VwGH 2009/21/0047

VwGH2009/21/004719.4.2012

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde des O, vertreten durch Edward W. Daigneault, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. Februar 2009, Zl. UVS-01/19/952/2009-5, betreffend Schubhaft (weitere Partei: Bundesministerin für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §80;
FrPolG 2005 §83 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §76 Abs1;
FrPolG 2005 §80;
FrPolG 2005 §83 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz Fremdenpolizeigesetz 2005 feststellt, sowie im Kostenpunkt wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein georgischer Staatsangehöriger, reiste am 9. Juli 2005 nach Österreich und stellte einen Asylantrag. Mit im Instanzenzug ergangenem Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. September 2007 wurde dieser Antrag abgewiesen. Außerdem wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Georgien zulässig sei, und es erging eine Ausweisung.

Mittlerweile war gegen den Beschwerdeführer im Gefolge einer strafrechtlichen Verurteilung mit Bescheid vom 30. November 2006 ein zehnjähriges Rückkehrverbot erlassen worden. Im Hinblick auf weitere strafgerichtliche Verurteilungen - u.a. wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch zu einer 18- monatigen Freiheitsstrafe - befand sich der Beschwerdeführer bis Ende Oktober 2008 in Strafhaft. Im Anschluss daran verbüßte er im PAZ Wiener Neustadt Verwaltungsstrafhaft, aus der er am 5. Dezember 2008 entlassen wurde. Eine von der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt mit Bescheid vom 24. Oktober 2008 angeordnete Schubhaft wurde nicht in Vollzug gesetzt, weil die georgische Botschaft für den Beschwerdeführer kein Heimreisezertifikat ausstellte; seine Identität habe - so die georgische Botschaft in ihrer Note vom 12. November 2008 an das Bundesministerium für Inneres - "nicht festgestellt" werden können.

Am Abend des 28. Jänner 2009 wurde der Beschwerdeführer in einer Wiener U-Bahnstation aufgegriffen. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 29. Jänner 2009 gab er an, bei Freunden in Wien Unterkunft genommen zu haben; die Adresse, an der er nicht behördlich gemeldet sei, wolle er nur nennen, wenn er entlassen werde. Wenn ihm vorgehalten werde, dass er seit 16. Jänner 2009 an seiner bisherigen Adresse in G abgemeldet sei, so müsse es sich um ein Missverständnis handeln; seine Vermieterin habe vermutlich die Abmeldung vorgenommen, da er einige Tage nicht anwesend gewesen sei; "an sich" sei er nur zum Besuch der Freunde nach Wien gekommen, seine Familie lebe noch in G.

Mit Bescheid vom 29. Jänner 2009 verhängte die Bundespolizeidirektion Wien hierauf gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG gegen den Beschwerdeführer zur Sicherung seiner Abschiebung die Schubhaft. Die dagegen erhobene Schubhaftbeschwerde wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 6. Februar 2009 gemäß § 83 FPG als unbegründet ab. Außerdem stellte die belangte Behörde fest, dass zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

Zum Sicherungserfordernis führte die belangte Behörde aus, dass kein Hinweis auf eine berufliche oder soziale Verankerung des Beschwerdeführers im Inland bestehe. Auch der Umstand, dass er gemäß seinen eigenen Ausführungen seinen Aufenthalt in Wien unter Umgehung der Meldepflicht genommen habe, lasse die Gefahr erkennen, dass er sich dem weiteren fremdenpolizeilichen Verfahren entziehen werde. Der Aktenlage lasse sich außerdem nicht entnehmen, dass der Beschwerdeführer über legale Quellen zur Sicherung seines Lebensunterhaltes verfüge.

Bezugnehmend auf das in der Schubhaftbeschwerde erhobene Vorbringen, die Botschaft Georgiens habe die Ausstellung eines Reisedokuments verweigert, führte die belangte Behörde weiter aus, dass der Beschwerdeführer offenkundig unzutreffende Angaben zu seiner Identität erstattet habe. Es sei daher an ihm gelegen, durch Richtigstellung seiner Angaben darauf hinzuwirken, dass ein Heimreisezertifikat ohne Verzögerungen ausgestellt werden könne. Insoweit könne er sich nicht darauf berufen, dass seitens der Botschaft von Georgien bislang kein Heimreisezertifikat ausgestellte worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 76 Abs. 1 FPG zur Sicherung seiner Abschiebung in Schubhaft genommen. Auch der Fortsetzungsausspruch der belangten Behörde - der Beschwerdeführer befand sich auf dessen Grundlage bis zu seiner wegen eines Hungerstreiks erfolgten Entlassung am 13. Februar 2009 in Schubhaft - beruhte erkennbar auf dieser Bestimmung.

Soweit die Behörden vom Vorliegen eines Sicherungserfordernisses ausgingen, kann ihnen schon auf Basis der oben wiedergegebenen niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vom 29. Jänner 2009 nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Die belangte Behörde führte ergänzend ins Treffen, dass der Beschwerdeführer auf keine (maßgebliche) berufliche oder soziale Verankerung im Bundesgebiet verweisen könne und dass er nicht "über legale Quellen zur Sicherung seines Lebensunterhaltes" verfüge. Das bleibt unbestritten. Vor diesem Hintergrund ist es unerheblich, ob der Beschwerdeführer - wie in der Beschwerde betont - tatsächlich einen Wohnsitz in G innehat.

Auch der Nichtvollzug des von der Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt erlassenen Schubhaftbescheides vom 24. Oktober 2008 stand der gegenständlichen Schubhaft nicht grundsätzlich entgegen. Für die in der gegenständlichen Beschwerde insoweit geltend gemachte Bindungswirkung dergestalt, der Beschwerdeführer habe darauf vertrauen dürfen, dass ohne Sachverhaltsänderung die Schubhaft nicht verhängt werde, bietet das Gesetz keine Grundlage. Allerdings kommt Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung von vornherein nur dann in Betracht, wenn die Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später ergibt -

umgehend zu beenden (in diesem Sinn das schon zu § 61 Fremdengesetz 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 17. November 2005, Zl. 2005/21/0019; zur Maßgeblichkeit der dort angestellten Überlegungen auch für die Rechtslage nach dem FPG siehe etwa das Erkenntnis vom 26. September 2007, Zl. 2007/21/0253).

Bei Schubhaftverhängung musste der Bundespolizeidirektion Wien zwar bekannt sein, dass bisherige Versuche zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer gescheitert waren. Das ergibt sich schon daraus, dass im Zentralen Fremdenregister des Bundesministeriums für Inneres zum bestehenden Rückkehrverbot als Zusatz angemerkt war "Heimreisezertifikaterlangung negativ, ID nicht feststellbar". Dessen ungeachtet erweist sich die Verhängung von Schubhaft am 29. Jänner 2009 und die nachfolgende Anhaltung des Beschwerdeführers bis zur Entscheidung der belangten Behörde nicht als rechtwidrig, weil der Bundespolizeidirektion Wien zugestanden werden muss, ihrerseits Versuche in Richtung Erwirkung eines Heimreisezertifikates zu starten.

Die belangte Behörde indes hat auf das in der Schubhaftbeschwerde näher ausgeführte Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei nicht abschiebbar, im Ergebnis nur damit repliziert, das habe sich der Beschwerdeführer infolge von falschen Angaben zu seiner Identität selbst zuzurechnen; es wäre an ihm gelegen, durch Richtigstellung seiner Angaben darauf hinzuwirken, dass ein Heimreisezertifikat ausgestellt werden könne. Abgesehen davon, dass die Annahme, der Beschwerdeführer habe eine falsche Identität bekanntgegeben, nicht näher begründet wurde, hat die belangte Behörde damit verkannt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zukommt (vgl. dazu abermals das schon erwähnte Erkenntnis vom 17. November 2005).

Der auf der dargestellten verfehlten Rechtsansicht der belangten Behörde beruhende Fortsetzungsausspruch nach § 83 Abs. 4 erster Satz FPG war daher - und damit auch der Kostenausspruch des bekämpften Bescheides - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde aber im Hinblick auf die obigen Ausführungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 19. April 2012

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