Zusatzinformationen | |
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Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 256 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Gegenstandsloserklärung, Zurückweisung, Zurücknahmebescheid, Mängelbehebungsauftrag, Berufungsbefugnis, Berufungsfrist, Feststellungsbescheid, Rechtsmittelverzicht |
Verweise: | § 190 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
1. Allgemeines
Die Erlassung einer Berufungsvorentscheidung (§ 276 Abs. 1 BAO) setzt ua voraus, dass keine Formalentscheidung über die Berufung zu erfolgen hat.
Formalentscheidungen über Berufungen sind:
- Gegenstandsloserklärungsbescheide (gemäß § 256 Abs. 3 BAO bei Zurücknahme der Berufung oder nach § 274 BAO, soweit dem Berufungsbegehren in einem den angefochtenen Bescheid ersetzenden Bescheid entsprochen wird),
- Zurückweisungsbescheide (§ 273 BAO; Zurückweisung der Berufung wegen Unzulässigkeit oder wegen nicht fristgerechter Einreichung),
- Zurücknahmebescheide (insbesondere nach Mängelbehebungsaufträgen gemäß § 85 Abs. 2 BAO bei Formgebrechen oder gemäß § 275 BAO bei inhaltlichen Mängeln der Berufung).
2. Gegenstandsloserklärung der Berufung (§ 256 BAO)
2.1 Zurücknahme von Berufungen
Die Zurücknahme einer Berufung ist bis zur Bekanntgabe der Entscheidung über die Berufung (somit bis zur Zustellung bzw. zur Verkündung der Entscheidung) zulässig (§ 256 Abs. 1 erster Satz BAO).
Die Zurücknahme ist schriftlich oder zur Niederschrift zu erklären (§ 256 Abs. 1 zweiter Satz BAO).
Die Zurücknahme der Berufung ist nicht widerrufbar (zB VwGH 3.4.1973, 1502/72; VwGH 8.3.1991, 90/17/0328).
Eine bedingte Zurückziehung der Berufung ist wirkungslos (zB VwGH 28.1.1994, 91/17/0070, 0126).
Willensmängel (zB Drohung, Zwang, Irrtum) führen zur Ungültigkeit der Zurückziehung (vgl. zB UFS 9.9.2004, RV/0709-L/03).
Wurden Berufungen von mehreren Berufungsbefugten eingebracht, so ist die Zurücknahme nur wirksam, wenn alle Berufungen zurückgenommen werden. Dies gilt beispielsweise, wenn ein Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften einer KG von der KG sowie von einem Gesellschafter oder von mehreren Gesellschaftern angefochten ist.
Die Zurücknahme ist bei Vorliegen von Beitrittserklärungen nur wirksam, wenn ihr alle zustimmen, die der Berufung beigetreten sind (§ 256 Abs. 2 BAO).
Die Zurücknahme der Berufung steht einer neuerlichen Einbringung einer Berufung gegen den betreffenden Bescheid entgegen (vgl. zB VwGH 7.12.1972, 847/71).
2.2 Gegenstandsloserklärungsbescheid (§ 256 Abs. 3 BAO)
Die Erlassung von Gegenstandsloserklärungsbescheiden (§ 256 Abs. 3 BAO) obliegt sowohl der Abgabenbehörde erster Instanz als auch jener zweiter Instanz. Die Berufungsvorlage berührt nicht die diesbezügliche Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz (dem § 276 Abs. 6 vorletzter Satz BAO zufolge).
Gegenstandsloserklärungsbescheide sind abgesondert anfechtbar (mit Berufung bzw. mit Beschwerde beim VwGH und beim VfGH).
Auch nach Ergehen einer Berufungsvorentscheidung und Einbringung eines Vorlageantrages ist die Zurücknahme der Berufung zulässig. Diesfalls bewirkt der Gegenstandsloserklärungsbescheid die Aufhebung der Berufungsvorentscheidung (und damit das Wiederaufleben des mit Berufung angefochtenen Bescheides).
3. Zurückweisung gemäß § 273 BAO
3.1 Rechtsgrundlage
Eine Berufung ist gemäß § 273 Abs. 1 BAO durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.
3.2 Unzulässigkeit
3.2.1 Allgemeines
Eine Berufung ist insbesondere unzulässig
- bei mangelnder Aktivlegitimation des Einschreiters,
- bei mangelndem Bescheidcharakter der angefochtenen Erledigung,
- bei mangelnder Wirksamkeit des Bescheides, etwa weil er nicht zugestellt wurde oder weil er an eine rechtlich nicht (mehr) existente Person gerichtet ist,
- bei (gültigem und wirksamem) Rechtsmittelverzicht (§ 255 BAO).
Eine Berufung darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Berufungsfrist eingebracht wurde (§ 273 Abs. 2 BAO).
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es auf den Inhalt, das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes an, und nicht auf die Bezeichnung des Schriftsatzes und auf verbale äußere Formen (zB VwGH 23.4.2001, 99/14/0104). Die gilt auch für Berufungen und für Vorlageanträge.
3.2.2 Befugnis zur Einbringung einer Berufung
3.2.2.1 Grundsatz (§ 246 Abs. 1 BAO)
Nach § 246 Abs. 1 BAO ist jeder zur Einbringung einer Berufung befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist.
Berufungsbefugt ist nur der, für den der Bescheid inhaltlich bestimmt ist und dem er auch wirksam bekanntgegeben wurde (zB VwGH 7.3.1991, 90/16/0043; VwGH 11.2.1992, 91/15/0121).
Nicht berufungsbefugt sind beispielsweise
- nicht mit Abgabenbescheid in Anspruch genommene Gesamtschuldner (zB VwGH 19.9.2001, 2001/16/0253),
- nicht mit Haftungsbescheid in Anspruch genommene Haftungspflichtige (zB VwGH 27.4.1994, 92/13/0016;
- lediglich zivilrechtlich gegenüber dem Abgabepflichtigen regresspflichtige Personen (vgl. VwGH 15.2.1985, 85/17/0006).
3.2.2.2 Feststellungsbescheide
Über den Personenkreis des § 246 Abs. 1 BAO hinaus erweitert § 246 Abs. 2 BAO die Berufungsbefugnis für Feststellungsbescheide auf jeden, gegen den solche Bescheide wirken (nach § 191 Abs. 3 lit. b BAO).
§ 191 Abs. 3 lit. b BAO betrifft Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften (§ 188 BAO).
Feststellungsbescheide (§ 188 BAO) wirken gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen (§ 191 Abs. 3 lit. b BAO). Diese Wirkung erstreckt sich auf alle Personen, die im Spruch des Feststellungsbescheides als an den gemeinschaftlichen Einkünften beteiligt bezeichnet werden (VwGH 21.4.2005, 2003/15/0022).
Die Berufungsbefugnis jedes im Spruch Genannten setzt weiters voraus, dass der Feststellungsbescheid ihm gegenüber zugestellt ist oder (nach § 101 Abs. 3 BAO) als zugestellt gilt (vgl. zB VwGH 21.4.2005, 2003/15/0022).
Die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO ist nur anwendbar, wenn der Bescheid einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zugestellt wird, sowie wenn er einen Hinweis auf die Zustellfiktion enthält. § 101 Abs. 3 BAO gilt für Zustellungen nach Beendigung der Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit (zB nach Beendigung einer unechten stillen Gesellschaft oder nach Auflösung einer GesBR).
Nach § 190 Abs. 1 zweiter Satz BAO sind die für Feststellungsbescheide (§ 188 BAO) geltenden Vorschriften sinngemäß für Bescheide anzuwenden, mit denen ausgesprochen wird, dass eine solche Feststellung zu unterbleiben hat.
Die Wirksamkeit eines solchen "Nichtfeststellungsbescheides" setzt voraus, dass der Bescheid im Spruch die Beteiligten, die den Zufluss gemeinschaftlicher Einkünfte geltend machen (insbesondere in der Feststellungserklärung nach § 43 EStG 1988), namentlich bezeichnet.
Für nach Beendigung einer Personenvereinigung (Personengemeinschaft) zu erlassende Feststellungsbescheide (§ 188 BAO) ist § 101 Abs. 4 BAO anwendbar. Danach sind solche schriftlichen Ausfertigungen, die an diejenigen ergehen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind (vgl. § 191 Abs. 1 lit. c iVm Abs. 2 BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle, denen der Bescheid gemeinschaftliche Einkünfte zurechnet, als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.
§ 101 Abs. 4 BAO gilt dem § 190 Abs. 1 zweiter Satz BAO zufolge sinngemäß für Bescheide, mit denen ausgesprochen wird, dass die Feststellung zu unterbleiben hat.
3.2.2.3 Einheitswertbescheide
§ 246 Abs. 2 BAO erweitert die Berufungsbefugnis auf jeden, gegen den Einheitswertbescheide (§ 186 BAO) wirken.
Nach § 191 Abs. 3 lit. a BAO wirken einheitliche Bescheide über die Feststellung von Einheitswerten gegen alle, die am Gegenstand der Feststellung beteiligt sind.
Die Wirksamkeit solcher Bescheide setzt die namentliche Nennung der Beteiligten im Einheitswertbescheid voraus; weiters muss der Bescheid den Beteiligten gegenüber zugestellt sein oder (nach § 101 Abs. 3 BAO) als zugestellt gelten.
Zur Wirkung gegen den Rechtsnachfolger (und den Nachfolger im Besitz), auf den der Gegenstand der Feststellung nach dem Feststellungszeitpunkt übergegangen ist oder übergeht, siehe § 191 Abs. 4 BAO.
3.2.2.4 Grundsteuermessbescheide
Nach § 246 Abs. 2 BAO ist zur Einbringung einer Berufung gegen Grundsteuermessbescheide ferner jeder befugt, gegen den dieser Bescheid wirkt.
Zur Wirkungsfiktion bei Rechtsnachfolge und bei Nachfolge im Besitz siehe § 194 Abs. 5 BAO.
3.2.2.5 Haftungsbescheide
Nach § 248 BAO sind nach Abgabenvorschriften Haftungspflichtige innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Haftungsbescheid offenstehenden Frist befugt, auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch zu berufen.
Solche Bescheide über den Abgabenanspruch sind insbesondere Abgabenbescheide (§ 198 BAO) und Haftungsbescheide (vor allem die Haftung für Abfuhrabgaben gemäß § 202 BAO geltend machende Bescheide).
Dieses Berufungsrecht des zur Haftung Herangezogenen besteht auch dann, wenn die Berufung des Primärschuldners (Erstschuldners) gegen den betreffenden Bescheid bereits rechtskräftig erledigt ist (VwGH 20.1.2005, 2004/14/0105).
Aus dem Berufungsrecht des Haftungspflichtigen gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch ergibt sich, dass ihm über den Abgabenanspruch Kenntnis zu verschaffen ist (VwGH 2.7.2002, 96/14/0076). Dies geschieht nach Rz 1216 der RAE zweckmäßigerweise durch Zusendung einer Ausfertigung oder Ablichtung des an den Erstschuldner gerichteten Abgabenbescheides (gegebenenfalls einschließlich einer an den Erstschuldner gerichteten Berufungsvorentscheidung und Berufungsentscheidung). Dies gilt gleichermaßen, wenn ein Haftungsbescheid (§ 202 BAO) der Bescheid über den Abgabenanspruch ist.
Wurde kein Bescheid über den Abgabenanspruch erlassen, so kann der Haftungspflichtige die Höhe des Abgabenanspruches in der Berufung gegen den Haftungsbescheid anfechten (zB VwGH 30.10.2001, 98/14/0142).
Auch in diesem Fall ist dem Haftungspflichtigen Kenntnis von den Voraussetzungen, Inhalten und Gründen, die ein Bescheid über den Abgabenanspruch hätte, Kenntnis zu verschaffen. Mitteilungen über den Haftungsgegenstand (Anspruch, Art, Höhe, Grund) müssen in dem Maß gemacht werden, dass der Haftende zumindest den Kenntnisstand gewinnen kann, den er einnehmen könnte, wäre ihm der Abgabenbescheid zugeleitet worden (VwGH 28.6.2001, 2000/16/0561).
3.2.2.6 Beschlagnahmebescheide
Nach § 225 Abs. 1 zweiter Satz BAO gilt ua § 248 BAO sinngemäß für Beschlagnahmebescheide.
Daher ist der Adressat des Beschlagnahmebescheides befugt, auch gegen den Bescheid über den Abgabenanspruch innerhalb der für die Einbringung der Berufung gegen den Beschlagnahmebescheid offenstehenden Frist zu berufen.
Dem Bescheidadressaten ist daher Kenntnis über den Abgabenanspruch (zweckmäßigerweise durch Übersendung einer Ablichtung des Abgabenbescheides) zu verschaffen. Wurde kein solcher Abgabenbescheid erlassen, so sind das Bestehen und die Höhe des Abgabenanspruches in der Berufung gegen den Beschlagnahmebescheid anfechtbar.
3.2.3 Mangelnder Bescheidcharakter
Mit Berufung sind nur Bescheide anfechtbar; eine Berufung, die sich gegen eine Erledigung ohne Bescheidqualität richtet, ist unzulässig (VwGH 22.3.2006, 2006/13/0001).
Keine Bescheide sind beispielsweise:
- Betriebsprüfungsberichte (VwGH 27.4.1995, 93/17/0320),
- Unbedenklichkeitsbescheinigungen im Sinn des § 160 BAO (zB VwGH 4.12.2003, 2003/16/0091),
- Buchungsmitteilungen (VwGH 24.2.1999, 98/13/0234),
- Mahnungen (zB VwGH 24.1.2000, 96/17/0339; VwGH 15.5.2000, 95/17/0458),
- Rückstandsausweise (zB VwGH 24.10.2002, 2000/15/0141),
- Rechtsauskünfte gemäß § 90 EStG 1988 (zB VwGH 24.5.1993, 92/15/0037),
- Auskünfte nach dem Auskunftspflichtgesetz (zB VwGH 19.9.1989, 88/14/0198),
- Verständigungen gemäß § 81 Abs. 2 letzter Satz BAO über die Vertreterbestellung (VwGH 2.8.2000, 99/13/0209).
3.2.4 Keine Bekanntgabe (Zustellung) der Erledigung
Erledigungen werden dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie ihrem Inhalt nach bestimmt sind (§ 97 Abs. 1 erster Satz BAO).
Bei schriftlichen Erledigungen erfolgt die Bekanntgabe in der Regel durch Zustellung. Die Bekanntgabe mündlicher Erledigungen erfolgt durch Verkündung.
Schriftliche Bescheide gehören daher erst mit ihrer Zustellung an den (die) Bescheidadressaten dem Rechtsbestand an. Vorher sind sie rechtlich nicht existent.
3.2.5 Fehlerhafte Bescheidadressierung
Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat jeder Bescheid den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Die Personenumschreibung ist notwendiger Bestandteil eines Bescheidspruches. Bei natürlichen Personen hat die Bezeichnung des Bescheidadressaten durch Anführen seines Vor- und Zunamens zu erfolgen. Eine Adressierung "an die Erben nach H. M.", somit ohne Angabe der Namen dieser Erben, reicht nicht (VwGH 24.2.2005, 2000/15/0160).
Die Nennung des Bescheidadressaten im Adressfeld reicht (zB VwGH 25.9.2002, 2000/13/0203; VwGH 8.5.2003, 99/15/0184).
An rechtlich nicht oder nicht mehr existente Bescheidadressaten gerichtete Erledigungen sind rechtsunwirksam (nichtig).
Rechtsunwirksam sind somit beispielsweise nach Form und Inhalt von Bescheiden gestaltete Schriftstücke, die gerichtet sind an eine
- beendete GesBR (zB VwGH 26.6.2002, 97/13/0117; VwGH 25.11.2002, 2002/14/0133),
- beendete unechte stille Gesellschaft (VwGH 23.2.2005, 2002/14/0001),
- aufgelöste Miteigentümergemeinschaft (VwGH 29.9.1997, 93/17/0042),
- durch Verschmelzung erloschene GmbH (zB VwGH 19.6.2002, 99/14/0144; VwGH 19.1.2005, 2004/13/0164),
- verstorbene Person (VwGH 25.9.1992, 90/17/0331),
- Verlassenschaft nach Einantwortung (zB VwGH 9.2.2005, 2001/13/0042, 2001/13/0043).
- Eine GesBR (§ 1175 ABGB) endet mit ihrer Auflösung. Auflösungsgründe sind beispielsweise:
- Vereinbarung,
- Zeitablauf bei befristetem Gesellschaftsvertrag (§ 1205 ABGB),
- Aufkündigung der unbefristeten Gesellschaft durch einen Gesellschafter (§ 1212 ABGB).
- Eine stille Gesellschaft endet mit ihrer Auflösung. Auflösungsgründe sind beispielsweise:
- Kündigung der Gesellschaft durch einen der Gesellschafter (vgl. § 184 HGB bzw. ab 2007: § 184 UGB),
- Erreichung des vereinbarten Zweckes,
- Unmöglichwerden der Zweckerreichung,
- Eröffnung des Konkurses über das Vermögen eines Gesellschafters (vgl. § 185 HGB bzw. § 185 UGB),
- Tod des Inhabers des Handelsgewerbes (§ 185 Abs. 2 HGB) bzw. (ab 2007) des Inhabers des Unternehmens (§ 185 Abs. 2 UGB), jeweils nur dann, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt.
Durch den Tod des stillen Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst (§ 184 Abs. 2 HGB bzw. § 184 Abs. 2 UGB).
Die Parteifähigkeit einer OHG, KG, OEG, KEG (ab 2007: einer OG, KG) erlischt erst mit Vollbeendigung der Gesellschaft. Die Auflösung solcher Gesellschaften und die Löschung ihrer Firma im Firmenbuch beeinträchtigt ihre Parteifähigkeit so lange nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten (zB zu Abgabengläubigern) noch nicht vollständig abgewickelt sind (zB VwGH 29.3.2006, 2001/14/0091). Dies gilt auch für noch nicht abgeschlossene Feststellungsverfahren (VwGH 17.11.2004, 2000/14/0142).
Zur Vorgangsweise nach Beendigung von Personenvereinigungen (Personengemeinschaften) ohne eigene Rechtspersönlichkeit siehe §§ 19 Abs. 2, 81 Abs. 6, 101 Abs. 4 und 191 Abs. 2 BAO.
3.2.6 Aufgehobene Bescheide
Werden mit Berufung angefochtene Bescheide vor Berufungserledigung ersatzlos aufgehoben (somit nicht im Sinn des § 274 BAO durch an ihre Stelle tretende Bescheide ersetzt), so führt dies zur Unzulässigkeit der Berufung. Die Berufung ist daher als unzulässig geworden zurückzuweisen.
Verfahrenstitel für solche Aufhebungen sind vor allem
- § 299 Abs. 1 BAO (zB Aufhebung des Zwangsstrafenbescheides, weil die Androhung der Zwangsstrafe nicht zugestellt wurde),
- § 303 Abs. 4 BAO (zB Verfügung der Wiederaufnahme von Verfahren unter gleichzeitiger Aufhebung eines Abgabenbescheides von Amts wegen, wenn die für die Unzuständigkeit der Bescheidbehörde maßgebenden Tatsachen nachträglich neu hervorkommen).
Zu § 274 BAO siehe Abschnitt 4.
3.2.7 Rechtsmittelverzicht
Eine trotz Rechtsmittelverzichts eingebrachte Berufung ist unzulässig. Die Möglichkeit, den Bescheid hinsichtlich der Fälligkeit einer festgesetzten Abgabe anzufechten, bleibt unberührt (§ 255 Abs. 3 BAO).
Die Zurückweisung der Berufung wegen Unzulässigkeit setzt voraus, dass der Rechtsmittelverzicht wirksam und gültig ist.
Der vor Erlassung des Bescheides abgegebene Rechtsmittelverzicht ist nach § 255 Abs. 2 BAO nur wirksam, wenn aus der Verzichtserklärung (Niederschrift) hervorgeht, dass dem Verzichtenden im Zeitpunkt ihrer Abgabe der Inhalt des zu erwartenden Bescheides, bei Abgabenbescheiden die Grundlagen der Abgabenfestsetzung, die Höhe und die Abweichungen von den bisherigen Festsetzungen, bekannt waren.
Weicht der Bescheid von diesen Angaben ab, so wird der Rechtsmittelverzicht dadurch unwirksam.
Ein Rechtsmittelverzicht ist nur gültig, wenn keine Willensmängel vorliegen.
Zur Ungültigkeit führen vor allem
- physischer oder psychischer Zwang,
- Irrtum (§ 871 ABGB),
- Drohungen (vgl. § 870 ABGB),
- Verweigerung der erbetenen Bedenkzeit.
Zur Ungültigkeit der Verzichtserklärung führt ein wesentlicher Irrtum etwa dann, wenn er von der Abgabenbehörde veranlasst wurde (vgl. zB VwGH 16.3.2005, 2003/14/0005).
Rechtswidrige (zur Ungültigkeit von Rechtsmittelverzichten führende) Drohungen könnten etwa bei Androhung
- der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens,
- der Ausdehnung des Prüfungszeitraumes,
- einer überhöhten Schätzung von Abgabenbemessungsgrundlagen,
- einer Anzeige (zB gemäß § 86 StPO)
vorliegen.
Rechtswirkungen entfaltet ein (wirksamer und gültiger) Rechtsmittelverzicht nur für die Person, die ihn abgegeben hat. Für andere gegen den betreffenden Bescheid berufungsbefugte Personen entfaltet er keine Rechtsfolgen.
3.2.8 Unzulässigkeit abgesonderter Rechtsmittel
Gegen nur das Verfahren betreffende Verfügungen ist ein abgesondertes Rechtsmittel nicht zulässig. Sie können erst in der Berufung gegen den die Angelegenheit abschließenden Bescheid angefochten werden (§ 244 BAO).
Um die Rechtswidrigkeit einer verfahrensleitenden Verfügung im Berufungsverfahren geltend zu machen, genügt die Berufung gegen den abschließenden Bescheid. Eine gesonderte Anfechtung der verfahrensleitenden Verfügung (anlässlich der Berufung gegen den abschließenden Bescheid), somit eine zweite Berufung ist nicht erforderlich.
Solche Bescheide (sog. verfahrensleitende Verfügungen) sind beispielsweise:
- Mängelbehebungsauftrag (§ 85 Abs. 2 BAO),
- Auftrag zur unterschriebenen Bestätigung des Anbringens (§ 86a Abs. 1 letzter Satz BAO),
- Vorladung (§ 91 BAO),
- Ablehnung eines Antrages auf Verlängerung einer Frist (§ 110 Abs. 3 BAO),
- Androhung einer Zwangsstrafe (§ 111 Abs. 4 BAO),
- Aufforderung zur Einreichung einer Abgabenerklärung gemäß § 133 Abs. 1 BAO (vgl. VwGH 21.9.1988, 88/13/0161),
- Auskunftsverlangen gemäß § 143 BAO (VwGH 13.9.1973, 18/73),
- Prüfungsauftrag (§ 148 Abs. 4 BAO),
- Ergänzungsauftrag (§ 161 Abs. 1 BAO),
- Bedenkenvorhalt (§ 161 Abs. 2 BAO),
- Aufforderung zur genauen Bezeichnung von Gläubigern oder Empfängern gemäß § 162 Abs. 1 BAO,
- Ablehnung eines Beweisantrages (§ 183 Abs. 3 BAO),
- Mängelbehebungsauftrag gemäß § 275 BAO, § 303a BAO oder § 309a BAO.
Abgesonderte Rechtsmittel gegen verfahrensleitende Verfügungen sind als unzulässig zurückzuweisen (zB VwGH 26.1.1998, 97/17/0035).
3.2.9 Weitere Zurückweisungsgründe
Mit Berufung sind nur Bescheide, die Abgabenbehörden in erster Instanz erlassen, anfechtbar (vgl. § 243 BAO). Daher ist eine Berufung etwa gegen Bescheide des unabhängigen Finanzsenates oder des Bundesministeriums für Finanzen als unzulässig zurückzuweisen.
Anfechtbar ist nur der Spruch von Bescheiden. Daher ist eine ausschließlich gegen die Begründung eines Bescheides gerichtete Berufung als unzulässig zurückzuweisen (zB VwGH 18.11.2003, 2003/14/0083).
Bedingte Prozesshandlungen sind grundsätzlich unwirksam (vgl. zB VwGH 29.1.2004, 2002/15/0081, 2003/15/0081). Daher ist eine unter einer Bedingung eingebrachte Berufung als unzulässig zurückzuweisen (zB UFS 19.10.2005, RV/0228-G/05).
Beispiel:
Berufung gegen Umsatzsteuerbescheid unter der Bedingung, dass der EuGH eine Bestimmung des UStG 1994 für gemeinschaftsrechtswidrig hält.
Eventualanträge (daher auch eine in eventu eingebrachte Berufung) sind zulässig (vgl. zB VwGH 6.2.1990, 89/14/0256). Das Wesen eines Eventualantrages liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt (VwGH 9.8.2001, 2000/16/0624), sodass der Eventualantrag dann gegenstandslos wird, wenn dem Primärantrag stattgegeben wurde (VwGH 15.10.1991, 90/05/0214).
Beispiel:
Einbringung eines Antrages auf Berichtigung gemäß § 293b BAO. In eventu (für den Fall der Abweisung des Berichtigungsantrages) wird eine Berufung eingebracht.
Im Zweifel ist einem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (zB VwGH 28.1.2003, 2001/14/0229). Dies gilt auch, wenn zweifelhaft erscheint, ob eine zur Unwirksamkeit der Berufung führende Bedingung oder ein (zulässiger) Eventualantrag vorliegt.
Berufungen sind nach § 249 Abs. 1 BAO einzubringen
- bei der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat,
- bei der zur Entscheidung über die Berufung zuständigen Abgabenbehörde zweiter Instanz oder
- im Fall der Änderung der Zuständigkeit bei der neu zuständigen Abgabenbehörde.
Bei einer unzuständigen Abgabenbehörde einlangende Berufungen sind ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Behörde weiterzuleiten (nach § 50 Abs. 1 BAO).
Sobald die unzuständige Behörde die Eingabe an die zuständige weiterleitet, erlischt ihre diesbezügliche Entscheidungspflicht (vgl. zB VwGH 22.6.2001, 2000/13/0178). Besteht jedoch der Einschreiter durch ein ausdrückliches Anbringen auf der bescheidmäßigen Erledigung durch die sich als unzuständig ansehende Behörde, so ist die Eingabe mit Bescheid zurückzuweisen (vgl. VwGH 24.2.1993, 92/02/0309). Dies gilt auch für Berufungen.
3.3 Mangelnde Rechtzeitigkeit
3.3.1 Berechnung der Berufungsfrist
Ob eine Berufung fristgerecht ist, richtet sich primär nach § 245 BAO und nach den §§ 108 bis 110 BAO (weiters etwa nach § 93 Abs. 4 und 5 BAO).
Die Berufungsfrist: beträgt 1 Monat ab Bekanntgabe des Bescheides (§ 245 Abs. 1 BAO).
NachWochen, Monaten oder Jahren bestimmte Fristen enden mit Ablauf des Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, der durch seine Benennung oder Zahl dem für den Fristbeginn maßgebenden Tag entspricht. Fehlt dieser Tag im letzten Monat, so endet die Frist mit dem letzten Tag dieses Monats (§ 108 Abs. 2 BAO).
Beispiele (Monatsfrist):
Fristbeginn | Fristende |
12. Jänner | 12. Februar |
31. März | 30. April |
30. Juni | 30. Juli |
Fällt das Ende der Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so gilt der nächste Tag, wenn er nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist (§ 108 Abs. 3 BAO).
Beispiel:
Bescheidzustellung am 14. März 2006; die Berufungsfrist endet am Dienstag, den 18. April 2006 (14. April 2006 ist Karfreitag).
Tage des Postenlaufes werden nach § 108 Abs. 4 BAO in die Frist nicht eingerechnet, sofern das Schriftstück innerhalb der Frist der Post übergeben und auf dem Briefumschlag an die zuständige Behörde mit richtiger Anschrift gerichtet ist (vgl. zB VwGH 29.5.1985, 84/13/0079).
Enthält ein Bescheid die Ankündigung, es werde noch eine Begründung zum Bescheid separat ergehen, so wird die Berufungsfrist nicht vor Bekanntgabe der fehlenden Begründung oder der Mitteilung, dass die Ankündigung als gegenstandslos zu betrachten ist, in Lauf gesetzt (§ 245 Abs. 1 BAO).
Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt (§ 93 Abs. 4 BAO).
Ist in dem Bescheid eine kürzere oder längere als die gesetzliche Frist angegeben, so gilt das innerhalb der gesetzlichen oder der angegebenen längeren Frist eingebrachte Rechtsmittel als rechtzeitig erhoben (§ 93 Abs. 5 BAO).
3.3.2 Verlängerung der Frist
Die Verlängerung der Berufungsfrist ist aus berücksichtigungswürdigen Gründen, auch wiederholt, zulässig (§ 245 Abs. 3 BAO). Sie setzt einen vor Fristablauf gestellten Antrag voraus (vgl. zB VwGH 17.11.2004, 2000/14/0142).
Die Verlängerung liegt im Ermessen und hat mit Bescheid zu erfolgen.
Fristverlängerungsbescheide sind verfahrensleitende Verfügungen im Sinn des § 94 BAO. Sie können daher schriftlich oder mündlich erlassen werden. Telefonische Bescheide sind unwirksam (vgl. zB VwGH 17.11.2005, 2001/13/0279).
Die Hemmung der Berufungsfrist tritt ein (§ 245 Abs. 2 und 3 BAO)
- durch einen Antrag auf Mitteilung der einem Bescheid ganz oder teilweise fehlenden Begründung,
- durch einen Antrag auf Verlängerung der Berufungsfrist.
Die Hemmung der Frist beginnt mit dem Tag der Einbringung des Antrages (zB Postaufgabe, Überreichung), wenn die Einbringung innerhalb der Berufungsfrist erfolgt.
Ein verspäteter Antrag hat keine fristhemmende Wirkung (VwGH 8.3.1994, 91/14/0026). Wird einem nach Ablauf der Berufungsfrist gestellten Antrag entsprochen, so ist der Fristverlängerungsbescheid zwar rechtswidrig, aber wirksam (zB VwGH 17.11.2004, 2000/14/0142).
Telefonische Anträge sind wirkungslos (zB VwGH 17.11.2005, 2001/13/0279).
Die Hemmung endet mit dem Tag der Zustellung der Mitteilung der fehlenden Begründung bzw. der Entscheidung über den Fristverlängerungsantrag.
Die Hemmung als Folge des Fristverlängerungsantrages kann jedoch nicht dazu führen, dass die Berufungsfrist erst nach dem Zeitpunkt, bis zu dem letztmals ihre Verlängerung beantragt wurde, abläuft (§ 245 Abs. 4 letzter Satz BAO).
Beispiele: 1. Bescheidzustellung 4. Mai; Einbringung des Fristverlängerungsantrages 14. Mai; beantragte Frist 30. Juni; Zustellung der Abweisung des Antrages 28. Juni. Ende der Berufungsfrist jedenfalls 30. Juni.
2. Bescheidzustellung 10. Oktober; rechtzeitiger Fristverlängerungsantrag; beantragte Frist 25. November; Finanzamt reagiert nicht. Ende der Berufungsfrist daher 25. November.
3.4 Zuständigkeit, Rechtsschutz
Die Zurückweisung von Berufungen obliegt sowohl der Abgabenbehörde erster Instanz als auch jener zweiter Instanz.
Vor Zurückweisung einer Berufung als verspätet hat die Abgabenbehörde
- entweder von Amts wegen zu ermitteln, wann die Zustellung des angefochtenen Bescheides tatsächlich erfolgt ist bzw. ob die Zustellung überhaupt wirksam war (zB ob die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung gemäß § 16 ZustellG oder für eine Hinterlegung gemäß § 17 ZustellG vorgelegen sind) oder
- dem Berufungswerber die offenbare Verspätung vorzuhalten.
Bei Zustellungen ohne Zustellnachweis hat die Behörde im Zweifel die Tatsache und den Zeitpunkt der Zustellung von Amts wegen festzustellen (§ 26 Abs. 2 zweiter Satz ZustG). Die Beweislast liegt daher bei der Abgabenbehörde (zB VwGH 16.12.1999, 99/16/0113; VwGH 26.3.2003, 2001/13/0302 bis 0316).
Die Zurückweisung einer Berufung als nicht fristgerecht eingebracht ist auch zulässig, wenn ein Wiedereinsetzungsantrag (bezüglich der Berufungsfrist) noch unerledigt ist (vgl. zB VwGH 17.3.2005, 2005/16/0039). Verwaltungsökonomischer ist jedoch im Allgemeinen, zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag abzusprechen. Wird nämlich dem Wiedereinsetzungsantrag stattgegeben, so beseitigt dies den Zurückweisungsbescheid aus den Rechtsbestand (dem § 310 Abs. 3 BAO zufolge). Damit wird die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid unzulässig; sie ist daher als unzulässig geworden zurückzuweisen (unter Hinweis darauf, dass die Bewilligung der Wiedereinsetzung den angefochtenen Bescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt hat).
Wird ein Zurückweisungsbescheid von der Abgabenbehörde erster Instanz nach Berufungsvorlage erlassen, so hat diese Behörde hievon die Abgabenbehörde zweiter Instanz unverzüglich (unter Anschluss einer Bescheidausfertigung) zu verständigen (nach § 276 Abs. 6 vorletzter Satz BAO).
Zurückweisungsbescheide sind abgesondert anfechtbar (mit Berufung bzw. mit Beschwerde beim VwGH und beim VfGH; auch mit Amtsbeschwerde gemäß § 292 BAO).
4. Gegenstandsloserklärung gemäß § 274 BAO
Tritt ein Bescheid an die Stelle eines mit Berufung angefochtenen Bescheides, so gilt die Berufung als auch gegen den späteren Bescheid gerichtet. Soweit der spätere Bescheid dem Berufungsbegehren Rechnung trägt, ist die Berufung als gegenstandslos zu erklären (§ 274 BAO).
§ 274 BAO ist insbesondere anwendbar für
- endgültige Bescheide, die (gemäß § 200 Abs. 2 erster Satz BAO) nach vorläufigen Bescheiden ergehen,
- vorläufige Bescheide, die nach vorläufigen Bescheiden (nach § 200 Abs. 1 zweiter Satz BAO) erlassen werden,
- nachträglich (insbesondere gemäß § 295 Abs. 1 BAO) geänderte Bescheide,
- neue Sachbescheide, die bei Aufhebung gemäß § 299 Abs. 1 BAO ergehen,
- neue Sachbescheide, die bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen (§ 303 Abs. 4 BAO) ergehen,
- Stundungszinsen gemäß § 212 Abs. 2 letzter Satz BAO herabsetzende Bescheide,
- Aussetzungszinsen gemäß § 212a Abs. 9 zweiter Satz BAO herabsetzende Bescheide,
- Säumniszuschläge gemäß § 214 Abs. 5 BAO herabsetzende Bescheide,
- Säumniszuschläge gemäß § 217 Abs. 7, 8 oder 9 BAO herabsetzende Bescheide,
- Umsatzsteuerveranlagungsbescheide (§ 21 Abs. 4 UStG 1994), die an die Stelle von Umsatzsteuerfestsetzungsbescheiden (§ 21 Abs. 3 UStG 1994) treten (BMF, SWK 2005, S 425; UFS 4.7.2005, RV/0165-F/04).
§ 274 erster Satz BAO gilt auch dann, wenn im Zeitpunkt der Erlassung des Änderungsbescheides (§ 295 Abs. 1 BAO) die Berufung vorübergehend (durch eine Berufungsvorentscheidung) als erledigt gilt. Durch einen rechtzeitigen Vorlageantrag wird sie wieder unerledigt. Damit gilt die gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid gerichtete Berufung als auch gegen den Änderungsbescheid (§ 295 Abs. 1 BAO) gerichtet (BMF, SWK 2006, S 87).
Weiters gilt § 274 erster Satz BAO beispielsweise auch, wenn ein gemäß § 200 Abs. 1 BAO vorläufiger Bescheid gemäß § 293b BAO berichtigt und vor Erledigung der gegen den berichtigenden Bescheid gerichteten Berufung durch einen endgültigen Bescheid (§ 200 Abs. 2 BAO) ersetzt wird. Diesfalls tritt der endgültige Bescheid (ua) an die Stelle des berichtigenden Bescheides, sodass die gegen den auf § 293b BAO gestützten Bescheid gerichtete Berufung als auch gegen den endgültigen Bescheid gerichtet gilt (BMF, SWK 2005, S 425).
§ 274 BAO gilt nicht für
- gemäß § 295a BAO abändernde Bescheide,
- berichtigende Bescheide (insbesondere gemäß § 293 BAO oder gemäß § 293b BAO).
Der berichtigende Bescheid tritt nicht an die Stelle des berichtigten Bescheides. Daher wird die gegen den berichtigten Bescheid gerichtete Berufung durch die Erlassung des berichtigenden Bescheides nicht unzulässig. Diese Berufung gilt vielmehr als gegen den angefochtenen Bescheid (in der berichtigten Fassung) gerichtet.
Der Gegenstandsloserklärungsbescheid muss nicht "zugleich" mit dem Bescheid, der dem Berufungsbegehren (zur Gänze oder teilweise) Rechnung trägt, erlassen werden.
Zur Erlassung von Gegenstandsloserklärungsbescheiden ist sowohl die Abgabenbehörde erster Instanz als auch jene zweiter Instanz zuständig.
Die Berufungsvorlage (im Sinn des § 276 Abs. 6 erster Satz BAO) berührt die Zuständigkeit der Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung des Gegenstandsloserklärungsbescheides nicht (dem § 276 Abs. 6 dritter Satz BAO zufolge).
Werden nach Berufungsvorlage von der Abgabenbehörde erster Instanz erlassene Gegenstandsloserklärungsbescheide erlassen, so hat sie hievon unverzüglich die Abgabenbehörde zweiter Instanz unter Anschluss einer Bescheidausfertigung zu verständigen (§ 276 Abs. 6 vorletzter Satz BAO).
Gegenstandsloserklärungsbescheide sind mit Berufung bzw. mit Beschwerde beim VwGH und beim VfGH anfechtbar.
5. Zurücknahmebescheid gemäß § 85 Abs 2 BAO
Für Berufungen gilt auch § 85 Abs. 2 BAO (Mängelbehebungsverfahren bei Formgebrechen von Eingaben oder bei fehlender Unterschrift) und § 85 Abs. 4 BAO (Mängelbehebungsverfahren wegen fehlenden Nachweises der Vollmacht).
Ein Formgebrechen ist beispielsweise die Verwendung einer für den Einschreiter nicht zugelassenen Amtssprache.
Sowohl die Abgabenbehörde erster Instanz als auch jene zweiter Instanz sind für die Erlassung von Mängelbehebungsaufträgen und von Zurücknahmebescheiden zuständig.
Die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz lässt das Recht der Abgabenbehörde erster Instanz zur Erlassung von Bescheiden gemäß § 85 Abs. 2 BAO (Mängelbehebungsaufträge, Zurücknahmebescheide) unberührt (nach § 276 Abs. 6 dritter Satz BAO).
Die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist von nach Berufungsvorlage erlassenen Zurücknahmebescheiden der Abgabenbehörde erster Instanz unverzüglich (unter Anschluss einer Ausfertigung des Bescheides) zu verständigen (§ 276 Abs. 6 vorletzter Satz BAO).
§ 85 Abs. 2 BAO gilt für die nachträgliche Beibringung der Vollmacht sinngemäß, wenn ein Anbringen nicht vom Abgabepflichtigen selbst vorgebracht wird, ohne dass sich der Einschreiter durch eine schriftliche Vollmacht ausweisen kann und ohne dass § 83 Abs. 4 BAO Anwendung findet (§ 85 Abs.4 BAO).
6. Zurücknahmebescheid gemäß § 86a Abs. 1 BAO
Werden Anbringen nicht schriftlich, sondern zB unter Verwendung eines Telekopierers eingebracht, so stellt das Fehlen einer Unterschrift keinen Mangel dar (nach § 86a Abs. 1 vorletzter Satz BAO).
Die Abgabenbehörde kann jedoch, wenn es die Wichtigkeit des Anbringens zweckmäßig erscheinen lässt, dem Einschreiter die unterschriebene Bestätigung des Anbringens mit dem Hinweis auftragen, dass dieses nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt (§ 86a Abs. 1 letzter Satz BAO).
7. Zurücknahmebescheid gemäß § 275 BAO
7.1 Inhalt der Berufung (§ 250 Abs. 1 BAO)
Voraussetzung für die Beurteilung eines Schriftsatzes als Berufung (im Sinn der §§ 243 und 250 BAO) ist, dass aus dem Anbringen zumindest andeutungsweise zu entnehmen ist, die Partei beabsichtige eine behördliche Maßnahme zu bekämpfen. Lässt sich erkennen, dass der Einschreiter sich durch eine bestimmte Entscheidung beschwert fühlt und deren Nachprüfung begehrt, so ist vom Vorliegen einer Berufung auszugehen (zB VwGH 19.2.1997, 94/13/0269). Die Bezeichnung des Schriftsatzes ist bei der Beurteilung, ob eine Berufung vorliegt, nicht von ausschlaggebender Bedeutung (zB VwGH 12.8.2002, 2001/17/0171).
Die Berufung muss nach § 250 Abs. 1 BAO folgende Bestandteile enthalten:
a) die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,
b) die angefochtenen Teile des Bescheides,
c) die beantragten Änderungen (Berufungsbegehren),
d) eine Begründung.
Für § 250 Abs. 1 lit. a BAO genügt es, dass aus dem gesamten Inhalt des Rechtsmittels hervorgeht, wogegen es sich richtet, und die Abgabenbehörde auf Grund des Berufungsvorbringens nicht zweifeln kann, welcher Bescheid angefochten ist (zB VwGH 28.1.1998, 96/13/0081; VwGH 21.9.2005, 2001/13/0241).
Die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden (§ 250 Abs. 1 lit. c BAO), muss einen bestimmten oder zumindest bestimmbaren Inhalt haben (zB VwGH 26.5.2004, 2004/14/0035). Die Abgabenbehörde soll nämlich in die Lage versetzt werden, klar zu erkennen, welche Unrichtigkeit der Berufungswerber dem Bescheid zuschreiben will (zB VwGH 15.11.2004, 2004/14/0108).
Die Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit einer Erklärung, welche Änderungen beantragt werden, erfordert bei teilweiser Anfechtung des Bescheides die Erklärung, wie weit diese Anfechtung reicht (vgl. zB VwGH 15.11.2005, 2004/14/0108).
Der Antrag auf erklärungsgemäße Veranlagung entspricht dem Erfordernis des § 250 Abs. 1 lit. c BAO nur dann, wenn tatsächlich eine solche Abgabenerklärung eingereicht wurde (VwGH 20.7.1999, 93/13/0312).
Ist ein angefochtener Bescheid einer Abänderung nicht zugänglich, sodass das Berufungsbegehren der Natur der Sache nach nur auf die Aufhebung des angefochtenen Bescheides gerichtet sein kann, so ist mit einem auf Aufhebung des bekämpften Bescheides gerichteten Berufungsbegehren den Erfordernissen des § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO Genüge getan (zB VwGH 15.11.2005, 2004/14/0108).
Dies gilt beispielsweise für Berufungen gegen
- Zurücknahmebescheide gemäß § 85 Abs. 2 BAO,
- Wiederaufnahmsbescheide,
- Zurückweisungsbescheide.
Das ausdrückliche Begehren auf ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Abgabenbescheides genügt für § 250 Abs. 1 lit. b und c BAO (VwGH 30.9.1998, 93/13/0258). Dies gilt auch für Anträge auf ersatzlose Aufhebung von Haftungsbescheiden (VwGH 28.1.1998, 96/13/0081) oder von Beschlagnahmebescheiden.
Dem Fehlen einer Begründung (§ 250 Abs. 1 lit. d BAO) ist nicht gleichzuhalten, dass die Begründung allenfalls unschlüssig oder inhaltlich unzutreffend ist (zB VwGH 23.4.2001, 99/14/0104).
Mängelbehebungsaufträge dürfen nicht zur Beibringung von Beweismitteln erteilt werden (zB VwGH 17.12.1998, 97/15/0130); dies gilt beispielsweise für Aufträge zur Vorlage von Steuererklärungen und Steuerbilanzen (VwGH 14.10.1980, 1001/79).
7.2 Mängelbehebungsauftrag
Fehlen Inhaltserfordernisse des § 250 Abs. 1 BAO, so ist ein Mängelbehebungsauftrag (§ 275 BAO) zu erlassen. Im Mängelbehebungsauftrag ist dem Berufungswerber die Behebung der inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.
Die Erteilung von Mängelbehebungsaufträgen liegt nicht im Ermessen (zB VwGH 17.9.1996, 92/14/0081).
Eine körperliche Zurückstellung des Berufungsschriftsatzes zwecks Behebung der Mängel ist unzulässig.
Die Mängelbehebungsfrist ist verlängerbar; die Verlängerung liegt im Ermessen (zB VwGH 29.6.1999, 99/14/0123). Anträge auf Verlängerung der Mängelbehebungsfrist haben keine fristhemmende Wirkung (zB VwGH 30.9.1999, 99/15/0102; VwGH 22.12.2005, 2002/15/0166).
Der Umfang der Anfechtung kann im Berufungsverfahren nachträglich erweitert oder eingeschränkt werden (kein Neuerungsverbot, § 115 Abs. 4 BAO und § 280 BAO).
Der Mängelbehebungsauftrag ist ein Bescheid, nämlich eine verfahrensleitende Verfügung im Sinn der §§ 94 und 244 BAO; er ist daher nicht abgesondert anfechtbar (VwGH 27.2.1990, 89/14/0255).
7.3 Zurücknahmebescheid
Wird einem rechtmäßigen Mängelbehebungsauftrag nicht, nicht zeitgerecht oder unzureichend entsprochen, so ist die Abgabenbehörde verpflichtet, mit Zurücknahmebescheid vorzugehen (vgl. zB VwGH 17.9.1996, 92/14/0081). Der Zurücknahmebescheid ist mit Berufung bzw. mit Beschwerde beim VwGH und beim VfGH anfechtbar.
Von der Abgabenbehörde erster Instanz erlassene Zurücknahmebescheide sind (ebenso wie Mängelbehebungsaufträge) gemäß § 299 Abs. 1 BAO aufhebbar.
Ein Zurücknahmebescheid ist beispielsweise rechtswidrig,
- wenn der Berufung die im Mängelbehebungsauftrag behaupteten Mängel nicht anhaften,
- bei unangemessen kurzer Frist zur Mängelbehebung,
- wenn der Mängelbehebungsauftrag mangels zutreffender Bescheidadressierung oder mangels Zustellung nicht wirksam ergangen ist.
Sowohl die Abgabenbehörde erster Instanz als auch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist zuständig für die Erlassung von Mängelbehebungsaufträgen sowie von Zurücknahmebescheiden.
8. Hinweise
Die vorstehenden Ausführungen stellen die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen dar, die im Interesse einer bundeseinheitlichen Vorgangsweise mitgeteilt wird. Über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehende Rechte und Pflichten werden dadurch weder begründet noch können solche aus dem Erlass abgeleitet werden.
Bundesministerium für Finanzen, 6. Juli 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 256 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Gegenstandsloserklärung, Zurückweisung, Zurücknahmebescheid, Mängelbehebungsauftrag, Berufungsbefugnis, Berufungsfrist, Feststellungsbescheid, Rechtsmittelverzicht |
Verweise: | § 190 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |