesamten Region Oromia anzutreffen. In den Grenzregionen Tigray (Grenze zu Eritrea) und Gambella (Grenze zum Südsudan) ist FGM am wenigsten verbreitet. Die Regierung sowie äthiopische und internationale Organisationen führen Kampagnen gegen Genitalverstümmelung durch (AA 24.5.2016).

 

Quellen:

 

 

 

 

2. Beweiswürdigung:

 

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführer und zu ihren Fluchtgründen:

 

2.1.1. Die Daten der Antragstellungen und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

 

Die Feststellungen zur Religionsangehörigkeit und den Familienverhältnissen der Beschwerdeführer gründen sich auf ihre insoweit glaubhaften Angaben.

 

2.1.2. Zum Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer ist Folgendes festzuhalten:

 

Zur Feststellung, dass den Beschwerdeführern in ihrem Herkunftsstaat keine gezielte konkrete Verfolgung droht, ist zunächst auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, nämlich dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31).

 

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel an dem Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

 

In diesem Zusammenhang ist Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. L 337, 9, (Statusrichtlinie) maßgeblich:

 

"Artikel 4

 

Prüfung der Tatsachen und Umstände

 

(1) – (4) [ ]

 

(5) Wenden die Mitgliedstaaten den Grundsatz an, wonach der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz begründen muss, und fehlen für Aussagen des Antragstellers Unterlagen oder sonstige Beweise, so bedürfen diese Aussagen keines Nachweises, wenn

 

a) der Antragsteller sich offenkundig bemüht hat, seinen Antrag zu begründen;

 

b) alle dem Antragsteller verfügbaren Anhaltspunkte vorliegen und eine hinreichende Erklärung für das Fehlen anderer relevanter Anhaltspunkte gegeben wurde;

 

c) festgestellt wurde, dass die Aussagen des Antragstellers kohärent und plausibel sind und zu den für seinen Fall relevanten, verfügbaren besonderen und allgemeinen Informationen nicht in Widerspruch stehen;

 

d) der Antragsteller internationalen Schutz zum frühestmöglichen Zeitpunkt beantragt hat, es sei denn, er kann gute Gründe dafür vorbringen, dass dies nicht möglich war; und

 

e) die generelle Glaubwürdigkeit des Antragstellers festgestellt worden ist."

 

Zum wesentlichen (ursprünglichen) Fluchtvorbringen der Erstbeschwerdeführerin, ihrer Deportation nach Eritrea aufgrund ihrer eritreischen Abstammung, ergibt sich aus den Länderberichten zu Äthiopien, dass mittlerweile keine derartigen Deportationen mehr durchgeführt werden. Im Gegenteil hat Äthiopien eine große Anzahl Flüchtlinge aus Eritrea aufgenommen. Schon in den Feststellungen zu Äthiopien vom Dezember 2008 wurde folgendes festgehalten: "Gegen Eritreer bestanden aufgrund des Grenzkriegs von 1998 bis 2000 Vorbehalte in der Bevölkerung, die sich allerdings mittlerweile gelegt haben und sich nicht mehr im Verwaltungshandeln niederschlagen. Eritreer werden nicht mehr gegen ihren Willen nach Eritrea zurückgeführt. Eine freiwillige Repatriierung mit Hilfe des IRK ist weiterhin möglich, wird aber nur noch von einer abnehmenden Zahl genutzt. Seit Januar 2004 können Eritreer sich entweder einbürgern lassen oder erhalten auf Wunsch eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Damit haben sie ähnliche Rechte wie Äthiopier. Sie können auf Wunsch eine äthiopische Identitätskarte erhalten (auf der ihre eritreische Staatsangehörigkeit vermerkt wird) und einen äthiopischen Fremdenpass. Das Verfahren läuft nach bisherigen Erkenntnissen problemlos."

 

Die äthiopische Staatsangehörigkeit der Erstbeschwerdeführerin konnte festgestellt werden, als sich eine solche aus den Ermittlungsergebnissen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergibt, insbesondere aus dem Staatsangehörigengesetz von 1922, demnach ein Kind, dessen Vater oder Mutter Äthiopier ist, mit Geburt in Äthiopien oder im Ausland die äthiopische Staatsangehörigkeit erwirbt. Auch nach der äthiopischen Verfassung von 1987 erwerben Kinder äthiopischer Staatsangehöriger grundsätzlich mit Geburt die äthiopische Staatsangehörigkeit. Der Inhalt der Bestimmung findet sich in Art. 6 der Verfassung von 1994, wie aus dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.10.2015 hervorgeht.

 

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem ähnlich gelagerten Fall (2001/01/0089 vom 22.10.2002) entschieden, dass allein die Tatsache, dass das eritreische Recht allen Personen mit zumindest einem eritreisch-stämmigen Elternteil die eritreischen Staatsbürgerschaft "garantiere", also einen Anspruch auf Verleihung der Staatsbürgerschaft einräume, nicht ausreichend ist, um von einer eritreischen Staatsbürgerschaft auszugehen.

 

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.02.2017 gab die Erstbeschwerdeführerin letztendlich selber an, Staatsbürgerin von Äthiopien zu sein ("Ich bin Eritreerin, aber ich habe die Staatsbürgerschaft von Äthiopien erhalten.").

 

Es besteht daher keine Gefahr einer Deportation der Erstbeschwerdeführerin nach Eritrea im Falle ihrer Rückkehr nach Äthiopien. Hinzuzufügen ist, dass die Erstbeschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 21.02.2017 gar keine Rückkehrbefürchtung aufgrund ihrer eritreischen Wurzeln vorgebracht hat.

 

Im Hinblick auf das weitere Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass die Erstbeschwerdeführerin ihre Angaben im Laufe des Verfahrens grundlegend änderte. In der Erstbefragung gab sie an, von ihrem Mann in Äthiopien zwei Kinder zu haben ("Meine beiden Kinder musste ich bei meinem Mann zurücklassen.") Auch in ihrer Einvernahme am 12.09.2008 bestätigte sie diese Angaben ("Meine Kinder sind in Äthiopien in der Romo-Region, mit dem Vater dieser Kinder war ich verheiratet, er hat mich entführt als ich 17 Jahre alt war.") Auch in ihrer Einvernahme am 08.04.2009 machte sie gleich lautende Angaben ("Als ich nicht von meinen Kindern wegegehen wollte, haben sie mich weggestoßen. ( ) Ich bin Muslimin. Es könnte sein, dass ich umgebracht werde, weil ich von zwei Männern Kinder habe.") Auch in der Beschwerde vom 16.06.2009 brachte sie vor, von zwei verschiedenen Männern Kinder zu haben. Aus einem psychiatrisch-neurologischen Gutachten vom 18.08.2010 gehen ebenfalls Angaben der Erstbeschwerdeführerin zu ihren Kindern hervor ("Sie habe zwei Kinder aus dieser Ehe, ein Mädchen und einen Buben. ( ) Die Kinder seien beim Vater geblieben. Sie wisse nicht, wo die Kinder jetzt seien. ( ) Ihr Ziel sei es, die Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, Arbeit zu finden und irgendwann einmal ihre Kinder zu suchen.") Nach der Einreise der Zweitbeschwerdeführerin wurde die Erstbeschwerdeführerin am 04.09.2013 erneut nach ihren beiden anderen Kindern befragt ("Das Rote Kreuz wird meine Kinder dann suchen.") Aus einem psychotherapeutischen Kurzbericht vom 18.12.2013 geht hervor: "Sie berichtet von Kindern, die verschwunden sind, die sie irgendwie verloren hat. Sie sagt, sie wisse nicht, ob die Kinder noch am Leben seien. Sie würde sie gerne finden. Auch deshalb sei ihr die jüngste Tochter so wichtig, "wenigsten die jüngste" (gemeint ist die Zweitbeschwerdeführerin, Anm.). Erst nach der Einreise ihres nunmehrigen Lebensgefährten XXXX gab die Erstbeschwerdeführerin in einer Einvernahme am 08.04.2015 erstmals an, dass es sich bei den beiden Kindern ihres ersten Ehemannes nicht um ihre leiblichen Kinder gehandelt habe. Sie habe sie lediglich wie ihre eigenen Kinder großgezogen. Sie habe sich etwas länger als ein Jahr um sie gekümmert. Diese widersprüchlichen Angaben in einem so zentralen Punkt wie den eigenen Kindern sind nicht nachvollziehbar und erschüttern die Glaubwürdigkeit der Erstbeschwerdeführerin massiv.

 

Die Erstbeschwerdeführerin erwähnte weiters erstmals in der Einvernahme am 08.04.2015, vor ihrer Entführung und Zwangsverheiratung mit einem anderen Mann, ihrem nunmehrigen Lebensgefährten, zusammen gelebt zu haben. Im Zuge der Einvernahme gab sie schließlich an, mit letzterem auch traditionell verheiratet gewesen zu sein. Nachdem ihr Mann ins Gefängnis gekommen sei, sei sie entführt worden. Dies steht im Widerspruch zu ihren bisherigen Aussagen im Verfahren, in denen sie stets gleichbleibend angegeben habe, mit ihrem Entführer verheiratet gewesen zu sein, und diesen als "meinen Mann" bezeichnet hatte. Der Lebensgefährte der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer hatte zunächst angegeben, mit der Erstbeschwerdeführerin nicht verheiratet gewesen zu sein, diese Aussage aber im Zuge des Verfahrens revidiert und angegeben, dass es doch eine Eheschließung gegeben habe. Auch die Erstbeschwerdeführerin gab in der Verhandlung am 21.02.2017 an, mit ihrem Lebensgefährten bereits in Äthiopien verheiratet gewesen zu sein.

 

Die widersprüchlichen Aussagen der Erstbeschwerdeführerin zu ihren Kindern und ihrer Eheschließung lassen darauf schließen, dass sie ihr Aussageverhalten den jeweiligen Umständen angepasst hat, um einen günstigen Verfahrensausgang zu erreichen. Nach der Einreise ihres Lebensgefährten änderte sie ihr Vorbringen, um ein schon vor der Deportation bestehendes Familienleben mit ihrem späteren Lebensgefährten glaubhaft machen zu können.

 

Vor diesem Hintergrund ist auch das Vorbringen der Beschwerdeführer, insbesondere der Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen, zu sehen, dass sie aufgrund ihres muslimischen Glaubens Diskriminierungen und Verfolgungen ausgesetzt gewesen seien. Dies wurde erstmals in einer Stellungnahme vom 16.07.2015, vor Erlassung des zweiten, verfahrensgegenständlichen Bescheids, vorgebracht. Das Vorbringen, die Zweitbeschwerdeführerin habe ihr Kopftuch abnehmen müssen und Musliminnen werde der Zugang zu Gebetsräumen verweigert, widerspricht den aktuellen Länderberichten. Aus diesen geht hervor, dass Äthiopien für die friedliche Koexistenz der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, vor allen von Muslimen und Christen, bekannt ist. Zwar ist von gewissen interreligiösen Spannungen und Konflikten zwischen Regierung und islamischen Glaubensgemeinschaften die Rede, eine asylrelevante Verfolgung aller äthiopischer Muslime, die immerhin 34 % der Bevölkerung ausmachen, geht aus den unbestritten gebliebenen Länderberichten nicht hervor.

 

Es ist daher nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im hypothetischen Fall ihrer Rückkehr einer asylrelevanten Verfolgung allein aufgrund ihres muslimischen Glaubens ausgesetzt wären.

 

Auch die der Zweitbeschwerdeführerin (und in der Folge auch der Viert- und Fünftbeschwerdeführerin) drohende Genitalverstümmelung wurde erstmals in einer Einvernahme am 08.04.2015 vorgebracht. In der Einvernahme zur Asylantragstellung der Zweitbeschwerdeführerin am 04.09.2013 hatte die Erstbeschwerdeführerin noch angegeben: "Sie hat keine eigenen Fluchtgründe. Sie hat niemanden in Äthiopien. Ich will einfach, dass sie bei mir ist." Auch in der Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.09.2013 wurde die Gefahr der Genitalverstümmelung nicht erwähnt. Die Erstbeschwerdeführerin brachte dies erstmals in einer Einvernahme am 08.04.2015 vor ("Meine Tochter wollte zu mir, sie hatte Angst, dass sie beschnitten wird."). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb dies nicht schon bei der Asylantragstellung 2013 vorgebracht wurde, wenn die Zweitbeschwerdeführerin tatsächlich in Gefahr war, dem Eingriff unterzogen zu werden. Die Zweitbeschwerdeführerin hielt sich bis zu ihrem zwölften Lebensjahr in Äthiopien auf und verbrachte die meiste Zeit davon bei ihrer Tante, die nach dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin die Genitalverstümmelung befürwortet und umsetzt. Es ist daher nicht plausibel, dass der Eingriff nicht während der Zeit, die die Zweitbeschwerdeführerin bei ihrer Tante verbrachte, durchgeführt wurde, zumal dies üblicherweise im Kindesalter geschieht. Dass an der Zweitbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien unter der Obhut ihrer Mutter im Alter von nunmehr 16 Jahren zwangsweise eine Genitalverstümmelung durchgeführt werden würde, ohne dass ihre Mutter dies verhindern könne, während dies im Kindesalter, in Abwesenheit ihrer Mutter und in der Obhut einer Befürworterin der Genitalverstümmelung nicht geschah, konnte die Erstbeschwerdeführerin nicht nachvollziehbar darlegen. Darüber hinaus geht aus den Länderberichten zu Äthiopien hervor, dass sich die Zahl der Neuverstümmelungen stark verringert hat (25-40%) und am häufigsten in den ländlichen Regionen vorkommt. Dass die Genitalverstümmelung daher für jedes Mädchen geradezu unausweichlich sei und auch von den Eltern nicht verhindert werden könne, geht aus den Länderberichten nicht hervor, weshalb auch nicht davon auszugehen ist, dass die Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen im Fall einer Rückkehr nach Äthiopien Opfer dieser Praxis werden würden, obwohl ihre Mutter sich dagegen ausgesprochen hat.

 

2.2. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

 

2.2.1. Die wiedergegebenen Ausführungen des Länderinformationsblattes stützen sich auf die jeweils zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen überein-stimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. Die Länderfeststellungen wurden den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebracht, sie sind diesen aber nicht substantiiert entgegen getreten. Daher stellt das Bundesverwaltungsgericht fest, dass es generell von örtlichen Gegebenheiten im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer ausgeht, wie sie in den wiedergegebenen Abschnitten des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 16.01.2017 beschrieben sind.

 

Seitens der Beschwerdeführer wurde den herangezogenen Berichten nicht in substantiierter Weise entgegengetreten. So erstatteten diese weder ein konkretes – den vorgehaltenen Informationen entgegenstehendes – Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung von Personen eritreischer Abstammung, Muslimen oder der Gefahr der Genitalverstümmelung für alle weiblichen Einwohner Äthiopiens, noch legten sie Berichtsmaterial vor, welches darauf hindeuten würde.

 

3. Rechtliche Beurteilung:

 

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

 

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

 

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles (und auf hier nicht maßgebliche Verfahren die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. 29/1984) und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

 

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

 

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß Abs. 2 hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

 

Der angefochtene Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 21.10.2015 zugestellt. Die am 04.11.2015 per E-Mail versandte und am selben Tag beim Bundesamt eingelangte Beschwerde ist somit gemäß § 16 Abs. 1 BFA-VG rechtzeitig.

 

Zu A)

 

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

 

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen – würden sie von staatlichen Organen gesetzt – asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 15.03.2001, 99/20/0128); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, 94/19/0183).

 

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Der Asylwerber muss in diesem Zusammenhang behaupten und glaubhaft machen, dass die Ereignisse in seiner Heimat, die zu seiner Flucht geführt haben, als eine individuell gegen seine Person aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität etc. gerichtete Verfolgung zu werten wären und nicht als mehr oder weniger zufällige Folge im Zuge der Bürgerkriegshandlungen (VwGH 08.07.2000, 99/20/0203).

 

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0187 mwN).

 

Die Verfolgungsgefahr – Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung – bezieht sich nicht auf die vergangenen Ereignisse (vgl. VwGH 18.4.1996, 95/20/0239; 16.2.2000, 99/01/097), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

 

3.2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangelt es dem ursprünglichen Fluchtgrund der Erstbeschwerdeführerin, der Deportation nach Eritrea, an der erforderlichen Aktualität:

 

In Bezug auf die vorgebrachte befürchtete Deportation nach Eritrea ist auszuführen, dass sich, wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, keine glaubhafte individuelle Gefährdung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ableiten lässt. Die Deportationen von Personen mit eritreischer Abstammung fanden zeitlich begrenzt während des äthiopisch-eritreischen Konflikts 1998 – 2000 statt und werden mittlerweile nicht mehr durchgeführt. Daher bestünde für die Erstbeschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat keine diesbezüglich relevante individuelle Gefährdung mehr. Darüber hinaus ist die Erstbeschwerdeführerin, wie festgestellt, als äthiopische Staatsbürgerin anzusehen. Die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführer sind als äthiopische Staatsbürger ohnehin nicht davon betroffen.

 

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt wurde, kommt dem übrigen Vorbringen der Beschwerdeführer keine Glaubwürdigkeit zu, weshalb es den Beschwerdeführern insgesamt nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

 

Soweit die Beschwerdeführer behaupten, aufgrund ihres muslimischen Glaubens Diskriminierungen ausgesetzt gewesen zu sein, ist anzumerken, dass alleine aus der Zugehörigkeit zu zur islamischen Glaubensgemeinschaft für die Beschwerdeführer keine entsprechend wahrscheinliche asylrelevante Verfolgungsgefahr bei einer (theoretischen) Rückkehr in ihr Heimatland erkannt werden kann. Die Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Volksgruppe allein sowie deren etwaige schlechte allgemeine Situation ist nicht geeignet, eine Asylgewährung zu rechtfertigen (vgl. Erk. des VwGH v. 23.5.1995, Zl. 94/20/0816). Das Asylgesetz verlangt vielmehr die begründete Furcht vor einer konkret gegen eine Person selbst gerichtete Verfolgungshandlung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen. Allgemeine geringfügige Benachteiligungen, die noch nicht das Ausmaß einer Gruppenverfolgung haben und die sich laut Angaben der Beschwerdeführer und den Länderfeststellungen nicht speziell gegen die Beschwerdeführer richten, können daher nicht zur Gewährung von Asyl führen.

 

Die Beschwerdeführer konnten somit keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen, und diese ist auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Es ist folglich davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht besteht.

 

Dass Genitalverstümmelung eine asylrelevante Verfolgung im Sinne der GFK darstellen kann, hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen (vgl. etwa VwGH vom 24. Juni 2010, 2007/01/1199; VwGH vom 22. November 2005, 2005/01/0285; VwGH vom 28.06.2011, 2008/01/0618). Wie aus der Beweiswürdigung hervorgeht, ist das Vorliegen einer konkreten Verfolgungsgefahr deshalb nicht gegeben, weil die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführerinnen die Genitalverstümmelung ablehnt und bei der Zweitbeschwerdeführerin diese solange sie in Äthiopien gelebt hat, verhindern hat. Aus diesem Grund ist nicht ersichtlich, dass die minderjährigen Beschwerdeführerinnen der behaupteten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein würden.

 

Zu dem Beschwerdevorbringen, die Beschwerdeführer würden aufgrund der oppositionellen Tätigkeit des Lebensgefährten bzw. Vaters der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer, XXXX , einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt sein, ist auf das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W232 2117960-1/24E, betreffend XXXX zu verweisen, dem die Glaubhaftigkeit seines Fluchtvorbringen abgesprochen wurde und eine asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht erkannt werden konnte.

 

Da sich hinsichtlich der allgemein schlechten Sicherheits- und Versorgungslage auch sonst keine gefahrenerhöhenden Momente im Vergleich zu anderen äthiopischen Staatsbürgern ergeben haben, scheidet eine Zuerkennung des Status des Asylberechtigten entsprechend der oben zitierten Judikatur alleine aufgrund der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat aus.

 

Die Beschwerdeführer konnten aus genannten Gründen keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen, und diese ist auch im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt. Es ist folglich davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht besteht.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht der Beschwerdeführer, in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.

 

Die Beschwerden gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide sind daher gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

 

3.3. In der Beschwerde wurde beantragt, den Beschwerdeführern seitens des Rechtsträgers der belangten Behörde gemäß § 35 VwGVG iVm der VwG-AufwErsV den Ersatz der ihnen entstandenen Verfahrenskosten im gesetzlichen Ausmaß binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. § 35 VwGVG sieht jedoch Kostenersatz ausdrücklich nur im Falle der Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbar verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 b B-VG) vor (vgl. Abs. 1 leg cit.), weshalb diese Anträge mangels Rechtsgrundlage als unzulässig zurückzuweisen waren.

 

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

 

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

 

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in den obigen rechtlichen Erwägungen wiedergegeben. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich allen erheblichen Rechtsfrage auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

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