AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs1
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BVWG:2023:L515.2274617.1.00
Spruch:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. der Republik Armenien und der Arabischen Republik Syrien, vertreten durch RA Dr. BLUM Helmut, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.5.2023, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen, mit der Maßgabe dass die Frist für die freiwillige Ausreise gem. § 55 FPG 2 Monate ab Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses beträgt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. H. LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. der Republik Armenien und der Arabischen Republik Syrien, vertreten durch RA Dr. BLUM Helmut, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.5.2023, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF als unbegründet abgewiesen mit der Maßgabe dass die Frist für die freiwillige Ausreise gem. § 55 FPG 2 Monate ab Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses beträgt
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrenshergang
I.1. Die volljährigen beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß als „bP“ bzw. gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als „bP1“ und „b2“ bezeichnet), sind Staatsangehörige der Republik Armenien, sowie der Arabischen Republik Syrien.
Die bP sind verheiratet (die Eheschließung fand in Armenien statt) und reisten gemeinsam mit den Eltern der bP2 ein.
Die bP brachten nach rechtswidriger Einreise nach Österreich am 31.10.2022 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge „bB“) Anträge auf internationalen Schutz ein.
I.2. Die bP brachten zusammengefasst vor, aus der syrischen Stadt XXXX zu stammen. Im Jahr 2021 hätten die Moslems begonnen, die Angehörigen der armenischen Volksgruppe zu verfolgen. Hiervon wären auch die bP betroffen gewesen, weshalb sie Armenien verlassen hätten.
Die bP1 sei im Jahr 2019 in Syrien desertiert.
Vor ihrer Einreise hätten sich die bP gemeinsam mit den Eltern der bP2 vorübergehend in Armenien aufgehalten. Die bP1 und bP2 hätten in Armenien geheiratet. Sie legten eine armenische Heiratsurkunde vor, wo sie auch als armenische und syrische Staatsbürger bezeichnet wurden.
Zu Armenien hätten die bP keinen Bezug und müsste die bP1 dort ihren Militärdienst ableisten.
Die bP1 gab im Rahmen der Einvernahme vor einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes an die arabische Sprache sei ihre Muttersprache. Sie wurde sowohl dort als auch im Rahmen der Einvernahme vor der bB im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache einvernommen. Als Zielland gab sie Österreich mit der Begründung an, dass es hier sicher wäre und es hier eine armenische Gemeinschaft gibt. Den Aufenthalt in Armenien verschwieg sie vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gänzlich. Sehr wohl nannte sie jedoch den Aufenthalt in Staaten, wo sie sich nur kurz aufhielt bzw. diese lediglich durchreiste.
Die bP2 gab im Rahmen der Einvernahme vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 1.11.2022 an, Armenisch sei ihre Muttersprache und fand die Erstbefragung im Beisein eines Dolmetschers für die armenische Sprache statt. Die Einvernahme der bP2 vor der belangen Behörde fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache statt. Ihr Zielland sei Österreich gewesen, weil sich auch ihr Gatte hier befände. Auch die bP2 nannte ihren Aufenthalt in Armenien vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nicht. Sehr wohl nannte sie jedoch ebenfalls den Aufenthalt in Staaten, wo sie sich nur kurz aufhielt bzw. diese lediglich durchreiste.
I.2. Die Anträge der bP, sowie jene der Eltern der bP2 auf internationalen Schutz wurden folglich mit (in Bezug auf die bP1 und bP2 im Spruch genannten) Bescheiden der bB gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungs-würdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde in Bezug auf die bP eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in die Republik Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist.
Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt.
Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen festgelegt.
Der Befragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes wurde ebenso wie bei der Einvernahme vor der bP ein Dolmetscher (sei es wie bereits beschrieben in der armenischen oder in der arabischen Sprache) beigezogen. In beiden Fällen gaben die bP an, den Dolmetscher zu verstehen und wurden ihnen in beiden Fällen die Niederschriften rückübersetzt. Ebenso wurden in beiden Fällen die Niederschriften unterfertigt und wurden keine Einwände erhoben. Am Beginn der Befragung durch einen Organwalter der bB wurde den bP die Gelegenheit eingeräumt, sich zu den Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu äußern, worauf die bP1 angab, sie hätte die Niederschrift zu Hause mit dem Handy übersetzt und festgestellt, dass bei der Aufnahme der Personalien fehlerhaft protokolliert worden wäre. Die bP2 monierte auf diese Frage keine fehlerhaften Protokollierungen. Die Dolmetscher gaben in beiden Fällen ebenfalls nicht an, dass ihnen eine einwandfreie Verständigung mit den bP nicht möglich sei.
Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass zwischen der letztmaligen Einvernahme vor der bB und der Erlassung der angefochtenen Bescheide im Falle der bP1 ca. 2 Wochen und im Falle der bP2 ca. 2 Monate verstrichen. In diesem Zeitraume wandten sich die bP sichtlich nicht an die bB und monierten in Bezug auf die sie betreffenden Niederschriften Ungereimtheiten.
I.2.1. Die bB ging davon aus, dass die bP und die Eltern der bP2 ursprünglich aus Syrien stammen und –neben der syrischen auch- die armenische Staatsbürgerschaft besitzen. Nachdem sie Syrien verließen, hätten Sie sich eine Zeitlang als armenische Staatsbürger in Armenien aufgehalten.
Neben der syrischen Staatsbürgerschaft besäßen die bP und die Eltern der bP2 auch jene der Republik Armenien. In Armenien hätten die bP und die Eltern der bP2 keine Repressalien zu befürchten und bestünden auch sonst keine Rückkehrhindernisse.
I.2.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen.
I.2.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es ergaben sich weiters keine Hinweise auf einen Sachverhalt, welcher zur Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar, weshalb die Rückehrentscheidung in Bezug auf Armenien und die Abschiebung dorthin zulässig ist.
Die entsprechende Prüfung fand in Bezug auf die Republik Armenien statt.
Die bB ging davon aus, dass es sich bei der Republik Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG handelt.
Beweiswürdigend ging die bP davon aus, dass aufgrund der seitens der bP1 und bP2 vorgelegten Unterlagen sich zweifelsfrei ergebe, dass diese –auch- armenische Staatsbürger sind. Aufgrund der sonstigen Angaben der bP, sowie der Eltern der bP2 und der sich darin befindlichen Ungereimtheiten ging die bB davon aus, dass auch die Eltern der bP2 die armenische Staatsbürgerschaft besitzen und gegenteilige, sich zum Teil unplausibel und widersprüchlich darstellende Ausführungen den Umstand der Existenz der armenischen Staatsbürgerschaft sichtlich verschleiern sollten.
I.3. Gegen die genannten Bescheide wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.
Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die bP und die Eltern der bP2 ausschließlich die syrische Staatsbürgerschaft besäßen. In Armenien, wo die bP1 und bP2 geheiratet hätten, wären sie nur kurz aufhältig gewesen und hätten die armenische Staatsbürgerschaft nicht erlangt. Es wäre nie ihre Intention gewesen, die armenische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Sie hätten in Armenien einen Schlepper damit beauftragt, russische Reisepässe zu besorgen. Auftragswidrig hätte er den bP und den Eltern der bP armenische Reisepässe übergeben, an deren Authentizität die bP und die Eltern der bP2 ernsthafte Zweifel hegen. Abweichend hierzu gab die bP2 anlässlich der niederschriftlichen Einvernahme vor der bB an, sie hätte sich zum Zwecke der Eheschließung in Armenien einen armenischen Reisepass ausstellen lassen.
Die bP und die Eltern der bP2 könnten aufgrund der Desertion der bP1 und der allgemeinen Lage in Syrien nicht dorthin zurückkehren.
Die bP2 leide an Angst- und Panikattacken und an einer posttraumatischen Belastungsstörung.
Die bP und die Eltern der bP2 verfügen in Armenien weder über familiäre, noch über soziale oder wirtschaftliche Anknüpfungspunkte. Sie würden dort keine Existenzgrundlage vorfinden.
In Bezug auf den Verlauf der niederschriftlichen Einvernahmen vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der bB, sowie die beigezogenen Dolmetscher oder das Verhalten der Einvernahmeleiter wurde seitens der bP in der Beschwerdeschrift nichts moniert.
Die rechtsfreundliche Vertretung der bP2 beantragte die Einholung eines medizinischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass die psychischen Probleme bei der bP2 durch eine Abschiebung nach Armenien oder Syrien sich dramatisch verschlechtern würden und alleine dadurch eine lebensbedrohliche Lage für die bP2 entstehen würde.
I.4.1. Das ho. Gericht richtete an einen armenischen Vertrauensanwalt mit Schriftsatz vom 12.7.2023 die Anfrage, ob die bP die armenische Staatsbürgerschaft besitzen.
Mit Schreiben vom 20.7.2023 gab dieser bekannt, dass die bP die armenische Staatsbürgerschaft besitzen. Die bP sind in Jerewan an der vom Vertrauensanwalt genannten Adresse gemeldet.
Die bP1 und bP2 haben in Armenien geheiratet und wurde ihre Heirat im Amt für zivile Registrierungen am XXXX .2020 eingetragen. Es wurde die Zugehörigkeit zur armenischen Volksgruppe und die armenische und syrische Staatsbürgerschaft registriert. Die bP1 wurde darüber hinausgehend im armenischen Handelsregister als Unternehmer und armenischer Staatsbürger registriert. Ebenso wurde am XXXX .2017 für ihn ein armenischer Reisepass ausgestellt.
Sozialen Medien zufolge war die bP1 als Reiseführer tätig, indem er Touren in Armenien und Georgien organisierte.
Die bP2 hätte an der Staatlichen Universität Jerewan gearbeitet.
Die bP sind im armenischen Wählerregister eingetragen (Anm.: Es wird für die bB und die bP als notorisch bekannt angesehen, dass in das armenische Wählerregister ausschließlich wahlberechtigte armenische Staatsbürger eingetragen werden).
Die bP1 ist seit dem Jahr 2018 und die bP2 sind seit dem Jahr 2021 in Armenien gemeldet.
I.4.2. Das vollständige im Akt aufliegende Ermittlungsergebnis wurde mitsamt eines Qualifikationsprofils des Vertrauensanwaltes, welches zu dessen Schutz seinen Namen nicht enthält, mit ho. Schreiben dem Rechtsfreund der bP mitgeteilt, worauf dieser mit Schriftsatz vom 31.8.2023 ausführte, dass die bP aus Syrien stammen und den überwiegenden Teil ihres Lebens in Syrien verbrachten. Die seitens des ho. Gerichts herangezogene Quelle, welche anonym gehalten wurde, stelle kein taugliches Beweismittel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dar. Ebenfalls wären die Quellen nicht offen gelegt worden.
Die bP fänden in Armenien keine ausreichende Existenzgrundlage vor, würden als Menschen zweiter Klasse behandelt und fänden keine ausreichenden Behandlungsmöglichkeiten in Bezug auf ihre chronischen Erkrankungen vor.
I.4.1. Das ho. Gericht ordnete für den 10.10.2023 eine Beschwerdeverhandlung an. Gemeinsam mit der Ladung wurden den bP und den Eltern der bP2 Feststellungen zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Armenien übermittelt. Weiters wurden die Verfahrensparteien eingeladen, durch die vollständige Beantwortung eines mitgeschickten Fragenkataloges, welcher sich in Bezug auf die bP insbesondere auf die Bescheinigbarkeit der Identität und die Gründe des gegenständlichen Antrages, die aktuellen Rückkehrhindernisse, sowie die privaten und familiären Anknüpfungen im Bundesgebiet bezieht, an der Feststellung des Sachverhalts mitzuwirken und bereits vor dem Verhandlungstermin allfällige Bescheinigungsmittel vorzulegen bzw. ein allfälliges ergänzendes Vorbringen zu erstatten.
I.4.2.1. Die rechtsfreundliche Vertretung bP brachte nach Gewährung einer Fristverlängerung mit Schriftsatz vom 6.10.2023 (Datum des Einlangens) zusammengefasst vor, es hätten sich seit der Antragstellung keine Änderungen ergeben. Der letzte Wohnsitz der Familie wäre in Aleppo gewesen Die bP1 sei grundsätzlich gesund, es befänden sich jedoch aufgrund eines Kriegsvorfalls Metallsplitter in seinem Kopf. Die bP2 leide an Angst- und Panikattacken, sowie an PTSD. Sie stehe in medizinischer Behandlung erhalte das Medikament Sertralin. Die Mutter der bP2 leide an Stepenie und Osteochondrosen der Wirbelsäule und hätte Beschwerden im Bewegungsapparat. Die der Vater der bP2 leide nach wie vor an massiven kognitiven Defizienten, Angststörungen, Panikattacken, PTSD. Sie sei in fachärztlicher neurologischer Behandlung und erhalte die Medikamente Escitalopram, Cerebokan, Quetiapin und Quetialan. Es bestünden massive Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit der bP1.
Die bP sei als Automechaniker tätig gewesen und hätte 6 Jahre Militärdienst geleistet. Der Vater der bP2 hätte eine XXXX betrieben, welche nunmehr sein Bruder betreibe. Die Mutter der bP2 sei Hausfrau gewesen, die bP2 hätte nach ihrer beruflichen Ausbildung keinen Beruf ausgeübt. Die Familie hätte keine Deutschzertifikate erworben.
Die bP sind nicht erwerbstätig, die bP1 hätte sich jedoch bei MC Donalds und Lieferando beworben, aktuell existiere jedoch keine Beschäftigungsbewilligung.
Die bP hätten sich einen Bekanntenkreis aufgebaut, mit dem sie ihre Freizeit verbrächten. Sie würden sich um die Verbesserung ihrer Deutschkenntnisse bemühen.
I.4.2.2. Die bB äußerte sich nicht.
I.4.3.1. Da aufgrund der Aktenlage davon ausgegangen werden konnte, dass die bP die armenische Sprache beherrschen, wurde zur Verhandlung eine Dolmetscherin für die armenische Sprache geladen.
Nachdem am 10.10.2023 um 08.30 Uhr die Sache aufgerufen wurde und die bP den Verhandlungssaal betraten, wurden ihnen unter Zuhilfenahme der Dolmetscherin ihre Plätze im Verhandlungssaal zugewiesen. Die bP, sowie die Eltern der bP2 betraten den Verhandlungssaal. Hierbei wurde festgestellt, dass der Vater der bP2 sichtlich der Unterweisung seiner Gattin bedurfte, um sich entsprechend zurechtzufinden, sie war jedoch körperlich in der Lage, ohne fremde Hilfe den Verhandlungssaal zu betreten und den ihr zugewiesenen Sitz einzunehmen.
In diesem Zusammenhang fand die mit der Dolmetscherin übliche Konversation in der armenischen statt, im Rahmen derer die bP auch eingeladen wurden, dem Leiter der ho. Gerichtsabteilung Identitätsnachweise vorzulegen (dieser Einladung kamen sie auch nach) und ergeben sich hierbei keine Hinweise, dass die bP die Dolmetscherin nicht verstünden.
Nach der Eröffnung der Verhandlung gab die bP2 auf Armenisch an, sie verstünde zwar armenisch, sie sei sich jedoch nicht sicher, ob sie diese Sprache auf Verhandlungsniveau verstehe. Nach einem entsprechenden Einwand des Leiters der ho. Gerichtsabteilung unter Verweis auf die Aktenlage, welche stark indiziere, dass die bP die armenische Sprache in Wort und Schrift beherrschen, gab die bP1 auf Armenisch an, die armenische Sprache zu sprechen und in dieser Sprache auch Unterreicht genossen zu haben, ihre Muttersprache sei jedoch arabisch. Die armenische Sprache spreche sie nur eingeschränkt.
Im Rahmen dieser Dialogsituation gab die Dolmetscherin an, dass sich für sie der Eindruck ergeben hätte, dass mit der bP1 jedenfalls eine einwandfreie Verständigung möglich sei, die anderen bP (damals sie bP2 und ihre Eltern) würden „einen Dialekt“ sprechen, welche jedoch ebenfalls verständlich sei. Der Gefertigte schlug vor, die Dolmetscherin möge langsamer sprechen und die bP sofort rückfragen, wenn sie etwas nicht verstünden.
Zu diesem Zeitpunkt gab die Rechtsvertreterin zu bedenken, dass eine Verhandlung in einer den bP nicht ausreichend bekannten Sprache nicht zielführend erscheine. Nach einem kurzen Wortwechsel zwischen der Rechtsvertreterin und den bP, in erster Linie mit der bP1, verweigerten sie bP jegliche weitere Kommunikation in der armenischen Sprache und gaben der Dolmetscherin zufolge nunmehr an, diese Sprache nicht zu verstehen.
Die Dolmetscherin gab hierauf an, dass gemäß ihrer Einschätzung diese Behauptung im Lichte der bereits stattgefundenen Konversation nicht der Wahrheit entspreche, da sie zuvor mit den bP, federführend mit bP1 noch in der armenischen Sprache kommunizierte. Hierauf warf die Rechtsvertreterin ein, es stünde der Dolmetscherin nicht zu, eine solche Einschätzung vorzunehmen.
I.4.3.1. Der RI vertagte in weiterer Folge die Verhandlung, um diese zu einem späteren Zeitpunkt mit einem Dolmetscher für die arabische Sprache fortzusetzen.
I.4.3.3. Nach Beendigung der Verhandlung kam es außerhalb des Verhandlungsgeschehens kam es zu einem Disput zwischen der Dolmetscherin und Rechtsvertreterin, welcher für den weiteren Verlauf und den Ausgang des gegenständlichen Verfahrens nicht relevant ist.
I.4.3.4. Da der erkennende Richter den persönlichen Eindruck gewann, dass die bP unter kognitiven Einschränkungen leide und die Rechtsvertreterin entsprechende medizinische Unterlagen vorlegte, wurde mit ho. Schreiben vom 12.10.2023 beim zuständigen Bezirksgericht angeregt zu prüfen, ob die bP1 eines Erwachsenenvertreters bedürfe.
I.4.3.5. Aus verfahrensökonomischen Erwägungen werden nunmehr die Asylverfahren betreffen die bP1 und bP2, sowie den Eltern der bP2 gem. § 39 Abs. 2 AVG getrennt geführt.
I.4.4. Gemäß eines Berichts der Polizeiinspektion XXXX reiste die bP1 mit einem in Ungarn zugelassenen Pkw am Grenzübergang XXXX nach Österreich ein und wies sich hierbei mit einem im XXXX 2017 ausgestellten und mit zahlreichen Ein- und Ausreise-stempeln versehenen armenischen Reisepass und einem armenischen Führerschein aus. Die bP1 wurde eingeladen, sich hierzu zu äußern, worauf ihre rechtsfreundliche Vertretung angab, dass aufgrund einer Überlastung der Kanzlei eine schriftliche Äußerung nicht abgegeben werden kann und sich die bP1 in der Verhandlung mündlich äußern werde.
I.4.5. Das ho. Gericht ordnete für den 11.12.2023 eine weitere Verhandlung an. Die bB und die bP wurden eingeladen, sich bereits im Vorfeld der Verhandlung zu äußern, insbesondere wurden die bP angehalten, allfällige Änderungen bekannt zu geben, welche sich auf die Beantwortung der in Punkt I.4.1. genannten Fragenkatalogs beziehen.
Am Beginn der Verhandlung gab die RV unter gleichzeitiger Vorlage von Unterlagen bekannt, dass die bP aufgrund der Einnahme eine von ihnen nicht vertragenen Nahrungsmittels am Wochenende erkrankt seien und nicht erschienen wären.
Die bB entsandte zur Verhandlung keinen Vertreter und gab keine weitere Stellungnahme ab.
Der RI vertagte hierauf die Verhandlung auf den 21.12.2023.
I.4.6. Das Beschwerdeverfahren der Eltern der bP2 wurde gem. §§ 17 VwGVG, 38 AVG bis zur Klärung der Frage durch das zuständige Bezirksgericht, ob der Vater der bP2 einer Erwach-senenvertretung bedarf und der allfälligen Bestellung eines solchen ausgesetzt.
I.4.7. Seitens der bB bzw. deren Vertretung wurde zu keinem Zeitpunkt Akteneinsicht beantragt.
I.4.8. Der Verlauf der Verhandlung am 21.12.20023 stellte sich wie folgt dar:
„…
RI macht die P darauf aufmerksam, dass sich die nachfolgenden Fragen an alle P richten und diese jeder für sich beantworten kann. Wenn jemand auf eine Frage nicht antwortet und zu den Antworten der anderen P schweigt, zieht der RI hieraus den Schluss, dass keine Einwände gegen diese Antworten bestehen und sie die P in Bezug auf ihre Person in sinngemäßer Weise gelten lässt.
RI: Sie wurden bereits beim Bundesamt bzw. den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Wie würden Sie die dortige Einvernahmesituation beschreiben?
P1: Ich wurde alleine in XXXX bei der Polizei befragt. Der es war ein arabischer Dolmetscher aus Ägypten, er sprach aber einen anderen Dialekt. An dem Tag habe ich unterschrieben, als ich in die Unterkunft kam, habe ich es mit dem Handy übersetzt und ich stellte fest, dass Fehler auftraten. Das war auch beim BFA so, da gab es auch einen Dolmetscher aus Ägypten.
RI: Wurden Ihnen die Angaben beim BFA und bei der Polizei rückübersetzt?
P1: In beiden Fällen ja.
RI: Haben Sie bei der Rückübersetzung Fehler beanstandet?
P1: Der Dolmetscher hat es mir mündlich und zusammengenfasst rückübersetzt.
RI: Was haben Sie gemacht, nachdem Sie bemerkten, dass die Protokolle fehlerhaft sind?
P1: Ich habe es notieren lassen und habe es nach dem Terim beim BFA erwähnt.
RI: Was machten Sie als sie bemerkten, dass auch beim BFA fehlerhaft übersetzt wurde?
P1: Der Dolmetscher hat mir das rückübersetzt, es gab einige Kleinigkeiten als Fehler, das habe ich auch erwähnt, mir wurde vom Dolmetscher gesagt, dass der Beamte das korrigieren wird. Als ich nach Hause kam, bemerkte ich, dass nichts korrigiert wurde.
RI: Was wurde falsch übersetzt und wie hätte es richtig lauten müssen?
P1: Ich habe das alles auf der Kopie meines Protokolls notiert. Ich habe dieses aber zu Hause vergessen und nicht mit.
RI: Was waren die gröbsten Fehler in der Übersetzung, an welche sie sich ohne Protokoll erinnern?
P1: Zum Beispiel der Fluchtweg von Syrien nach Österreich. Es wurde so geschrieben, wie es der Dolmetsch aus seiner Sicht sah, aber nicht wie es sich aus meiner Sicht darstellte. Das zweite, woran ich mich erinnern kann, dass ich Soldat war und dass ich keinerlei Gründe habe, wobei ich bei dieser Frage sagte, dass ich während meiner Wehrdienstzeit im Krieg am Kopf aufgrund einer Explosion verletzt wurde. Ich erlitt an 2 Stellen des Kopfes Splitterverletzungen. Ich kam ins Krankenhaus. Als es mir besser ging, bin ich geflüchtet, ohne zum Militär zurückzukehren. Das ist bei uns strafbar. Ich habe also sehr wohl einen Grund. An die weiteren Sachen kann ich mich nicht erinnern.
RI: Welche Diskrepanzen gab es in Bezug auf den Reiseweg?
P1: Ich war 6 Jahre lange Soldat, nachdem ich am Kopf verletzt wurde, wurde ich im Krankenhaus behandelt und flüchtete nach Manbitsch. Als ich dort war, herrschte dort die Freie Armee, die ich um Hilfe bat, damit ich das Land in Richtung Türkei verlassen kann, weil ich desertierte. Sie fragten mich nach meinen Fähigkeiten und ich sagte ihnen, dass ich Automechaniker bin. Ich habe dort auch als Mechaniker gearbeitete und mir etwas erspart. Sie wollten mir dann auch eine Waffe in die Hand drücken, damit ich gegen das Regime kämpfe. Ich wollte aber mit Waffen nichts zu tun haben. Ich bin dann in Richtung Türkei geflüchtet, ich habe die Freie Armee nicht unterstützt und habe für sie nicht gekämpft. Ich war längere Zeit in der Türkei, dann reiste ich nach Armenien. Ich war genau 20 Tage in Armenien. Ich weiß es deswegen genau, weil ich dort meine Gattin heiratete. Dann bin ich wieder zurück in die Türkei. Dann habe ich dort einen Schlepper gesucht. Ich fand einen, der mich über den Landweg mit dem Auto von der Türkei nach Griechenland, Bulgarien, Serbien, Ungarn nach Österreich brachte. Teilweise fuhren wir mit dem Auto, teilweise gingen wir zu Fuß.
RI: Haben Sie bei Ihren bisherigen Aussagen vor dem Bundesamt immer die Wahrheit gesagt oder möchten Sie etwas richtig stellen?
P1: Ich habe die Wahrheit gesagt.
P2: Ich habe auch die Wahrheit gesagt.
RI: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?
P1: Ich habe keine Identität mehr, meine Identitätsdokumente sind beim Militär. Ich hatte nur einen Militärausweis und den habe ich entsorgt. Ich würde nicht selber hingehen und ihm mir holen, weil ich vom Militär desertierte und als Verräter gelte.
…
RI: Sie haben sich bereits beim BFA und auch im Beschwerdeverfahren zu ihren privaten und familiären Verhältnissen in Österreich geäußert. Wollen Sie sich hierzu weitergehend äußern bzw. hat sich diesbezüglich etwas geändert?
P1: Es hat sich nichts geändert.
RI an P2: Wollen Sie zum Bisherigen etwas sagen?
P2: Bei der Polizei war die Routine ganz normal, aber ich bin mit meinen Eltern eingereist und wir wurden zusammen befragt. Wir bekamen die Ladung für XXXX . Die Beamtin, die uns befragten und der ägyptische Dolmetsch waren sehr unfreundlich und haben uns angeschrien. Ich habe geweint, weil wir gar nicht richtig zum Reden kam. Ich wollte etwas erklären, aber sie haben es gar nicht zugelassen. Ich habe dann zu weinen begonnen, später habe ich erfahren, dass man ein Recht auf eine Pause hätte, wir bekamen aber keine. Wir wurden wie Verbrechter behandelt.
Einzelne Befragung der P
Befragung der P1
RI: Wollen Sie etwas angeben, was Ihre Gattin nicht wissen sollte?
P: Nein.
RI: Sie beantragten in der Beschwerdeschrift die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Zu welchem konkreten Zweck beantragten Sie diese?
P: Wie gesagt, sie können mich fragen, ich antworte. Vielleicht gibt es Fragen, die ich nicht gefragt wurde.
RV: Wir hoffen, dass in der Verhandlung die Quellen der Recherche offengelegt werden. Die BF wissen nicht, ob es sich um ein taugliches Beweismittel darstellt und sie wollen sich zu den Diskrepanzen zu ihren Angaben äußern. Es ist auch offen, ob ein soziales Netzwerk besteht oder Kontakte zu Verwandten bestehen. Es wurde im Schrieben der Polizei auch ein anderslautender Familienname genannt. Wenn der BF tatsächlich wie in der Auskunft der des Anwaltes einen anderen Familiennamen führen würde, dann hätte es dem Anwalt auffallen müssen.
RI: Sie gaben bisher an, dass sich in Ihrem Körper kriegsverletzungsbedingt Splitter befinden. Zu welchen Symptomen kommt es deswegen?
P: Die Wunde gibt es noch, aber bis heute gibt es keine Beschwerden.
RI: Beschreiben Sie einen typischen Tagesablauf, wie Sie in Österreich die Zeit verbringen.
P: Ich bin ein Frühaufsteher, zwischen 6 und 7 Uhr. Es kommt auf das Wetter an und ich gehe gerne spazieren. Dann schaue ich ein bisschen YouTube wegen der deutschen Sprache. Ich gehe auch zum Nachbarn, in die Kirche oder ich gehe auch einkaufen. Es gibt nichts Besonderes, es ist ein ganz normaler Alltag.
RI: (ohne Dolmetscher) Sprechen Sie Deutsch?
P: Little
RI: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?
P: Antwortet auf Arabisch: Ich kann nicht so viel deutsch sprechen. Ich kann mich nur vorstellen, wie alt ich bin und die Zahlen.
RI: (ohne Dolmetscher) Stellen Sie sich bitte kurz vor.
P: Antwort auf Arabisch: Ich verstehe die Frage nicht. Ich bin gerade erst am Anfang.
RI: Sprechen Sie besser Deutsch oder Armenisch?
P: Weder Deutsch noch Armenisch.
RI: Besteht zwischen Ihnen und XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX irgendein Abhängigkeitsverhältnis?
P: Nein.
RI: Ihr Antrag wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.
P: Ich habe in meinem Land Syrien keine Sicherheit, keine Zukunft. Meine Frau und ich sind seit 3 Jahren verheiratet und wir können uns nicht einmal ein Kind wie jede normale Familie leisten. Wir können keine Familie gründen, weil unsere Zukunft ungewiss ist. Wir wollen nur in Frieden und normal leben. Ich habe das Recht auf Schutz, weil ich dort gegen das Gesetz verstoßen habe und ich würde vor ein Militärgericht kommen.
RI: Wann sind Sie desertiert?
P: Im Jahr 2016.
RI: Wie lange waren Sie dann in der Türkei?
P: Ungefähr 2 Jahre.
RI: Was würde Sie in Syrien konkret erwarten?
P: Ich werde sicher gehängt, ich bekomme die Todesstrafe. Ich werde von einem Militärgericht verurteilt.
RI: Was würde Sie in Armenien konkret erwarten?
P: Zu wem soll ich dort gehen?
RI: Am XXXX .2023 wiesen sie sich am Grenzübergang XXXX mit einem armenischen Reisepass und einem armenischen Führerschein aus. Weiters lenkten Sie ein ungarisches Kfz.
RV gibt an, dass vom Recht, die Aussage zu verweigern Gebrauch gemacht wird, da nach wie vor ein Ermittlungsverfahren anhängig ist.
RI: Sie führten in der Beschwerde an, dass Sie die Authentizität ihres armenischen Reisepasses ausdrücklich anzweifeln. Warum wiesen Sie sich trotz dieser Zweifel mit diesem Reisepass anlässlich des genannten Grenzübertrittes aus, zumal dies zumindest den Versuch einer Straftat (etwa § 15, 223 (2) StGB) indiziert?
RV gibt an, dass vom Recht, die Aussage zu verweigern Gebrauch gemacht wird, da nach wie vor ein Ermittlungsverfahren anhängig ist.
RI: Handelt es sich um einen echten, auf Ihre Person ausgestellten Reisepass?
RV gibt an, dass bezüglich des Reisepasses keine weiteren Fragen beantwortet werden, weil diese in Bezug auf das strafrechtliche Ermittlungsverfahren relevant sind. Es wird auf das bisherige Vorbringen verwiesen, das Gericht kann gerne den Ausgang des bisherigen Verfahrens abwarten, bis die P vom Gericht befragt wurde und die StA ermittelte. Die P bestreitet nicht, dass sie die Pässe vom Schlepper erhielten, obwohl sie russische Pässe haben wollten.
P: Ich will nicht darauf antworten.
RI: Sind sie bereit, sich zu den durch die Stempeln Reisetätigkeiten zu äußern?
P: Nein.
RI: Sie gaben beim BFA an, in Armenien herrsche „überall“ Krieg. Wo befinden sich diese Kriegsschauplätze konkret, welche Sie zu dieser Behauptung veranlasste?
P: Das habe ich nicht so gesagt, ich habe gesagt, in Karabach herrscht Krieg und die armenischen Jugendlichen wurden für den Krieg rekrutiert.
RI: Eine Anfragebeantwortung eines armenischen Anwalts (dessen Qualifikationsprofil wird kurz erörtert), welche ihrem Vertreter zur Stellungnahme geschickt wurde ergab, dass sie –zumindest auch- armenischer Staatsbürger sind.
Sie sind im öffentlich zugänglichen armenischen Wählerregister eingetragen. Dort werden nur wahlberechtigte armenische Staatsbürger eingetragen. Ebenso scheinen Sie im zentralen armenischen Melderegister mit einer Adresse in Jerewan eingetragen auf und sind zusätzlich im armenischen Gewerberegister als Reiseführer angemeldet und befinden sich in Ihrem Reisepass eine Vielzahl von Ein- und Ausreisetempeln aus und nach Armenien. In Ihrer Heiratsurkunde ist neben der syrischen auch die armenische Staatsbürgerschaft vermerkt.
P: Ich habe eine syrische Heiratsurkunde vorgelegt. Der Schlepper, der mich nach Österreich brachte, der hat mir die Dokumente gegeben. Er gab mir den Reisepass und die Heiratsurkunde ich war bei gar keiner Behörde. Ich habe nichts gemacht, der Schlepper hat alles gemacht. Ich war nur 20 Tage in Armenien.
RI: Wollen Sie sich zu den Rückkehrhindernissen nach Syrien bzw. Armenien noch äußern?
(Ri schaut zu RV)
RV beantragt eine Stellungnahmefrist von 2 Wochen und Akteneinsicht zum heutigen Tage.
Fragen der RV:
RV: Haben Sie jemals bei einer armenischen Behörde vorgesprochen?
P: Nein.
RV: Leben Sie mit Ihren Schwiegereltern im gemeinsamen Haushalt?
P: Es ist eine Unterkunft von der Caritas, aber wir leben zusammen.
RV: Wer erledigt die Einkaufte, bzw. wenn der Schwiegervater etwas braucht?
P: Meine Schwiegereltern sind von mir abhängig, ich muss alles machen. Mein Schweigervater kann nicht hinuntergehen.
RV: Sie gaben aber vorher auf die Frage des Richters auf die Existenz eines Abhängigkeitsverhältnisses an, dass keines besteht. Haben Sie die Fragen verstanden.
P: Ich habe verstanden, ob es finanziell ist.
RV: Abhängigkeit kann auch so gemeint sein, dass man andere über die finanzielle Unterstützung hinaus unterstützt.
P: Ich habe es hingehend verstanden, ob ich von meinen Schwiegereltern abhängig bin.
RV: Heißt das, dass die Schwiegereltern von Ihnen abhängig sind?
P: Die Frage war nach den Eltern, nicht nach den Schwiegereltern.
RV: Wer hat den Kontakt zwischen dem Vertretungsnetz und dem Schwiegervater aufrechterhalten. Wer hat den Schwiegervater unterstützt, um den Kontakt mit dem Vertretungsnetz abzuwickeln?
P: Ich.
Befragung der P2
RI: Wollen Sie etwas angeben, was die anderen P nicht willen sollten?
P: Nein.
RI: Sie beantragten in der Beschwerdeschrift die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Zu welchem konkreten Zweck beantragten Sie diese?
P: Was wir bekommen haben, war negativ, wir können nicht nach Syrien zurückkehren. Es fällt mir leichter, wenn Sie mich fragen und ich Ihnen antworte.
RI: Beschreiben Sie einen typischen Tagesablauf, wie Sie in Österreich die Zeit verbringen.
P: Aufgrund unseres Status lerne ich deutsch von YouTube. Ich habe die Zahlen, die Wochentage gelernt. Jeden Tag lerne ich etwas. Jetzt lerne ich schon das Alphabet. Das mache ich in der Früh. Nachdem ich meinen Kaffee getrunken habe, erledige ich den Haushalt. Ich muss auch auf meine Eltern schauen und sie pflege, auch weil mein Vater besonders krank ist. Manchmal gehe ich einkaufen und ich betreue meinen Vater, manchmal ist es umgekehrt. Ich kann irgendwie meinen Tag bewältigen, dass ich bezahle und einkaufe. Manchmal höre ich ein Wort und ich schaue dann nach was es bedeutet. Ich teile mir die Pflege meines Vaters mit meinem Mann, dass fordert sehr viel Kraft.
RI: (ohne Dolmetscher) Was haben Sie gestern gemacht?
P: Eine Jahre ich komme.
RI: Sprechen Sie besser Deutsch oder Armenisch?
P: Armenisch kann ich sowieso nicht, aber ich lerne gerade Deutsch. Ich kann Arabisch. Ich kann nicht Armenisch reden, ich verstehe nur gewisse Wörter. Ich könnte nicht aus einem Buch vorlesen.
RI: Welche Pflege und Unterstützung übernimmt Ihre Mutter in Bezug auf Ihren Vater?
P: Nicht so wie ich und mein Mann, aber zum Beispiel, wenn ich koche unterhält sie sich mit ihm, damit er beschäftigt ist, seit den Vorfällen in Syrien ist er sehr vergesslich. Ich bin kein Wecker, den man programmieren kann, ich kann auch etwas vergessen, dann kann auch meine Mutter einspringen. Aber alles was draußen ist, übernimmt mein Mann oder ich.
RI: Ihr Antrag wurde seitens der belangten Behörde abgewiesen und wurde im angefochtenen Bescheid die Entscheidung begründet. Wie treten Sie den Argumenten der belangten Behörde entgegen.
P: Wir sind Syrer. Mein Land ist nicht so, wie es einmal war, dass man dort leben kann. Ursprünglich stammen wir aus Syrien, aber ich bin Syrerin. Ich habe in Syrien gelernt und studiert. Aber die Behörde sah mich nicht als Syrerin, sondern als Armenierin.
RI: Was würde Sie in Syrien konkret erwarten?
P: Wenn ich dort alleine wäre, erstens weiß ich nicht, zu wem ich gehen soll. Zweitens, man muss ich in jenem Land registrieren lassen. Ich werde mich dabei selbst wegen meines Mannes in Gefahr bringen. Sie sind dort nicht so freundlich, schon gar nicht mit einer Frau. Sie werden mich fragen, wo mein Mann ist und werden mich als Druckmittel nehmen. Ich wäre die Ehegattin eines „Verräters“, der seine Strafe bekommen muss.
RI: Was würde Sie in Armenien konkret erwarten?
P: Die Behörde glaubt, dass ich aus Armenien bin, das stimmt aber nicht, ich bin Syrerin. Ich war nur 20 Tage in Armenien um meinen Mann zu heiraten. Wir konnten nicht in Syrien heiraten. Sie sprechen in Armenien auch eine andere Sprache. Es gibt auch Syrer mit armenischer Abstammung, die sprechen aber anders.
RI: Eine Anfragebeantwortung eines armenischen Anwalts (dessen Qualifikationsprofil wird kurz erörtert), welche ihrem Vertreter zur Stellungnahme geschickt wurde ergab, dass sie –zumindest auch- armenischer Staatsbürger sind.
Sie sind im öffentlich zugänglichen armenischen Wählerregister eingetragen. Dort werden nur wahlberechtigte armenische Staatsbürger eingetragen. Ebenso scheinen Sie im zentralen armenischen Melderegister mit einer Adresse in Jerewan eingetragen auf. In Ihrer Heiratsurkunde ist neben der syrischen auch die armenische Staatsbürgerschaft vermerkt.
P: Was steht und was nicht, kann ich nicht sagen. Ich kann nur sagen, dass der Schlepper alles organisierte, inklusive dem Hause, wo wir wohnten, inklusive der Dokumente. Was er genau machte, kann ich nicht sagen, er wurde auch dafür bezahlt. Ich persönlich war nirgendwo. Ich verstehe deren Sprache nicht, die sprechen so wie Russisch. Ich verstehe das nicht. Ich war nie bei einer Behörde. Deshalb kann ich auf Ihren Vorhalt auch nicht antworten.
RI: Wollen Sie sich noch weitergehend zu den Rückkehrhindernissen nach Syrien oder Armenien äußern?
P: Ich wiederhole nochmals, dass wir mit Armenien nichts zu tun haben. Wir waren nur dort, um zu heiraten. In Syrien haben wir nichts, kein Haus kein Eigentum. Das Haus, das uns gehörte haben wir verkauft, um unsere Ausreise zu finanzieren. Es herrscht dort immer noch Krieg.
Fragen der RV:
RV: Haben sie Verwandte in Armenien?
P: Nein.
RV: Welche Medikamente nehmen Sie aktuell?
P legt vor: Sertralin 100 mg (nimmt sie ein Mal am Tag und Pregabalin Genericon (nimmt sie bei Bedarf, wenn sie sehr aufgeregt ist bis zu drei Mal am Tag)
RV: Gehen Sie regelmäßig zum Arzt?
P: Alle 2 Monate muss ich zur Ärztin gehen. Den letzten Termin habe ich am 21.11.2023. Es muss die Dosierung je nach meinem Zustand angepasst werden. Ich habe wieder im Jänner, glaublich am 16.1.2024. (RV legt Terminbestätigung vom 21.11.2023 vor).
RV gibt an, dass eine entsprechende Bestätigung anlässlich einer Stellungnahme vorgelegt werden kann.
RV verweist auf den anlässlich der Einbringung der Beschwerdeschrift eingebrachten Beweisantrag zur Einholung eines medizinischen SV-Gutachtens hinsichtlich der bP und bekräftigt diesen.
P gibt nochmals an, dass ihre Eltern von ihr und ihrem Gatten abhängig sind, weshalb sie schon deswegen nicht zurückkehren können.
Frage an Dolmetscherin: Würden Sie bestätigen, dass die P ausgezeichnet arabisch sprechen.
Dolmetscherin: Ja, sie sprechen arabisch mit syrischem Dialekt.
In Bezug auf die Fragestellung in Bezug auf den Reisepass des Ehegatten macht die bP ebenfalls von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch.
Verhandlung wird von 10.50 – 11.05 Uhr unterbrochen.
Weitere gemeinsame Befragung der P
RI: Der armenische Staat betreibt ein zentrales Melde- und ein zentrales, öffentlich einsehbares Wählerregister (www.elections.am ), in welches nur jene Einwohner Armeniens eingetragen werden, welche das Wahlrecht und die armenische Staatsbürgerschaft besitzen (vgl. hierzu auch ho. Erk. vom 29.10.2019 L515 2125043-1/68E; 24.6.2015, L515 3136238-3/11E ua.).
RV fragt, ob diese Liste öffentlich zugänglich ist, RI antwortet, dass diese nur in armenischer Sprache aufliegt.
Das ho. Gericht schließt aus der vorliegenden Quellenlage, dass Sie neben der syrischen jedenfalls auch die armenische Staatsbürgerschaft besitzen und Sie daher sowohl in Syrien als auch Armenien die Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes gegeben sein müssten.
Im Falle des Vorliegens einer Doppelstaatsbürgerschaft müssen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines international Schutzberechtigten auf alle Herkunftsstaaten vorliegen (vgl. hierzu etwa ho. Erk. L515 2114261-1/26E, L515 2114257-1/19E, L515 2114260-1/12E, L515 2114258-1/12E vom 5.2.2016 mwN).
P1: Ja, das ist korrekt, aber in Armenien kann man mit Geld alles bekommen. Wir haben für diesen Schlepper bezahlt, was er dann gemacht hat und wo er uns registrierte, kann ich nicht angeben. Wir waren auch in einem Haus, auch das hat der Schlepper organisiert. Wir waren nur wegen der Hochzeit dort. Ich konnte meine Frau in meinem Heimatland nicht heiraten.
P2: Ich schließe mich dem an.
RI: Ergänzend zu den seitens der bB genannten Quellen wird auf den seitens des armenischen Migrationsservices und IOM gemeinsam herausgegebenen „Guide for Reintegration of Returnees in Armenia“ (aufliegend in der englischen und armenischen Sprache) hingewiesen, woraus sich ergibt, dass Rückkehrer den vollen Zugang zum armenischen Sozialsystem, Arbeits- und Wohnungsmarkt haben und dass Rückkehrern entsprechende Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen angeboten werden. Besonders hingewiesen wird auch auf das Reintegrationsprogramm Frontex JRS, welches Ihnen offen steht und neben einem Post-Arrival-Paket (€ 615 + Begrüßung/Abholung am Flughafen und weiteren Sachleistungen, welche unmittelbar nach der Ankunft benötigt werden) und einem Reintegrationspaket (€ 2.000,--) offen steht. Die Anmeldefrist für das Post-Arrival-Paket beträgt 10 Tage, jene für das Reintegrationspaket 7 Tage vor der Ausreise. Die Anmeldung erfolgt über bmi-v-b-10reintegration@bmi.gv.at .
Die genannten Quellen wurden Ihnen bereits gemeinsam mit der Ladung zur Kenntnis gebracht.
Nach der zuletzt stattgefundenen Kapitulation der Streitkräfte von Arzach flohen mehr als 100.000 ethnische Armenier nach Armenien Die Ankommenden werden nach ihrer Einreise nach Armenien registriert. Bedürftige werden untergebracht und versorgt. Berichte über eine hierdurch ausgelöste allgemeine humanitäre Notlage in Armenien bestehen nicht.
(UNHCR: Mehr als 100.000 Menschen aus Berg-Karabach geflohen | DiePresse.com; 100.000 Flüchtlinge aus Berg-Karabach in Armenien | kurier.at .)
RV fragt nach ob es Rechercheergebnisse in Bezug auf die zur Verfügungstellung von Medikamenten in Bezug auf die bP gibt.
RI verweist auf die nachfolgenden Vorhalte.
In der Vergangenheit wurden mehrere Tausend ethnische Armenier aus Syrien in die armenische Gesellschaft integriert (vgl. ho. Erk. vom 5.2.2016, L515 2114261-1/26E ua mwN, sowie das in den angefochtenen Bescheiden genannte Quellenmaterial). Eine systematische Diskriminierung oder die Vorenthaltung der Bürgerrechte, soweit sie die armenische Staatsbürgerschaft annahmen, kann der Berichtslage nicht entnommen werden.
P1: Ich weiß nicht, ob das gefälscht ist oder nicht, das ist für mich und meine Frau ein fremdes Land. Ich war in Armenien um zu heiraten, ich kann mich in Syrien nicht ausweisen, oder zu einer Behörde zu gehen. Wir haben in Armenien niemanden. Wenn es der Schlepper tatsächlich machte, dass wir registriert wurden, war es nicht unser Ziel. Unser Ziel war nicht, dass wir dort bleiben. Wenn wir dort hinmüssen, würde sich herausstellen, dass das alles illegal war und wir würden verurteilt werden.
RV: Das Erkenntnis aus 2016 ist veraltet und nicht mehr aktuell. Das Gericht hätte die aktuelle Lage überprüfen müssen.
RI: Laut der Ihnen zur Kenntnis gebrachten Berichtslage sind psychische Erkrankungen in Armenien auf gutem Niveau behandelbar und werden diese gem. dem Regierungsdekret RA N1515-N vom 26.12.2013 über jene Behandlungen, welche unentgeltlich erfolgen idgF, unentgeltlich idR über die Polykliniken behandelt. Diesem Dekret entsprechend ist auch Notfallbehandlung, sowie die Behandlung bestimmten bedürftigen Personen unentgeltlich. Österreich ist auch in der Lage im Rahmen von Abschiebungen die entsprechenden medizinischen Begleitmaßnahmen zur Verfügung zu stellen.
P1: Ich bin nach Österreich als Syrer gekommen. Sie behandeln mich als Armenier. Ich bin Syrer.
P2 schließt sich P1 an.
RV verweist auf das LIB S 41, wonach zwar von kostenlosen Argumenten durch die Polykliniken gesprochen wird, es ist aber ungewiss, ob sich die Medikamente auf diesen Listen befinden. In Bezug auf die vom RI erwähnten Begleitmaßnahmen, welche diese auch sein mögen, sind im Rahmen der Abschiebung vermutlich zeitlich begrenzt. Und das LIB bezüglich der medizinischen Versorgung enthalten Informationen aus 2020 das Gericht hätte einen SV beauftragen und ein Gutachten in Bezug auf die Notwendigkeit der Behandlung der BF einbringen müssen, zumal dieser Beweisantrag mit der Beschwerde gestellt wurde.
In Bezug auf den Reisepass und die angeblichen Eintragungen in armenischen staatlichen Registern halte ich vor, dass diese angeblichen Eintragungen keinesfalls vorliegen und das Gericht den Anwalt keinesfalls beauftrage, wie der Anwalt auf der letzten Seite anbot, diese vorzulegen. Weiters verweise ich auf S 8 des gegenständlichen LIB, sodass ich die Aussagen der Beschwerdeführer mit der korrupten Vorgehensweise und Beeinflussung von diversen Verfahren deckt. RV verweist auf den vorletzten Absatz auf S 8 der LIB. Daher wird das Gericht ersucht, weitere Ermittlungsarbeiten hinsichtlich der Staatsbürgerschaft und der medikamentösen Behandlung der BF2 im Falle einer Rückkehr genau zu überprüfen und das Abhängigkeitsverhältnis zwischen den P und den Eltern der P2 näher zu betrachten, zumal dieser gleichzeitig und fristgerecht mit der Beschwerde gestellt wurde.
RI: XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX sind als Asylwerber bei der ÖGK versichert und Sie erbringen keine Pflege- bzw. Unterstützungs-leistung, welche nicht auch das österreichische Gesundheits- und Pflegesystem erbringen kann.
Deren Asylverfahren wurde vorübergehend bis zur Frage, ob Herr XXXX eines Erwachsenenvertreters bedarf, ausgesetzt
P1: Was Sie sagen ist korrekt, aber es gibt eine große Lücke, aber beide können weder englisch noch deutsch und weiters sind sie zu fremden Personen nicht offen. Sie sind gegenüber fremden Personen zurückhaltend und ängstlich. Für psychisch kranke Personen ist es sogar schwierig, dem eigenen Arzt zu trauen. Stellen sie sich vor, wie es ist, wenn immer ein Fremder vor ihm steht.
P2: Als Tochter ist für mich das mindeste, dass ich mich um sie kümmere. Sie haben mich großgezogen und ich kann sie nicht in fremde Hände geben.
P1 und P2: Wir wollen nicht auf Kosten des Staates leben. Wir wollen hier arbeiten und für uns selbst sorgen. Wir sind eine Familie und wir halten zusammen.
P2: Meine Eltern hängen sehr an mir, besonders mein Vater. Aus diesem Grund sind sie auch mit mir eingereist, damit sie bei mir bleiben. Mein Vater vertraut mir voll und ganz. Vor allem dann, wenn man psychisch krank ist, ist es sehr wichtig dann jemand mit ihm umgeht, dem man vertrauen kann.
Fragen der RV:
Keine Fragen.
RI teilt der RV mit, dass dem Antrag, spontan Akteneinsicht nehmen zu können nicht entsprochen wird, da es zur Vornahme einer Akteneinsicht einer entsprechenden Vorbereitungszeit bedarf und verweist auch auf die einschlägigen Bestimmungen des BVwG.
Zum Protokollteil „Da keine Einwendungen vorliegen, werden die für das Ermittlungsverfahren wesentlichen Aktenteile erörtert, soweit eine Verlesung von Aktenstücken gem. § 25 Abs. 6a VwGVG nicht unterbleiben kann2, gibt RV an, dass den einschlägigen Bestimmungen des AVG, BVwG nicht entsprochen wurde, da ihr in den bestimmten Aktenbestandteilen, nämlich dem Anwaltschreiben aus Armenien mit möglichen Ergebnissen, Auszügen aus Registern vorliegt oder nicht, nicht gewährt wurde, diese Passage mit den Aktenbestandteilen am Anfang nicht gegenüber den Beschwerdeführern aber auch nicht gegenüber der RV kundegemacht würde. RV und BF haben auf die Verlesung der Aktenbestandteile nicht verzichtet.
Auf die Vorlage der ärztlichen Terminbestätigung für den Jänner wird verzichtet, weil dieses Beweisthema als wahr unterstellt wird.
Weiters teilt der RI der RV mit, dass eine weitere Frist zur Abgabe einer Stellungnahme nicht eingeräumt wird, zumal die Vertretung bereits in der Vergangenheit hierzu entsprechende Gelegenheiten hatte und in der heutigen Verhandlung kein neues Beweismittel erörtert wurde, welches der RV nicht bereits in der Vergangenheit zur Kenntnis gebracht wurde und sie ausreichend die Gelegenheit hatte, innerhalb einer angemessenen Zeit hierzu Stellung zu nehmen. Sie wird daher aufgefordert, sich bereits in der Verhandlung zu äußern.
RI fragt die P, ob sie noch etwas Ergänzendes vorbringen wollen.
P1 und P2: Wir bitten die österreichischen Behörden, dass bei der Entscheidung wir als Syrer und nicht als Armenier behandelt werden. Der armenische Reisepass wurde nur aus einem Zweck ausgestellt, dass wir damals heiraten konnten. Das war nicht gratis und wir haben dafür Geld bezahlt. Für Geld bekommt man in Armenien alles sogar wie im Original.
P2: Was mein Ehemann und mein Vater Schaden erlitten haben, nicht von Armenien, sondern von Syrien von ihrem Heimatland.
RI fragt die P, ob sie die Dolmetscherin gut verstanden haben; dies wird bejaht.
Die Niederschrift wird
☒ zur Durchsicht vorgelegt der RV
☒ Gegen die Niederschrift werden keine Einwendungen wegen behaupteter Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit erhoben.
RI: Wurde das rückübersetzt was Sie vorher angaben oder wollen Sie weitere Korrekturen anbringen?
P: Es wurde korrekt rückübersetzt.
RI: Wollen sie sich zu den Angaben der jeweils anderen P äußern?
P: keine Äußerung
RI: Soweit die belangte Behörde an der Verhandlung nicht teilnahm, ist darauf zu verweisen dass sich unentschuldigt bzw. freiwillig Ferngebliebene die Möglichkeit des Gehörs selbst nehmen und ihnen keine Gelegenheit einzuräumen ist, diese nicht genutzte Möglichkeit nachzuholen (vgl. dazu auch VwGH 21.01.2004, 2001/09/0228 sowie VwGH 03.09.2002, 2001/03/0412; Hengstschläger/Leeb, AVG, § 40 Rz 2 mwN ) und ist das ho. Gericht nicht gehalten, der bB als Verfahrenspartei nach der Verhandlung die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zum Verhandlungsergebnis einzuräumen (VwGH 13.12.2000, 2000/03/0212; zu den Folgen der Passivität der Behörde siehe auch EGMR vom 14.6.2017, C-685 EU:C:2017:452)
Der RI fasst den verfahrensleitenden Beschluss, dass dem erörterten Beweisantrag in Bezug auf weitere Ermittlungen hinsichtlich den Gesundheitszustand der P2 nicht entsprochen wird, da aufgrund der die P2 betreffende Befundlage iVm der Berichtslage zur Behandelbarkeit der genannten Erkrankungen in Armenien kein weiteres relevantes Beweisthema vorliegt, welches einer weitergehenden Klärung bedürfte. Soweit die RV die Aktualität der Quellen im genannten Umfang anzweifelt ist festzuhalten, dass keine Hinweise existieren, dass sich seither das armenische Gesundheitssystem in relevanter Weise verschlechtert hätte.
Schluss des Beweisverfahrens gem. § 39 Abs. 3 AVG per verfahrensleitenden Beschluss. Dieser wird vom RI verkündet.
…“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt)
II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien
Bei den bP handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche ursprünglich aus Syrien stammten und vor ihrer Einreise nach Österreich in Armenien lebten. Die bP sind in Jerewan melderechtlich (die bP1 seit 2018 und die bP2 seit 2021) registriert.
Die bP sind in das armenische Wählerregister eingetragen. Die bP1 ist in Armenien als Unternehmer registriert.
Sowohl die bP1 als auch die bP2 sind in der Lage, sich in der armenischen Sprache zu artikulieren. Das Gericht schließt nicht aus, dass in Armenien ein anderer Dialekt als in Syrien gesprochen wird, es geht aber davon aus, dass dennoch eine ausreichende Verständigung in Armenien möglich ist.
Alle bP besitzen neben der syrischen auch die armenische Staatsbürgerschaft.
Bei den volljährigen bP1 und bP2 handelt es sich um mobile, junge, nicht invalide, arbeits- und anpassungsfähige Menschen. Die bP lebten zuletzt in einem Staat, auf dessen Territorium die Grundversorgung der Bevölkerung gewährleistet ist.
Die bP1 sei grundsätzlich gesund, es befinden sich jedoch aufgrund eines Kriegsvorfalls Metallsplitter in seinem Kopf, welche sie sichtlich nicht hindern, ein normales Leben zu führen.
Die bP2 leide an Angst- und Panikattacken, sowie an PTSD.
Die von den bP genannten Erkrankungen sind, soweit eine Behandlung erforderlich ist, in Armenien behandelbar und haben sie auch Zugang zum armenischen Gesundheitssystem. Notfallbehandlungen, die Behandlung bestimmter bedürftiger Personen, sowie die Behandlung psychischer Erkrankungen erfolgt unentgeltlich (vgl. das in der Verhandlung erörterte Dekret RA N1515-N vom 26.12.2013).
Aufgrund ihres Alters ist die bP1 nicht verpflichtet, in Armenien Wehrdienst zu leisten. Ungeachtet dessen bestünde die Möglichkeit, Zivildienst zu leisten.
Die bP haben in Armenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aufgrund ihrer Abstammung aus Syrien mit keinen relevanten Repressalien zu rechnen.
Die volljährigen bP haben Zugang zum armenischen Arbeitsmarkt und es steht ihnen frei, eine Beschäftigung bzw. zumindest Gelegenheitsarbeiten anzunehmen.
Ebenso haben die bP Zugang zum –wenn auch minder leistungsfähige als das österreichische- Sozialsystem ihres Herkunftsstaates und könnten dieses in Anspruch zu nehmen.
Darüber hinaus ist es den bP unbenommen, Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im Falle der Bedürftigkeit an eine im Herkunftsstaat karitativ tätige Organisation zu wenden und wird auf die Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Rückkehrer vor Ort verwiesen.
Die bP verfügen im Rahmen einer Gesamtschau über eine wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich gesicherten Existenzgrundlage. Aufgrund der oa. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.
Die bP halten sich etwas weniger als 1 Jahr im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und konnten ihren Aufenthalt lediglich durch die Stellung eines unbegründeten Antrags auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Hätten sie diesen unbegründeten Asylantrag nicht gestellt, wären sie rechtswidrig im Bundesgebiet aufhältig und ist im Lichte dieses Umstandes davon auszugehen, dass der rechtswidrige Aufenthalt bereits durch entsprechende aufenthaltsbeendende Maßnahmen in der Vergangenheit beendet worden wäre und sie sich nicht mehr im Bundesgebiet aufhalten würden.
Die bP haben in Österreich über die Eltern der bP2 hinausgehend keine weiteren Verwandten und leben auch sonst mit keiner sonstigen nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur aus den bP und den Eltern der bP2 bestehenden Familie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich seit ihrer Einreise und anschließenden Antragstellung im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung.
Der Vater der bP2 ist psychisch beeinträchtigt und bedarf insbesondere aufgrund ihrer wohl anzunehmenden Orientierungslosigkeit einer weitereichenden Beaufsichtigung. Dass sich die bP nicht selbstständig bewegen bzw. gehen kann und hier einer Unterstützung bedürfte, welche erheblicher Körperkraft bedürfte, kann nicht festgestellt werden. Zwischen den bP2 und den Eltern der bP2 besteht kein qualifiziertes Abhängigkeitsverhältnis in der Form, dass die bP gegenüber den Eltern der bP2 keine Pflege- und Unterstützungsleistungen erbringen, welche nicht auch das ihnen zugängliche österreichische Gesundheits- und Pflegesystem erbringen kann. Insbesondere sind die bP aufgrund ihrer geringen Deutschkenntnisse nicht in der Lage, als Sprachmittler zwischen den Eltern der bP und deutschsprachigen Dritten zu agieren.
Die volljährigen bP sind nicht selbsterhaltungsfähig bzw. haben sichtlich keine legalen, ernsthaften und tauglichen Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit in jenen Gebieten des österreichischen Arbeitsmarktes unternommen, die auch Asylwerbern zugänglich sind (vgl. https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern ).
Die bP waren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen. Zu den aktuellen Deutschkenntnissen ist anzuführen, dass sich diese als äußerst rudimentär vorhanden darstellen. Eine Kommunikation in der deutschen Sprache ist selbst auf einfachstem Niveau nicht möglich.
Die bP sind strafrechtlich unbescholten.
Die Identität der bP steht fest.
II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat im Herkunftsstaat Armenien
II.1.2.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien geht das ho. Gericht in Übereinstimmung mit der bB auf Basis des den bP zur Kenntnis gebrachten Quellenlage davon aus, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat gewillt und befähigt ist, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso ist in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die bP ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden. Es bestehen Rückkehrern zugängliche Beratungs- und Unterstützungsprogramme, welche auch ihre zumindest kurzfristige Unterbringung mitumfasst.
Männliche Staatsbürger unterliegen zwischen dem 18. Und 27. Lebensjahr der allgemeinen Wehrpflicht. Von systematischen Menschenrechtsverletzungen im Rahmen der Ableistung des Wehrdienstes kann nicht ausgegangen werden. Die Ableistung von Zivildienst ist möglich.
Ergänzend zu den seitens der bB genannten Quellen wird auf den seitens des armenischen Migrationsservices und IOM gemeinsam herausgegebenen „Guide for Reintegration of Returnees in Armenia“ hingewiesen, woraus sich ergibt, dass Rückkehrer den vollen Zugang zum armenischen Sozialwesen, sowie zum Arbeits- und Wohnungsmarkt genießen, sowie Beratungs- und Unterstützungsleistungen für Rückkehrer bestehen. Besonders hingewiesen wird auch auf das Reintegrationsprogramm Frontex JRS, welches Ihnen offen steht und neben einem Post-Arrival-Paket (€ 615 + Begrüßung/Abholung am Flughafen und weiteren Sachleistungen, welche unmittelbar nach der Ankunft benötigt werden) und einem Reintegrationspaket (€ 2.000,--) offen steht. Die Anmeldefrist für das Post-Arrival-Paket beträgt 10 Tage, jene für das Reintegrationspaket 7 Tage vor der Ausreise. Die Anmeldung erfolgt über bmi-v-b-10reintegration@bmi.gv.at .
Die genannten Quellen wurden den bP bereits gemeinsam mit der Ladung zur Kenntnis gebracht.
Nach der zuletzt stattgefundenen Kapitulation der Streitkräfte von Arzach flohen mehr als 100.000 ethnsiche Armenier nach Armenien. UNHCR: Mehr als 100.000 Menschen aus Berg-Karabach geflohen | DiePresse.com Die Ankommenden werden nach ihrer Einreise nach Armenien registriert. Bedürftige werden untergebracht und versorgt. Berichte über eine allgemeine humanitäre Notlage bestehen nicht (100.000 Flüchtlinge aus Berg-Karabach in Armenien | kurier.at.
In der Vergangenheit wurden mehrere Tausend ethnische Armenier aus Syrien in die armenische Gesellschaft integriert (vgl. ho. Erk. vom 5.2.2016, L515 2114261-1/26E ua mwN, sowie das in den angefochtenen Bescheiden genannte Quellenmaterial). Eine systematische Diskriminierung oder die Vorenthaltung der Bürgerrechte, soweit sie die armenische Staatsbürgerschaft annahmen, kann der Berichtslage nichts entnommen werden. Aus Syrien stammenden armenischen Staatsbürgern kommen sämtliche Rechte armenischer Staatsbürger zu.
Bei der Republik Armenien handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG. Es gilt somit der Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit.
II.1.2.4. Das ho. Gericht hält weiters konkretisierend folgende Umstände fest:
In Armenien ist ein breites Warenangebot in- und ausländischer Herkunft vorhanden. Auch umfangreiche ausländische Hilfsprogramme tragen zur Verbesserung der Lebenssituation von benachteiligten Gruppen bei. Ein beachtlicher Teil der Bevölkerung ist nach wie vor finanziell nicht in der Lage, seine Versorgung mit den zum Leben notwendigen Gütern ohne Unterstützung durch humanitäre Organisationen sicherzustellen. Nach Schätzungen der Weltbank für 2020 leben 27 % der Armenier unterhalb der Armutsgrenze. Ein Großteil der Bevölkerung wird finanziell und durch Warensendungen von Verwandten im Ausland unterstützt. Das die Armutsgrenze bestimmende Existenzminimum beträgt in Armenien ca. AMD 60.000 [ca EUR 146] im Monat, der offizielle Mindestlohn AMD 55.000. Das durchschnittliche Familieneinkommen ist mangels zuverlässiger Daten schwer einzuschätzen. Der Großteil der Armenier geht mehreren Erwerbstätigkeiten und darüber hinaus privaten Geschäften und Gelegenheitstätigkeiten nach (AA 25.7.2022).
Für das Jahr 2022 wird die Arbeitslosenquote in Armenien auf rund 19,5 % prognostiziert (statista 5.5.2022). Man geht jedoch von einer verdeckten Arbeitslosigkeit von bis zu 40 % aus (WKO 1.2022). Im Jahr 2021 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate auf rund 7,2 % gegenüber dem Vorjahr. Für das Jahr 2022 wird die Inflationsrate Armeniens auf rund 7,6 % gegenüber dem Vorjahr prognostiziert (statista 4.5.2022)
Rohstoffgewinnung und deren Verarbeitung dominieren die armenische Industrie. Armenien hat über 480 bekannte Vorkommen mineralischer Rohstoffe und es gibt bedeutende Reserven von Metallen. Auch der Landwirtschaftssektor spielt eine wichtige Rolle. Das Wirtschaftswachstum konzentrierte sich bislang primär auf die Hauptstadt Jerewan. Das Entwicklungsgefälle zwischen der Hauptstadt und den übrigen Regionen des Landes bleibt groß. Die ländlichen Regionen haben eine hohe Unterbeschäftigung und niedriges Einkommen (WKO 1.2022).
Die durch den Krieg ausgelöste massive Migration von Russen nach Armenien förderte die Wirtschaftsleistung, trug aber auch zu einem Anstieg der Mietpreise und der Lebenshaltungskosten im Allgemeinen bei (AI 27.3.2023).
Das Gesetz verbietet und kriminalisiert alle Formen von Zwangs- und Pflichtarbeit. Am 5. Oktober nahm die Regierung eine Definition von Zwangs- und Pflichtarbeit in das Arbeitsgesetzbuch auf. Die Strafverfolgung war nicht proaktiv und stützte sich weitgehend auf die Selbstauskunft der Opfer (USDOS 20.3.2023).
Das Gesetz sieht eine 40-Stunden-Woche, 20 Tage bezahlten Jahresurlaub und einen Ausgleich für Überstunden und Nachtarbeit vor (USDOS 20.3.2023).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (25.7.2022): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: 5.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2076734/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien_%28Stand_Mai_2022%29%2C_25.07.2022.pdf , Zugriff 5.8.2022
AI - Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Armenia 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089419.html , Zugriff 3.4.2023
statista (5.5.2022): Armenien, Arbeitslosenquote in Armenien bis 2027, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/409122/umfrage/arbeitslosenquote-in-armenien/ , Zugriff 18.8.2022
statista (4.5.2022): Armenien, Inflationsrate in Armenien bis 2027, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/409153/umfrage/inflationsrate-in-armenien/ , Zugriff 18.8.2022
USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Armenia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089129.html , Zugriff 3.4.2023
WKO – Wirtschaftskammer Österreich (1.2022): Wirtschaftsbericht Armenien, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/armenien-wirtschaftsbericht.pdf , Zugriff 18.8.2022
Das Ministerium für Arbeit und soziale Angelegenheiten verwaltet das Sozialschutzsystem in Armenien. Zu den wichtigsten Arten staatlicher Sozialleistungen in Armenien gehören: Familienbeihilfe, Sozialleistungen, dringende Unterstützungen, pauschales Kindergeld, Kinderbetreuungsgeld bis zum Alter von zwei Jahren, Leistungen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit, Mutterschaftsgeld, Altersbeihilfe, Invaliditätsleistungen, Leistungen bei Verlust der geldverdienenden Person, Bestattungsgeld (IOM 2020).
Personen, die das 63. Lebensjahr vollendet und mindestens 10 Jahre Berufserfahrung haben, haben Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente. Personen, die keinen Anspruch auf eine arbeitsbedingte Rente haben, haben mit 65 Jahren Anspruch auf eine altersbedingte Rente. In Armenien gibt es zwei Kategorien von Renten: Arbeitsrenten umfassen Altersrenten, privilegierte Renten, Renten für langjährige Betriebszugehörigkeit, Invalidenrenten und Hinterbliebenenrenten. Militärrenten umfassen Renten für Langzeitdienstleistern, Invaliditätsrenten und Hinterbliebenenrenten (IOM 2020).
Der Pensionsanspruch gilt grundsätzlich ab einem Alter von 63 mit mindestens 25 Jahren abgeschlossener Beschäftigung; eine verringerte Pension steht nach mindestens zehnjähriger Anstellung, jedoch erst ab 65 zu. Bei Invalidität im Rahmen der Sozialversicherung sind zwischen zwei und zehn Jahre Anstellung Grundvoraussetzung, abhängig vom Alter des Versicherten beim Auftreten der Invalidität. Die Invaliditätspension hängt vom Grade der Invalidität ab. Unterhalb der erforderlichen Zeiten für eine Invaliditätspension besteht die Möglichkeit einer Sozialrente für Invalide in Form einer Sozialhilfe. Zur Pensionsberechnung werden die Studienjahre, die Wehrdienstzeit, die Zeit der Kinderbetreuung und die Arbeitslosenzeiten herangezogen. Die Alterspension im Rahmen der Sozialversicherung beträgt 100 % der Basispension von AMD 16.000 monatlich zuzüglich eines variablen Bonus. Die Bonuspension macht AMD 500 monatlich für jedes Kalenderjahr ab dem elften Beschäftigungsjahr multipliziert mit einem personenspezifischen Koeffizienten, basierend auf der Länge der Dienstzeit (USSSA 3.2019).
Das Ministerium für Arbeit und Soziales (MLSA) implementiert Programme zur Unterstützung von schutzbedürftigen Personen: Behinderte, ältere Personen, RentnerInnen, Waisen, Opfer von Menschenhandel, Frauen und Kinder. Der Zugang zu diesen Leistungen erfolgt über die 51 Büros des staatlichen Sozialversicherungsservice (IOM 2020).
Die staatliche Arbeitsagentur bietet im Rahmen der Arbeitslosenunterstützung folgende Dienstleistungen an: Beratung und Information über die von der Agentur angebotenen Dienstleistungen, Beratung zur beruflichen Orientierung, Antrag auf freie Mitarbeit, Teilnahme an staatlichen Beschäftigungsprogrammen und -veranstaltungen, Berufsausbildung und Umschulung (IOM 2020).
2015 wurde die Arbeitslosenunterstützung zugunsten einer Einstellungsförderung eingestellt. Zu dieser Förderung gehört auch die monetäre Unterstützung für Personen die am regulären Arbeitsmarkt nicht wettbewerbsfähig sind. Das Arbeitsgesetz von 2004 sieht ein Abfertigungssystem seitens der Arbeitgeber vor. Bei Betriebsauflösung oder Stellenabbau beträgt die Abfertigung ein durchschnittliches Monatssalär, bei anderen Gründen hängt die Entschädigung von der Dienstzeit ab, jedoch maximal 44 Tage im Falle von 15 Anstellungsjahren (USSSA 3.2019).
Quellen:
IOM – Internationale Organisation für Migration (2020): Länderinformationsblatt Armenien 2020, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2020_Armenia_DE.pdf , Zugriff 8.8.2022
USSSA – U.S. Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018 – Armenia, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/asia/armenia.pdf , Zugriff 8.8.2022
Die medizinische Grundversorgung ist flächendeckend gewährleistet. Das Gesundheits-system besteht aus einer staatlich garantierten und kostenlosen Absicherung sowie einer individuellen und freiwilligen Krankenversicherung. Jeder Mensch in der Republik Armenien hat Anspruch auf medizinische Hilfe und Dienstleistungen, unabhängig von Nationalität, Herkunft, Geschlecht, Sprache, Religion, Alter, politischen und sonstigen Überzeugungen, sozialer Herkunft, Eigentum oder sonstigem Status (IOM 2020). Die primäre medizinische Versorgung wird in der Regel entweder durch regionale Polikliniken oder ländliche Behandlungszentren erbracht. Die sekundäre medizinische Versorgung wird von 37 regionalen Krankenhäusern und einigen der größeren Polikliniken mit speziellen ambulanten Diensten übernommen, während die tertiäre medizinische Versorgung größtenteils den staatlichen Krankenhäusern und einzelnen Spezialeinrichtungen in Jerewan vorbehalten ist (AA 25.7.2022).
Die primäre medizinische Versorgung ist grundsätzlich kostenfrei. Kostenlose medizinische Versorgung gilt nur noch eingeschränkt für die sekundäre und die tertiäre Ebene. Das Fehlen einer staatlichen Krankenversicherung erschwert den Zugang zur medizinischen Versorgung insoweit, als für einen großen Teil der Bevölkerung die Finanzierung der kostenpflichtigen ärztlichen Behandlung extrem schwierig geworden ist. Viele Menschen sind nicht in der Lage, die Gesundheitsdienste aus eigener Tasche zu bezahlen. Der Abschluss einer privaten Krankenversicherung übersteigt die finanziellen Möglichkeiten der meisten Familien bei Weitem (AA 25.7.2022).
Armeniens Gesundheitssystem ist durch den Staat stark unterfinanziert; weniger als 1,6 % des BIP werden für Gesundheitsausgaben aufgewendet (einer der niedrigsten Werte weltweit) und mehr als 50 % aller Gesundheitsausgaben entfallen auf Direktzahlungen von Patienten (einer der höchsten Werte weltweit). Dies führt zu erheblichen Problemen beim Zugang, der Steuerung und der Qualität der Versorgung (EVN 22.3.2020). Die COVID-19-Pandemie im ersten Halbjahr 2020 hat das Gesundheitssystem noch weiter unter Druck gesetzt (ChH 4.6.2020). Das Gesundheitssystem leidet nicht unter einem Ärztemangel. Es besteht jedoch ein ernstes Missverhältnis zwischen ländlichen Gebieten und der Hauptstadt: Eriwan weist im Vergleich zum Rest des Landes eine übermäßige Konzentration von Ärzten auf. Im internationalen Vergleich gibt es in Armenien eine große Zahl von Fachärzten im Vergleich zu Allgemeinmedizinern (EVN 22.3.2020).
Informationen über soziale Bevölkerungsgruppen, die berechtigt sind, kostenlose Medikamente durch lokale Polikliniken zu erhalten, sind verfügbar unter: www.moh.am (IOM 2020).
Die Einfuhr von Medikamenten zum persönlichen Gebrauch ist auf 10 Arzneimittel, je 3 Packungen, beschränkt (IOM 2020).
Ein Grundproblem der staatlichen medizinischen Fürsorge ist die schlechte Bezahlung des medizinischen Personals (für einen allgemein praktizierenden Arzt ca. EUR 250/Monat). Hochqualifizierte und motivierte Mediziner wandern in den privatärztlichen Bereich ab, wo Arbeitsbedingungen und Gehälter deutlich besser sind. Der Ausbildungsstand des medizinischen Personals ist zufriedenstellend. Die Ausstattung der staatlichen medizinischen Einrichtungen mit technischem Gerät ist dagegen teilweise mangelhaft. In einzelnen klinischen Einrichtungen – meist Privatkliniken – stehen hingegen moderne Untersuchungsmethoden wie Ultraschall, Mammografie sowie Computer- und Kernspintomografie zur Verfügung (AA 25.7.2022).
Die größeren Krankenhäuser in Eriwan sowie einige Krankenhäuser in den Regionen verfügen über psychiatrische Abteilungen und Fachpersonal. Die technischen Unter-suchungsmöglichkeiten haben sich durch neue Geräte verbessert. Die Behandlung von posttraumatischem Belastungssyndrom (PTBS) und Depressionen ist auf gutem Standard gewährleistet und erfolgt kostenlos. Die Anzahl der kostenlosen Behandlungsplätze für Dialyse ist begrenzt, aber gegen Bezahlung von ca. USD 100 jederzeit möglich. Selbst Inhaber kostenloser Behandlungsplätze müssen aber noch in geringem Umfang zuzahlen. Derzeit ist die Dialysebehandlung in fünf Krankenhäusern in Eriwan möglich, auch in den Städten Armavir, Gjumri, Kapan, Noyemberyan und Vanadsor sind die Krankenhäuser entsprechend ausgestattet (AA 25.7.2022).
Problematisch ist die Verfügbarkeit von Medikamenten, da nicht immer alle Präparate vorhanden sind. Nach dem Regierungsbeschluss vom 23.11.2006 ist die Ausgabe von Medikamenten in Polikliniken kostenlos bei bestimmten Krankheiten und für Menschen, die in die Kategorie 1 besonders schutzbedürftiger Personen fallen. Hierzu gehören insbesondere Kinder und Menschen mit mittlerer bis schwerer Behinderung. Patienten der Kategorie 2 müssen 50 %, Patienten der Kategorie 3 müssen 70 % ihrer Medikamen-tenkosten selbst tragen (AA 25.7.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (25.7.2022): Bericht über die asyl-und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien (Stand: 5.2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2076734/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Armenien_%28Stand_Mai_2022%29%2C_25.07.2022.pdf , Zugriff 8.8.2022
ChH – Chatham House (4.6.2020): South Caucasus States Set to Diverge Further due to COVID-19, https://www.chathamhouse.org/expert/comment/south-caucasus-states-set-diverge-further-due-covid-19 , Zugriff 5.6.2020
EVN Report / Shant Shekherdimian, Nerses Kopalyan (22.3.2020): Armenia Combats the Coronavirus: State Capacity and the Diaspora, https://www.evnreport.com/readers-forum/armenia-combats-the-coronavirus-state-capacity-and-the-diaspora , Zugriff 24.4.2020
IOM – International Organization for Migration (2020): Länderinformationsblatt Armenien 2020, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2020_Armenia_DE.pdf , Zugriff 8.8.2022
Kriegerische Auseinandersetzungen im armenischen Kernland bestehen nicht und kann auch nicht festgestellt werden, dass diese mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bevorstehen würden.
II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem bzw. Rückkehrhindernisse in den Herkunftsstaat
Die bP waren in Armenien keinen Gefährdungen ausgesetzt und sind diesen auch im Falle einer Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefahr ausgesetzt.
Die bP finden im Falle einer Rückkehr in die Republik Armenien eine ausreichende Existenzgrundlage vor und es ist ihnen auch möglich und zumutbar, sich in die armenische Gesellschaft zu integrieren.
Die bP leiden an keiner Krankheit, die in Armenien nicht behandelbar wäre und steht den bP im Falle einer Rückkehr nach Armenien bei Bedarf das armenische Gesundheitssystem offen.
2. Beweiswürdigung
II.2.1. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten, maßgeblichen Sachverhalt (§37 AVG) –dessen Grenzen sich im antragsbedürftigen Verfahren im Wesentlichen aus der Begründung des Antrages und dem Gericht notorisch Bekannter Umstände ergeben- ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.
II.2.2. Die personenbezogenen Feststellungen hinsichtlich der bP ergeben sich aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen, den seitens der bP vorgelegten Bescheinigungsmitteln und dem Ermittlungsergebnis des Vertrauensanwaltes.
In Bezug auf die syrische Staatsbürgerschaft geht das ho. Gericht aufgrund der Sprach- und Ortskenntnisse, sowie den Angaben hierzu davon aus, dass die bP diese besitzen.
In Bezug auf die armenische Staatsbürgerschaft geht das ho. Gericht aufgrund der dem ho. Gericht zugänglichen Unterlagen, sowie des Ermittlungsergebnisses des Vertrauensanwaltes davon aus, dass die bP diese besitzen. Soweit dies seitens der bP bestritten wird, geht das ho. Gericht davon aus, dass sich dieses Bestreiten als zu wenig konkret und substantiiert darstellt, um beim ho. Gericht Zweifel am Inhalt der sonstigen genannten Quellen hervorzurufen. Insbesondere erscheint es aus der Sicht des ho. Gerichts lebensfremd, dass die bP einen Schlepper damit beauftragen, (aus dem Kontext sich ergebende vermeintlich gefälschte) russische Pässe zu besorgen, dieser jedoch abtredewidrig armenische Pässe besorgt und darüber hinausgehend zusätzlich die Eintragung der bP in die bereits genannten armenischen Register veranlasst.
Soweit das ho. Gericht seine Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens auf die Ausführungen genannten Vertrauensanwaltes stützt geht das ho. Gericht davon aus, dass den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Vertrauensanwaltes eine gewichtige Beweiskraft zukommt.
Obgleich es sich beim Rechercheergebnis und den entsprechenden Ausführungen nicht um ein Gutachten im eigentlichen Sinne handelt, sondern es sich um eine Erkenntnisquelle sui generis handelt, welche der freien Beweiswürdigung unterliegt, wird ihm dennoch aufgrund der nachfolgenden Ausführungen gewichtige Beweiskraft zugemessen. Einerseits ergibt sich aus dem Qualifikationsprofil des Anwalts, dass es sich hierbei um eine Person mir hoher fachlicher Reputation handelt, welche in einem Aufgabenfeld tätig ist und war, das eine hohe Fähigkeit zu analytischem Denken und Handeln voraussetzt, sowie die Fähigkeit besitzt verschiedene, auch sich widersprechende Informationen auszuwerten und hieraus Schlüsse zu ziehen, sowie verlässliche Personen und Quellen zur Informationsbeschaffung heranzuziehen.
Ebenso steht der Anwalt sichtlich weder in einer qualifiziert engen Verbindung, noch in einer Gegnerschaft zum armenischen Staat, sondern steht er diesem neutral gegenüber. Dem Anwalt war auch kein persönliches Interesse betreffend eines etwaigen Verfahrens-ausganges zu unterstellen und zeigten die Beschwerdeführer Gegenteiliges nicht auf. Auch ist dem erkennenden Gericht kein Fall bekannt, in dem sich eine ho. in Auftrag gegebene Recherche oder Einschätzung im Nachhinein als nicht den Tatsachen entsprechend herausgestellt hätte und erstattete die bP kein konkretes Vorbringen, welche Zweifel an der fachlichen Qualifikation des Sachverständigen im beschriebenen Umfang hervorkommen ließen.
Der im Verfahren herangezogene Rechtsanwalt wurde auch dem erkennenden Gericht von der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Jerewan, empfohlen und wird auch von der genannten Vertretungsbehörde, welche vor Ort tätig ist und sich so über die Arbeit des Anwaltes vor Ort ein unmittelbares Bild machen kann, zu deren Zufriedenheit herangezogen.
Beim Rechtsanwalt handelt es sich um einen gebürtigen Armenier.
Der Anwalt ist nach wie vor in Armenien ansässig und spricht sein Beruf ebenfalls für die Annahme, dass er mit der allgemeinen Lage im Land und der Beweiskraft aus Armenien stammender Quellen vertraut ist.
Der Anwalt hat kein Interesse am Ausgang des Asylverfahrens, ganz egal in welche Richtung auch immer. Gegenteiliges ist von Asylwerbern zu behaupten, welche ein vitales Interesse am Verfahrensausgang in ihrem Sinne haben.
Ebenso konnte sich der entscheidende Richter anlässlich zweier Aufenthalte des genannten Anwaltes in Österreich von seiner hohen fachlichen Reputation überzeugen und wird diese seitens des ho. Gerichts laufend evaluiert.
Aufgrund der oa. Ausführungen geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Anwalt befähigt ist, seine fallbezogenen Aussagen auf verlässliche Quellen zu stützen (er teilte in der Anfragebeantwortung nichts über eine allfällige Zweifelhaftigkeit der von ihm herangezogenen Quellen mit), sowie hieraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und wird das Rechercheergebnis deshalb nicht angezweifelt.
Das ho. Gericht verkennt zwar nicht, dass es zur Erschütterung des Beweiswertes des Rechercheergebnisses nicht erforderlich ist, diesem auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten (VwGH 12.10.2021 Ra 2021/14/0295-9, Ra 2021/14/0308 bis 0311-8 mwN), was die bP jedoch nicht von ihrer Obliegenheit befreit, dem Ermittlungsergebnis konkret und substantiiert entgegenzutreten. Dieser Obliegenheit wurde durch ein bloßes Anzweifeln bzw. Bestreiten nicht entsprochen.
Wenn die rechtsfreundliche Vertretung der bP die fehlende Nachvollziehbarkeit der Ausführungen nennt, geht dieser Einwand seitens des ho. Gerichts in Leere, zumal der bP die Primärquelle, nämlich der Vertrauensanwalt, sowie das Qualifikationsprofil dieses Anwalts, dessen Recherchemethode und jene Quellen benannt wurden, auf welche sich der Anwalt bezog. Auch der Einwand, es bestünden Diskrepanzen zwischen den Angaben des Vertrauensanwaltes und der bP1 zu ihrer Identität und den Eintragungen in jenem Reisepass, welche die bP am 25.10.2023 den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorwies, ist festzuhalten, dass die Recherchen auf jenen Dokumenten basierten, welche die bP im Asylverfahren vorlegten und deren Echtheit und Authentizität weder von den bP noch von der bB und soweit es sich um armenische Dokumente handelt auch nicht vom Vertrauensanwalt bestritten wurden. So legten die bP etwa von sich aus eine nicht als Fälschung qualifizierte armenische Heiratsurkunde vor, in denen neben der syrischen auch die armenische Staatsbürgerschaft festgestellt wurde. Gleichfalls wurden die persönlichen Angaben der bP zu deren Identität herangezogen. Der bereits genannte Reisepass – zu dem in der Beschwerdeverhandlung sämtliche Angaben verweigert wurden und die entsprechenden Angaben als nicht parat zu qualifizieren sind- wurde seitens der bP1 im Asylverfahren nicht vorgelegt und erscheint er seitens des ho. Gerichts aufgrund der beschriebenen Umstände nicht geeignet, das Rechercheergebnis in Zweifel zu ziehen. Ebenso ist festzuhalten, dass es seitens des ho. Gerichts durchaus nachvollziehbar erschiene, dass es sich bei den Diskrepanzen um Ungenauigkeiten im Rahmen der Transkription zwischen den arabischen, armenischen und lateinischen Schriftzeichen handelt.
Letztlich wird darauf hingewiesen, dass sich erhebliche Diskrepanzen zwischen den Angaben, insbesondere jene der bP1 in Bezug auf ihre Desertion und dem anschließenden Aufenthalt im Ausland (im Administrativverfahren: Desertion 2019, im Beschwerdeverfahren: Desertion 2016; im Administrativverfahren: Aufenthalt in der Türkei 1 Jahr, im Beschwerdeverfahren 2 Jahre) ergaben, welche im Lichte mit dem behaupteten Reiseweg von Syrien nach Österreich im Lichte der behaupteten Aufenthaltsdauer in den verschiedenen Ländern nicht in Einklang zu bringen ist.
Wenn die bP bestreiten, in Armenien über eine Existenzgrundlage zu verfügen, wird auf die den bP zur Kenntnis gebrachten Quellenlage verwiesen, woraus sich ergibt, dass die bP einerseits die beschriebenen Unterstützungsleistungen erwarten können und sie Zugang zum armenischen Arbeitsmarkt haben. Ebenso sei darauf hingewiesen, dass sie auch in der Vergangenheit bereits in der Lage waren, ihr Leben vorübergehend in Armenien zu meistern, zumal davon ausgegangen werden kann, dass sich die bP1 zumindest seit 2018 und die bP2 zumindest seit 2021 dort aufhielt.
In Bezug auf die Sprachkenntnisse der bP wird darauf verwiesen, dass sich aus den ursprünglichen Angaben der bP ergibt, dass sie über Kenntnisse der armenischen Sprache verfügen (die bP2 wurde auch einmal in der armenischen Sprache befragt und sie brachte nicht vor, den Dolmetscher nicht zu verstehen), und sie erst im fortgeschrittenen Verfahrensstadium behaupteten, diese Sprache nicht zu beherrschen. Auch brachte die bP1 ursprünglich vor Österreich als Zielland gewählt zu haben, weil hier eine armenische Gemeinde besteht. Bei der Behauptung, die armenische Sprache nicht zu beherrschen handelt es sich nach ho. Ansicht um ein nicht glaubhaftes und der Tatsachenwelt nicht entsprechendes Vorbringen, welches aus Opportunitätserwägungen lediglich im Hinblick auf den erhofften Verfahrensausgang erstattet wurde. Wenn die bP vorbringen, in Armenien werde ein anderer Dialekt gesprochen, dann mag es zwar sein, dass die Verständigung punktuell erschweren mag, es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass eine Verständigung gänzlich unmöglich ist.
In diesem Zusammenhang wird auch auf die behaupteten Verständigungsschwierigkeiten zwischen den von der bB herangezogenen Dolmetschern und den bP hingewiesen, welche sich ebenfalls als nicht schlüssig nachvollziehbar darstellen. Einerseits wird darauf hingewiesen, dass die bP in den Niederschriften, welchen der Beweiswert des § 15 AVG zukommt, behaupteten, den Dolmetsch zu verstehen und wurden auch nach Rückübersetzungen keine Einwendungen gegen die Niederschriften erstattet. Es wird seitens des ho. Gerichts auch angezweifelt, dass einer Übersetzung mittels Handy die selbe Qualität zuzumessen ist (und stellte sich bei der Benennung der vermeintlichen Mängel in der Beschwerdeverhandlung heraus, dass diese zu einem erheblichen Teil nur vermeintlich existieren), wie der Übersetzung mit einem Dolmetsch. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass den bP nach deren Übersetzung mittels Handy ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden wäre, die Mängel bei der bP zu monieren, zumal zwischen den niederschriftlichen Einvernahmen und der Erlassung der angefochtenen Bescheide ein entsprechender Zeitraum verstrich und die bP zu diesem Zeitpunkt bereits über die Wichtigkeit der Mitwirkung im Verfahren informiert wurden. Derartiges geschah jedoch nicht und blieben die bP passiv. Ebenso wurden in der Beschwerdeschrift keinerlei Verständigungsschwierigkeiten behauptet.
Das Gericht weist auch darauf hin, dass in einer Vielzahl von öffentlich –auch elektronisch öffentlich- einsehbaren Quellen übereinstimmend berichtet wird, dass die arabische Sprache zwar in verschiedenen Dialekten gesprochen wird, in diesen Quellen jedoch nicht berichtet wird, dass eine Verständigung zwischen diesen Dialekten nicht möglich ist. Ebenso wird in dieser Quellenlage berichtet, dass ein einheitliches Hocharabisch existiert, von dem davon auszugehen ist, dass es aufgrund der Schulbildung sowohl von den bP als auch von den beigezogenen Dolmetschern beherrscht wird. Das ho. Gericht geht daher auch in diesem Zusammenhang davon aus, dass die Verständigungsschwierigkeiten lediglich aus Opportunitätserwägungen im Hinblick auf den erhofften Verfahrensausgang behauptet wurden.
Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung drängt sich für das ho. Gericht der Eindruck auf, dass die wiederholte Behauptung von Verständigungsschwierigkeiten und Sprachmängeln in Verbindung mit einem sich hieraus ergebenden Fehlverhalten der eingesetzten Dolmetscher, welche ihre Dolmetschertätigkeit trotz dieser Umstände ausführten, im Beschwerde-verfahren zu einem Verhaltensmuster zu zählen ist, welche die aufgetretenen Ungereimtheiten im Vorbringen der bP, sowie ihre armenische Staatsbürgerschaft, sowie die Kenntnisse der armenischen Sprache verschleiern sollen.
Wenn die bP1 vorbringt, sie befürchte in Armenien zum Wehrdienst eingezogen zu werden, wird einerseits auf ihre Lebensalter hingewiesen, welche diese Befürchtung zerstreut und zum anderen auf den Umstand, dass in Armenien die Möglichkeit besteht, Wehrersatzdienst zu leisten.
II.2.3 Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat Armenien herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau ausreichende Aktualität zu.
Die bP traten auch den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen.
Wenn die rechtsfreundliche Vertretung der bP behauptet, die Quellenlage, auf welche sich das ho. Gericht zur Lage von aus Syrien stammenden Armenier beruft, sich als veraltet darstellt, sei darauf hingewiesen, dass Quellen älteren Datums in diesem Zusammenhang dazu dienen, einen chronologischen Vorgang zu beschreiben, welcher bereits mehrere Jahre zurückliegend begann (hierzu braucht es eine ältere Quelle) und diese Quelle durch von der bB im angefochtenen Bescheid genannten Quellen jüngeren Datums ergänzt wird. Ebenso wird auf die aktuellen Feststellungen zur Unterstützung armenischer Staatsbürger im Falle deren Rückkehr nach Armenien hingewiesen.
Zum in der Beschwerdeschrift gestellten Beweisantrag wird festgestellt, dass dieser kein taugliches Beweisthema enthält. Ein tauglicher Beweisantrag liegt nach der Rsp des VwGH nämlich nur dann vor, wenn darin sowohl das Beweisthema wie auch das Beweismittel genannt sind und wenn das Beweisthema sachverhaltserheblich ist (VwGH 24.1.1996, 94/13/0152; Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Auflage, S 174). Einerseits wird darauf hingewiesen, dass dass entsprechend der höchstgerichtlichen Judikatur ärztlichen Attesten die gleiche Beweiskraft zukommt wie ärztlichen Sachverständigengutachten, zumal es auf die innere Wahrheit eines Beweismittels ankommt (VwSlgNF 2453 A) und im gegenständlichen Fall der Gesundheitszustand der bP2 durch die ärztliche Befundlage als ausreichend geklärt angesehen werden kann. Andererseits steht auf Basis der den bP zur Kenntnis gebrachten Berichtslage, dass der bP2 in Armenien unentgeltlich auf gutem Niveau Behandlungsmöglichkeiten offen stehen. Welche konkreten Fragen noch offen blieben, welche eines weiteren Gutachtens bedürfen, brachte die bP nicht vor. Dies gilt insbesondere auch in Bezug auf die seitens der bP2 genannten Medikamente, zumal es sich bei deren Wirkstoffen um Antidepressivum bzw. ein Antikonvulsivum handelt und nichts darauf hindeutet, dass Antidepressiva und Antikonvulsiva in Armenien in einer für die bP2 zugänglichen Weise nicht erhältlich wären. Derartiges wurde auch von der bP2 bzw. deren rechtsfreundlichen Vertretung nicht behauptet. Auch wurde nicht dargelegt, warum aufgrund feststellbarer Mängel im armenischen Gesundheitssystem der bP Behandlungs-möglichkeiten in einem hier relevanten Umfang nicht möglich sein sollten.
Auch ist das ho. Gericht dazu nicht verhalten, zumal es sich auch um einen als unzulässig zu erachtenden Erkundungsbeweis handelt. Erkundungsbeweise sind Beweise, die nicht konkrete Behauptungen, sondern lediglich unbestimmte Vermutungen zum Gegenstand haben. Sie dienen also nicht dazu, ein konkretes Vorbringen der Partei zu untermauern, sondern sollen es erst ermöglichen, dieses zu erstatten. Nichts Anderes beabsichtigt aber der Beschwerdeführer jedoch mit dem hier erörterten Beweisantrag.
Nach der Rsp des Verwaltungsgerichtshofes sind Erkundungsbeweise im Verwaltungsverfahren – und somit auch im asylgerichtlichen Verfahren - unzulässig. Daher ist die Behörde [das ho. Gericht] einerseits nicht gem. §§ 37 iVm 39 Abs 2 AVG zur Durchführung eines solchen Beweises (zur Entsprechung eines dahin gehenden Antrages) verpflichtet, sodass deren Unterlassung keinen Verfahrensmangel bedeutet. (Hengstschläger – Leeb, Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, Manz Kommentar, Rz 16 zu § 46 mwN).
II.2.4. Das ho. Gericht ist im Lichte der Erhebungen der bB in Verbindung mit den im Beschwerdeverfahren durchgeführten Ermittlungen und den in der Beschwerdeverhandlung erörterten Umständen in der Lage, sich vom maßgeblichen Sachverhalt (§ 37 AVG) ein umfassendes und abgerundetes Bild zu machen.
Darüber hinausgehende Ausführungen ergeben sich aus sowohl für die bP als armenische Staatsbürger als auch für die bB als Spezialbehörde notorisch bekannten Tatsachen, welche sich auch aus dem Inhalt einer Mehrzahl öffentlich –auch elektronisch- zugänglichen Quellen, die in ihrem wesentlichen Inhalt übereinstimmenden.
Insbesondere wird es für die bB als Spezialbehörde als auch für die bP als armenische Staatsbürger als notorisch bekannt angesehen, dass der armenische Staat ein zentrales Melde- und ein zentrales, öffentlich einsehbares Wählerregister betreibt (www.elections.am ), in welches nur jene Einwohner Armeniens eingetragen werden, welche das Wahlrecht und die armenische Staatsbürgerschaft besitzen (vgl. hierzu auch ho. Erk. vom 29.10.2019 L515 2125043-1/68E; 24.6.2015, L515 3136238-3/11E ua.).
3. Rechtliche Beurteilung
II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrens-recht, sicherer Herkunftsstaat, Akteneinsicht
II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungs-gericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.
II.3.1.3. Gem. § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013 hat das ho. Gericht das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt. Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.
II.3.1.4. Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, es den angefochtenen Bescheid, auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
II.3.1.5. Schutzumfang bei Doppelstaatsbürgerschaft
Unbestrittener Weise ist als Herkunftsstaat primär jener Staat heranzuziehen, dessen Staatbürgerschaft die bP besitzen. Die Frage der Staatsangehörigkeit im Falle der Staatenlosigkeit stellt sich im gegenständlichen Fall nicht.
Es stellt sich jedoch die Frage, ob und wann internationaler Schutz zu gewähren ist, wenn ein Antragsteller mehrere Staatsbürgerschaften besitzt und Verfolgung in einem dieser Staaten vorbringt.
Das UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft (1979) stellt in Abs. 106-107 für Personen mit mehrfacher Staatsangehörigkeit - in Auslegung des Art. 1 Abschnitt A Z 2 letzter Absatz FlKonv - darauf ab, ob solche Personen den (hier nicht näher umschriebenen) "Schutz" eines ihrer Herkunftsländer "in Anspruch nehmen können". Ein solcher Schutz habe, "soweit verfügbar", "Priorität gegenüber dem internationalen Schutz". Im Einzelnen wird auf die "praktische" Bean-spruchbarkeit des "Schutzes" dahin gehend Bezug genommen, dass der Schutz nicht "bedeu-tungslos" sein dürfe, weil er "nicht den Schutz beinhaltet, der gewöhnlich Staatsangehörigen zuteil wird". Die abschließenden Erwägungen zur Frage, inwieweit ein "Antrag um Schutz und eine Verweigerung des Schutzes" vorliegen müsse, bevor "festgestellt werden kann, dass eine vorhandene Staatsangehörigkeit wirkungslos ist", scheinen in ihrer konkreten Form auf entsprechende Bemühungen des Betroffenen im Aufenthaltsstaat (also auf "externen" Schutz des zweiten Herkunftsstaates) abzuzielen.
Von Bedeutung für die im Folgenden zu prüfende Frage der Übertragbarkeit von Voraussetzungen für eine interne "Alternative" auf Fälle mehrfacher Staatsangehörigkeit ist aber das Argument, mit dem ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Umständen, die ein Ausweichen in einen verfolgungsfreien Teil des Herkunftsstaates als unzumutbar ("unreasonable") erscheinen lassen, und einem Konventionsgrund nicht als erforderlich erachtet wird. Die Begründung liegt darin, dass es sich - voraussetzungsgemäß - jeweils um Personen handelt, denen an ihrem ursprünglichen Aufenthaltsort asylrelevante Verfolgung droht und in Bezug auf die nur zu prüfen ist, ob es gegenüber dieser auf Konventions-gründen beruhenden Bedrohung internationalen Schutzes - im Sinne der Bejahung der Flüchtlingseigenschaft mit den in der Flüchtlingskonvention daran geknüpften Konsequenzen - bedarf. Der Zusammenhang mit dem Konventionsgrund ist gewahrt, wenn sich der Betroffene den Widrigkeiten, die ihn am Ort der ins Auge gefassten Ausweichmöglichkeit erwarten würden, nur deshalb aussetzen müsste, weil er an seinem bisherigen Aufenthaltsort aufgrund der auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgungsgefahr nicht bleiben kann. Dieses Argument wird bei Hathaway/Foster (in Feller/Türk/Nicholson [Hrsg.], Refugee Protection in International Law [2003], 400 ff) und in Punkt 21. des Papiers vom 23.7.2003 über die "Interne Flucht- oder Neuansiedlungsalternative" in der vom UNHCR herausgegebenen Reihe "Richtlinien zum internationalen Schutz" noch dahin gehend weitergeführt, dass aus der Sicht der Konvention auch vermieden werden muss, dass sich der Betroffene durch die Bedingungen am Ort der vermeintlichen Ausweichmöglichkeit gezwungen sieht, an seinen ursprünglichen, in der Reichweite der Verfolger gelegenen Aufenthaltsort zurückzukehren (der Sache nach -mit Kritik am Gebrauch der Formulierungen "indirect nexus" und "indirect refoulement" bei Hathaway/Foster - zustimmend Marx, International Journal of Refugee Law Vol. 14 No. 2/3 (2002) 179 (196 ff)). Zum Teil ähnliche Überlegungen gibt es - nicht im Zusammenhang mit der Bestimmung der Flüchtlings-eigenschaft, sondern unter dem Gesichtspunkt der Beachtung des Refoulementverbotes - auch in Bezug auf völkerrechtliche Schranken für die Verweisung von Konventions-flüchtlingen auf Drittstaaten (vgl. etwa Davy, Asyl und internationales Flüchtlingsrecht I (1996) 144-153); Erk. d. VwGH vom 9.11.2004, 2003/01/0534 mwN [im genannten Erkenntnis ging der VwGH -wenn auch noch unter anderen völkerrechtlichen, aber im Ergebnis nach wie vor vergleichbaren Voraussetzungen- davon aus, dass den Bürgern des Kosovo Doppelstaatsbürgerschaft zukommt und im Falle der Zumutbarkeit eine Ausweichmöglichkeit in Serbien besteht. Erst wenn diese Auseichmöglichkeit nicht zumutbar erscheint, käme ihnen im Falle einer Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK Flüchtlingseigenschaft zu).
Im gegenständlichen Fall brachen die bP vor, ua. syrische Staatsbürger zu sein, in Syrien gelebt zu haben und dort die von ihnen beschriebenen Gefahren zu befürchten. Soweit in Bezug auf die bP jedoch neben der unwiderlegt vorgetragenen syrischen auch von der armenischen Staatsbürgerschaft auszugehen ist, können keine Umstände erblickt werden, welche von Österreich aus ein Ausweichen auf armenisches Staatsgebiet im Falle der Annahme einer Gefahr in Syrien unzumutbar erscheinen lassen. Maßgebliche Faktoren zur Prüfung dieser Zumutbarkeit sind nach ho. Ansicht insbesondere das Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschafts-verhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeits-hintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen, sowie die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage im weiteren Herkunftsstaat Armenien sein. Schlechte soziale und wirtschaftliche Bedingungen in dem betreffenden Staat werden eine solche Ausweichmöglichkeit nicht grundsätzliche ausschließen (siehe in Bezug auf eine vergleichbare Sachlage VwGH 8.9.1999, 98/01/0620; VwGH 26.6.1996, 95/20/0427; ebenso Erk. d. BVwG vom 3.9.2015, L515 2108125-1 mwN; die dort getroffenen Ausführungen sind im Sinne des Schutzzwecks der hier anwendbaren Normen sinngemäß anzuwenden).
Ein bloßes Absinken des Lebensstandards durch die Inanspruchnahme einer Ausweichmöglichkeit, welches jedoch noch über dem Niveau der aussichtslosen Lage liegt, ist daher bei Bestehen einer Existenzgrundlage nach Ansicht des ho. Gerichts hinzunehmen (vgl. hier die vergleichbare Interessenslage in VwGH 21.3.2002, Zl. 99/20/0401, in diesem Sinne auch VwGH 19.2.2004, Zl. 2002/20/0075; VwGH 24.6.2004, Zl. 2001/20/0420).
Vor den aufgezählten Parametern kann vor dem Hintergrund, dass es sich bei den bP1 und bP2 um relativ junge, nicht invalide, mobile Menschen handelt, welche ihre Mobilität und Anpassungsfähigkeit bereits durch ihre bisherigen Reisebewegungen unter Beweis stellten, im Lichte der allgemeinen Lage in Armenien nicht davon ausgegangen werden, dass sie im Falle einer Verlegung des Aufenthaltsortes nach Armenien in einer dauerhaft aussichtslose Lage geraten würden und erscheint ihnen letztlich ein solcher Wechsel ihres Aufenthaltsortes nicht unzumutbar. Es sei an dieser Stelle nochmals auf die getroffenen Feststellungen zur Lage von Rückkehrern bzw. aus Syrien stammende armenische Staatsbürger verwiesen. Auch zeigten die bP während ihres Aufenthaltes in Österreich (dieses Land war ihnen bei der Einreise weitaus fremder als Armenien, zumal sie der deutschen Sprache vollends unkundig waren und Österreich in einem weit geringeren Umfang von Armeniern besiedelt wird als Armenien) ihre Anpassungsfähigkeit, welche ihnen im Falle einer Wohnsitznahme in Armenien sicherlich zugute kommt. Im Detail wird hier auf die noch folgenden Ausführungen verwiesen.
Aufgrund der oa. Ausführungen wird in weiterer Folge geprüft, ob für die bP ein Ausweichen von Syrien nach Armenien in Frag kommt und finden nachfolge Prüfungsschritte daher in Bezug auf die Republik Armenien, deren Staatsbürger die bP (auch) sind, statt:
II.3.1.6. Sicherer Herkunftsstaat Armenien
Gem. § 19 Abs. 5 BFA-VG kann die Bundesregierung bestimmte Staaten durch Verordnung als sicher Herkunftsstaaten definieren. Gemäß § 1 Z 12 der Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV), BGBl. II Nr. 177/2009 idgF, gilt die Republik Armenien als sicherer Herkunftsstaat und ist somit vom Grundsatz der normativen Vergewisserung der Sicherheit der Republik Armenien auszugehen. Die bP brachten keinen qualifizierten Sachverhalt vor, welche diesen Grundsatz im gegenständlichen Einzelfall erschüttern würden (vgl. Erk. des VwGH vom 15.10.20014 G237/03; vgl. auch Art. 37 der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zum gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes, sowie Anhang I zur RL).
Auf den konkreten Einzelfall umgelegt bedeutet dies, dass im Rahmen einer verfassungs- und richtlinienkonformen Interpretation der hier anzuwendenden Bestimmungen davon ausgegangen werden kann, dass sich die Bundesregierung im Rahmen einer normativen Vergewisserung in umfassendes Bild von der asyl- und abschiebungs-relevanten Lage in der Republik Armenien verschaffte und zum Schluss kam, dass die Republik Armenien die unter Anhang I der RL 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 zur gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes und den im Erk. des VfGH vom 15.10.20014 G237/03 ua. genannten Kriterien erfüllt.
Im gegenständlichen Fall kann aufgrund der normativen Vergewisserung der Sicherheit der Republik Armenien auch davon ausgegangen werden, dass die armenischen Behörden gewillt und befähigt sind, Menschen, die sich auf dem armenischen Territorium befinden, vor Übergriffen und Repressalien wirksam und nachhaltig zu schützen (VwGH 25.6.2020 Ra 2019/180441 mwN).
I.3.1.7. Wenn die Rechtsvertretung der bP in der Verhandlung spontan eine „Ad-hoc-Atkeneinsicht“ begehrt, get das ho. Gericht davon aus, dass den bP gegenständlichen Verfahren selbstredend das Recht auf Akteneinsicht gem. § 17 AVG an sich zukommt. Zum einen ist die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht jedoch nicht verpflichtet, den Akteninhalt der den Parteien von sich aus zur Kenntnis zu bringen (VwGH 24.11.1993, 90/13/0084), zum anderen kann es der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht nicht als Verfahrensfehler angelastet werden, wenn die Partei es unterlässt, im Rahmen der für den Parteienverkehr vorgesehen organisatorischen Maßnahmen von ihrem Recht Gebrauch zu machen (Hentstschläger/Leeb, AVG, § 17 RZ 6 mwN). Solche organisatorinsche Maßnahmen befinden sich in § 21 der GO des ho. Gerichts. Gem. § 21 Abs. 3 leg. cit. sind Akteneinsichten sind spätestens drei Arbeitstage vor dem Tag, an dem diese vorgenommen werden soll, in der zuständigen Gerichtsabteilung anzumelden. Davon kann nach Anordnung der Leiterin oder des Leiters der betreffenden Gerichtsabteilung abgewichen werden, auf eine solche Anordnung besteht jedoch kein Rechtsanspruch und kann eine solche Anordnung nur nach Maßgabe der sachlichen und personellen Möglichkeiten Gebrauch gemacht werden, zumal es der Akteneinsicht organisatorischer Vorbereitungen und einer Vorbereitung in Form einer Aktensichtung bedarf.
Wenn die bP spontane Akteneinsicht im Rahmen der Beschwerdeverhandlung begehrte, so bestand hierauf kein Rechtsanspruch und wird darauf hingewiesen, dass die Akteneinsicht lediglich in Bezug auf diesen Zeitpunkt nicht gewährt wurde. Eine Anordnung iSd § 21 Abs. 3 letzter Satz erschien ungeachtet des fehlenden Rechtsanspruches aus organisatorischen Gründen nicht möglich. Es wäre der Rechtsvertretung seit Einlangen der Beschwerdeakte bzw. in Reaktion auf die Übermittlung entsprechender ho. Schreiben oder wenn es die Rechtsvertretung der bP als zweckdienlich erachtet hätte, jederzeit freigestanden, Akteneinsicht zu nehmen, bzw. auch Akteneinsicht in der im Vorabsatz beschriebenen Form in Entsprechung der GO des ho. Gerichts anzumelden bzw. steht ihr dieses Recht nach wie vor offen.
Aufgrund der oa. Ausführungen war der rechtsfreundlichen Vertretung ad hoc in der Verhandlung keine Akteneinsicht zu gewähren.
Es wird auch darauf hingewiesen, dass der bP sämtliche Bescheinigungsmittel, welche zur Entscheidungsfindung herangezogen wurden, insbesondere auch die Auskunft des Vertrauensanwaltes in der dem Gericht vollständiger Form bekannt waren, weil sie von diesen entweder im Administrativverfahren Kenntnis erlangte oder ihr vom ho. Gericht bereits vor der Verhandlung übermittelt wurden.
Den oa. Ausführungen steht aus § 25 Abs. 6a VwGVG nicht entgegen, zumal entsprechend dieser Bestimmung generell eine Verlesung von Aktenstücken unterbleiben kann, wenn diese Aktenstücke von der Partei, die die Verlesung verlangt, selbst stammen oder wenn es sich um Aktenstücke handelt, die der die Verlesung begehrenden Partei nachweislich zugestellt wurden.
Die entsprechenden Ausführungen der Rechtsvertretung der bP gehen daher ins Leere.
Zu A) (Spruchpunkt I)
II.3.2. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten
Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 3 AsylG lauten:
„§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) …
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1. | dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder |
2. | der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat. |
...“
Gegenständlicher Antrag war nicht wegen Drittstaatsicherheit (§ 4 AsylG), des Schutzes in einem EWR-Staat oder der Schweiz (§ 4a AsylG) oder Zuständigkeit eines anderen Staates (§ 5 AsylG) zurückzuweisen. Ebenso liegen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Asylausschlussgründe vor, weshalb der Antrag der bP inhaltlich zu prüfen ist.
Flüchtling im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262). Die Verfolgungsgefahr muss nicht nur aktuell sein, sie muss auch im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194)
Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Konvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes befindet.
Der maßgebliche Blickpunkt ergibt sich aus der Frage, ob die bP im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hätte (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194). Mit anderen Worten gesagt, stellt die Aufgabe des Asylrechts der Schutz vor zukünftig drohender Verfolgung und nicht die Kompensation in der Vergangenheit erlittenen Unrechts dar.
Im Rahmen einer Prognoseentscheidung nicht festgestellt werden, dass die bP nach einer Rückkehr nach Armenien mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit einer weiteren aktuellen Gefahr einer Verfolgung zu rechnen hätte. Hier wird auf die bereits getroffenen Feststellungen verwiesen.
Im gegenständlichen Fall ist auch darauf hinzuweisen, dass die behaupteten –und durch die Berichtslage nicht gedeckten und daher nicht als systematisch vorliegend annehmbaren- Beeinträchtigungen nicht die zur Gewährung von Asyl erforderliche Intensität erreichen. So reichen etwa unspezifizierbare Verfolgungshandlungen von nur geringer Schwere nach ständiger Judikatur des VwGH nicht aus, solange sie nicht eine derartige Intensität erreichen, dass deshalb ein weiterer Aufenthalt der bP im Herkunftsstaat als unerträglich anzusehen wäre (VwGH 7. 10. 1993, 93/01/0942; 7. 10. 1993, 93/01/0872; 7. 11. 1995, 95/20/0080; 25. 4. 1995, 94/20/0762). „(…) Benachteiligungen (allgemeine Geringschätzung, Benachteiligung und Schikanen)(erreichen) insgesamt noch nicht eine derartige Intensität (…), dass deshalb ein weiterer Aufenthalt der Erstbeschwerdeführerin in ihrem Heimatland als unerträglich oder unzumutbar anzusehen wäre“ (VwGH 23. 5. 1995, 92/20/0808).
Die nahe liegenden allfälligen wirtschaftlichen Erwägungen, welche die bP zum Verlassen des Herkunftsstaates Armenien veranlassten, können nicht zu Gewährung von Asyl führen, zumal keinerlei Hinweise bestehen, dass die bP aufgrund eines in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grundes von der angespannten wirtschaftlichen Lage in Armenien nachteiliger betroffen wären, als die sonstige armenische Bevölkerung (zur fehlenden asylrechtlichen Relevanz wirtschaftlich motivierter Ausreisegründe siehe auch Erk. d. VwGH vom 6.3.1996, Zi. 95/20/0110 oder vom 20.6. 1995, Zl. 95/19/0040). In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass sich die Lebenssituation für Neuzu-wanderer regelmäßig am Beginn schwieriger darstellen kann, als dies für jene Teile der Bevölkerung der Fall ist, welche sich bereits langjährig oder über Generationen dort aufhalten, hieraus kann jedoch mangels Vorliegens einer zielgerichteten Verfolgung kein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK subsumierender Sachverhalt abgeleitet werden.
Ähnliches gilt auch in auf den Zugang zum armenischen Gesundheitssystem. Auch hier kann nicht festgestellt werden, dass sich die der bP zugänglichen Leistungen aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund schlechter darstellen, als dies für die sonstige armenische Bevölkerung der Fall ist, oder dass ihr aufgrund eines solchen Motivs der Zugang zur medizinischen Versorgung erschwert oder verunmöglicht wird.
Da sich auch im Rahmen des sonstigen Ermittlungsergebnisses bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen keine Hinweise auf das Vorliegen der Gefahr einer Verfolgung aus einem in Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK genannten Grund ergaben, scheidet die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten somit aus.
II.3.3. Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat
II.3.3.1. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des § 8 AsylG lauten:
„§ 8. (1) Der Status des subsidiär Schutzberechtigten ist einem Fremden zuzuerkennen,
1. | der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder |
2. | … |
wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
(2) Die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 ist mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 … zu verbinden.
(3) Anträge auf internationalen Schutz sind bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht.
…“
Der Prüfungsmaßstab hinsichtlich des Bestehend der Voraussetzungen, welche allenfalls zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führen, beschränken sich auf den Herkunftsstaat.
Art. 2 EMRK lautet:
„(1) Das Recht jedes Menschen auf das Leben wird gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. (2) Die Tötung wird nicht als Verletzung dieses Artikels betrachtet, wenn sie sich aus einer unbedingt erforderlichen Gewaltanwendung ergibt:
…
Art. 3 EMRK lautet:„Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.“
Folter bezeichnet jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden, zum Beispiel um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen, um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen oder aus einem anderen, auf irgendeiner Art von Diskriminierung beruhenden Grund, wenn diese Schmerzen oder Leiden von einem Angehörigen des öffentlichen Dienstes oder einer anderen in amtlicher Eigenschaft handelnden Person, auf deren Veranlassung oder mit deren ausdrücklichem oder stillschweigendem Einverständnis verursacht werden. Der Ausdruck umfasst nicht Schmerzen oder Leiden, die sich lediglich aus gesetzlich zulässigen Sanktionen ergeben, dazu gehören oder damit verbunden sind (Art. 1 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984).
Unter unmenschlicher Behandlung ist die vorsätzliche Verursachung intensiven Leides unterhalb der Stufe der Folter zu verstehen (Walter/Mayer/Kucsko-Stadlmayer, Bundesverfassungsrecht 10. Aufl. (2007), RZ 1394).
Unter einer erniedrigenden Behandlung ist die Zufügung einer Demütigung oder Entwürdigung von besonderem Grad zu verstehen (Näher Tomasovsky, FS Funk (2003) 579; Grabenwarter, Menschenrechtskonvention 134f).
Art. 3 EMRK enthält keinen Gesetzesvorbehalt und umfasst jede physische Person (auch Fremde), welche sich im Bundesgebiet aufhält.
Der EGMR geht weiters allgemein davon aus, dass aus Art. 3 EMRK grundsätzlich kein Bleiberecht mit der Begründung abgeleitet werden kann, dass der Herkunftsstaat gewisse soziale, medizinische od. sonst. unterstützende Leistungen nicht biete, die der Staat des gegenwärtigen Aufenthaltes bietet. Nur unter außerordentlichen, ausnahmsweise vorliegenden Umständen kann die Entscheidung, den Fremden außer Landes zu schaffen, zu einer Verletzung des Art. 3 EMRK führen (vgl für mehrere. z. B. Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“], oder auch Application no. 7702/04 by SALKIC and Others against Sweden oder S.C.C. against Sweden v. 15.2.2000, 46553 / 99).
Gem. der Judikatur des EGMR muss die bP die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darstellen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 7.7.1987, Nr. 12877/87 – Kalema gg. Frankreich, DR 53, S. 254, 264). Dazu ist es notwendig, dass die Ereignisse vor der Flucht in konkreter Weise geschildert und auf geeignete Weise belegt werden. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus (vgl. EKMR, Entsch. Vom 12.3.1980, Nr. 8897/80: X u. Y gg. Vereinigtes Königreich), wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (vgl. EKMR, Entsch. Vom 17.10.1986, Nr. 12364/86: Kilic gg. Schweiz, DR 50, S. 280, 289). So führt der EGMR in stRsp aus, dass es trotz allfälliger Schwierigkeiten für den Antragsteller „Beweise“ zu beschaffen, es dennoch ihm obliegt -so weit als möglich- Informationen vorzulegen, die der Behörde eine Bewertung der von ihm behaupteten Gefahr im Falle einer Abschiebung ermöglicht (z. B. EGMR Said gg. die Niederlande, 5.7.2005)
Voraussetzung für das Vorliegen einer relevanten Bedrohung ist auch in diesem Fall, dass eine von staatlichen Stellen zumindest gebilligte oder nicht effektiv verhinderbare Bedrohung der relevanten Rechtsgüter vorliegt oder dass im Herkunftsstaat des Antragstellers keine ausreichend funktionierende Ordnungsmacht (mehr) vorhanden ist und damit zu rechnen wäre, dass jeder dorthin abgeschobene Fremde mit erheblicher Wahrscheinlichkeit der in [nunmehr] § 8 Abs. 1 AsylG umschriebenen Gefahr unmittelbar ausgesetzt wäre (vgl. VwGH 26.6.1997, 95/21/0294).
Der VwGH geht davon aus, dass der Beschwerdeführer vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen muss, in dessen Herkunftsstaat (Abschiebestaat) mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit von einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr betroffen zu sein. Wird dieses Wahrscheinlichkeitskalkül nicht erreicht, scheidet die Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten somit aus.
II.3.3.2. Einzelfallspezifisch werden im Lichte der dargestellten nationalen und internationalen Rechtsprechung folgende Überlegungen angestellt:
Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen in Bezug auf die Republik Armenien nicht vor, weshalb hieraus aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 bzw. 3 EMRK abgeleitet werden kann.
Da sich der Herkunftsstaat der bP nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes befindet (dies kann auch in Bezug auf den Konflikt mit Aserbaidschan aufgrund des vereinbarten Waffenstillstandes nicht angenommen werden), kann bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für die bP als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht.
Eine nicht sanktionierte, ständige Praxis grober, offenkundiger, massenhafter Menschenrechtsverletzungen (iSd VfSlg 13.897/1994, 14.119/1995, vgl. auch Art. 3 des UN-Übereinkommens gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984) herrscht in Armenien nicht und ist nicht praktisch, jeder der sich im Hoheitsgebiet des Staates aufhält, schon alleine aufgrund des Faktums des Aufenthaltes aufgrund der allgemeinen Lage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einem unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt betroffen.
Aufgrund der Ausgestaltung des Strafrechts des Herkunftsstaates der bP (die Todesstrafe wurde abgeschafft) scheidet das Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Art. 2 EMRK, oder des Protokolls Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe aus.
Aus der sonstigen allgemeinen Lage im Herkunftsstaat kann ebenfalls bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Bestehen eines unter § 8 Abs. 1 AsylG subsumierbaren Sachverhalt abgeleitet werden.
Weitere, in den Personen der bP begründete Rückkehrhindernisse können bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen ebenfalls nicht festgestellt werden.
Zur individuellen Versorgungssituation der bP wurde bereits festgestellt, dass diese in Armenien über eine hinreichende Existenzgrundlage verfügen. Aufgrund der bereits getroffenen Ausführungen ist jedenfalls im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen können und nicht in eine, allfällige Anfangsschwierigkeiten überschreitende, dauerhaft aussichtslose Lage geraten.
Soweit die beschwerdeführende Partei bP2 ihren Gesundheitszustand thematisiert wird festgehalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung der Höchstgerichte im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. die Beschlüsse des VwGH vom 21. Februar 2017, Ro 2016/18/0005 und Ra 2017/18/0008 bis 0009, unter Hinweis auf das Urteil des EGMR vom 13. Dezember 2016, Nr. 41738/10, Paposhvili gegen Belgien; auch Beschluss des VwGH vom 23.3.2017, Ra 2017/20/0038; siehe auch Urteil vom 2.5.1997, EGMR 146/1996/767/964 [„St. Kitts-Fall“]; Erk. d. VfGH 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9). Bloß spekulative Überlegungen über einen fehlenden Zugang zu medizinischer Versorgung sind ebenso unbeachtlich wie eine Minderung der Lebensqualität (Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05).
Die genannten allgemeinen Ausführungen gelten auch beim Vorliegen psychischer Erkrankungen bzw. Störungen. Zur Verdeutlichung der vom EGMR gesetzten Schwelle sei hier auf die Application no. 7702/04 by SALKIC and others against Sweden hingewiesen, wo die Zulässigkeit der Abschiebung schwer traumatisierter und teilweise suizidale Tendenzen aufweisende Bosnier nach Bosnien und Herzegowina bejaht wurde, wobei hier wohl außer Streit gestellt werden kann, dass das bosnische Gesundheitssystem dem schwedischen qualitätsmäßig unterliegt.
Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend. In der Beschwerdesache OVDIENKO gg. Finland vom 31.05.2005, Nr. 1383/04, wurde die Abschiebung des Beschwerdeführers, der seit 2002 in psychiatrischer Behandlung war und der selbstmordgefährdet ist, für zulässig erklärt; mentaler Stress durch eine Abschiebungsdrohung in die Ukraine ist kein ausreichendes „real risk“.
Im Gegenständlichen Fall besteht im Lichte der Berichtslage kein Hinweis, dass die bP vom Zugang zu medizinsicher Versorgung in Armenien ausgeschlossen wäre und bestehen auch keine Hinweise, dass die seitens der bP beschriebenen Krankheiten nicht behandelbar wären. Auch faktisch Hindernisse, welche das Fehlen eines Zugangs zur medizinischen Versorgung aus in der Person der bP gelegenen Umständen kam nicht hervor.
Ebenso ist davon auszugehen, dass Österreich als Abschiebestaat in der Lage ist, im Rahmen aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausreichende medizinische Begleitmaßnahmen zu setzen (VwGH 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723, VfGH v. 12.6.2010, Gz. U 613/10-10 und die bereits zitierte Judikatur; ebenso Erk. des AsylGH vom 12.3.2010, B7 232.141-3/2009/3E mwN). Ebenso sei darauf hingewiesen, dass es der bP2 im Lichte der in Armenien geltenden und den bP zur Kenntnis gebrachten Rechtslage frei steht, für eine gewisse Übergangszeit in Österreich erhaltene Medikamente nach Armenien zu importieren.
Aufgrund der getroffenen Ausführungen ist davon auszugehen, dass die beschwerdeführenden Parteien nicht vernünftiger Weise (VwGH 9.5.1996, Zl.95/20/0380) damit rechnen müssen, in ihrem Herkunftsstaat mit einer über die bloße Möglichkeit (z.B. VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858, VwGH vom 14.10.1998. Zl. 98/01/0262) hinausgehenden maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer aktuellen (VwGH 05.06.1996, Zl. 95/20/0194) Gefahr im Sinne des § 8 AsylG ausgesetzt zu sein, weshalb die Gewährung von subsidiären Schutz ausscheidet.
II.3.4. Im Lichte der Ausführungen unter den Punkten II.3.1.6., II.3.2. und II.3.3 ergibt sich, dass den bP im Hinblick auf ihr Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, die familiäre Situation und Verwandtschaftsverhältnisse, soziale und andere Schwächen, ethnische, kulturelle oder religiöse Überlegungen, politische und soziale Verbindungen und Vereinbarkeiten, Sprachkenntnisse, Bildungs-, Berufs- und Arbeitshintergrund und -möglichkeiten, sowie gegebenenfalls bereits erlittene Verfolgung und deren psychische Auswirkungen, sowie die allgemeine wirtschaftliche und soziale Lage im weiteren Herkunftsstaat Armenien ein Ausweichen von Syrien nach Armenien zumutbar ist. Weitere Ausführungen in Bezug auf Syrien können daher entfallen.
II.3.5. Frage der Erteilung eines Aufenthaltstitels und Erlassung einer Rückkehrentscheidung
II.3.5.1. Gesetzliche Grundlagen (auszugsweise):
§ 10 AsylG 2005, Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme:
„§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. …
2. …
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. – 5. …
(2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
(3) ...“
§ 57 AsylG 2005, Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:
§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) – (4) …
§ 9 BFA-VG, Schutz des Privat- und Familienlebens:
„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) – (6) …“
§ 52 FPG, Rückkehrentscheidung:
„§ 52. (1) …(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. …
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. – 4. …
und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
(3)- (11)...“
§ 55 FPG, Frist für die freiwillige Ausreise
§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) – (5) …
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“
II.3.5.2. Der gegenständliche, nach nicht rechtmäßiger Einreise in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz war abzuweisen. Es liegt daher kein rechtmäßiger Aufenthalt (ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch nicht behauptet) im Bundesgebiet mehr vor und fällt die bP nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.
Die bB erteilte der bP zurecht kein Aufenthaltsrecht gem. § 57 AsylG, zumal der Aufenthalt der bP nicht gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Abs. 1a FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, dies nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel erforderlich ist und die bP auch nicht Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und die bP auch nicht glaubhaft machte, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 ist diese Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
II.3.5.3. Die Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK darstellen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt.
Vom Begriff des 'Familienlebens' in Art. 8EMRKist nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern zB auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.3.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. (vgl. dazu EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215; EKMR 19.7.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.2.1979, 7912/77, EuGRZ 1981, 118; EKMR 14.3.1980, 8986/80, EuGRZ 1982, 311; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK- Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayr, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1, ebenso VwGH vom 26.1.2006, 2002/20/0423).
Bei dem Begriff „Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK“ handelt es sich nach gefestigter Ansicht der Konventionsorgane um einen autonomen Rechtsbegriff der Konvention.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR, Cruz Varas and others vs Sweden, 46/1990/237/307, 21.3.1991).
II.3.5.4. Basierend auf die getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellt, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den erst –bezogen auf das Lebensalter der bP – kurzen Aufenthalt und den niedrigen Integrationsgrad in Österreich, welcher darüber hinaus nur durch die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert wird.
II.3.5.5. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf das Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, welche in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, der Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Zweifellos handelt es sich sowohl bei der bB als auch beim ho. Gericht um öffentliche Behörden im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK und ist der Eingriff in § 10 AsylG gesetzlich vorgesehen.
Es ist in weiterer Folge zu prüfen, ob ein Eingriff in das Recht auf Achtung der durch Art. 8 (1) EMRK geschützten Rechte des Beschwerdeführers im gegenständlichen Fall durch den Eingriffsvorbehalt des Art. 8 EMRK gedeckt ist und ein in einer demokratischen Gesellschaft legitimes Ziel, nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSv. Art. 8 (2) EMRK, in verhältnismäßiger Wiese verfolgt.
II.3.5.6. Im Einzelnen ergibt sich aus einer Zusammenschau der gesetzlichen Determinanten im Lichte der Judikatur Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Die bP sind den bereits genannten Zeitraum in Österreich aufhältig. Auch wenn weder das Gesetz noch die Judikatur eine fixe Aufenthaltsdauer nennen um diese im Lichte des Art. 8 EMRK relevant erscheinen zu lassen, ist im gegenständlichen Fall darauf hinzuweisen, dass die im gegenständlichen Fall vorliegende Aufenthaltsdauer zu kurz ist um von einer rechtlich relevanten Integration sprechen zu können.
Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 21.2.2020, Ra 2020/18/0002, mwN). Liegt - wie im gegenständlichen Fall - eine relativ kurze Aufenthaltsdauer des Betroffenen in Österreich vor, so wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig erwartet, dass die in dieser Zeit erlangte Integration außergewöhnlich ist, um die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären (vgl. etwa VwGH 30.12.2019, Ra 2019/18/0498, mwN).
Mit negativem Abschluss des Asylverfahrens lebt auch die Rechtswidrigkeit des Aufenthalts, sowie die Strafbarkeit der rechtswidrigen Einreise in Bezug auf die bPwieder auf (vgl. § 120 Abs. 1 iVm Abs. 7 FPG), bzw. kommt die Strafbarkeit gem. § 120 Abs. 1a leg. cit. im Falle der unterlassenen Ausreise innerhalb der festgesetzten Frist hinzu. Dieser Umstand stellt einen Sachverhalt mit hohem sozialen Unwert dar, was sich insbesondere auch in den vergleichsweise hohen Strafdrohungen zeigt, woraus abzuleiten ist, dass der Gesetzgeber bereits durch diese generalpräventiv wirkende Strafdrohung die Einhaltung der Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen im Rahmen seines rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes als einen äußerst erstrebenswerten Umstand im Rahmen der öffentlichen Ordnung betrachtet.
Auch wenn im Rahmen dieses Faktums entsprechend der aktuellen Judikatur zu berücksichtigen ist, dass eine Antragstellung vom Ausland aus nicht möglich und daher -de facto in den überwiegenden Fällen- eine solche erst nach illegaler Einreise möglich ist, muss auch darauf hingewiesen werden, dass die handlungsfähigen bP die rechtswidrige Einreise sichtlich in Umgehungsabsicht von fremden- und niederlassungsrechtlichen Vorschriften zur Stellung eines sichtlich unbegründeten Antrages auf internationalen Schutzes vornahm und die Behörden wiederholt täuschten, was wiederum sehr wohl fremdenrechtlichen Interessen, im Sinne eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung berührt.
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens [Privatlebens]
Die bP verfügen über die sich aus der Verweildauer ergebenen privaten und in Bezug auf die Eltern der bP2 ergebende familiäre Anknüpfungspunkte
- die Schutzwürdigkeit des Familienlebens [Privatlebens]
Die bP begründete ihr Privat- bzw. Familienleben an einem Zeitpunkt, als der Aufenthalt durch die Stellung eines unbegründeten Asylantrages vorübergehend legalisiert wurde. Auch war der Aufenthalt der bP zum Zeitpunkt der Begründung der Anknüpfungspunkte im Rahmen des Privat- und Familienlebens ungewiss und nicht dauerhaft, sondern auf die Dauer des Asylverfahrens beschränkt. Es ist auch festzuhalten, dass die bP nicht gezwungen sind, nach einer Ausreise die bestehenden Bindungen zur Gänze abbrechen zu müssen. So stünde es ihr frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es der bP –so wie jedem anderen Fremden auch- sich um eine legale Wiedereinreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.
Soweit familiäre Bindungen zu den Eltern der bP2 bestehen wird auf die bereits getroffenen Ausführungen verwiesen, wonach kein relevantes qualifiziertes Abhängigkeitsverhältnis besteht.
Das Vorbringen der bP lässt auch erkennen, dass diese sichtlich hier auch die Sach- und Rechtslage, wonach ein Aufenthalt in Österreich primär und regelmäßig unter Einhaltung der fremden- und niederlassungsrechtlichen Bestimmungen zu begründen und fortzusetzen ist, verkennen. Auch ergibt sich hieraus, dass beim Fehlen eines gültigen Aufenthaltstitels den Fremden –von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen- die Obliegenheit zukommt, das Bundesgebiet zu verlassen.
Nur beim Vorliegen von außergewöhnlichen, besonders berücksichtigenden Sachverhalten kann sich ergeben, dass den Fremden, welche rechtswidrig in das Bundesgebiet einreisten oder sich rechtswidrig in diesem aufhalten, ihre Obliegenheit zum Verlassen des Bundesgebietes nachgesehen und ein Aufenthaltsrecht erteilt wird. Derartige Umstände liegen im gegenständlichen Fall nicht vor. Sollte bei den bP die gegenteilige Erwartungshaltung geweckt wurden sein, hat das ho. Gericht dennoch im Rahmen der Gesetze (Art. 18 B-VG) entgegen dieser Erwartungshaltung zu entscheiden.
Keinesfalls entspricht es der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Systematik, dass das Knüpfen von privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkten nach rechtswidriger Einreise oder während eines auf einen unbegründeten Antrag fußenden Asylverfahrens im Rahmen eines Automatismus zur Erteilung eines Aufenthaltstitels führen. Dies kann nur ausnahmsweise in Einzelfällten, beim Vorliegen eines besonders qualifizierten Sachverhalts der Fall sein, welcher hier bei weitem nicht vorliegt (vgl. hier etwa Erk. d. VfGH U 485/2012-15 vom 12.06.2013).
Soweit die bP die Abhängigkeit der Eltern, insbesondere des Vaters der bP2 vorbringen, ist einerseits festzuhalten, dass die bP1 im Rahmen ihrer freien Erzählung keine Unterstützungshandlungen nannte, welche sie im Alltag erbringt, sondern erst nach suggestiven Nachfragen durch die Vertretung hierauf einging und lediglich die bP2 Unterstützungsdienste nannte. Die bP beschrieben im Rahmen des Verfahrens keine Unterstützungshandlungen, welche in Bezug auf die Eltern der bP auch nicht das österreichische Pflege- und Gesundheitssystem übernehmen kann, zu welchem diese aufgrund der Versicherung bei der ÖGK Zugang haben. Einem allfälligen Misstrauen gegenüber dem Pflegepersonal bzw. eine Scheu und darauf sich ergebendes psychisches Ungemach kann ebenfalls im Rahmen der von diesem System gebotenen Instrumentarien entgegengetreten werden. Die sprachlichen Defizite der Eltern der bP2 könnten durch die bP, welche selbst kaum über Deutschkenntnisse verfügen, nicht kompensiert werden, deren Fehlen steht jedoch den getroffenen Einschätzungen nicht entgegen, zumal auf Dolmetscherdienste, Einsicht in die Befundlage und sensibles Vorgehen durch das Pflegepersonal zurückgegriffen werden kann, zumal es als notorisch bekannt angesehen werden kann, dass entsprechendes Pflegepersonal regelmäßig mit Menschen zu tun hat, welche sich nicht artikulieren können.
Ebenso sei auch darauf hingewiesen, dass den bP zum Zwecke des Treffens entsprechender organisatorische Vorbereitungshandlungen im Rahmen der Pflege der Eltern, insbesondere des Vaters der bP2 eine entsprechende längere Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde.
- Grad der Integration
Die festgestellten sozialen Anknüpfungspunkte und Sprachkenntnisse der bP führen für sich im Rahmen einer Interessensabwägung zu keinem Überwiegen der privaten Interessen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen, wonach selbst die –hier bei weitem nicht vorhandenen- Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029).
Zur Einstellungszusage der bP2 ist festzuhalten, dass diese lediglich eine einseitige, sichtlich nicht einklagbare Willenserklärung darstellt. Selbst wenn man davon ausginge, dass eine rechtsverbindliche Zusage bestünde, die bP im Falle es Erhalt eines Bleiberechts auf Dauer einzustellen, ist festzuhalten, dass entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes einer bloßen Arbeitsplatzzusage für den hypothetischen Fall eines legalen Aufenthalts in der Zukunft keine entscheidende Bedeutung zukommen kann (vgl. VwGH 21.1.2010, 2009/18/0523; 29.6.2010, 2010/18/0195; 17.12.2010, 2010/18/0385; 22.02.2011, 2010/18/0323).
- Bindungen zum Herkunftsstaat
Die bP gehören der Mehrheits- und Titularethnie Armeniens an, bekennen sich zum dortigen Mehrheitsglauben und sprechen die dortige Mehrheitssprache. Sie hielten sich bereits in Armenien auf. Es deutet daher nichts darauf hin, dass es den bP im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat Armenien nicht möglich wäre, sich in die dortige Gesellschaft zu integrieren.
- strafrechtliche Unbescholtenheit
Die Feststellung, wonach die bP strafrechtlich unbescholten sind, relativiert sich in Bezug auf die strafunmündigen bP sowie durch den erst verhältnismäßig kurzen Aufenthalt der bP und stellt darüber hinaus laut Judikatur weder eine Stärkung der persönlichen Interessen noch eine Schwächung der öffentlichen Interessen dar (VwGH 21.1.1999, Zahl 98/18/0420). Der VwGH geht wohl davon aus, dass es von einem Fremden, welcher sich im Bundesgebiet aufhält als selbstverständlich anzunehmen ist, dass er die geltenden Rechtsvorschriften einhält. Zu Lasten der bP ins Gewicht fallen jedoch sehr wohl rechtskräftige Verurteilungen durch ein inländisches Gericht (vgl. Erk. d. VwGH vom 27.2.2007, 2006/21/0164, mwN, wo dieser zum wiederholten Male klarstellt, dass das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung den öffentlichen Interessen im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK eine besondere Gewichtung zukommen lässt).
- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts
Die bP reisten rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und verletzte sie hierdurch das hoch einzuschätzende Öffentliche Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremden- und Niederlassungsrecht.
Zur Rechtswidrigkeit der Einreise ist im gegenständlichen Fall zwar festzuhalten, dass armenische Staatsbürger gegenwärtig und zum Zeitpunkt der Einreise der bP zwar zur visafreien Einreise berechtigt sind, jedoch nur in jenen Fällen welche vom Abkommen zwischen der EU und der Republik Armenien umfasst sind (dies sind Reisen zu Geschäfts-, Touristik- und familiären Zwecken für die Dauer von maximal 90 Tagen). Der Reisezweck der bP ist hiervon nicht erfasst, weshalb sie visapflichtig gewesen wären und somit rechtswidrig einreisten.
Auf das Wiederaufleben der Strafbarkeit der seinerzeitigen rechtswidrigen Einreise und die hierzu bereits angestellten Überlegungen wird an dieser Stelle nochmals verweisen.
- die Frage, ob das Privat- und Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren
Den volljährigen bP musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die rechtswidrige Einreise den Umstand, dass der bP die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war, da davon auszugehen ist, dass sie in diesem Fall die Art der legalen Einreise und Niederlassung gewählt hätten.
- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer
Ein derartiges Verschulden kann aus der Aktenlage nicht entnommen werden.
-Auswirkung der allgemeinen Lage in Armenien auf die bP
Der Verwaltungsgerichtshof geht in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass dem –unter Eingriffsvorbehalt sehenden- Art. 8 EMRK innewohnenden Recht auf das Privat- und Familienleben auch ein Recht auf körperliche Unversehrtheit abzuleiten ist (vgl. etwa Erk. d. VwGH vom 28.6.2016, Ra 2015/21/0199-8). Vor diesem Hintergrund ist die Zulässigkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen im Lichte des Art. 8 EMRK auch vor dem Hintergrund der Lage im Herkunftsstaat, welche die bP im Falle einer Rückkehr vorfindet, zu prüfen, wobei bereits an dieser Stelle Art. 8 EMRK –anders als Art. 3 leg. cit.- einen Eingriffsvorbehalt kennt.
Im Rahmen der Beurteilung der allgemeinen Lage in der der Republik Armenien ergaben sich im gegenständlichen Fall keine Hinweise auf einen aus diesem Blickwinkel relevanten Sachverhalt.
- weitere Erwägungen
Der EGMR wiederholt in stRsp, dass es den Vertragsstaaten zukommt, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten, insb. in Ausübung ihres Rechts nach anerkanntem internationalem Recht und vorbehaltlich ihrer vertraglichen Verpflichtungen, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden zu regeln. Die Entscheidungen in diesem Bereich müssen insoweit, als sie in ein durch Art. 8 (1) EMRK geschütztes Recht eingreifen, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig sein, dh. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt und va. dem verfolgten legitimen Ziel gegenüber verhältnismäßig sein.
Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Artikel 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251, uva) und stellt beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen dar, was eine Ausweisung [nunmehr „Rückkehrentscheidung“] als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190).
Ebenso wird durch die wirtschaftlichen Interessen an einer geordneten Zuwanderung und das nur für die Dauer des Asylverfahrens erteilte Aufenthaltsrecht, das fremdenpolizeiliche Maßnahmen nach (negativer) Beendigung des Asylverfahrens vorhersehbar erscheinen lässt, die Interessensabwägung anders als in jenen Fällen, in welchen der Fremde aufgrund eines nach den Bestimmungen des NAG erteilten Aufenthaltstitels aufenthaltsberechtigt war, zu Lasten des (abgelehnten) Asylsuchenden beeinflusst (vgl. Feßl/Holzschuster, AsylG 2005, Seite 348).
Den wirtschaftlichen Wohl des Landes iSd Art. 2 EMRK widerspricht auch die bereits beschriebene Auslagerung der Behandlung der bP2 von Armenien nach Österreich, obwohl ihr eine Behandlung in Armenien ebenfalls möglich und zumutbar wäre.
Es ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Notwendigkeit einer [damals] Ausweisung von Relevanz, ob der Fremde seinen Aufenthalt vom Inland her legalisieren kann. Ist das nicht der Fall, könnte sich der Fremde bei der Abstandnahme von der [damals] Ausweisung [nunmehr Rückkehrentscheidung] so wie im gegenständlichen Fall unter Umgehung der aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen den tatsächlichen (illegalen) Aufenthalt im Bundesgebiet auf Dauer verschaffen, was dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenrechts zuwiderlaufen würde.
Gem. Art 8 Abs. 2 EMRK ist ein Eingriff in das Grundrecht auf Privat- und/oder Familienleben zulässig, wenn dies zur Erreichung der in Abs. 2 leg cit genannten Ziele notwendig ist. Die zitierte Vorschrift nennt als solches Ziel u.a. die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, worunter nach der Judikatur des VwGH auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist. Die für den Aufenthalt von Fremden maßgeblichen Vorschriften finden sich –abgesehen von den spezifischen Regelungen des AsylG- seit 1.1.2006 nunmehr im NAG bzw. FPG.
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist für die Gesellschaft von wesentlicher Bedeutung und diese Wertung des Gesetzgebers geht auch aus dem Inhalt des Fremdenrechtspakets 2005 und den danach folgenden Novellierungen klar hervor. Demnach ist es gemäß den nun geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen für den Beschwerdeführer grundsätzlich nicht mehr möglich, seinen Aufenthalt vom Inland her auf Antrag zu legalisieren, da eine Erstantragsstellung für solche Fremde nur vom Ausland aus möglich ist. Im gegenständlichen Fall ist bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Sachverhalt ersichtlich, welcher die Annahme rechtfertigen würde, dass dem Beschwerdeführer gem. § 21 (2) und (3) NAG die Legalisierung seines Aufenthaltes vom Inland aus offen steht, sodass ihn mit rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens eine unbedingte Ausreiseverpflichtung trifft, zu deren Durchsetzung es einer Rückkehrentscheidung bedarf.
Mit dem seit der Zustellung des gegenständlichen Erkenntnisses rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens sind die Beschwerdeführer nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen sei ergänzend das Erkenntnis des VfGH 17. 3. 2005, G 78/04 ua erwähnt, in dem dieser erkennt, dass auch das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den Interessen des Fremden bei der Ausweisung [bzw. nunmehr Rückehrentscheidung] von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen sind.
Wie bereits erwähnt, garantiert die EMRK gemäß der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) Ausländern kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Ausweisungsentscheidung) aber auch in das nach Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben eines Fremden eingreifen (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland oder BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Im Lichte der Rechtsprechung des EGMR zur Ausweisungs- und Abschiebungspraxis der Vertragsstaaten dürfte es für den Schutzbereich des Anspruches auf Achtung des Privatlebens nach Artikel 8 EMRK hingegen nicht ausschlaggebend sein, ob der Aufenthalt des Ausländers - im Sinne einer Art „Handreichung des Staates“ - zumindest vorübergehend rechtmäßig war (vgl. Ghiban gg. Deutschland, 16.09.2004, 11103/03; Dragan gg. Deutschland, 07.10.2004, Bsw. Nr. 33743/03; SISOJEVA (aaO.)) bzw. inwieweit die Behörden durch ihr Verhalten dazu beigetragen haben, dass der Aufenthalt des Betreffenden bislang nicht beendet wurde.
Wenn man – wie die aktuelle Judikaturentwicklung des EGMR auch erkennen lässt – dem Aufenthaltsstatus des Fremden für die Beurteilung des Vorliegens eines Eingriffes in das durch Artikel 8 EMRK geschützte Privatleben keine Relevanz beimisst, so wird die Frage der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts jedenfalls im Rahmen der Schrankenprüfung nach Artikel 8 Absatz 2 EMRK Berücksichtigung zu finden haben.
In seinem Erkenntnis Rodrigues da Silva and Hookkamer v. the Netherlands vom 31. Jänner 2006, Zahl 50435/99 führte der EGMR unter Verweis auf seine Vorjudikatur aus, dass es ua. eine wichtige Überlegung darstellt, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, an dem sich die betreffenden Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart war, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland vom vornherein unsicher war. Er stellte auch fest, dass die Ausweisung eines ausländischen Familienmitgliedes in solchen Fällen nur unter ganz speziellen Umständen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bewirkt.
Der GH führte weiters –wiederum auf seine Vorjudikatur verweisend- aus, dass Personen, welche die Behörden eines Vertragsstaates ohne die geltenden Rechtsvorschriften zu erfüllen, als fait accompli mit ihrem Aufenthalt konfrontieren, grundsätzlich keinerlei Berechtigung haben, mit der Ausstellung eines Aufenthaltstitels zu rechnen.
II.3.5.7. Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip [„no one can profit from his own wrongdoing“], auch den allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen [VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007]).
Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts der bP im Bundesgebiet das persönliche Interesse der bP am Verbleib im Bundesgebiet deutlich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen (und auch in den Beschwerden nicht vorgebracht worden), dass im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.
Im Rahmen der Umsetzung der Rückkehrentscheidung ist darauf zu achten, dass die Obsorge der minderjährigen bP nicht verunmöglicht wird, es sei denn, diese entziehen sich der Abschiebung.
II.3.5.8. Zulässigkeit der Abschiebung
II.3.5.8.1. Gemäß § 50 FPG ist die Abschiebung Fremder in einen Staat unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder Art. 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre, die bP dort der Gefahr einer Verfolgung aus einem Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK bestünde oder eine Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegenstünde.
II.3.5.8.2. Im gegenständlichen sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffenen Feststellungen keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung nach Armenien unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in gegenständlichen Beschwerden nicht schlüssig dargelegt und wurden bzw. werden hierzu bereits zu den Ausführungen zu den Punkten II.3.2., II.3.3., sowie II.3.4.8.2. des gegenständlichen Erkenntnisses entsprechende Ausführungen getätigt, welche auch die in § 50 Abs. 1 und 2 FPG erforderlichen Subsumtionen bereits vorwegnehmen.
II.3.5.8.3. Eine im § 50 Abs. 3FPG genannte Empfehlung des EGMR liegt ebenfalls nicht vor.
II.3.5.8.4. Aufgrund der oa. Ausführungen ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung davon auszugehen, dass die Abschiebung der bP in ihren Herkunftsstaat zulässig ist.
II.3.5.9. Wie bereits erwähnt, erteilte die bB den bP zurecht kein Aufenthaltsrecht gem. § 57 AsylG.
II.3.5.10. Die Verhältnismäßigkeit der seitens der belangten Behörde getroffenen fremdenpolizeilichen Maßnahme der Rückkehrentscheidung ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei um das gelindeste fremdenpolizeiliche Mittel handelt, welches zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet erschien.
II.3.5.11. Die spruchgemäß eingeräumte Frist für die freiwillige Ausreise erfolgte zum Zweck, den bP die Möglichkeit einzuräumen, die Pflege der Eltern, insbesondere des Vaters der bP zu regeln.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das ho. Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des VwGH, insbesondere zur Auslegung des Begriffs des internationalen Schutzes, sowie des durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienlebens abgeht. Im Hinblick auf die Frage der Vorgangsweise im Falle des Vorliegens zweier Herkunftsstaaten, sowie Auslegung des Rechtsinstituts des sicheren Herkunftsstaates orientiert sich das ho. Gericht ebenfalls an der hierzu einheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur.
Ein wesentlicher Schwerpunkt des gegenständlichen Erkenntnisses stellten Fragen der Beweiswürdigung dar, welche einer Revision nicht zugänglich sind.
Im Falle verfahrensrechtlicher Neuordnungen wird auch die einheitliche Judikatur zu den Vorgängerbestimmungen verwiesen.
Der gegenständliche Fall beinhaltet letztlich keine grundsätzlichen, von der höchst-gerichtlichen Judikatur nicht beantwortete Rechtsfragen, welchen über den gegenständlichen Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukämen.
Aufgrund der oa. Ausführungen war die Revision nicht zuzulassen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)
