BVwG W112 2119632-1

BVwGW112 2119632-128.1.2016

AVG 1950 §76
BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs2 Z2
GRC Art.47 Abs3
VwGVG §17
VwGVG §35
VwGVG §40
AVG 1950 §76
BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs2 Z2
GRC Art.47 Abs3
VwGVG §17
VwGVG §35
VwGVG §40

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2016:W112.2119632.1.00

 

Spruch:

Schriftliche Ausfertigung der am 22.01.2016 mündlich verkündeten Erkenntnisse

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elke DANNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX , StA Russische Föderation, und 2. XXXX , StA Russische Föderation, beide vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gen. GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 13.01.2016, Zl. 1. 831270101+160048810 und 2. 831270210+160049042, sowie die (andauernde) Anhaltung in Schubhaft nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2016 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Die Anträge der Beschwerdeführer auf Kostenersatz werden gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 17 VwGVG iVm § 76 AVG wird den Beschwerdeführern der Ersatz der Barauslagen für die Dolmetscherin XXXX für die Sprache Russisch in der Verhandlung am 22.01.2016 dem Grunde nach auferlegt.

V. Den Anträgen auf Beigebung eines Verfahrenshelfers gemäß § 40 VwGVG wird nicht Folge gegeben.

VI. Den Anträgen auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gemäß Art. 47 Abs. 3 GRC wird nicht Folge gegeben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer reisten am 03.09.2013 unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheiden vom 04.09.2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) die Anträge gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005 ab, verhängte gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 52 FPG eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführer und stellte fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 52 Abs. 2 FPG zulässig war; die Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 FPG mit zwei Wochen ab Rechtskraft festgelegt. Die Beschwerden gegen diese Bescheide wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.12.2014 als unbegründet abgewiesen.

2. Die Beschwerdeführer wurden am 10.06.2015 zum Zwecke der Beschaffung eines Heimreisezertifikats niederschriftlich einvernommen und den Beschwerdeführern wurde mitgeteilt, dass sie nach Einlangen des Heimreisezertifikats in den Herkunftsstaat abgeschoben werden. Am 16.07.2015 wurden die Beschwerdeführer von ihrem Unterkunftgeber abgemeldet, weil sie sich unbekannten Aufenthalts befanden. Am XXXX stellte die Russische Botschaft für ein Monat gültige Heimreisezertifikate für die Beschwerdeführer aus.

3. Am 11.01.2016 wurden die Beschwerdeführer von Deutschland im Wege der Dublin III-VO von Deutschland nach Österreich rücküberstellt und zunächst gemäß § 39 FPG, dann nach § 40 BFA-VG von der Polizeiinspektion Passau festgenommen.

Die Beschwerdeführer stellten bei der PI Passau am 11.01.2016 Anträge auf internationalen Schutz und wurden am 12.01.2016 von der PI Passau zu ihren Folgeanträgen auf internationalen Schutz erstbefragt.

Der Erstbeschwerdeführer gab im Zuge der Erstbefragung an, dass er über Barmittel iHv € 50,- verfüge und keine Verpflichtungserklärung für ihn abgegeben worden sei. Er habe im Jänner in Baden einen Termin für eine Glaukomoperation. Er und seine Gattin hätten nach dem negativen Ausgang der Asylverfahren einer freiwilligen Rückkehr zugestimmt, um einer Abschiebung zu entgehen, weil sie große Angst hätten, nach Tschetschenien zurückzukehren. Daher seien sie illegal nach Deutschland gereist um dort um Asyl anzusuchen. Sie hätten sich von Juli 2015 bis Jänner 2016 in Deutschland aufgehalten. Befragt, warum er einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz stelle, gab der Erstbeschwerdeführer an, er habe bereits bei den Einvernahmen 2013 alle Gründe angegeben, es habe sich nichts geändert. Seine Tochter lebe als anerkannte Asylwerberin in Wien, ihre Adresse kenne er nicht. Der Schwiegersohn habe im Kriegsgeschehen gegen den Vater KADYROV 2000 gekämpft und sei dabei ums Leben gekommen. Wenn jemand aus der Familie gegen KADYROV gekämpft habe, habe die ganze Familie zu leiden. Seine Tochter sei eine Art Standesbeamtin auf der Gemeinde gewesen. Nachdem bekannt geworden sei, dass ihr Mann gegen KADYOV gekämpft habe, sei sie oft vom Geheimdienst zu Verhören geladen worden. Sie sei bei diesen Verhören vergewaltigt worden. Deswegen sei sie gezwungen gewesen zu flüchten und sei nach Österreich gegangen. Eine Vergewaltigung sei bei ihnen eine Schande. Als die Tochter schon weg gewesen sei, seien die Geheimdienste zu den Beschwerdeführern gekommen und hätten nach ihrer Tochter gefragt. Es sei nur seine Gattin zu Hause gewesen und sie hätten ihr gedroht, dass ihr etwas Schlimmes passieren würde, wenn sie die Tochter nicht verraten würden. Seine Gattin habe in dieser Aufregung einen Infarkt bekommen und sei im Krankenhaus St. Petersburg operiert worden. Dann seien sie nach Österreich geflüchtet. Das seien alle ihre Verfolgungsgründe. Im Falle der Rückkehr fürchte er, dass sie wieder zu ihnen nach Hause kommen würden. Wenn dies passiere, würde seine Gattin das nicht überleben, da sie große Angst um ihn habe. Er sei schon einmal vom Geheimdienst mitgenommen und geschlagen worden, weil er gegen KADYROV gewesen sei. Er habe eine Krankenhausbestätigung, dass er 2013 geschlagen worden sei. Wenn dies einmal passiert sei, gebe es keinen Grund anzunehmen, dass es nicht nochmals passieren würde. Er habe alles offen erzählt und wolle darum bitten, dass er mit seiner Gattin in Österreich bleiben dürfe.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Zuge der Erstbefragung an, dass sie über Barmittel iHv ca.€ 120,- verfüge und dass keine Verpflichtungserklärung für sie abgegeben worden sei. Sie leide an Bluthochdruck, Diabetes, Osteoporose, chronischer Bronchitis, einer Nasennebenhöhlenentzündung und sehe schlecht wegen des Diabetes. Sie sei nicht schwanger. Vor einem Jahr habe ihre Tochter geheiratet und ihr Mann und sie hätten sie nicht in Bedrängnis bringen wollen. Daher seien sie vor sechs Monaten illegal nach Deutschland gereist, als sei Anfang Juli 2015 erfahren hätten, dass sie Österreich verlassen und in den Herkunftsstaat zurückkehren müssten. Um dies zu verhindern seien sie illegal nach Deutschland gereist und hätten dort um Asyl angesucht. Sie hätten sich von Juli 2015 bis Jänner 2016 in Deutschland aufgehalten. Befragt nach den Gründen für die neuerliche Asylantragstellung gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass es keine neuen Fluchtgründe gebe, nur ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert und die Erkrankungen seien fortgeschritten. In ihrem Herkunftsstaat werde sie schon behandelt, aber die medizinische Versorgung sei dort schlecht. Im Falle der Rückkehr habe sie keine Angst um sich selbst, sie fürchte um ihren Gatten, der einmal von KADYROV-Anhängern mitgenommen und geschlagen worden sei. Als er nach Hause gebracht worden sei, habe er fast nicht geatmet. Sie habe Angst, dass das nochmals passiere. Beim nächsten Mal werde er das nicht überleben. Ihre Tochter sei bei den Verhören vergewaltigt worden. Sie habe ihrer Tochter gesagt, dass sie fliehen solle, wohin sie wolle, und sich bei ihr melden solle - sie werde zu ihr kommen. Es gebe keine konkreten Hinweise, dass ihr im Falle der Rückkehr unmenschliche Behandlung, Strafe, die Todesstrafe oder sonstige Sanktionen drohen würden. Sie sei in Österreich wegen ihrer Erkrankungen behandelt worden. Sie sei u.a. beim Orthopäden und beim Augenarzt gewesen und habe Spritzen bekommen. Durch den negativen Asylbescheid seien alle Behandlungen abgebrochen worden. Sie benötige diese Behandlungen aber. Ihr Mann wolle nicht ohne Begleitung nach Hause fahren und habe auch große Angst, dies zu tun.

Am 13.01.2015 erging gemäß § 43 Abs. 1 Z 2 lit. a BFA-VG die Anordnung und Prognoseentscheidung, dass das Verfahren über den Folgeantrag in der Erstaufnahmestelle zu führen sei. Am selben Tag wurden die Beschwerdeführer ins Polizeianhaltezentrum Innsbruck überstellt.

4. Am selben Tag wurde über die Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung verhängt. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführer nicht österreichische Staatsbürger seien und einen Folgenantrag auf internationalen Schutz gestellt hätten. Der Erstbeschwerdeführer gebe an, an einem Glaukom zu leiden, die Zweitbeschwerdeführerin, an Bluthochdruck, Diabetes, Osteoporose, chronischer Bronchitis, Nasennebenhöhlenentzündung und sie sehe schlecht. Die Beschwerdeführer seien am 03.09.2013 nach Österreich eingereist und hätten am selben Tag Anträge auf internationalen Schutz gestellt, die mit Bescheiden vom 12.09.2014 abgewiesen worden seien. Gegen die Beschwerdeführer sei eine Rückkehrentscheidung erlassen worden. Die Beschwerden seien mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.10.2014, die am 15.12.2014 in Rechtskraft erwachsen seien, als unbegründet abgewiesen worden. Nachdem die Beschwerdeführer am 10.06.2015 zum Zwecke der Erlangung eines Heimreisezertifikates befragt worden seien, seien die Beschwerdeführer kurz danach in die Anonymität untergetaucht, weshalb ihre Abschiebung trotz der am XXXX von der russischen Botschaft ausgestellten, einen Monat lang gültigen Heimreisezertifikate nicht vollzogen werde haben können. Da die Beschwerdeführer illegal nach Deutschland weitergereist seien und bei den deutschen Behörden Anträge auf internationalen Schutz gestellt hätten, seien sie gemäß den geltenden Bestimmungen der Dublin III-VO am 11.01.2016 nach Österreich rücküberstellt worden. Ihre in Deutschland gestellten Asylanträge seien in Österreich als Folgeanträge zu werden. Nach der Erstbefragung zu den Folgeanträgen sei die Prognose gestellt worden, dass keine Verfahrenszulassung erfolgen werde und ein Verfahren gemäß § 68 AVG zu führen sei. Nach Abschluss dieses Verfahrens werde die Beschaffung eines neuerlichen Heimreisezertifikates betrieben werden.

Die Beschwerdeführer seien illegal nach Österreich eingereist und hätten sich nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise nach Rechtskraft der gegen sie negativ entschiedenen Verfahren bis etwa Juli 2015 unrechtmäßig in Österreich aufgehalten. Nachdem sie auf Grund der mit ihnen durchgeführten Befragungen zum Heimreisezertifikat annehmen hätten müssen, dass die russischen Behörden Heimreisezertifikate für sie ausstellen würden, seien sie in die Anonymität untergetaucht und illegal nach Deutschland weitergereist. Im Zuge de Befragung zu ihren Folgeanträgen hätten die Beschwerdeführer keinerlei neue Verfolgungsgründe geltend gemacht, weshalb laut der ersten Prognoseentscheidung keine Zulassung zur Prüfung eines neuerlichen Verfahrens über die Gewährung internationalen Schutzes erfolgen werde. Im bisherigen Verfahren hätten sich die Beschwerdeführer unkooperativ verhalten, indem sie versucht hätten, sich den Behörden zu entziehen. Sie besäßen kein gültiges Reisedokument und könnten Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen. Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem sie sich dem gegen sie geführten Abschiebeverfahren entzogen hätten, die Entscheidung der Behörden ignoriert hätten und illegal nach Deutschland weitergereist seien. Sie verfügten nicht über ausreichend Barmittel, um ihren Unterhalt zu finanzieren und würden keiner legalen Beschäftigung nachgehen. Sie hätten keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich. Sie seien in keinster Weise integriert, weil sie bisher kaum der deutschen Sprache mächtig seien, und hätten lediglich Bezug zu ihrer in Österreich lebenden Tochter, könnten aber sonst keinerlei familiäre oder soziale Bindungen nachweisen.

Sie seien in Österreich weder beruflich noch sozial verankert. Ihre Tochter lebe als anerkannter Flüchtling in Österreich und sei in keinster Weise von ihnen abhängig.

Die Identität der Beschwerdeführer stehe fest.

Die Behörde gehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, dass in absehbarer Zeit ein Heimreisezertifikat für die Beschwerdeführer ausgestellt werde, da bereits einmal eines ausgestellt worden sei.

Im Falle der Beschwerdeführer liege auf Grund ihres Verhaltens Fluchtgefahr vor: Sie hätten sich der Abschiebung durch die österreichischen Behörden entzogen, als ihnen nach der Befragung zum Heimreisezertifikat bewusst geworden sei, dass die russischen Behörden Zertifikate ausstellen würden. Sie seien aus diesem Grund illegal nach Deutschland weitergereist, um für die österreichischen Behörden nicht mehr greifbar zu sein. Dies habe sich auch durch die Angaben in der Befragung vom 12.01.2016 bestätigt. Daher sei die Entscheidung auch verhältnismäßig, weil die Erlangung eines neuerlichen Heimreisezertifikats realistisch erscheine und auf Grund ihres bisherigen Verhaltens von der belangten Behörde angenommen werden müsse, dass sie sich neuerlich der Abschiebung entziehen werden, sofern sie die Gelegenheit dazu erhalten würden, weshalb mit der Verhängung eines gelinderen Mittels nicht das Auslangen gefunden werden könne. Die Sicherung der Verfahren bzw. der Abschiebung sei erforderlich, weil sich die Beschwerdeführer auf Grund ihres Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen hätten. Es sei davon auszugehen, dass sie auch hinkünftig nicht gewillt sein würden, die Rechtsvorschriften einzuhalten. Aus ihrer Wohn- und Familiensituation, ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie auf Grund ihres bisherigen Verhaltens könne geschlossen werden, dass bezüglich ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliege. Auch der Umstand, dass ihre Tochter sich in Wien als anerkannter Flüchtling rechtmäßig aufhalte, habe sie bereits vor der Ausstellung des ersten Heimreisezertifikates der russischen Botschaft nicht daran hindern können, unterzutauchen und Österreich illegal zu verlassen. Aus diesem Grund müsse davon ausgegangen werden, dass sie bei nächster Gelegenheit wieder versuchen würden, sich den Behörden zu entziehen, nachdem durch die erste Prognoseentscheidung bereits feststehe, dass die Beschwerdeführer zu einem weiteren internationalen Schutzverfahren mangels neuer Fluchtgründe nicht mehr zugelassen würden und die Erlangung eines Heimreisezertifikats zum Zwecke der Abschiebung sehr realistisch erscheine. Einem geordneten Fremdenwesen komme im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl des Landes des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es bestehe die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben und den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergebe daher im Fall der Beschwerdeführer, dass ihr privates Interesse an der Schonung ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen habe. Dabei werde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima-ratio-Maßnahme darstelle. Es sei daher zur prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich sei. In Betracht käme das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheitsleistung. Dabei komme die finanzielle Sicherheitsleistung auf Grund der finanziellen Situation der Beschwerdeführer nicht in Betracht. Doch auch mit der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und der persönlichen Meldeverpflichtung könne im Fall der Beschwerdeführer nicht das Auslangen gefunden werden, da auch der Umstand, dass die Tochter sich in Wien als anerkannter Flüchtling rechtmäßig aufhalte, die Beschwerdeführer bereits noch vor der Ausstellung des ersten Heimreisezertifikats der russischen Botschaft die Beschwerdeführer nicht daran hindern habe können, unterzutauchen und Österreich illegal zu verlassen. Es bestehe auf Grund der persönlichen Lebenssituation der Beschwerdeführer sowie auf Grund ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liege somit eine ultima-ratio-Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordere und eine Verfahrensführung, während sich die Beschwerdeführer in Freiheit befänden, ausschließe. Es sei weiters auf Grund ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen gegeben seien, da die Beschwerdeführer keine Erkrankungen belegen hätten können, die eine Haftunfähigkeit ergeben würden. Die belangte Behörde gelange daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorlägen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis stehe und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten sei.

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde den Beschwerdeführern die ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gen. GmbH, als Rechtsberater beigegeben.

5. Ebenfalls am 13.01.2016 wurden die Beschwerdeführer ins PAZ Roßauer Lände überstellt.

6. Mit Schriftsatz vom 15.01.2016, eingebracht am Bundesverwaltungsgericht am selben Tag, erhoben die Beschwerdeführer durch ihren Rechtsberater als gewillkürten Vertreter Beschwerde gegen die Bescheide vom 13.01.2016 und die andauernde Anhaltung in Schubhaft.

Die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft begründen die Beschwerdeführer zunächst mit der Unverhältnismäßigkeit der Haft, weil keine Fluchtgefahr vorliege. Hiezu führen die Beschwerdeführer aus, dass die belangte Behörde die Erforderlichkeit der Schubhaft in jedem individuellen Einzelfall prüfen müsse und die den Beschwerdeführern angelastete Ausreiseunwilligkeit allein nicht das Sicherungserfordernis begründen könne. Zwar würden die Ergebnisse aus dem ersten Asylverfahren sowie die Angaben der Beschwerdeführer in der polizeilichen Erstbefragung vom 12.01.2016 gewürdigt, die belangte Behörde habe es aber verabsäumt, das Vorliegen von Fluchtgefahr im Einzelfall durch entsprechende Einvernahme und Befragung der Beschwerdeführer zur Prüfung des Sicherungsbedarfs sowie in der Folge durch die Würdigung dieser Angaben zu prüfen. Der Rückgriff auf die Angaben der Beschwerdeführer in der polizeilichen Erstbefragung erweise sich zum einen als unzureichend, weil das die Schubhaft anordnende Organ der belangten Behörde diese Erkenntnisse selbst durch persönliche Befragung der Beschwerdeführer erhalten hätte können, die Erstbefragung jedoch von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführt werde. Die Erstbefragung diene zum Anderen gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 der Klärung der Identität der Antragsteller sowie der Fluchtroute, im Falle eines Folgeantrages auch der näheren Befragung zu den Fluchtgründen. Der Zweck der Erstbefragung sei jedoch nicht, das Bestehen eines Sicherungsbedarfs im Hinblick auf die etwaige Verhängung der Schubhaft und eines gelinderen Mittels zu ermitteln. Die belangte Behörde begründe das Vorliegen von Fluchtgefahr unter anderem damit, dass die Beschwerdeführer nach Deutschland weitergereist seien, um für die österreichischen Behörden nicht mehr greifbar zu sein, und verweise auf die Angaben in der Erstbefragung vom 12.01.2016. Dass die belangten Behörde bzw. das belangte Organ die Beschwerdeführer mit diesem Vorhalt konfrontiert hätten, ergebe sich aus den Schubhaftbescheiden nicht. Die belangte Behörde gehe weiters davon aus, dass den Beschwerdeführern nach der Einvernahme zur Beschaffung von Heimreisezertifikaten bewusst geworden sei, dass von den russischen Behörden ein solches auch ausgestellt werde. Dies stelle jedoch lediglich eine Mutmaßung dar, die durch entsprechende Ermittlungen in Form einer Befragung der Beschwerdeführer erst überprüft hätte werden müssen. Diese Schlussfolgerung sei nämlich keineswegs selbstverständlich, zumal die Beschwerdeführer keinen Einfluss darauf hätten, ob die russischen Behörden ein Reisedokument ausstellen würden, oder nicht. Nicht nachvollziehbar sei auch die Begründung in den angefochtenen Bescheiden, aus der Wohn- und Familiensituation der Beschwerdeführer und der fehlenden sozialen Verankerung in Österreich könne auf ein beträchtliches Risiko des Untertauchens geschlossen werden. Die belangte Behörde stelle selbst fest, dass die Tochter der Beschwerdeführer als anerkannter Flüchtling in Wien lebe. In den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführer im Entscheidungszeitpunkt an derselben Adresse gelebt hätten, wie ihre Tochter. Ein entsprechendes Naheverhältnis könne daher schon von daher angenommen werden. Der Umstand, dass die Beschwerdeführer somit über familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich verfügten, spreche nicht für, sondern gegen den Sicherungsbedarf. Auch in dieser Hinsicht müsse angemerkt werden, dass die belangte Behörde keine Ermittlungen im Hinblick auf eine soziale Verankerung der Beschwerdeführer vorgenommen habe. Hätte die belangte Behörde ein gesetzmäßiges Verfahren zur Bestimmung des Sicherungsbedarfes durchgeführt, hätte die belangte Behörde zum Schluss kommen müssen, dass im Fall der Beschwerdeführer keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Sicherungsbedarf bzw. Fluchtgefahr iSd § 76 Abs. 2 Z 1 FPG bestehe. Sämtliche von der belangten Behörde sonst angeführten Umstände vermöchten die Verhängung der Schubhaft nämlich nicht zu rechtfertigen. Die illegale Einreise stelle keinen Grund für die Annahme eines Sicherungsbedarfs dar. Dasselbe gelte für den Umstand, dass die Beschwerdeführer über kein gültiges Reisedokument verfügten. Insbesondere könne auch die den Beschwerdeführern angelastete Ausreiseunwilligkeit allein kein Sicherungserfordernis begründen. Auch dass die Beschwerdeführer nach Deutschland weitergefahren seien, begründe noch keine erhebliche Fluchtgefahr. Dieser Umstand führe nämlich erst dazu, dass der vorliegende Sachverhalt ein "Dublin-Fall" werde. Allein der Umstand, dass ein Antragsteller in mehr als einem Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe, begründe aber noch keinen Sicherungsbedarf. Es wäre vielmehr zu berücksichtigen gewesen, dass die Beschwerdeführer richtige Angaben zu ihrer Identität und Fluchtroute gemacht hätten. Aus der Dublin III-VO lasse sich zweifelsfrei ableiten, dass die Verhängung der Schubhaft im Anwendungsbereich der Verordnung grundsätzlich die Ausnahme sein solle. Es sei daher im jeweiligen Einzelfall erforderlich, dass das Vorliegen einer solchen Ausnahmesituation konkret und schlüssig begründet werde. Die Dublin-Verordnung sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar, jedoch habe Art. 8 Abs. 2 der AufnahmeRL denselben Regelungsgehalt wie Art. 28 Abs. 2 Dublin III-VO, sodass die zitierte Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall übertragbar sei.

Die Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides und der Anhaltung in Schubhaft begründen die Beschwerdeführer weiters mit der Unverhältnismäßigkeit der Haft, weil kein gelinderes Mittel angewendet worden sei. Die Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes eines Fremden, könne im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung zum Ergebnis führen, dass Stelle der Schubhaft die Anwendung des gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG ausreichend sei, selbst wenn keine Haftunfähigkeit vorliege. Der Erstbeschwerdeführer habe angegeben, an einem Glaukom zu leiden. Dies werde im angefochtenen Bescheid auch festgestellt. In der Erstbefragung habe er auch angegeben, aus diesem Grund noch im Jänner einen Operationstermin in Baden zu haben. Entsprechende Befunde habe er in Vorlage gebracht. Die Zweitbeschwerdeführerin leide laut den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts im Asylverfahren an Herzproblemen, Diabetes mellitus Typ 2 sowie grauem Star. Sie habe 2013 einen Infarkt erlitten, weshalb ihr ein Stent implantiert worden sei. Sie sei bereits vor ihrer Ausreise in ärztlicher Behandlung gestanden wird werde auch nach der Rückkehr in den Herkunftsstaat eine Fortsetzung der Therapien benötigen. Sie habe in der Erstbefragung angegeben, an Bluthochdruck, Diabetes, Osteoporose, chronischer Bronchitis, einer Nasennebenhöhlenentzündung zu leiden und schlecht zu sehen. Auch dies werde im Schubhaftbescheid nicht in Frage gestellt. Sie habe darüber hinaus angegeben, dass sich ihr Gesundheitszustand seit der Erlassung der letzten inhaltlichen Entscheidung im Asylverfahren verschlechtert habe und die Erkrankungen weiter fortgeschritten seien. Ebenso habe sie auf die Behandlungsbedürftigkeit ihrer Erkrankungen hingewiesen. In den Bescheiden werde im Hinblick auf die Prüfung des gelinderen Mittels lediglich festgehalten, dass auf Grund des Gesundheitszustandes der Beschwerdeführer davon auszugehen sei, dass die Haftfähigkeit gegeben sei. Selbst wenn es zutreffend sein sollte, dass die einzelnen Krankheitsbilder für sich keine Haftunfähigkeit begründen würden - wobei anzumerken sie, dass eine derartige Beurteilung durch einen medizinischen Sachverständigen erfolgen müsse - hätte der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer in einer Gesamtbetrachtung in die Verhältnismäßigkeitsprüfung Eingang finden müssen. Dies sei jedoch nicht erfolgt. Insbesondere die Zweitbeschwerdeführerin laboriere aktenkundig an mehreren behandlungsbedürftigen Krankheiten. Die belangte Behörde hätte prüfen müssen, ob der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung dazu führe, dass die Anwendung gelinderer Mittel ausreichend sei. Zur Auseinandersetzung mit dem aktuellen Gesundheitszustand der Beschwerdeführer sei eine mündliche Verhandlung notwendig. Es sei den Schubhaftbescheiden nicht zu entnehmen, dass sich die belangte Behörde mit dem Gesundheitszustand der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung ausreichend auseinandergesetzt hätte. Dadurch habe sie das Recht der Beschwerdeführer auf persönliche Freiheit verletzt. Gegenüber den Beschwerdeführern sei noch kein gelinderes Mittel angeordnet worden; hiefür kämen insb. die Anordnung der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten oder die periodische Meldeverpflichtung in Frage. Auf Grund der Folgeantragstellung komme den Beschwerdeführern wiederum Anspruch auf Grundversorgung zu, auf die sie angewiesen seien, weil sie ansonsten über keine Krankenversicherung verfügen würden und die erforderlichen Behandlungen nicht in Anspruch nehmen könnten. Die belangte Behörde hätte darlegen müssen, warum sie davon ausgehe, dass die Beschwerdeführer auf die Grundversorgung verzichten würden - dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass beim Erstbeschwerdeführer ein Operationstermin bevorstehe und die Zweitbeschwerdeführerin auf regelmäßige medikamentöse Behandlung angewiesen sei. Dies habe die belangte Behörde nicht nachvollziehbar begründet. Die Beschwerdeführer seien bereit, einer periodischen Meldeverpflichtung und sonstigen behördlichen Anordnungen Folge zu leisten. Die Einvernahme der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung und die Einholung von Befunden werden beantragt.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei erforderlich, sollte das Bundesverwaltungsgericht nicht antragsgemäß entscheiden, insbesondere zur Klärung des Vorliegend des Sicherungsbedarfes, zum Gesundheitszustand der Beschwerdeführer und zur Erörterung des einzuholenden Gutachtens und zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen eines gelinderen Mittels.

Die Beschwerdeführer beantragen die Beigebung eines Verfahrenshelfers gemäß § 40 VwGVG. Der Verfassungsgerichtshof habe im Erkenntnis VfGH 25.06.2015, G 7/2015, ausgesprochen, dass der gänzliche Ausschluss der Gewährung von Verfahrenshilfe in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen, die unter Art. 6 EMRK fallen würden, verfassungswidrig sei. Schubhaftverfahren fielen nicht unter Art. 6 EMRK, aber der Anwendungsbereich der Grundrechtecharta sei eröffnet. Gemäß Art. 47 GRC werde Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügten, Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich sei, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten. Die Beschwerdeführer haben lediglich Anspruch auf die Beigebung eines Rechtsberaters gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG und auf Teilnahme des Rechtsberaters an der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren. Dies sei der Verfahrenshilfe gemäß § 40 VwGVG nicht gleichwertig, weil ihnen kein Rechtsvertreter im Schubhaftbeschwerdeverfahren beigegeben werde. Daher seien die Beschwerdeführer auf die Beiziehung eines gewillkürten Vertreters angewiesen gewesen. Für die gewillkürte Vertretung gebe es aber keine Qualitätsstandards, wie sie für Rechtsberater vorgesehen seien. Auf Grund seiner unzureichenden Deutschkenntnisse und der rechtlichen Komplexität des Falles seien die Beschwerdeführer außer Stande, selbst Schriftsätze abzufassen oder sich in einer Verhandlung zu vertreten. Die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes lägen vor, weil ausreichende Erfolgsaussichten bestünden, die Bedeutung des Rechtsstreites ergebe sich aus der Schwere des Grundrechtseingriffes, die Komplexität des Falles bereits aus der Natur der Schubhaftbeschwerde und dass die Beschwerdeführer Unterstützung bedürfen, aus deren Sprachbarriere. Der Verwaltungsgerichtshof habe im Erkenntnis VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, bestätigt, dass den Beschwerdeführern auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsanspruch auf Vertretung in der mündlichen Verhandlung nicht zukomme; dieses Erkenntnis sei noch zur alten Rechtslage ergangen. Nach dem Wortlaut der neuen Bestimmung seien Rechtsberater im Schubhaftverfahren lediglich verpflichtet, den Fremden bei der Einbringung der Beschwerde zu unterstützen sowie auf sein Ersuchen an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen. Dies umfasse nicht die Vertretung im gesamten Beschwerdeverfahren. Dies ergebe sich aus einem Umkehrschluss zum zweiten Satz des § 52 Abs. 2 BFA-VG, wonach im Verfahren gegen eine Rückkehrentscheidung etc. sehr wohl ein Anspruch auf Rechtsvertretung bestehe. Dass der Gesetzgeber mit den Begriffen "Vertretung" einerseits und "Teilnahme an der mündlichen Verhandlung" andererseits das Gleiche gemeint habe, könne schon allein auf Grund des Wortlautes und der Situierung im Gesetz - beide Begriffe kämen in derselben Bestimmung vor - nicht zweifelsfrei gesagt werden. Da in concreto keine geeignete innerstaatliche Anspruchsgrundlage existiere, müsse dem Beschwerdeführer gemäß Art. 47 Abs. 3 GRC ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beiseite gestellt werden. Zur Frage, ob § 52 Abs. 2 BFA-VG idgF einen ausreichenden Komplimentärmechanismus zu Art. 47 GRC darstelle, werde jedenfalls die Zulassung der Revision begehrt, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Rechtsfrage mangle.

Betreffend den Ersatz etwaiger Dolmetscherkosten führt die Beschwerde aus, dass eine analoge Anwendung des § 53 Abs. 1 Z 2 BFA-VG in Schubhaftbeschwerdeverfahren ausscheide. Dies gelte auch für § 113 Abs. 1 FPG. Die Auferlegung der Dolmetscherkosten komme auch nicht als Barauslagen iSd § 76 AVG in Betracht, da § 53 Abs. 1 BFA-VG und § 113 Abs. 1 FPG in dieser Hinsicht als speziellere Normen anzusehen seien und die Anwendbarkeit des AVG grundsätzlich nur subsidiär sei.

Die Beschwerdeführer beantragen den Ersatz des Schriftsatzaufwandes iHv jeweils € 737,60 sowie Verhandlungsaufwandes iHv jeweils € 922. Darüberhinaus beantragen die Beschwerdeführer den Ersatz sämtlicher Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die sie aufzukommen haben, insbesondere die Gebühren für Dolmetscher und Sachverständige, die diese für ihre Aufwendungen im Verfahren geltend machen.

Darüber hinaus beantragen die Beschwerdeführer den Ersatz der Eingabengebühr iHv € 30,-.

Die Beschwerdeführer beantragen die Aufhebung der Bescheide, den Ausspruch, dass die bisherige Anhaltung rechtswidrig erfolgt sei, den Ausspruch, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung der Beschwerdeführer nicht vorliegen, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Einholung allgemeinmedizinischer Gutachten über den Gesundheitszustand der Beschwerdeführer, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, Kostenersatz und die Beigebung eines Verfahrenshelfers.

6. Das Bundesamt legte am 19.01.2016 die Akten vor. Zudem teilt das Bundesamt mit, dass ein Heimreisezertifikat jederzeit ausgestellt werde, weil bereits ein abgelaufenes, bis 25.12.2015 gültiges, Heimreisezertifikat vorliege. Ein Abschiebetermin liege noch nicht vor. Zum aktuellen Asylverfahren könnten keine Angaben gemacht werden, weil sich die Akten auf dem Postweg befänden.

Laut den übermittelten medizinsichen Unterlagen war der Erstbeschwerdeführer bei der Inschubhaftnahme laut polizeiamtsärztlichem Gutachten haftfähig, gab aber an, dass er an chronischem Juckreiz leide. Harn- und Drogentest waren nicht möglich/abgelehnt, das Ausfüllen des Anamnesebogens verweigerte der Erstbeschwerdeführer. Auch die Zweitbeschwerdeführerin füllte den Anamnesebogen nicht aus. Bei der Inschubhaftnahme wurde Diabetes, Bluthochdruck, koronare Herzerkrankung und Zustand nach Herzoperation 2013 und erhöhtes Cholesterin festgestellt. Der Blutzucker sei nicht optimal eingestellt, weil sie seit Jänner in Hamburg Lantus statt der oralen Therapie erhalten habe. Laut polizeiamtsärztlichem Gutachten war die Zweitbeschwerdeführerin bei der Inschubhaftnahme haftfähig, eine stündliche Kontrolle wegen Blutdruck und Blutzucker wurden angeordnet.

Laut den weiteren medizinischen Unterlagen leidet der Erstbeschwerdeführer an Grauem Star, 2014 wurde bei ihm eine Bindegewebswucherung am Auge entfernt. Laut Befund vom 30.04.2015 ist seine Prostata vergrößert. Laut Schreiben des Allgemeinmediziners vom 19.06.2015 leidet der Erstbeschwerdeführer an Tinnitus und befand sich in einem postoperativen Zustand. Es wurde empfohlen, von einer Rückführung in den Herkunftsstaat auf Grund des Gesundheitszustand der Gattin abzusehen. Laut Befund aus Deutschland litt die Zweitbeschwerdeführerin im November an Bronchitis und es kam zu mehrfachten hyperglykämen Entgleisungen. Laut Befund des Allgemeinmediziners vom 08.11.2013 muss die Zweitbeschwerdeführerin wegen der Diabeteserkrankung Diät halten. Laut Befund vom 29.10.2013 leidet die Zweitbeschwerdeführerin an geringen Arthrosen und Verkalkungen, laut Befund vom 20.10.2013 an Diabetes, hohem Cholesterin, Fettleibigkeit und Bluthochdruck; als Therapie wurde ein Herzmedikament und Gewichtsreduktion empfohlen. Laut Befund vom 27.09.2013 leidet die Zweitbeschwerdeführerin an grauem Star. Laut Befund vom 27.12.2013 wurde der Zweitbeschwerdeführerin nach einem Infarkt ein Stent eingesetzt. Laut Befund vom 17.12.2013 litt die Zweitbeschwerdeführerin an einem Hexenschuss und einem Harnwegsinfekt, laut Befund vom 16.01.2014 leidet die Zweitbeschwerdeführerin an einem Makulaödem, das operiert wurde.

7. Laut dem amtsärztlichen Gutachten vom 18.01.2016 ist der Erstbeschwerdeführer haftfähig; er nimmt Tabletten gegen Juckreiz sowie Magenschutz hiezu und ist haftfähig.

Laut Gutachten vom 18.01.2016 befindet sich die Zweitbeschwerdeführerin in gutem Allgemeinzustand. Sie leidet an nicht insulinpflichtigem Diabetes, während der Schubhaft kam es zu keinen hyperglykämen Entgleisungen. Eine Umstellung auf Insulin sei wegen erschwerter Kommunikation und mangelhafter Mitwirkung der Patientin nicht möglich. Die Behandlung mit den Präparaten, die in Deutschland verabreicht wurden, sei ausreichend. Die Zweitbeschwerdeführerin leide zudem an Bluthochdruck, eingeschränkter Nierenfunktion, erhöhtem Cholesterin. 2012 habe sie einen Schlaganfall erlitten, 2014 sei ihr ein Stent implantiert worden. Die täglich gemessenen Vitalparameter befänden sich aber im Normalbereich und die körperliche Untersuchung ergebe keine auffälligen Befunde. Die Zweitbeschwerdeführerin gebe weder neurologische noch Herzbeschwerden an. Sie erhalte Mediamente zur Blutverdünnung, Blutdruck-, Blutfett-, Blutzucker- und Harnsäuresenkung sowie Magenschutz.

8. Das Bundesamt erstattete keine Stellungnahme. Es teilte am 21.01.2015 mit, dass die Ausstellung eines neuen Heimreisezertifikats am 13.01.2016 beantragt wurde und vermutlich innerhalb von 2 Monaten auch zu erreichen sei. Aufgrund des vorliegenden Sachverhalts sei in den beiden angefragten Fällen die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß §12a Abs. 2 AsylG 2005 idgF beabsichtigt, entsprechende Verfahrensanordnungen gemäß § 29 Abs. 3 Z. 4 und 6 AsylG 2005 würden über das Polizeianhaltezentrum an die Asylwerber zugestellt. Die Einvernahmen zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes seien für Dienstag, 26.01.2016, geplant.

9. In der hg. mündlichen Verhandlung, an der das Bundesamt unentschuldigt nicht teilnahm, gaben die Beschwerdeführer Folgendes an:

"R: Verfügen Sie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich?

BF 2: Nein.

R: Ihr Asylverfahren wurde mit Erkenntnis vom 15.12.2014 rechtskräftig abgeschlossen. Am 10.06.2015 wurden Sie betreffend das Heimreisezertifikat einvernommen. Am 16.07.2015 wurden sie aus der Grundversorgung abgemeldet, weil sie unbekannten Aufenthalts waren. Wo haben Sie sich aufgehalten?

BF 2: Ich leide unter Hochdruck und bin zuckerkrank, ich kann mich nicht an die Daten erinnern.

R wiederholt die Frage.

BF 2: Mein Mann ist zu einem kostenlosen Anwalt gegangen, er wollte in Erfahrung bringen, ob wir trotzdem hier bleiben können. Man hat ihm gesagt, dass man nicht genau weiß, ob wir hier bleiben können, man hat es nicht ausgeschlossen, ob wir hier bleiben können. Mein Mann hat gesagt, dass eine Abschiebung nicht möglich ist, weil er einen Termin für eine Nasenoperation hatte. Ich habe Spritzen für die Augen bekommen und ich habe einen Stent bekommen. Wir können aus gesundheitlichen Gründen nicht zurück und weil wir Angst haben. Wir sehen schlecht und wir können nur schlecht gehen. Wie können wir nach Hause fahren, wir wollen nicht nach Hause und wir können nicht. Das wäre für uns eine Schande. Er wurde zusammengeschlagen, er wurde bei einer Straße gefunden und nach Hause gebracht. Er hat die Leute transportiert, er hat einen alten Mann überfahren, aber es gab diesbezüglich keinen Beschluss. Aber für ihn war das trotzdem beschämend für ihn, er wollte nicht nach Hause. Der erste Grund sind meine Krankheiten und der zweite Grund ist die Tatsache, dass er sich schämt.

R: Meine Frage war, was geschehen ist, nachdem sie mit dem kostenlosen Anwalt gesprochen haben?

BF 2: Er hat gesagt, dass es nicht klar ist, ob wir dableiben können oder nicht. Wir wollten nicht bei der Tochter und unserem Schwiegersohn leben, wir wollten auch nicht beim Neffen leben und sind deswegen nach Deutschland gefahren, damit man uns nicht wegschickt. Wir sind schuld daran, dass wir die Bestätigungen dort abgegeben haben, wir haben uns nicht ausgekannt.

R: Was meinen Sie damit, dass Sie die Bestätigungen dort abgegeben haben?

BF 2: Mein Mann wurde zwei Mal zusammengeschlagen und es gab diesbezügliche Bestätigungen.

R: Wie haben Sie Ihre Reise nach Deutschland organisiert?

BF 2: Ich habe 500 Euro ausgeborgt, dieses Geld hat man dann bei uns gefunden und ich habe gesagt, dass ich das Geld zurückzahlen muss.

R wiederholt die Frage.

BF 2: Wir sind zuerst nach Leoben gefahren, dort lebt sein Neffe, er hat uns am nächsten Tag zu einem Bahnhof gebracht und wir sind weiter gefahren. Wir sind nach Hamburg gefahren, dort lebt ein anderer Neffe und er hat uns dort erwartet. Für uns war es egal, wo wir sind, wir wollten nur nach Deutschland, wir wollten nicht nach Hause.

R: Hatten Sie von Deutschland aus Kontakt zu ihrer Tochter?

BF 2: Per Telefon.

R: Wo lebt ihre Tochter?

BF 2: Hier in Wien.

R: Ihre Tochter verfügt seit Feb. 2015 über keine Meldeadresse mehr und ist seit März 2015 obdachlos gemeldet.

BF 2: Wahrscheinlich ist sie bei ihrem Mann.

R: Wer ist ihr Mann?

BF 2: Ich weiß es nicht, ich mag ihn nicht. Unsere Tochter ist sechs Monate vor uns nach Österreich gekommen.

R: Wo genau lebt sie?

BF 2: Ich weiß es nicht, wir telefonieren nur. Der Mann, mit dem sie verheiratet ist, war schon früher verheiratet, deswegen mag ich ihn nicht.

R: Was haben Sie in Deutschland gemacht, wo und wie haben Sie gelebt?

BF 2: Wir waren vier Monate lang in einem Lager und zwei Monate lang in einem Heim.

R: Hatten Sie Probleme in Deutschland?

BF 2: Nein.

R: Hatten Sie gesundheitliche Probleme?

BF 2: Ja, ich habe dort Bronchitis bekommen, das war dann die fünfte oder sechste Krankheit.

R: ich habe einen Befund, dass die Bronchitis in Deutschland behandelt wurde, wurden auch Ihre anderen Krankheiten behandelt?

BF 2: Bronchitis wurde in einer Klinik behandelt, aber andere Krankheiten nicht, weil man gesagt hat, dass Bronchitis vordringlich behandelt werden muss.

BFV legt vor: 1) Klinik XXXX , 16.12.2015, 2) Ärztin für Allgemein Medizin 09.10.2015, betreffend einer depressiven Störung bei einer erheblichen psychosozialen Belastungsreaktion, 3) Klinik XXXX 17.11.2015, Aufenthaltsbestätigung, 4) vier Laboruntersuchungen, 5) eine Überweisung an den Augenarzt und den Diabetologen sowie den Orthopäden, 6) augenfachärztlicher Untersuchungsbericht betreffend intraretinaler Blutung und diabetischer Retinopathie; weiters hätte die Beschwerdeführerin Terminbestätigungen für Augenarztuntersuchungen am 18.01.2016, 01.02.2016 und 09.02.2016 betreffend Laseranwendungen; einer davon als Behandlung, die beiden anderen als Kontrolle.

BFV: Die vorgelegten Dokumente dienen als Nachweis dafür, dass die Zweitbeschwerdeführerin einer regelmäßigen Kontrolle bedarf.

R: Beschreiben Sie die Überstellung nach Österreich!

BF 2: Das war in der Nacht, ich hatte Osteoporose, man hat mir eine Salbe gegeben. Wir wollten schlafen gehen, auf einmal waren acht Personen da. Das waren drei Frauen und fünf Männer. Sie haben sehr schnell agiert und haben uns geholfen wegzugehen. Auf der Straße stand ein großer Bus und wir mussten uns in den Bus setzen. Man hat uns bis nach Linz gebracht. Wir sind die ganze Nacht gefahren und am nächsten Tag waren wir in Linz und dann habe ich einen Anfall gehabt. Ich hatte einen sehr hohen Blutzucker, 450, auch der Blutdruck war sehr hoch. Man hat die Rettung gerufen und wir zwei wurden in ein Krankenhaus gebracht. Unser Gesundheitszustand wurde überprüft und wir haben Injektionen bekommen. Wir mussten zwei oder drei Mal hin und man hat uns Injektionen gegeben und unseren Gesundheitszustand überprüft. Man hat uns dann gesagt, wir sollen nach Hause fahren. Wir haben gesagt, dass wir uns nicht auskennen und die Ärztin hat uns in den Korridor gebracht. Wir mussten uns dorthin setzen und die Ärztin war dann weg. Sie hat einen Taxifahrer angerufen, der Taxifahrer ist gekommen und hat gefragt, wer mit ihm fährt, wir haben aber nichts gesagt, weil wir nicht wussten, ob das unser Taxi ist. Wir haben dann auf den Mitarbeiter beim Buffet gezeigt, weil wir dachten, dass vielleicht er das Taxi gerufen hat. Dann ist die Krankenschwester rausgekommen und er hat gesagt, dass wir vielleicht seine Kunden sind. Er hat gesagt 5 Euro und 70 Cents, wir hatten das Geld mit und haben beschlossen mitzufahren. Wir sind angekommen, aber draußen war niemand, also haben wir dort auf einen Knopf gedrückt. Die Frau hat gefragt, wer wir sind und wir haben gesagt, dass wir die Familie XXXX sind und dass wir vom Krankenhaus zurückkommen. Daraufhin hat sie uns in den Hof hineingelassen. Wir sind dann zu einer zweiten Tür im Hof gegangen, dort hat wieder auf Deutsch gefragt, wer wir sind, mein Mann spricht ein bisschen Deutsch. Er hat wieder gesagt, dass wir die Familie XXXX sind und dass wir vom Krankenhaus kommen. Dann sind wir hinaufgegangen in den zweiten Stock und da sind die Leute gesessen und haben gelacht. Sie haben gelacht und sie waren froh, dass wir da sind, sie haben uns bewundert, dass wir es geschafft haben.

R: Von welchem Haus sprechen sie?

BF 2: Von der Polizeiinspektion, sie hatten uns dort gut behandelt, wir durften sogar Tee kochen, wir trinken gerne Tee.

R: Sie sind also selbstständig vom Krankenhaus zur Polizeiinspektion gefahren?

BF 2: Ja, wir wollten nicht flüchten. Wir sind nach Deutschland gefahren, damit man uns nicht nach Hause abschiebt, weil mein Mann krank ist und ich bin krank.

R: Beschreiben Sie die Umstände ihrer Anhaltung in Österreich!

BF 2: In Wien hat man uns mit einem Polizeiwagen transportiert. Man hat die Heizung eingeschaltet und mir ist schlecht geworden. Dann hat der Polizist die Tür aufgemacht und hat gesagt, dass ich tief einatmen soll.

R wiederholt die Frage.

BF 2: Wie es halt im Gefängnis ist, ich war nie im Gefängnis. Ich kann nicht Deutsch sprechen, mein Mann kann nur ein bisschen. Wir sind beide krank, wir können uns nicht ausdrücken. So ist die Lage.

R: Sind Sie zusammen untergebracht?

BF 2: Nein, wir sind getrennt, ich bin im 5 Stockwerk und er ist im 2 Stockwerk.

R: Sehen Sie sich?

BF 2: Zuerst haben wir uns nicht gesehen, aber dann kam eine Frau von einer Organisation und sie hat gebeten, dass wir uns jeden Tag treffen können. Wir sehen uns jetzt, aber nicht jeden Tag, das macht aber nichts. Wir sehen uns manchmal.

R: Wie ist es mit der medizinischen Behandlung?

BF 2: Man misst den Blutdruck und den Zucker. Ich leide unter hohen Blutdruck und Diabetes, es wird nicht besser.

R: Haben Sie sonst akute Beschwerden?

BF 2: Ich huste, ich habe einen Auswurf beim Husten, vielleicht habe ich noch Bronchitis, ich weiß es nicht, Zucker und Blutdruck. Ich kann nicht gehen, es ist für mich schwer die Treppe hochzusteigen, mein Herz ist auch krank. Wir wollen in einem Lager sein, wir wollen freigelassen werden.

R: Betreffend Ihre Erkrankungen, sehe ich es richtig, dass Sie 2013 und 2014 einen Stent implantiert bekommen haben?

BF 2: Ich hatte einmal einen Schlaganfall und einmal einen Infarkt, daraufhin habe ich einen Stent bekommen.

R: Der Schlaganfall war noch 2012 in der Russischen Föderation?

BF 2: Ja, aber den Infarkt hatte ich hier.

R: Welche Herz-OP hatten Sie in der Russischen Föderation 2013?

BF 2: Ich habe hier die Narben am Hals.

R: Sind Sie jemals in Österreich legal erwerbstätig gewesen?

BF 2: Nein, ich kann nicht arbeiten, ich kann ja kaum gehen.

R: Haben Sie hier in Österreich einen Wohnsitz?

BF 2: Es gibt hier einen Neffen, aber wir wollten nicht bei ihm leben und bei der Tochter wollten wir auch nicht leben.

R: Über welche integrationsbegründenden Umstände verfügen Sie in Österreich (Wohnsitz, Arbeit, Familie, ...)?

BF 2: Nein, sonst gibt es nichts. Wir haben alles gesagt, von ganzem Herzen.

R verliest das amtsärztliche Gutachten. Was möchten Sie dazu sagen?

BF 2: Nichts.

R verliest die E-Mails des Bundesamtes vom 18.01.2016, sowie 21.01.2016 betreffend den Verfahrensgang, möchten Sie dazu etwas sagen?

BFV: Die Vorgehensweise des Bundesamtes ist nicht rechtmäßig, bevor ein Heimreisezertifikat beantragt wird, müsste zuerst über den faktischen Abschiebeschutz abgesprochen werden. Solange der faktische Abschiebeschutz nicht aufgehoben wird, besteht dieser von Gesetz wegen und ist damit zum momentanen Zeitpunkt die Abschiebung der Beschwerdeführer nicht möglich. Es müsste zuerst über den faktischen Abschiebeschutz abgesprochen werden und dann das Heimreisezertifikat beantragt werden. Weiters ist nicht ausgeschlossen, dass das neue Asylverfahren aufgrund des Gesundheitszustandes der Zweitbeschwerdeführerin mit einem anderen Ergebnis endet.

R: Worin sehen Sie die geänderte Sachlage im Gegensatz zum ersten Asylverfahren?

BFV: Die Beschwerdeführerin hat in der Erstbefragung angegeben, dass sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hat.

R: Worauf stützen Sie die Verschlechterung des Gesundheitszustandes, aufgrund der Aktenlage kann ich abgesehen von der Bronchitis keine Änderung erkennen.

BFV: Es müsste ein weiterer medizinischer Befund eingeholt werden. Dies wird im Asylverfahren zu klären sein.

R: Das Bundesamt hat geschrieben, was es vor hat, nämlich die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes und die Beantragung eines Heimreisezertifikates. Sie haben sich einem ersten Rückführungsversuch entzogen, indem Sie nach Deutschland weitergereist sind, wie kann das Gericht davon ausgehen, dass Sie sich dieses Mal diesem Verfahren stellen würden?

BF 2: Sie meinen, ob wir gegebenenfalls nach Hause fahren?

R: Ja.

BF 2: Wenn Sie es erlauben, wir wollen hier bleiben, wir wollen behandelt werden.

R: Würden Sie dieses Mal, wenn Österreich entscheidet, dass Sie zurückkehren müssen, würden Sie sich dieses Mal der Rückführung stellen?

BF 2: Wir wollen nicht, wir sind beide krank. Er will wegen dem Vorfall auch nicht hin, er wurde mitgenommen und zusammengeschlagen. Lassen Sie uns hier, wir bitten Sie sehr darum.

R: Das ist nicht die Frage des Verfahrens. Ich muss entscheiden, ob ich glaube, ob Sie sich dem Verfahren stellen werden oder ob Sie sich wieder dem Verfahren entziehen werden.

BF 2: Wir machen alles, was in unserer Kraft ist, um hier zu bleiben, wenn das möglich ist. Mein Mann will nicht zurück und ich bin krank.

BFV: Wenn Sie frei gelassen werden würden, würden Sie den behördlichen Anordnungen Folge leisten?

BF 2: Wir machen alles. Wir wollen hier bleiben, was sollen wir sonst machen.

Wichtig ist, dass wir nicht im Gefängnis bleiben, wir sind krank.

BFV: Sollte die Behörde anordnen, dass Sie an einem bestimmten Ort Unterkunft nehmen oder sich regelmäßig melden, würden Sie diesen Anforderungen nachkommen?

BF 2: Ja, wir werden das machen, Hauptsache wir werden nicht abgeschoben. Was sollen wir sonst machen. Ist das schlecht. Wichtig wäre, dass wir hier ohne Kontrollen frei leben können. Wir werden doch unter Kontrolle gestellt, oder? Das will ich nicht.

BFV: Hat Sie Ihre Tochter schon besucht im Polizei-Anhaltezentrum?

BF 2: Ja, aber meine Tochter hat keinen Platz.

BFV: Die Tochter der Beschwerdeführer teilte mit, dass die Beschwerdeführer im Falle der Freilassung bei Bekannten vorübergehend Unterkunft nehmen. Der Name ist XXXX . Dort wären die Beschwerdeführer für die Behörden erreichbar. Ich kann auch die Telefonnummer der Tochter angeben, sie lautet XXXX

R: Möchten Sie eine abschließende Stellungnahme abgeben?

BFV: Ich möchte festhalten, dass die Beschwerdeführer zum momentanen Zeitpunkt einen Anspruch auf Grundversorgung haben. Der Anspruch der Grundversorgung umfasst die Grundversorgung und Krankenversicherung, wobei grundsätzlich Aufgabe der hier belangten Behörde ist, für diese Unterbringung zu sorgen. Es käme daher insbesondere, wenn man davon ausgeht, dass ein Sicherungsbedarf besteht, das gelindere Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung in Verbindung mit der Zuweisung zu einem Quartier der Grundversorgung in Betracht. ich möchte noch hervorheben, dass insbesondere die Zweitbeschwerdeführerin regelmäßiger medizinischer Behandlung bedarf, für die eine Krankenversicherung notwendig ist. Es ist von daher schon nicht anzunehmen, dass sie die Grundversorgung verlassen würde, weil sie dadurch den Anspruch auf Krankenversicherung verlieren würde.

BF 2: Ich möchte sonst nichts sagen, aber ich möchte um Asyl ansuchen. Wir werden hier normal leben.

[...]

R: Wurde alles korrekt protokolliert?

BF 2: Ja. Zu meinem Schwiegersohn möchte ich ergänzen, dass mein Schwiegersohn meine Tochter belogen hat, er hat ihr nicht gesagt, dass er schon verheiratet war. Die von meiner Tochter genannten Bekannten kenne ich nicht.

[...]

R: Verfügen Sie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich?

BF 1: Nein, noch nicht.

R: Ihr Asylverfahren wurde mit Erkenntnis vom 15.12.2014 rechtskräftig abgeschlossen. Am 10.06.2015 wurden Sie betreffend das Heimreisezertifikat einvernommen. Am 16.07.2015 wurden sie aus der Grundversorgung abgemeldet, weil sie unbekannten Aufenthalts waren. Wo haben Sie sich aufgehalten?

BF 1: Wir sind weggefahren, nach Deutschland.

R: Warum sind Sie nach Deutschland weitergereist?

BF 1: Weil wir Angst hatten, dass wir abgeschoben werden.

R: Hatten Sie von Deutschland aus Kontakt zu ihrer Tochter?

BF 1: Ja, per Telefon.

R: Wo lebt ihre Tochter?

BF 1: Hier in Wien.

R: Wissen Sie das genauer?

BF 1: Nein, wir haben nur per Telefon Kontakt miteinander.

R: War das auch vor der Ausreise so?

BF 1: Vorher waren wir in der Pension, als wir nach Österreich gekommen sind. Wir waren drei Tage im Lager und dann mit der Tochter in einer Pension.

R: Was war ab Febr. 2015? Da war Ihre Tochter abgemeldet.

BF 1: Sie hat einen positiven Bescheid bekommen und dann ist sie in eine Wohnung gezogen.

R: Dann haben Sie nicht mehr zusammen gelebt?

BF 1: Ja, wir haben dann getrennt voneinander gelebt. Meine Frau ist ja krank.

R: Ihre Frau hat gesagt, es gab nur telefonischen Kontakt.

BF 2: Sie haben mich danach nicht gefragt.

BFV: Damit war von Deutschland aus gemeint.

BF 1: Als wir in der Pension gelebt haben, haben wir uns oft getroffen.

R: Wie haben Sie Ihre Ausreise aus Deutschland organisiert?

BF 1: Wir sind mit dem Zug, ich weiß nicht mehr wie die Stadt hieß. Jedenfalls mussten wir umsteigen, und dann sind wir bis nach Hamburg gefahren.

R: Sind Sie alleine gereist?

BF 1: Ja.

R: Hat Ihnen jemand bei der Organisation geholfen?

BF 1: Wir haben die Informationen gesammelt und dann sind wir ausgereist.

R: Was haben Sie in Deutschland gemacht, wo und wie haben Sie gelebt?

BF 1: Wir waren in Hamburg in Deutschland, die Station hieß Harburg, dort gibt es ein Verteilerzentrum für Asylanten, wir sind dorthin gefahren und haben dort um Asyl angesucht.

R: Gab es Probleme in Deutschland?

BF 1: Welche?

R: Gab es gesundheitliche Probleme?

BF 1: Ja, mit der Gesundheit schon.

R: Welche gesundheitlichen Probleme gab es?

BF 1: Meine Frau hatte Probleme.

R: Hatten Sie auch gesundheitliche Probleme

BF 1: Ich hatte nur Probleme mit meiner Sehkraft.

R: Beschreiben Sie die Überstellung nach Österreich!

BF 1: Wir waren vier Monate in einem Lager, das war für uns recht schwer, diese Zeitperiode. Dann wurden wir in ein Wohnheim gebracht, wir waren dort zwei Monate lang. Wir haben drei Mal die Rettung gerufen. Meine Frau war eine Woche in einer Klinik, weil sie so verkühlt war. Bronchitis und Lunge wurden in Mitleidenschaft gezogen. Nach ca. zwei Monaten sind am 10. Jänner Polizisten gekommen, sie haben gesagt, dass wir packen sollen, dass wir nach Österreich geschickt werden. Ich habe gesagt, dass wir nicht imstande sind, soweit zu fahren, weil meine Frau in einem schlechten gesundheitlichen Zustand war. Nach der Behandlung in der Klinik hatte sie sehr hohen Zucker gehabt, bis jetzt können die Werte nicht herabgesetzt werden. ich habe Angst gehabt, dass sie diese Reise nicht überlebt, ich habe sie gebeten uns nicht wegzuschicken, aber sie haben gesagt, dass keine Gespräche stattfinden werden und wir die Sachen packen sollen. Sie haben uns in einen Bus gesetzt, wir sind die ganze Nacht gefahren. Am nächsten Tag um 10:00 oder 11:00 Uhr hat man uns der Polizei an der österreichischen Grenze übergeben und der Bus ist weitergefahren. Es hat keinen Dolmetscher gegeben und wir konnten uns nicht ausdrücken. Bis zum Abend saßen wir in der Polizeistation, am Abend, um 17:00 oder 18:00 Uhr mussten wir in einen anderen Polizeikleinbus einsteigen und man hat uns nach Linz gebracht, das haben wir aber erst später erfahren, das war eine Polizeistation. Wir sind also am 10. am Abend abgefahren , wir waren dort vom 11. auf den 12. eine Nacht. Am 13. wurden wir nach Wien gebracht. Als wir in Linz waren ist meiner Frau schlecht geworden und wir haben die Rettung gerufen. Wir wurden dann mit der Rettung in ein Krankenhaus gebracht. Ich weiß nicht wie viele Stunden wir dort waren, aber wir haben lange gewartet, bis wir dran gekommen sind. Man hat ihren Blutdruck überprüft und ihren Zucker, weil die Werte so hoch waren. Wir haben gesagt, dass die Tabletten und das Insulin, das sie uns gegeben haben, nicht helfen. Sie hat eine Injektion bekommen. Eine Stunde sind wir dann dort gesessen, dann wurde wieder Zucker gemessen und die Werte waren besser. Man hat uns gesagt, dass man uns keine Tabletten geben kann, weil wir in einer Polizeistation wohnhaft sind. Man hat uns Bestätigungen vom Krankenhaus gegeben, man hat uns gesagt, dass wir die Bestätigungen dem Arzt übergeben sollen. Dann haben wir ein Taxi gerufen und sind selbst zu einer Polizeistation gefahren. Niemand war mit uns, kein Wachmann, niemand. Weder am Weg ins Krankenhaus, noch am Retourweg.

R: Beschreiben Sie die Umstände ihrer Anhaltung in Wien!

BF 1: Es gibt eine Dusche, drei Mal täglich Essen, eine Schlafstelle und Fernseher.

R: Haben Sie regelmäßig Kontakt mit Ihrer Gattin, funktioniert das mit den ärztlichen Kontrollen?

BF 1: Ich weiß nicht wie sie das macht, aber sie weiß wie das geht und dann sagt man mir, dass ich zu ihr darf.

R: Sind Sie jemals in Österreich legal erwerbstätig gewesen?

BF 1: Nein, weder legal noch illegal.

R: Über welche integrationsbegründenden Umstände verfügen Sie in Österreich (Wohnsitz, Arbeit, Familie, ...)?

BF 1: Was meinen Sie jetzt.

R: Verwandte, fixe Wohnung..

BF 1: Ich habe weitschichtige Verwandte hier, meine Tochter lebt hier.

R: Welche weitschichtige Verwandte meinen Sie?

BF 1: Der Sohn meiner Cousine, sonst niemand.

R verliest das amtsärztliche Gutachten. Was möchten Sie dazu sagen?

BF 1: Im Gefängnis ist es nicht leicht für mich, egal ob gut oder nicht, es bleibt trotzdem ein Gefängnis. Ich mache mir immer auch Sorgen um meine Frau und sie macht sich Sorgen um mich. Gestern und vorgestern wurde mein Blutdruck gemessen und die Werte waren erhöht, bis jetzt habe ich immer einen niedrigen Blutdruck gehabt. Ich habe auch Geräusche im Ohr, vielleicht auch weil ich mir Sorgen um meine Frau mache.

R: Sie haben in der Erstbefragung angegeben, dass Sie an Grünen Star leiden, aktenkundig ist nur Grauer Star, haben Sie Befunde betreffend Grünem Star?

BF 1: Ich habe einen Termin für eine Glaukom-Operation, ich habe diesbezüglich eine Bestätigung. Wenn man Glaukom nicht rechtzeitig behandelt, dann bekommen man Grauen Star. Ich kenne mich selbst nicht aus, der Arzt hat mir gesagt, dass das so ist.

BFV: Ich habe die Bestätigung betreffend die Terminvormerkung, die sich auch im Akt befindet. Es liegt jedenfalls eine Behandlungsbedürftigkeit vor.

R: Laut dieser Terminvormerkung haben Sie einen Operationstermin für 27.01.2016.

BF 1: Ja.

R: Wann haben Sie diese Terminvereinbarung gemacht?

BF 1: Vor der Abreise nach Deutschland, in Traiskirchen. Da war ein Augenarzt, das war eine Frau.

R verliest die E-Mails des Bundesamtes vom 18. und 21.01.2016, möchten Sie dazu etwas sagen?

BF 1: Was heißt abschieben, das wollen wir nicht, das ist nicht möglich.

R: Das Asylverfahren ist nicht Thema dieses Verfahrens, das Thema dieses Verfahrens ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Schubhaft.

BFV: ich verweise auf die bereits bei der Einvernahme von BF 2 erstattete Stellungnahme.

R: Sie haben sich, nachdem Sie im ersten Verfahren betreffend die Erteilung eines Heimreisezertifikates einvernommen wurden, durch die Übersiedlung nach Deutschland dem Verfahren entzogen, würden Sie dieses Mal an einer Überstellung nach Russland mitwirken?

BF 1: Nein.

BFV: Würden Sie den behördlichen Anordnungen der Behörden Folge leisten?

BF 1: Sicher, aber nicht zurück. Wenn es die Möglichkeit gibt, werden wir hier bleiben und wir wollen das Gefängnis verlassen.

R: Was wäre, wenn es diese Möglichkeit nicht gibt?

BF 1: Wir werden dort nicht lange aushalten.

R: Was meinen Sie damit?

BF 1: Meine Frau hat die vorgestrige und die gestrige Nacht alleine verbracht. Ich mache mir immer Sorgen um sie, auch wenn sie jetzt den Eindruck macht, dass alles in Ordnung ist, kann in zwei Stunden alles anders sein. In Deutschland war sie ständig im Bett, egal ob im Lager oder im Heim, weil sie sich immer Sorgen gemacht hat, weil sie nicht wusste, was mit uns passiert. Sie hat jeden Tag gefragt, was morgen passiert.

BFV: Wie oft sehen Sie Ihre Frau im Gefängnis?

BF 1: Jeden zweiten Tag, wenn sie darum bittet, dann sehen wir uns.

R: Wie lange oder wie sehen Sie sich dann?

BF 1: 10 bis 15 Minuten.

BFV betreffend beide Verfahren möchte ich Folgendes angeben:

Ich möchte hervorheben, dass die Ausreiseunwilligkeit nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes alleine noch keinen Sicherungsbedarf begründet. Eine Fluchtgefahr ist insbesondere deshalb nicht anzunehmen, weil die beiden Beschwerdeführer selbstständig vom Krankenhaus zur Polizei zurückgefahren sind. Bei der Interessenabwägung ist weiters zu berücksichtigen, dass die Aufrechterhaltung des Familienlebens, insbesondere die persönlichen Kontakte in der Haft nur sehr eingeschränkt möglich sind. Dies ist in die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Haft ebenfalls mit einzubeziehen. Was die bisherige Anhaltung anbelangt möchte ich angeben das, dass die belangte Behörde keine ausreichende Prüfung des Sicherungsbedarfes durchgeführt hat, insbesondere die Beschwerdeführer nicht persönliche einvernommen hat zur Frage des Sicherungsbedarfs.

R: Möchten Sie eine abschließende Stellungnahme abgeben?

BF 1: Was kann ich sagen, für uns ist das nicht gut, wenn wir ständig von einem Ort zum anderen gebracht werden. Meine Frau fühlt sich jetzt viel schlechter, in den letzten sechs Monaten hat sie sich viele Sorgen gemacht. Wenn die Tochter in der Nähe ist, fühlt sie sich viel besser. Vor der Abreise hat sie sich besser gefühlt, in den letzten sechs Monaten war sie nur krank.

[...]

R: Wurde alles korrekt protokolliert?

BF 1: Ja."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässigen -

Beschwerden erwogen:

Mit mündlich verkündetem Beschluss vom 22.01.2016 wurden die Verfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

1. Feststellungen:

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest; sie sind miteinander verheiratet. Sie sind volljährige russische Staatsangehörige und nicht österreichische Staatsbürger.

Die Beschwerdeführer reisten 2013 illegal nach Österreich ein und stellten ihre ersten Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden vom 04.09.2014 abgewiesen wurden. Gegen die Beschwerdeführer wurde unter einem eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die Russische Föderation erlassen. Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnissen vom 15.12.2014 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen; die Rückkehrentscheidung ist weiterhin aufrecht (§ 12a Abs. 6 AsylG 2005).

Die Beschwerdeführer verließen nach der Einvernahme betreffend die Heimreisezertifikate und der Ankündigung der Abschiebung im Juli 2015 unabgemeldet ihr Quartier der Grundversorgung und gaben dem Bundesamt auch keine neuen Kontaktdaten bekannt. Sie reisten nach Deutschland weiter und stellten dort Anträge auf internationalen Schutz, um der Abschiebung in die Russische Föderation zu entgehen. Die Russische Botschaft stellte für die Beschwerdeführer von XXXX bis 25.12.2015 gültige Heimreisezertifkate aus.

Die Beschwerdeführer wurden am 11.01.2016 von Deutschland im Wege der Dublin III-VO im Wege einer begleiteten Abschiebung nach Österreich rücküberstellt. Über diese Anträge wurde bis dato in Österreich nicht entschieden. Ihnen kommt faktischer Abschiebeschutz zu; das Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes wurde eingeleitet. Die neuerliche Ausstellung von Heimreisezertifikaten wurde am 13.01.2016 beantragt. Die Beschwerdeführer verfügen über kein Aufenthaltsrecht in Österreich.

Die Beschwerdeführer waren in Österreich nie legal erwerbstätig und verfügen hier abgesehen von einer Tochter, die über keinen gemeldeten Wohnsitz verfügt, und einem Neffen, der sie dabei unterstützte, sich der Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im ersten Verfahren zu entziehen, über keine Familienangehörigen in Österreich. Mit keinem von beiden bestand vor der Ausreise ein gemeinsamer Wohnsitz und ist dies auch nunmehr nicht geplant.

Die Beschwerdeführer sind unbescholten. Sie befinden sich seit 13.01.2016 in Schubhaft, die seit 13.01.2016 im PAZ Rossauer Lände vollzogen wird.

Die Beschwerdeführer sind haftfähig.

Der Erstbeschwerdeführer leidet derzeit an Juckreiz und nimmt ein Medikament gegen Juckreiz. Eine Bindegewebswucherung am Auge wurde 2014 operiert. Zudem leidet der Erstbeschwerdeführer an grauem Star, einer vergrößerten Prostata und Tinnitus.

Die Zweitbeschwerdeführerin leidet an nichtinsulinpflichtigem Diabetes, Bluthochdruck, eingeschränkter Nierenfunktion, erhöhtem Cholesterin und nimmt Medikamente zur Blutverdünnung, Blutdruck-, Blutfett-, Blutzucker und Harnsäuresenkung sowie Magenschutz. Sie hat einen hat 2014 einen Infarkt erlitten, 2012 einen Schlaganfall, wurde 2013 in St. Petersburg und 2014 in Österreich am Herzen bzw. an den Arterien operiert. Weiters wurde 2014 in Österreich ein Makulaödem operiert. Zudem leidet die Zweitbeschwerdeführerin an geringen Arthrosen und Verkalkungen, Übergewicht und grauem Star. Sie wurde in Österreich wegen eines Harnwegsinfekts und Hexenschusses behandelt, in Deutschland zudem an Bronchitis, von der die Zweitbeschwerdeführerin angibt sie sei noch nicht vollständig abgeklungen. Laut Attest der Allgemeinmedizinerin litt die Zweitbeschwerdeführerin an einer Angststörung; eine Behandlung wurde deswegen nicht veranlasst. Im November wurde eine intraretinale Blutung festgestellt sowie eine milde diabetische Retinopathie; die Zweitbeschwerdeführerin hätte im Jänner/Februar 2016 in Deutschland Augenarzttermine gehabt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer seit Abschluss des Asylverfahrens maßgeblich änderte: Betreffend den Erstbeschwerdeführer ergibt sich nunmehr, dass er aktuell an Juckreiz leidet, betreffend die Zweitbeschwerdeführerin, dass sie in Deutschland an Bronchitis litt, die noch nicht vollständig abgeklungen ist, einer nicht behandlungsbedürftigen Angststörung sowie einer diabetesbedingten Augenerkrankung.

Die Beschwerdeführer bringen in ihrem zweiten Asylverfahren keine neuen Fluchtgründe vor.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den Verwaltungsakten des Bundesamtes und de Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Angaben zu den Asylverfahren der Beschwerdeführer ergeben sich aus den beigeschafften Akten.

Die Angaben zu den Beschwerdeführern, ergeben sich aus den vorgelegten Dokumenten. Die Feststellungen zu ihren persönlichen Verhältnissen und Lebensumständen in Österreich, insbesondere zur fehlenden privaten, beruflichen und sozialen Verankerung beruhen auf den Angaben der Beschwerdeführer. Die Angaben zur Tochter ergeben sich aus dem ZMR.

Die Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus den Strafregisterauszügen, ihre melderechtliche Situation aus dem ZMR und der Bezug von Grundversorgung aus dem GVS.

Dass die Beschwerdeführer das Quartier der Grundversorgung im Juli 2015 unabgemeldet verließen, ergibt sich aus dem GVS-Auszug. Dass es sich um ein Untertauchen handelt, ergibt sich aus den ausdrücklichen Angaben der Beschwerdeführer in der Erstbefragung und in der hg. mündlichen Verhandlung.

Dass der Erstbeschwerdeführer an Juckreiz leidet, ergibt sich ebenso wie die seine Haftfähigkeit aus dem amtsärztlichen Gutachten. Dass die Zweitbeschwerdeführerin an nichtinsulinpflichtigem Diabetes, Bluthochdruck, eingeschränkter Nierenfunktion und erhöhtem Cholesterin leidet, ergibt sich ebenso wie ihre Haftfähigkeit und ihre Herzerkrankung und der Schlaganfall aus dem amtsärztlichen Gutachten. Die übrigen festgestellten Erkrankungen und stattgehabten Behandlungen ergeben sich aus den vorgelegten Befunden. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer, wie er angibt, an grünem Star leidet, aus den Befunden ergibt sich vielmehr, dass er an grauem Star leidet.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 57 Abs. 1 AVG ist die Behörde berechtigt, wenn es sich bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen. Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann gemäß § 57 Abs. 2 AVG bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

Gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG ist gegen die Anordnung der Schubhaft eine Vorstellung nicht zulässig.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A.I.) Beschwerden gegen die Schubhaftbescheide und die bisherige Anhaltung in Schubhaft

1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG in der seit 20.07.2015 geltenden Fassung können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, (Z 1) oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 2). Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt gemäß Abs. 3 vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert (Z 1) ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist (Z 2), ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat (Z 3), ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt (Z 4), ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde (Z 5), ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist (Z 6), insbesondere sofern der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat (lit. a), der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen (lit. b), oder es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt (lit. c), ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt (Z 7), ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme (Z 8) und der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes (Z 9). Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft gemäß Abs. 5 ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese gemäß Abs. 6 aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

2. Es ist unzutreffend, wenn die belangte Behörde die Schubhaft nur zur Sicherung der Abschiebung verhängt: Da die Verfahren betreffend die Folgeanträge auf internationalen Schutz noch nicht abgeschlossen sind, dient die verhängte Schubhaft auch der Sicherung der neuerlichen Asylverfahren. Dies allein reicht jedoch nicht hin, um den Bescheid rechtswidrig erscheinen zu lassen.

3. Die belangte Behörde stützt die Annahme des Sicherungsbedarfs darauf, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird, wobei insbesondere zu berücksichtigen ist, ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert (§ 76 Abs. 3 Z 1).

Die Beschwerdeführer wirkten an ihrem ersten Asylverfahren mit,

tauchten aber nach der Einvernahme zur Erlangung eines

Heimreisezertifikats unter und entzogen sich der Abschiebung, indem

sie unabgemeldet das Quartier der Grundversorgung verließen und nach

Deutschland weiterreisten. In ihren Erstbefragungen am 12.01.2016

gaben beide Beschwerdeführer an, dass sie nach Deutschland

weitergereist seien, um nicht in die Russische Föderation ausreisen

zu müssen ("Als ich und meine Frau den negativen Asylbescheid

bekommen haben, haben wir einer freiwilligen Rückreise zugesteimmt,

um einer Abschiebung zu entgehen. Meine Frau und ich haben große

Angst, nach Tschetschenien zurückzukehren. Deswegen sind wir illegal

nach Deutschland gereist und haben dort um Asyl angesucht." "Der

Rechtsanwalt sagte uns, dass ... wir zurück in unsere Heimat

müssten. Um dies zu verhindern, sind wir illegal nach DE gereist und

haben dort um Asyl angesucht"); dies bestätigten die

Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung ("Wir ... sind

deswegen nach Deutschland gefahren, damit man uns nicht wegschickt.

... Für uns war es egal, wo wir sind, wir wollten nur nach Deutschland, wir wollten nicht nach Hause." "R: Warum sind Sie nach Deutschland weitergereist? BF 1: Weil wir Angst hatten, dass wir abgeschoben werden."). Der Feststellung der belangten Behörde, die Beschwerdeführer hätten sich der Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme im ersten Asylverfahren entzogen, kann daher nicht entgegengetreten werden; dem Beschwerdevorbringen, hiebei handle es sich um eine unbegründete Mutmaßung der belangten Behörde, ist vor dem Hintergrund der Einlassungen der Beschwerdeführer in der Erstbefragung am 12.01.2016 sowie in der hg. mündlichen Verhandlung der Boden entzogen.

Soweit die Beschwerde dagegen ausführt, dass erst die Weiterreise nach Deutschland dazu führe, dass der vorliegende Sachverhalt zu einem "Dublin-Fall" werde, weshalb die Weiterreise als Deutschland nicht als fluchtgefahrbegründend anzusehen sei, ist ihr entgegenzuhalten, dass die Dublin III-VO auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar ist.

Die von den Beschwerdeführern angezogene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dublin II-VO (zB VwSlg. 17.259/2007) bezog sich auf sog. DUBLIN-OUT-Verfahren, dh. Verfahren, in denen eine Zurückweisung des Asylantrages in Österreich zu gewärtigen ist, weil die Zuständigkeit eines anderen Staates zur Prüfung des Asylantrages besteht, und nicht auf DUBLIN-IN-Verfahren, in denen Personen aus einem anderen Staat nach Österreich überstellt werden, weil Österreich zur Führung des Asylverfahrens zuständig ist; im Gegensatz zum "Standard-Dublin[-OUT]-Fall" (VwGH 28.08.2012,2010/21/0291; 22.10.2009, 2007/21/0068; 28.05.2008, 2007/21/0233), in dem der Asylwerber nach Österreich weiterreist, weil er sein Asylverfahren in Österreich führen will (zu den Personen, die beabsichtigen, nur durch Österreich durchzureisen vgl. § 76 Abs. 3 Z 6 lit. c FPG), reisten Asylwerber in "Standard-Dublin[-IN]-Fällen" in einen anderen Staat weiter, weil sie ihr Asylverfahren nicht in Österreich führen wollten und wurden von diesen Staaten nach Österreich rücküberstellt. In einem solchen Fall liegt typischerweise auf Grund der anderen Interessenlage ein anderes Risiko des Untertauchens vor, weshalb die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dublin II-VO auf diese Sachverhalte nicht übertragbar ist.

Bei einer polizeilich durchgeführten Rücküberstellung eines Asylwerbers nach Österreich mittels eines seine (Verfahrens‑)Identität bestätigenden, vom überstellenden Staat ausgestellten Laissez-passers in einem DUBLIN-IN Verfahren kommen zudem - anders als in DUBLIN-OUT-Verfahren, in denen die Asylwerber selbständig einreisen und bei den österreichischen Behörden Anträge auf internationalen Schutz stellen - zutreffenden Angaben zum Reiseweg nach Österreich und zur Identität geringere Bedeutung.

Hinzu kommt im Fall der Beschwerdeführer, dass diese nicht nur durch Österreich durchreisten, um ihr Asylverfahren in Deutschland zu führen, sondern ihr Asylverfahren in Österreich führten und erst nach der Befragung zur Einholung des Heimreisezertifikats nach dem abschlägig beschiedenen Asylverfahren, als sie des Risikos, in den Herkunftsstaat abgeschoben zu werden, gewahr wurden, nach Deutschland weiterreisten, um die Rückführung zu verhindern. Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die belangte Behörde die Schubhaft über die Beschwerdeführer iS einer "Standardmaßnahme" iSd von den Beschwerdeführern relevierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dublin II-VO verhängte, sondern auf Grund der Umstände des Einzelfalles.

Fehlende Ausreisewilligkeit vermag - für sich allein, wenn sie nicht in besonderen Umständen Niederschlag findet - die Verhängung von Schubhaft nicht zu rechtfertigen (VwSlg. 17.953 A/2010). Nachdem sich die Beschwerdeführer bereits einmal der Rückführung in die Russische Föderation durch Untertauchen entzogen haben, konnte auch von bloßer Ausreiseunwilligkeit nicht mehr die Rede sein (VwSlg. 18.190 A/2011).

Dass die Beschwerdeführer, wie das Bundesamt feststellte, auch

weiterhin beabsichtigen, alles Mögliche zu unternehmen, um eine

Überstellung in die Russische Föderation zu vereiteln, wird durch

ihre Einlassungen in der hg. mündlichen Verhandlung bestätigt

("Würden Sie sich dieses Mal der Rückführung stellen? BF 2: Wir

wollen nicht, wir sind beide krank. ... Wir machen alles, was in

unserer Kraft ist, um hier zu bleiben, wenn das möglich ist. Mein

Mann will nicht zurück und ich bin krank. ... Wir machen alles. Wir

wollen hier bleiben, was sollen wir sonst machen?" "Würden Sie dieses Mal an einer Überstellung nach Russland mitwirken? BF 1:

Nein. Würden Sie den behördlichen Anordnungen der Behörde Folge leisten? BF 1: Sicher, aber nicht zurück.") und auch nicht dadurch entkräftet, dass die Beschwerdeführer nach ihrer Behandlung im Krankenhaus vor der Inschubhaftnahme selbständig in die Polizeiinspektion Passau zurückkehrten, wo sie angehalten wurden:

Dies erfolgte in einem Zeitraum, als die Beschwerdeführer davon ausgingen, dass sie nunmehr ein zweites Asylverfahren in Österreich führen und zumindest in nächster Zeit in Österreich bleiben können. Aufgrund der Vorgehensweise der Behörden, die den Beschwerdeführern nach der Erstbefragung, die nach der Behandlung und vor der Inschubhaftnahme durchgeführt wurde, bekannt sein musste, konnten Sie hievon nicht mehr ausgehen. Dies trifft umsomehr zu, als ihre ersten Asylanträge rechtskräftig abgewiesen wurden, eine rechtskräftige und aufrechte Rückkehrentscheidung gegen sie besteht, die Beschwerdeführer keine neuen Fluchtgründe vorbringen und keine wesentliche Änderung ihres Gesundheitszustandes seit dem rechtskräftigen Verfahrensabschluss vor einem Jahr. Daher liegt auch schon in diesem frühen Verfahrensstadium erheblicher Sicherungsbedarf vor.

Hätten die Beschwerdeführer nach der Überstellung neue Anträge auf internationalen Schutz gestellt, wäre ein eigener Schubhafttatbestand erfüllt gewesen (§ 76 Abs. 3 Z 5 FPG) und den Anträgen gemäß § 12a Abs. 3 AsylG 2005 faktischer Abschiebeschutz nicht zugekommen. Die Beschwerdeführer stellten in Österreich nicht neuerliche Anträge auf internationalen Schutz. Ein Asylantrag ist aber auch dann als gestellt anzusehen ist, wenn sich die Republik Österreich im Hinblick auf die ihr nach der Dublin III-Verordnung zukommende Zuständigkeit zur (Wieder‑)Aufnahme eines Fremden bereit erklärt, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat und der gemäß den einschlägigen Überstellungsmodalitäten nach Österreich gelangt ist (zur Dublin II-VO s. VwGH 19.03.2013, 2011/21/0128). Die Verfahren über diese Anträge der Beschwerdeführer sind noch nicht abgeschlossen. Ihnen kommt mangels Anwendbarkeit des § 12a Abs. 3 AsylG 2005 faktischer Abschiebeschutz zu, er kann ihnen aber gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aberkannt werden, wodurch die Rückkehrentscheidung wieder durchführbar wird (§ 22 Abs. 2 BFA-VG); dieses Verfahren hat die belangte Behörde bereits eingeleitet.

Soweit die Beschwerde vorbringt, dass die illegale Einreise und die Tatsache, dass die Beschwerdeführer über kein gültiges Reisedokument verfügen, keinen Grund für die Annahme des Sicherungsbedarfs darstelle, ist darauf hinzuweisen, dass das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, auf das sich die Beschwerdeführer beziehen, nur ausspricht, dass diese Aspekte nicht allein geeignet sind, die Verhängung von Schubhaft im Einzelfall zu begründen (VwGH 24.10.2007, 2007/21/0239); dem steht jedoch nicht entgegen, dass die belangte Behörde diese Aspekte auch in die Abwägung miteinbezog.

Auch dass die Beschwerdeführer Anspruch auf Grundversorgung haben (VwSlg. 17.259 A/2007), entkräftet den Sicherungsbedarf nicht, da sich die Beschwerdeführer dem ersten Verfahren trotz der Gewährung von Grundversorgung entzogen.

Gleiches gilt für die Erkrankungen der Beschwerdeführer: Aus den vorliegenden Erkrankungen ergibt sich nicht, dass sich die Erkrankungen der Beschwerdeführer maßgeblich verschlechtert hätten oder dass wesentliche neue Erkrankungen hinzugekommen wären. Die Beschwerdeführer entzogen sich im Juli 2015 trotz der im Wesentlichen gleichen Erkrankungen dem Verfahren in Österreich und reisten illegal nach Deutschland weiter. Es kann daher (anders als in den VwGH 22.05.2007, 2006/21/0052; 30.08.2007, 2006/21/0027; zugrunde liegenden Sachverhalten) nicht festgestellt werden, dass auf Grund der Erkrankungen kein Risiko des Untertauchens vorliegen würde.

Auch soweit die Beschwerdeführer vorbringen, dass keine Fluchtgefahr bestehe, weil nicht davon auszugehen sei, dass sie untertauchen würden, obwohl der Erstbeschwerdeführer am 26.01.2016 einen Operationstermin habe, ist auszuführen, dass sich aus der Terminvereinbarung und den Angaben des Erstbeschwerdeführers ergibt, dass dieser Termin für eine Augenoperation bereits vereinbart wurde, bevor sich die Beschwerdeführer dem Verfahren zur Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen haben; da der Termin für eine Augenoperation bereits nicht geeignet war, das erste Untertauchen der Beschwerdeführer zu verhindern, kann nicht festgestellt werden, dass er geeignet wäre, ein zweites Untertauchen der Beschwerdeführer zu verhindern.

4. Weiters begründet die belangte Behörde den Sicherungsbedarf mit dem Grad der sozialen Verankerung in Österreich (§ 76 Abs. 3 Z 9).

Soweit die Beschwerde betreffend das Fehlen eines Sicherungsbedarfs die Tatsache, dass die Tochter der Beschwerdeführer als anerkannter Flüchtling in Österreich lebt, ins Treffen führt, ist ihr zu entgegnen, dass die Beschwerdeführer mit ihrer Tochter nur bis Februar 2015 zusammenlebten. Danach heiratete die Tochter und die Beschwerdeführer wollten der Tochter und ihrem Mann nicht zur Last fallen ("Vor einem Jahr hat meine Tochter geheiratet, aber wir wollten sie und ihren Mann nicht in Bedrängnis bringen. Deshalb bin ich mit meinem Mann vor 6 Monaten illegal nach Deutschland weitergereist..."). Weder verhinderte die Beziehung zu ihrer Tochter, dass sich die Beschwerdeführer im Juli 2015 dem Verfahren in Österreich entzogen, noch ist auf Grund der Tatsache, dass die Tochter seit Februar 2015 über keinen gemeldeten Wohnsitz mehr verfügt, anzunehmen, dass ihre Beziehung zu ihr in diesem Verfahren ein Untertauchen der Beschwerdeführer verhindern würde. Zwar gibt der Erstbeschwerdeführer an, dass es nach der getrennten Wohnsitznahme noch Besuche gegeben habe, angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführer aber weder bei ihrer Tochter noch beim Neffen gelebt haben, leben wollen oder es ihnen angeboten worden wäre, und dass der Neffe des Erstbeschwerdeführers den Angeben der Beschwerdeführer zufolge ihnen vielmehr dabei behilflich war, sich dem ersten Verfahren zu entziehen, liegt aber kein den Entscheidungen VwGH 22.05.2007, 2006/21/0052; 30.08.2007, 2006/21/0027; 22.11.2007, 2006/21/0387; vergleichbarer Sachverhalt vor. Sonstige Umstände einer sozialen Verankerung in Österreich bringen die aus Deutschland rücküberstellten Beschwerdeführer auch nicht vor.

Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt zutreffend davon aus, dass im Falle der Beschwerdeführer Sicherungsbedarf bestand.

5. Auf Grund des festgestellten Sicherungsbedarfs ging das Bundesamt auch zutreffend davon aus, dass nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden konnte:

§ 77 Abs. 3 FPG sieht als gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen, vor.

Die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheitsleistung scheidet - wie das Bundesamt zutreffend feststellte - auf Grund der finanziellen Situation der Beschwerdeführer aus. Mit der Anordnung der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten und der periodischen Meldeverpflichtung konnte angesichts der Tatsache, dass die Beschwerdeführer während des ersten Verfahrens unabgemeldet ihr Quartier der Grundversorgung verließen, um sich durch die Weiterreise nach Deutschland der Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu entziehen, nicht das Auslangen gefunden werden. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführer ihren Angaben zufolge bereits der freiwilligen Rückkehr nur zustimmten, um einer Abschiebung in die Russische Föderation zu entgehen, ohne vorgehabt zu haben, tatsächlich freiwillig auszureisen. Soweit die Beschwerde vorbringt, dass gegen die Beschwerdeführer noch nie ein gelinderes Mittel verhängt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass der Verhängung der Schubhaft nicht notwendigerweise ein gelinderes Mittel voranzugehen hat; auf Grund des festgestellten Sicherungsbedarfs kann mit der Verhängung gelinderer Mittel zur Verfahrenssicherung im Entscheidungszeitpunkt nicht das Auslangen gefunden werden. Ob ein Untertauchen der Beschwerdeführer im ersten Verfahren durch die Verhängung gelinderer Mittel hätte verhindert werden können, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

6. Die Beschwerdeführer sind haftfähig. Der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer ist auch nicht dergestalt, dass er die Haft unverhältnismäßig erscheinen lassen würde:

Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22. Mai 2007, Z. 2006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29. April 2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28. Februar 2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird. Klarzustellen ist in diesem Zusammenhang, dass es nicht entscheidend auf die Reihenfolge der Anführung der einzelnen Begründungselemente ankommt, weil die Fragen der Notwendigkeit von Schubhaft und des Genügens von gelinderen Mitteln in einem wechselseitigen Verhältnis stehen und ihre Beantwortung letztlich immer das Ergebnis der einzelfallbezogenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und dem privaten Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen ist. Es muss sich nur aus der Begründung des Schubhaftbescheides nachvollziehbar ergeben, dass nach Herstellung einer Relation zwischen der Größe des Sicherungsbedarfs und den entgegenstehenden privaten Interessen die Verhängung von Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist (VwGH 02.08.2013, 2013/21/0008; 17.10.2013, 2013/21/0041; 02.08.2013, 2013/21/0054; 02.08.2013, 2013/21/0090).

Die Beschwerdeführer leiden an den festgestellten Krankheiten. Die koronare Herzerkrankung der Zweitbeschwerdeführerin und der Schlaganfall ereigneten sich bereits vor der ersten Einreise nach Österreich, der Infarkt vor der Weiterreise nach Deutschland. Seit der Ausreise der Erstbeschwerdeführer zudem an Juckreiz, und litt die Zweitbeschwerdeführerin zudem an einer Bronchitis, einer (nicht behandlungsbedürftigen) Angststörung und aktuell an einem Augenproblem. Laut den Befunden benötigt die Zweitbschwerdeführerin mehrere Medikamente, regelmäßige Kontrollen und eine Diät; sie wird engmaschig behandelt. Im Gegensatz zum Aufenthalt in Deutschland kommt es unter dieser Behandlung zu keinen hyperglykämischen Entgleisungen mehr, neurologische Beschwerden oder Herzbeschwerden werden nicht berichtet. Vor diesem Hintergrund kann eine maßgebliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes, der die Schubhaft unverhältnismäßig machen würde, nicht festgestellt werden.

Dennoch stellt die Anhaltung der Zweitbeschwerdeführerin auf Grund ihres Gesundheitszustandes eine zusätzliche Erschwernis für diese dar. Diese ist macht jedoch vor dem Hintergrund des Sicherungsbedarfs die Schubhaft nicht unverhältnismäßig, da diese Erkrankungen die Zweitbeschwerdeführerin im Gegensatz zu den der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde liegenden Fällen nicht daran hinderten, sich bereits einmal der Abschiebung zu entziehen. Hinzu kommt, dass die Beschwerdeführer nachdem die Russische Botschaft bereits einmal Heimreisezertifikate für sie ausstellte, und der Tatsache, dass sie vorbrachten, dass sich seit ihrem letzten Asylverfahren nichts Wesentliches änderte, der Vorgangsweise der belangten Behörde und der Inschubhaftnahme noch klarer mit der Wahrscheinlichkeit der Überstellung in den Herkunftsstaat rechnen müssen. Vor diesem Hintergrund ist die Anhaltung auf Grund ihrer Notwendigkeit zur Sicherung des Verfahrens und der Abschiebung auch vor dem Hintergrund des Gesundheitszustands der Zweitbeschwerdeführerin nicht unverhältnismäßig.

6. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Da die Beschwerdeführer in der Erstbefragung vom 11.01.2016 nichts von ihren ersten Asylverfahren Abweichendes angaben, sich der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer nicht maßgeblich verschlechterte und das Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes bereits eingeleitet wurde und um die Ausstellung der Heimreisezertifikate bereits am 13.01.2016 angesucht wurde, deren Ausstellung auf Grund der bis 25.12.2015 gültigen Heimreisezertifikate (anders als in dem VwGH 27.01.2011, 2008/21/0595 zugrunde liegenden Sachverhalt) wahrscheinlich ist, gibt es keine Gründe anzunehmen, dass mit der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht innerhalb der Schubhafthöchstdauer zu rechnen ist.

7. Auch die Dauer der Schubhaft ist nicht unverhältnismäßig, wobei auf Grund des Gesundheitszustandes der Zweitbeschwerdeführerin im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind:

Die Schubhaft wurde am 13.01.2016, nach zwei Tagen Verwaltungsverfahrenshaft angeordnet; die Erstbefragung zum Folgeantrag, die Anordnung gemäß § 43 Abs. 2 lit. a BFA-VG und die Beantragung eines Heimreisezertifikats erfolgten bereits vor der Inschubhaftnahme (VwGH 19.05.2011, 2008/21/0527; 27.01.2011, 2008/21/0595) mit der Ausstellung der Heimreisezertifikate ist binnen zwei Monaten zu rechnen. Das Verfahren zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes ist bereits eingeleitet. Gegen die Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Das Verfahren wird somit zügig geführt.

8. Aus diesen Gründen sind die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

Zu A.II.) Fortsetzungsausspruch

1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

2. Dies ist der Fall:

Die Beschwerdeführer haben keine Gründe dafür vorgebracht, warum die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft weggefallen sein sollten, noch sind von Amts wegen solche Gründe erkennbar.

Es liegt weiterhin erhebliche Fluchtgefahr vor, der Gesundheitszustand der Beschwerdeführer hat sich nicht verschlechtert, im Asylverfahren haben sich keine Aspekte ergeben, auf Grund derer mit maßgeblichen Verfahrensverzögerungen zu rechnen wäre, auch betreffend die Wahrscheinlichkeit der Ausstellung eines Heimreisezertifikats haben sich keine Änderungen ergeben.

Die gelinderen Mittel reichen weiterhin zur Verfahrenssicherung nicht hin. Soweit der Vertreter der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angibt, die Beschwerdeführer könnten im Falle der Enthaftung bei Bekannten Unterkunft nehmen, ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführer diesfalls ohnedies Anspruch auf Unterbringung im Rahmen der Grundversorgung hätten. Da die Zweitbeschwerdeführerin angibt, sie kenne die Leute nicht, wo sie nach den vom Vertreter weitergeleiteten Angaben ihrer Tochter Unterkunft nehmen solle, kann auch nicht gefunden werden, wie die Beschwerdeführer dadurch an einem Untertauchen gehindert würden.

Es kann auch auf Grund der Einlassungen der Beschwerdeführer in der hg. mündlichen Verhandlung nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer behördlichen Auflagen nachkommen würden ("BFV:

Sollte die Behörde anordnen, dass Sie an einem bestimmten Ort Unterkunft nehmen oder sich regelmäßig melden, würden Sie diesen Aufforderungen nachkommen? BF 2: Ja, wir werden das machen, Hauptsache, wir werden nicht abgeschoben. Was sollen wir sonst machen. Ist das schlecht[?] Wichtig wäre, dass wir hier ohne Kontrollen frei leben können. Wir werden doch unter Kontrolle gestellt, oder? Das will ich nicht." "BFV: Würden Sie den behördlichen Anordnungen der Behörden Folge leisten? BF 1: Sicher, aber nicht zurück.").

3. Es ist daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung der Beschwerdeführer in Schubhaft vorliegen.

Zu A.III.) Kostenersatz

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Den Beschwerdeführern gebührt als unterlegene Partei kein Kostenersatz.

3. Die belangte Behörde ist auf Grund der Beschwerdeabweisung obsiegende Partei und hat Anspruch auf Kostenersatz.

Aufwandersatz ist laut § 35 Abs. 7 VwGVG auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da die belangte Behörde keinen Antrag auf Aufwandersatz stellte, war ihr kein Kostenersatz zuzusprechen.

Zu A.IV.) Barauslagenersatz

1. Das FPG sieht eine Barauslagenbefreiung iSd § 70 AsylG 2005 nicht vor.

2. Erwachsen dem Verwaltungsgericht bei einer Amtshandlung Barauslagen, so hat dafür gemäß § 76 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG grundsätzlich die Partei aufzukommen, die den verfahrenseinleitenden Antrag gestellt hat; im Verfahren über Maßnahmenbeschwerden sind allfällige Barauslagen zunächst vom Beschwerdeführer zu bestreiten (Hengstschläger/Leeb, AVG § 76 Rz 31 ff.), im Erfolgsfall aber von der Behörde auf Antrag zu ersetzen (vgl. Fister, Gebühren und Ersatz der Aufwendungen, in Holoubek/Lang [Hrsg.]; ders., Kosten und Gebühren im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, ÖJZ 2013, 1048). Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 24.06.2003, 2001/01/0260, bejaht, dass diese Vorschrift auch im Maßnahmebeschwerdeverfahren anwendbar ist und der "Antragsteller" die Barauslagen zu tragen hat. Es besteht kein Zweifel daran, dass dem Beschwerdeführer auch dann die Barauslagen gemäß § 76 Abs. 1 erster Satz AVG aufzuerlegen sind, wenn seine Maßnahmenbeschwerde Erfolg hat (Hengstschläger/Leeb, AVG § 76 Rz 31 ff. mwNw). Das in der Beschwerde relevierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.05.2015, Ro 2014/21/0071, sagt zum Barauslagenersatz nach § 76 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG nichts aus.

Dolmetscher haben nach den gem. § 17 VwGVG subsidiär anwendbaren §§ 53 a und b AVG einen Gebührenanspruch gem. GebAG. Gebühren, die den Sachverständigen und Dolmetschern zustehen, gelten gemäß § 76 Abs. 1 AVG als Barauslagen. Die Beschwerdeführer beantragten die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Die Verhandlung am 22.01.2016 wurde unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die rusissche Sprache durchgeführt, weil die Beschwerdeführer der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind. Die von der Dolmetscherin für ihre Tätigkeit in Rechnung zu stellenden Kosten werden nach Beantragung und Überprüfung zuzuerkennen und anzuweisen sein. Dem Bundesverwaltungsgericht werden damit Barauslagen in noch nicht festgesetzter Höhe erwachsen.

Den Beschwerdeführern sind daher gemäß § 76 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG die Dolmetschkosten als Barauslagen dem Grunde nach aufzuerlegen.

Zu A.V.) Verfahrenshelfer

1. Ist ein Beschuldigter außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und Personen, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhalts die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Verwaltungsgericht gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers kann gemäß Abs. 2 schriftlich oder mündlich gestellt werden. Er ist ab Erlassung des Bescheides bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Wird der Antrag innerhalb der Beschwerdefrist beim Verwaltungsgericht eingebracht, so gilt er als rechtzeitig gestellt. In dem Antrag ist die Strafsache bestimmt zu bezeichnen, für die die Beigebung eines Verteidigers begehrt wird. Die Behörde hat gemäß Abs. 3 dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Beigebung eines Verteidigers und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Beigebung eines Verteidigers beschlossen, so hat es den Ausschuss der nach dem Sitz des Verwaltungsgerichtes zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Verteidiger bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen des Beschuldigten zur Auswahl der Person des Verteidigers im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen. Hat der Beschuldigte innerhalb der Beschwerdefrist die Beigebung eines Verteidigers beantragt, so beginnt gemäß Abs. 4 für ihn die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Verteidiger und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Beigebung eines Verteidigers abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an den Beschuldigten zu laufen. Die Bestellung eines Verteidigers erlischt gemäß Abs. 5 mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten. In Privatanklagesachen sind gemäß Abs. 6 die Abs. 1 bis 5 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Antrag auf Beigebung eines Verteidigers auch gestellt werden kann, wenn der Bescheid nicht innerhalb der Entscheidungsfrist erlassen worden ist. Er kann frühestens gleichzeitig mit der Erhebung einer Säumnisbeschwerde gestellt werden und ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. In Verfahrenshilfesachen ist gemäß Abs. 7 die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof hob § 40 VwGVG mit Erkenntnis vom 25.06.2015, G 7/2015, unter Fristsetzung bis 31.12.2016 auf. Die Bestimmung ist somit anwendbar.

3. Insbesondere durch die Zuordnung der Bestimmung betreffend Verfahrenshilfeverteidiger im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zum

3. Hauptstück - Besondere Bestimmungen, 2. Abschnitt - Verfahren in Verwaltungsstrafen des VwGVG, und die Verwendung der Begriffe "Beschuldigter" und "Strafsache" in § 40 VwGVG, bringt der Gesetzgeber eindeutig zum Ausdruck, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe nur für das verwaltungsgerichtliche Verwaltungsstrafverfahren vorgesehen ist (idS auch VfGH 09.12.2014,

E 599/2014; 25.06.2015, G 7/2015).

Die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers gemäß § 40 VwGVG zur Vertretung von Interessen im Beschwerdeverfahren betreffend einen Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft kam mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (s. VfGH 17.09.2015, E 1343-1345/2015).

4. Selbst bei Anwendbarkeit des § 40 VwGVG auf das vorliegende Schubhaftverfahren wäre dem Antrag nicht zu entsprechen gewesen:

Gemäß § 40 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, dass diesem ein Verteidiger beigegeben wird, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist. Aus § 40 Abs. 5 VwGVG, wonach die Bestellung eines Verteidigers mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten erlischt, ergibt sich jedoch, dass die Bestellung eines Verteidigers jedenfalls dann nicht erforderlich sein kann, wenn der Beschwerdeführer bereits einen Vertreter hat. Dies ist auch dann der Fall, wenn der Bevollmächtigte kein berufsmäßiger Parteienvertreter ist (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2013, VwGVG § 40 K 7).

Die Beschwerdeführer stellte die Anträge auf Beigebung eines Verfahrenshelfers durch ihren Rechtsberater als gewillkürten Vertreter. Den Anträgen wäre sohin auch bei Anwendung des § 40 VwGVG nicht Folge zu geben gewesen.

Zu A.VI.) Prozesskostenhilfe

1. Der Verwaltungsgerichtshof sprach im Erkenntnis vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, aus, dass ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenshilfe gegebenenfalls, wenn keine geeignete innerstaatliche Anspruchsgrundlage existiert, direkt auf Basis von Art. 47 Abs. 3 GRC zu gewähren ist.

Gemäß Art. 47 Abs. 1 GRC hat jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Jede Person hat gemäß Abs. 2 ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen. Personen, die nicht über ausreichende Mittel verfügen, wird gemäß Abs. 3 Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit diese Hilfe erforderlich ist, um den Zugang zu den Gerichten wirksam zu gewährleisten.

2. Für die Auslegung und Anwendung der Grundrechtecharta ist die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes maßgebend (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032). Dieser berücksichtige wiederum die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Auch die Erläuterungen zu Art. 47 Abs. 3 GRC verweisen ausdrücklich auf ein das Judikat des EGMR, 09.10.1979, Fall Airey, wonach Prozesskostenhilfe zu gewähren sei, wenn mangels einer solchen Hilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet sei. Es gebe auch ein Prozesskostenhilfesystem für die beim Gerichtshof der Europäischen Union anhängigen Rechtssachen. Für das Verständnis von Art. 47 Abs. 3 GRC sei damit die in diesem Urteil, mit dem eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 EMRK konstatiert wurde, weil mangels Beigabe eines Rechtsanwalts kein wirksames Recht auf Zugang zum zuständigen Gericht gegeben war, angestellten Überlegungen maßgeblich. Dabei sei bedeutsam, dass die Beschwerdeführerin des vom EGMR entschiedenen Falles ihr Recht vor dem zuständigen Gericht auch persönlich geltend machen habe können. Das habe jedoch nach der Ansicht des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ihrem Anspruch auf Zugang zum Gericht nicht genügt; in Anbetracht der in materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Hinsicht gegebenen Schwierigkeiten des Verfahrens vor dem zuständigen Gericht und der besonders in Ehestreitigkeiten - diese seien dem zu beurteilenden Fall zu Grunde gelegen - möglichen emotionalen Spannungen sei die Beschwerdeführerin nicht in der Lage gewesen, ohne anwaltlichen Beistand ihre Rechte wirksam wahrzunehmen; allerdings folge aus der Verpflichtung, Zugang zum Gericht zu gewährleisten, nicht zwangsläufig die generelle Verpflichtung der Vertragsstaaten, in Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen Verfahrenshilfe zu gewähren. Es stehe jedem Staat frei, in welcher Weise er seien Verpflichtung erfülle, dem Einzelnen wirksamen Zugang zu den Zivilgerichten zu verschaffen; die Gewährung von Prozesskostenhilfe sei nur eine von denkbaren Möglichkeiten. Eine Vereinfachung des Verfahrens stelle eine weitere Möglichkeit dar, denn nicht in allen Fällen sei es dem Einzelnen unzumutbar, seinen Fall persönlich, ohne Hilfe eines Anwalts, dem Gericht vorzutragen. Daran habe der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil 22.12.2010, Rs C-279/09, Fall DEB Deutsche Energiehandles- und Beratungsgesellschaft mbH, festgehalten, dass die Frage der unionsrechtlich gebotenen Gewährung von Prozesskostenhilfe, die auch Gebühren für den Beistand eines Rechtsanwalts umfassen könne, einzelfallbezogen nach Maßgabe insbesondere folgender Kriterien zu erfolgen habe: Begründete Erfolgsaussichten des Klägers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen, die Komplexität des geltenden Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie die Fähigkeit des Klägers, sein Anliegen wirksam (selbst) zu verteidigen.

Im Erkenntnis vom 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, verneinte der Verwaltungsgerichtshof die Frage, ob § 52 Abs. 1 BFA-VG idF vor dem FRÄG 2015 einen ausreichenden Komplementärmechanismus darstellte, der die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe entbehrlich machte, weil eine Vertretung des Fremden in einem Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach dieser Rechtslage nur gesichert war, wenn eine Rückkehrentscheidung Beschwerdegegenstand war, nicht aber im Falle der Schubhaft. Dies decke sich mit Art. 9 Abs. 6 und 7 RL 2013/33/EU , wonach es der Beigabe eines Rechtsanwaltes nicht bedürfe, es aber vorzusehen sei, dass der Antragsteller unentgelichte Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch nehmen könne, und zwar dergestalt, dass zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden zu erfolgen habe. Diese Garantien entsprächen nach aktueller Sichtweise typischerweise dem, was einem Schubhäftling zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne der hier fraglichen Chartabestimmung anzugedeihen lassen sei. Dem entspreche § 52 Abs. 2 BFA-VG idF vor dem FRÄG 2015 nicht, weil eine Vertretung des Fremden in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in Schubhaftsachen nicht zum Aufgabenkreis eines Rechtsberaters zähle.

Mit dem FRÄG 2015 wurde (in Umsetzung des Art. 9 RL 2013/33/EU [RV 582 BlgNR 10 ]) in § 52 Abs. 2 BFA-VG folgender Satz eingefügt: "In Verfahren über internationalen Schutz sowie über die Anordnung von Schubhaft haben Rechtsberater auf Ersuchen des Fremden an der mündlichen Verhandlung teilzunehmen." Hiezu führen die Materialien aus: "Die Rechtsberatung vor dem Bundesverwaltungsgericht wird um die Möglichkeit der Vertretung in einem Beschwerdeverfahren gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung bzw. gegen eine Entziehung oder Beschränkung der Grundversorgung und um die Verhandlungsteilnahme in einem Beschwerdeverfahren wegen eines Antrages auf internationalen Schutz und über die Anordnung von Schubhaft erweitert. [...] Art. 9 Neufassung der Aufnahmerichtlinie umfasst außerdem, dass der Rechtsberater auf Ersuchen auch bei der mündlichen Verhandlung betreffend die Schubhaft teilzunehmen hat. Ein Einschreiten des Rechtsberaters setzt jeweils das Einverständnis des Fremden voraus."

Wenn auch § 52 Abs. 2 BFA-VG nur von "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung spricht, kann diese Bestimmung vor dem Hintergrund der Materialien in richtlinienkonformer Interpretation (VfSlg. 14.889/1997) nur so verstanden werden, dass damit die von Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU geforderte "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung "im Namen des Antragstellers" angeordnet ist. Die von der Richtlinie ebenfalls geforderte Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente ist von der Unterstützung des Beschwerdeführers bei der Beschwerdeeinbringung und im Beschwerdeverfahren im Sinne des ersten Satzes umfasst. Auf Grund der Umsetzung des Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU liegt nunmehr ein wirksamer Komplimentärmechanismus iSd Erkenntnisses VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032, vor.

3. Es bestehen auch keine Bedenken gegen § 52 Abs. 2 BFA-VG im Hinblick auf Art. 1 BVGRassDiskr wegen der Verwendung der Begriffe "Vertretung" durch den Rechtsberater in den Fällen des zweiten Satzes einerseits und die "Teilnahme" an der mündlichen Verhandlung "im Namen des Antragstellers" in den Fällen des vierten Satzes andererseits: Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU verlangt im Hinblick auf Schubhaftverfahren die Sicherstellung dafür, dass "der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch nehmen kann. Die Rechtsberatung und -vertretung umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden." Ebenso verlangt Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU betreffend Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz die Sicherstellung dafür, dass "unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung gewährt wird. Diese umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung vor einem erstinstanzlichen Gericht im Namen des Antragstellers." Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU verlangt im Hinblick auf Verfahren betreffend die Grundversorgung hingegen, dass "unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch genommen werden kann, soweit dies zur Gewährleistung eines wirksamen Rechtsschutzes erforderlich ist. Dies umfasst zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Vertretung vor den Justizbehörden im Namen des Antragstellers." Der im Zeitpunkt der Erlassung des § 52 BFA-VG idF BGBl. I 87/2012 in Geltung gestanden habende Art. 13 Abs. 4 RL 2008/115/EG verlangte "rechtliche Beratung, rechtliche Vertretung und - wenn nötig - Sprachbeistand" im Hinblick auf Rückkehrentscheidungen und verwies auf Art. 15 Abs. 3-6 RL 2005/85/EG ; die RL 2005/85/EG wurde durch Art. 53 RL 2013/32/EU aufgehoben, laut Anhang III RL 2013/32/EU entspricht Art. 15 Abs. 1 RL 2005/85/EG Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU . Die Verwendung der Begriffe "Teilnahme" einerseits und "Vertretung" andererseits resultiert folglich aus der unterschiedlichen Textierung der durch § 52 Abs. 2 BFA-VG umgesetzten Richtlinien.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Unionsrechtssetzer den Begriffen "Teilnahme" einerseits und "Vertretung" andererseits einen anderen Bedeutungsgehalt zugemessen hätte: So verlangt der in der deutschen Sprachfassung die Teilnahme des Rechtsberaters an der Verhandlung im Namen des Antragstellers erfordernde Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU "que les États membres veillent à ce que les demandeurs aient accès à l'assistance juridique et à la représentation gratuites. Ceci comprend, au moins, la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant les autorités judicaires au nom du demandeur" ebenso wie Art. 26 Abs. 2 derselben Richtlinie, der betreffend die Grundversorgung in der deutschen Sprachfassung die "Vertretung" durch den Rechtsberater verlangt ("Les États membres veillent à ce que l'assistance juridique et la représentation gratuites soient accordées à la demande, dans la mesure où cette aide est nécessaire pour garantir un accès effectif à la justice. Cette aide comprend au moins la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant les autorités judicaires au nom du demandeur"). Gleiches gilt für den in der deutschen Fassung wiederum die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers erfordernden Art. 20 Abs. 1 RL 2013/32/EU , der ebenso verlangt, dass "Les États membres veillent à ce que l'assistance juridique et la représentation gratuites soient accordées sur demande dans le cadre des procédures de rcours visées au capritre V. Ceci comprend au moins la préparation des actes de procédure requis et la participation à l'audience devant une juridiction de première instance au nom du demendeur." Im Gegensatz zur deutschen Sprachfassung unterscheidet die französische somit nicht zwischen "Teilnahme" und "Verhandlung", sondern bezeichnet beides als "participation à l'audience". Gleiches gilt für die englische Sprachfassung, die ebenfalls gleichlautend verlangt, dass "Member States shall ensure that applicants have access to free legal assistance and representation. This shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 9 Abs. 6 RL 2013/33/EU ), "Member States shall ensure that free legal assistance and representation is made available on request in so far as such aid is necessary to ensure effective access to justice. This shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 26 Abs. 2 RL 2013/33/EU ) und "Member States shall ensure that free legal assistance and representation is granted in request in the appeals procedures provided by Chaper V. It shall include, at least, the preparation of the required procedural documents and participation in the hearing before the judicial authorities on behalf of the applicant" (Art. 20 Abs. 1 RL 2013/33/EU ).

Auf Grund der Materialien, die nur ausführen, dass durch § 52 Abs. 2 BFA-VG die betreffenden Richtlinienbestimmungen umgesetzt werden sollen, kann ebenfalls nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber mit diesen Begriffen jeweils einen anderen Gewährleistungsumfang vorsehen wollte. Eine derartige Interpretation würde vielmehr dem Gesetz einen im Hinblick auf Art. 1 BVGRassDiskr verfassungswidrigen Inhalt unterstellen.

4. Da § 52 Abs. 2 BFA-VG in der nunmehr geltenden Fassung Art. 9 Abs. 6 und 7 RL 2013/33/EU , wonach vorzusehen sei, dass der Antragsteller unentgeltliche Rechtsberatung und -vertretung in Anspruch nehmen könne, und zwar dergestalt, dass zumindest die Vorbereitung der erforderlichen Verfahrensdokumente und die Teilnahme an der Verhandlung im Namen des Antragstellers vor den Justizbehörden zu erfolgen habe, entspricht und diese Garantien nach aktueller Sichtweise typischerweise dem entsprechen, was einem Schubhäftling zur Sicherstellung eines effektiven Rechtsschutzes im Sinne des Art. 47 Abs. 3 GRC anzugedeihen lassen ist (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0032; vgl. hiezu auch die Erwägungsgründe 21 und 35 RL 2013/33/EU ; Kommission der Europäischen Union, 03.12.2009 KOM[2008] 815 end S 6 f., 9), liegt eine geeignete innerstaatliche Anspruchsgrundlage vor, weshalb die Gewährung von Prozesskostenhilfe direkt auf Basis von Art. 47 Abs. 3 GRC ausscheidet.

5. Selbst bei unmittelbarer Anwendung des Art. 47 Abs. 3 GRC läge im Falle der Beschwerdeführer, denen ein Rechtsberater beigegeben wurde und die über einen gewillkürten Vertreter verfügen, der für sie die Beschwerde einbrachte und in ihrem Namen an der mündlichen Verhandlung teilnahm, kein Fall im Sinne des Urteils des EGMR, 09.10.1979, Fall Airey, vor, indem mangels der unentgeltlicher Beigebung eines Rechtsanwalts im Rahmen der Verfahrenshilfe die Einlegung eines wirksamen Rechtsbehelfs nicht gewährleistet war.

Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG iVm § 22 Abs. 1 VwGVG kommt der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zu.

Schon auf Grund des Fortsetzungsausspruches gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG kann ein Abspruch über den Antrag, den Beschwerden die aufschiebenden Wirkung zuzuerkennen, entfallen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hinsichtlich Spruchpunkte A.I. und A.II. zulässig, weil es an einer Rechtsprechung zu § 76 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 3 FPG mangelt.

Die Rechtslage zu A.III. ist nach der Erlassung des § 22a Abs. 1a BFA-VG klar (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053).

Die Revision hinsichtlich Spruchpunkt A.IV ist zulässig, weil es an einer Rechtsprechung zur Auferlegung des Barauslagenersatzes im Schubhaftverfahren durch das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 76 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG fehlt; eine solche besteht nur im Hinblick auf § 53 Abs. 4 BFA-VG und § 113 Abs. 1 Z 4 FPG (s. VwGH 19.05.2015, Ro 2014/21/0071) bzw. Bescheidbeschwerdeverfahren (VwGH 12.10.2015, Ro 2015/22/0022).

Die Revision zu A.V und A.VI ist zulässig, weil es zu § 52 Abs. 2 BFA-VG idF FRÄG 2015 iVm Art. 47 Abs. 3 GRC und Art. 9 RL 2013/33/EU an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mangelt.

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