Normen
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
BAO §108 Abs4;
BAO §256 Abs1;
BAO §276 Abs1;
BAO §92;
BAO §93 Abs2;
KanalG NÖ 1954;
KanalG NÖ 1977;
LAO NÖ 1977 §182 Abs1;
LAO NÖ 1977 §183 Abs1;
LAO NÖ 1977 §200 Abs1;
LAO NÖ 1977 §206 Abs1;
LAO NÖ 1977 §70 Abs2;
LAO NÖ 1977 §86 Abs4;
VwRallg;
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §58 Abs1;
BAO §108 Abs4;
BAO §256 Abs1;
BAO §276 Abs1;
BAO §92;
BAO §93 Abs2;
KanalG NÖ 1954;
KanalG NÖ 1977;
LAO NÖ 1977 §182 Abs1;
LAO NÖ 1977 §183 Abs1;
LAO NÖ 1977 §200 Abs1;
LAO NÖ 1977 §206 Abs1;
LAO NÖ 1977 §70 Abs2;
LAO NÖ 1977 §86 Abs4;
VwRallg;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1.0. Aus der Beschwerde und dem angefochtenen Bescheid ergibt sich im wesentlichen nachstehender Sachverhalt:
1.1. Im Nachhang zu einer am 13. November 1968 aufgenommenen Niederschrift, betreffend eine kostenlose Grundabtretung, wurde seitens des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde folgendes Schreiben vom 24. Dezember 1968 an den Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer
gerichtet:
"Sehr geehrter Herr NÜ
In Ergänzung der in der Niederschrift vom 13. November 1968 getroffenen Vereinbarung erklärt die Gemeinde X, daß auch für den Fall der Errichtung einer Ortskanalisierung die Einleitung der Abwässer des Betriebes und des Hauses Herrn AN und dessen Rechtsnachfolger im Besitz des Hauses X Nr. 180 in den zu schaffenden neuen Kanal mit keinen für Herrn AN und dessen Rechtsnachfolger entstehenden Kosten verbunden sein darf, demnach weder eine Kanalanschlußgebühr noch eine Kanalbenützungsgebühr von Herrn AN und dessen Rechtsnachfolger verlangt wird und die Gemeinde für den Fall einer Vorschreibung einer solchen Gebühr Herrn AN und dessen Rechtsnachfolger schadlos halten wird.
Der Bürgermeister:"
Über Ansuchen der Beschwerdeführer vom 3. Juli 1986 wurde nach Durchführung baubehördlicher und wasserbehördlicher Verhandlungen mit einem undatierten Bescheid der Auftrag zum Anschluß an den öffentlichen Kanal rechtskräftig erteilt.
1.2. Mit Abgabenbescheid vom 31. März 1989 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde den Beschwerdeführern eine Kanaleinmündungsabgabe in der Höhe von S 83.007,-- und eine Sonderabgabe in der Höhe von S 789.000,--, zuzüglich Umsatzsteuer, vor.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung mit der Begründung, daß das Schreiben der Gemeinde vom 24. Dezember 1968 entweder als Bescheid über den Verzicht auf Kanaleinmündungsabgaben und Kanalbenützungsgebühren (§ 182 ff Nö AO 1977) oder als öffentlich-rechtlicher Vertrag anzusehen sei. Daraus resultiere die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Abgabenbescheides.
1.3. Mit Berufungsvorentscheidung vom 16. Oktober 1989 gab der Bürgermeister dieser Berufung Folge und behob den angefochtenen Bescheid mit der Begründung, daß noch kein rechtskräftiger Verpflichtungsbescheid vorliege und der Abgabenanspruch sohin noch nicht entstanden sei.
Mit Schriftsatz vom 30. Oktober 1989 wendeten sich die Beschwerdeführer gegen diese Berufungsvorentscheidung und stellten den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
1.4. Mit Bescheid des Bürgermeisters vom 17. Oktober 1989 wurde den Beschwerdeführern der Anschluß an den in der S-Straße neugelegten Mischwasserkanal aufgetragen.
Die Beschwerdeführer erhoben Berufung mit der Begründung, daß bereits eine Verpflichtung zum Anschluß rechtskräftig ausgesprochen worden und daher der neuerliche Verpflichtungsbescheid rechtswidrig sei.
1.5. Der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde entschied in seiner Sitzung vom 12. Dezember 1989 sowohl über die Berufung gegen den Verpflichtungsbescheid als auch über die Berufung gegen den Abgabenbescheid. Es wurden zwei Bescheide, die beide das Ausfertigungsdatum vom 12. Dezember 1989 tragen, erlassen. Der Berufung gegen den Verpflichtungsbescheid wurde Folge gegeben, da bereits ein rechtskräftiger Verpflichtungsbescheid vorliege; die Berufung gegen den Abgabenbescheid wurde als unbegründet abgewiesen. Der Berufungsbescheid betreffend die Abgabenvorschreibung wurde im wesentlichen damit begründet, daß es sich beim Schreiben vom 24. Dezember 1968 nicht um einen Bescheid, sondern allenfalls um eine zivilrechtliche Vereinbarung handle. Gegen die Höhe der Vorschreibung sei nichts eingewendet worden.
Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 1989, bei der Abgabenbehörde am 13. Dezember 1989 eingelangt, zogen die Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz zurück. Sie brachten vor, daß die Zurücknahme des Vorlageantrages am 12. Dezember 1989 vor 18.00 Uhr zur Post gegeben worden sei, sodaß der Gemeinderat zur Entscheidung nicht mehr "legitimiert" gewesen sei.
Der Berufungsbescheid in der Abgabensache wurde den Beschwerdeführern am 15. Dezember 1989 zugestellt.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Vorstellung.
1.6. Mit Bescheid vom 14. Februar 1990 gab die Niederösterreichische Landesregierung dieser Vorstellung nicht Folge.
Nach der Begründung dieses Bescheides habe der von der Vorstellungsbehörde vernommene Vizebürgermeister ausgesagt, daß er nach erfolgter Abstimmung bei der Sitzung des Gemeinderates den angefochtenen Bescheid unterfertigt habe und ihn in der Folge dem Bürgermeister zur Veranlassung der Zustellung übergeben habe. Von der "Berufungszurückziehung" habe er erst am 13. Dezember 1989 erfahren. Die Niederösterreichische Landesregierung nehme als erwiesen an, daß der Bescheid des Gemeinderates nach erfolgter Beschlußfassung unterfertigt worden sei. Der Bescheid trage auch das Ausfertigungsdatum vom 12. Dezember 1989. Die Zurücknahme des Vorlageantrages sei am 12. Dezember 1989 zur Post gegeben worden und am 13. Dezember 1989 bei der Gemeinde eingelangt. Ausdrücklich bestimme § 206 in Verbindung mit § 200 NÖ AO 1977, daß eine Berufung (Vorlageantrag) nur bis zur Unterzeichnung der Berufungsentscheidung zurückgenommen werden könne. Damit lege der Gesetzgeber selbst den Zeitpunkt für das Ende des Zeitraumes fest, bis zu dem eine Zurücknahme einer Berufung (eines Vorlageantrages) erfolgen könne. § 86 NÖ AO 1977 über die Fristenberechnung, insbesondere die Nichteinrechnung der Tage des Postlaufes in die Frist, könne hier nicht angewendet werden. Der Gemeinderat sei somit zur Entscheidung befugt gewesen.
Auch sei der Abgabenvorschreibung nicht das Hindernis der entschiedenen Sache entgegengestanden. Das Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 24. Dezember 1968 sei kein Bescheid, da ihm die Bescheidmerkmale der NÖ AO 1977 mangelten. Diese Erklärung sei im Zusammenhang mit der erfolgten Vereinbarung betreffend eine Grundabtretung zu sehen; sie stelle sich als Teil der Vereinbarung, die am 13. November 1968 niederschriftlich festgehalten worden sei, dar. Dies widerspreche dem Wesenscharakter eines Bescheides, bei dem die Behörde ein autoritatives Wollen aktualisiere. Abgesehen von den Formulierungen "Kosten verbunden sein darf" und "schadlos halten wird", die auf eine privatrechtliche Zusage hindeuten, ergebe sich auch im Hinblick auf die maßgebenden Gesetzesstellen, daß es sich um keinen Bescheid handeln könne. Denn die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten setze einen Antrag und die Fälligkeit der Abgabenschuldigkeiten voraus. Überdies wäre für eine derartige Maßnahme nicht der Bürgermeister, sondern nach der damaligen Zuständigkeitsvorschrift der Niederösterreichischen Gemeindeordnung entweder der Gemeindevorstand oder der Gemeinderat zuständig gewesen.
Selbst unter der Annahme, daß das Schreiben als Bescheid qualifiziert werden sollte, ändere sich in der Rechtssituation der Beschwerdeführer nichts. Keinesfalls könne nämlich das Schreiben als Abgabenbescheid, betreffend die Vorschreibung einer Kanaleinmündungsgebühr bzw. Kanalbenützungsgebühr, angesehen werden. Das Kanalgesetz kenne nämlich weder einen Verzichtsbescheid noch einen Null-Bescheid. Das Schreiben könne daher auch nicht in diesem Sinne interpretiert werden.
Der Entscheidung des Gemeinderates sei somit nicht entschiedene Sache entgegengestanden. Aus dem gleichen Grund könne dem Vorstellungsvorbringen, betreffend die Befangenheit des Bürgermeisters, keine Berechtigung zukommen, zumal der Bürgermeister am Zustandekommen des Bescheides des Gemeinderates nicht mitgewirkt habe.
1.7. Die Beschwerdeführer erhoben gegen diesen Bescheid zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 12. Juni 1990, B 451/90, ab. Antragsgemäß wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.
1.8. In ihrer Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes, Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, auf dem Boden des Bescheides der Gemeinde X vom 24. Dezember 1968 nicht zu Kanalanschluß-, Einmündungs- und Sonderabgaben herangezogen zu werden, in ihrem Recht auf Erlassung einer Entscheidung durch ein unbefangenes, zuständiges Verwaltungsorgan und in ihrem Recht, "nicht Normadressat eines ohne entsprechenden Antrag erlassenen, antragsbedürftigen Bescheides zu sein," verletzt.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1.1. Auch in der Beschwerde wird davon ausgegangen, daß der Bescheid des Gemeinderates vom Vizebürgermeister noch in der Gemeinderatssitzung vom 12. Dezember 1989 unterschrieben worden sei. Hiezu wird vorgebracht, die Beschwerdeführer hätten die Erklärung über die Zurücknahme des Vorlageantrages am 12. Dezember 1989 kurz vor 18.00 Uhr zur Post gegeben. Der Bescheid sei am 13. Dezember 1989 um 10.30 Uhr, als auch bereits die Zurücknahme des Vorlageantrages bei der Gemeinde eingelangt gewesen sei, noch nicht zur Post gegeben, sondern lediglich kuvertiert gewesen. Der Rechtsvertreter der Beschwerdeführer habe eine Zustellung durch Direktübernahme, die ihm von den Sachbearbeitern angeboten worden sei, verweigert. Der Bescheid sei am 15. Dezember 1989 zugestellt worden. Die Frist der §§ 206 in Verbindung mit 200 NÖ AO 1977 sei eine verfahrensrechtliche Frist, für die § 86 leg. cit. gelte. Zu Unrecht sei der Postlauf in die Frist nicht miteingerechnet worden. Die Zurücknahme sei somit nicht verspätet, d.h. nach Unterzeichnung der Berufungsentscheidung, erfolgt.
2.1.2. § 206 NÖ AO 1977 in der Fassung LGBl. 3400-2 enthält Regelungen über die Berufungsvorentscheidung und lautet auszugsweise:
"Wird ein Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz rechtzeitig eingebracht, so gilt ungeachtet des Umstandes, daß die Wirksamkeit der Berufungsvorentscheidung dadurch nicht berührt wird, die Berufung von der Einbringung des Antrages an wiederum als unerledigt. Bei wirksamer Zurücknahme des Antrages gilt die Berufung wieder als durch die Berufungsvorentscheidung erledigt; dies gilt, wenn solche Anträge von mehreren hiezu Befugten gestellt wurden, nur für den Fall der wirksamen Zurücknahme aller dieser Anträge. Auf das Recht zur Stellung des Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ist in der Berufungsvorentscheidung aufmerksam zu machen. § 70 Abs. 4 bis 6, § 191 Abs. 3 und 4 sowie die §§ 194 Abs. 1 und 200 sind sinngemäß anzuwenden. Ein verspätet eingebrachter Antrag ist von der Abgabenbehörde erster Instanz durch Bescheid zurückzuweisen."
Die verwiesene Norm des § 194 Abs. 1 NÖ AO 1977 lautet:
"(1) Die Berufung ist bei der Abgabenbehörde einzubringen, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat. Die Berufung kann jedoch auch bei der zur Entscheidung über die Berufung zuständigen Abgabenbehörde zweiter Instanz eingebracht werden."
Die ebenfalls verwiesene Bestimmung des § 200 NÖ AO 1977 lautet:
"(1) Eine Berufung kann bis zur Unterzeichnung der Berufungsentscheidung zurückgenommen werden. Die Zurücknahme ist schriftlich oder zur Niederschrift (§ 64) zu erklären.
(2) ..."
2.1.3. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. November 1989, Zl. 89/16/0151, zur rechtsähnlichen Bestimmung des § 276 Abs. 1 in Verbindung mit § 256 BAO ausgeführt hat, ist die Zurücknahmeerklärung nach dem Wortlaut dieser Bestimmung bei jener Behörde einzubringen, bei der die Berufung anhängig ist, d.h. der die Entscheidung über die Berufung obliegt. Da der Zeitpunkt der Unterzeichnung der Berufungsentscheidung dem Berufungswerber in der Regel nicht bekannt ist, ist es sein Risiko, daß eine Zurücknahmeerklärung bei der Berufungsbehörde verspätet einlangt. Die Gefahr der Verspätung trägt somit der, der die Berufung zurücknimmt.
Der Verwaltungsgerichtshof hält an der diesen Ausführungen zugrunde liegenden Rechtsauffassung fest, daß die Zurücknahme einer Berufung (eines Vorlageantrages) eine (unwiderrufliche) einseitige prozessuale Erklärung ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 7. Dezember 1972, Zl. 847/71, und vom 3. April 1973, Zl. 1502/72), die mit dem Einlangen der Zurücknahmeerklärung bei der Behörde rechtsverbindlich und damit wirksam wird, und zwar ohne daß es hier einer formellen Annahmeerklärung der Behörde bedürfte (vgl. STOLL, Bundesabgabenordnung, Handbuch5, 632, Anmerkung zu § 256). Es gilt auch für die vorliegende prozessuale Erklärung, was der Verwaltungsgerichtshof allgemein für Parteienerklärungen im öffentlichen Recht im Erkenntnis vom 23. Jänner 1951, Slg. N.F. Nr. 1889/A, ausgeführt hat, wo es heißt: "Unter der Voraussetzung, daß eine solche Verzichtserklärung, welche zweifelsohne empfangsbedürftig ist, von der Behörde auch tatsächlich zur Kenntnis genommen wurde, muß ihr daher die Wirkung zugesprochen werden, daß sie das bereits entstandene Recht zum Erlöschen bringt..."
Da somit § 206 in Verbindung mit § 200 NÖ AO 1977 auf das Einlangen der Rücknahmeerklärung bei der Behörde abstellt und es sich bei der Regelung des § 200 NÖ AO 1977, der zufolge der Vorlageantrag bis zur Unterzeichnung der Berufungsentscheidung zurückgenommen werden kann, nicht um die Bestimmung einer Frist im Sinne des § 86 leg. cit., sondern eines Endzeitpunktes handelt - dies schließt die Anwendung des § 86 Abs. 4 NÖ AO 1977, wonach die Tage des Postlaufes in die Frist nicht eingerechnet werden, aus - kommt es, entgegen der Rechtsansicht der Beschwerdeführer, auf den Zeitpunkt der Postaufgabe der Erklärung über die Zurücknahme des Vorlageantrages nicht an. Da der Berufungsbescheid auch nach Darstellung der Beschwerde im unmittelbaren Anschluß an die Gemeinderatssitzung am 12. Dezember 1989 unterschrieben wurde und die Zurücknahmeerklärung erst später bei der Behörde einlangte, entfaltete diese keine Wirksamkeit. Nur im Falle einer wirksamen Zurücknahme des Vorlageantrages jedoch hätte die Berufung wieder als durch die Berufungsvorentscheidung erledigt gegolten. Da somit dem Gemeinderat eine unerledigte Berufung vorlag, ist der Einwand, er habe sich über das Prozeßhindernis der entschiedenen Sache hinweggesetzt, nicht zutreffend.
2.1.4. Bei diesem Ergebnis geht die Verfahrensrüge über Feststellungsmängel, betreffend die Postaufgabe und die Kenntnis der Gemeindebehörden von der erfolgten Postaufgabe, ins Leere, da es nicht auf diese Umstände, sondern allein darauf ankommt, daß die schriftliche Rücknahmeerklärung nicht vor Unterfertigung des Bescheides des Gemeinderates am 12. Dezember 1989 bei der Behörde eingelangt war.
2.2.1. In der Beschwerde wird weiters die Auffassung vertreten, daß das Schreiben der Gemeinde vom 24. Dezember 1968 nicht als Akt der Privatwirtschaftsverwaltung, sondern als Bescheid, mit dem den Beschwerdeführern die gegenständlichen Abgaben erlassen worden seien, gewertet werden müsse. Folge man dieser Auffassung nicht, so sei das Schreiben jedenfalls ein zulässiger öffentlich-rechtlicher Vertrag im Rahmen der NÖ AO 1977. Ein solcher Vertrag sei nicht unzulässig, wenn der Vorrang des Gesetzes gewahrt und die Überprüfung des Inhaltes dem Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof nicht verwehrt sei. Im Jahr 1968 sei es als unbillig erachtet worden, die voraussehbaren, mit dem Anschluß an die öffentliche Kanalisation verbundenen Kosten vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführer einzuheben, sodaß hierauf verzichtet worden sei, weil der Rechtsvorgänger der Gemeinde kostenlos Grund abgetreten hatte, wie aus der Niederschrift vom 13. November 1968 ersichtlich sei.
2.2.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. N.F. Nr. 9458/A = ZfVB 1978/4/1589, zu § 58 Abs. 1 AVG 1950 (der rechtsähnlichen Vorschrift zu § 70 Abs. 2 NÖ AO 1977) ausgeführt hat, sei die ausdrückliche Bezeichnung einer Erledigung einer Verwaltungsbehörde als Bescheid nicht in jedem Falle für den Bescheidcharakter der Erledigung unerheblich. Verwaltungsbehörden (im organisatorischen Sinn) könnten auch rechtsgeschäftliche Erklärungen abgeben, wobei aus dem Inhalt der Erklärung noch nicht eindeutig geschlossen werden könne, ob es sich darum oder um rechtsverbindliche Anordnungen im Bereich des öffentlichen Rechtes handle. Ferner seien behördliche Erledigungen nicht nur in Bescheidform zu erlassen
(z.B. Verfahrensanordnungen, Dienstaufträge oder organisatorische Maßnahmen). In jedem Fall, in dem der Inhalt einer behördlichen Erledigung Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen lasse, sei die ausdrückliche Bezeichnung essentiell. Nur dann, wenn der Inhalt einer behördlichen Erledigung, also ihr Wortlaut und ihre sprachliche Gestaltung, keinen Zweifel darüber aufkommen ließen, daß die Behörde die Rechtsform des Bescheides gewählt habe, sei die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid nicht wesentlich. Dabei sei an eine behördliche Erledigung, die nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnet sei, hinsichtlich der Wertung als Bescheid nach ihrem Inhalt ein strenger Maßstab anzulegen.
Das in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebene Schreiben des Bürgermeisters der Gemeinde ist seiner Form nach kein Bescheid; es ist insbesondere nicht als Bescheid bezeichnet. Auch was seinen Inhalt anlangt, liegt eine Deutung nahe, die das Schreiben nicht als einen Akt der obrigkeitlichen, also einseitig anordnenden (heteronomen), Normerlassung der Hoheitsverwaltung ansieht. Es enthält wohl eine Erklärung der Gemeinde, daß "auch für den Fall der Errichtung einer Ortskanalisierung", eine Kanalanschlußgebühr und eine Kanalbenützungsgebühr nicht "verlangt wird", geht aber offenbar selbst davon aus, daß bei Verwirklichung des entsprechenden Abgabentatbestandes eine Abgabenvorschreibung erfolgen müsse. Auch für diesen Fall werde die Gemeinde den Adressaten des Schreibens und seine Rechtsnachfolger schadlos halten. Der Inhalt dieser Zusage, die sich als "Ergänzung der in der Niederschrift vom 13. November 1968 getroffenen Vereinbarung" (in Angelegenheit der Grundabtretung) bezeichnet und damit einen unmittelbaren Zusammenhang mit einem rechtsgeschäftlichen Vorgang herstellt, zeigt, daß der Bürgermeister keinen bescheidförmigen Verzicht auf einen allfälligen künftigen Abgabenanspruch, wofür weder das NÖ Kanalgesetz, LGBl. Nr. 6/1954 in der damals geltenden Fassung, noch das NÖ KanalG LGBl. 8230-O noch die NÖ AO 1977 (die Abgabenabschreibung nach den §§ 182 ff NÖ AO 1977 setzt eine fällige Abgabenschuld, die Abgabennachsicht darüber hinaus einen Antrag voraus) eine entsprechende Rechtsgrundlage geboten hätten, intendiert hat. Auch hätte dem Bürgermeister für einen Verzicht, worauf im Vorstellungsbescheid zu Recht hingewiesen wurde, die Zuständigkeit gemangelt. Die gewählte Formulierung "schadlos halten wird" deutet nicht nur auf einen privatrechtlichen Inhalt dieses Teiles der Erklärung hin, sondern unterstreicht deren rechtsgeschäftlichen Charakter insgesamt. Die privatrechtliche Sanktion der Schadloshaltung wäre unverständlich, wenn ein Bescheid, dessen Bindungswirkung (auch im Falle seiner Rechtswidrigkeit mangels gesetzlicher Grundlage) gerade eine spätere Abgabenvorschreibung aus geschlossen hätte, beabsichtigt gewesen wäre. Es ist den Bfrn jedoch zuzugestehen, daß diese Deutung nicht die einzig
mögliche ist. Die Wendung "erklärt ..., daß ... weder eine
Kanalanschlußgebühr noch eine Kanalbenützungsgebühr ... verlangt wird" könnte auch isoliert von dem übrigen rechtsgeschäftlichen Kontext als - mehrfach - rechtswidriger Abgabenverzicht mit gewollter Bindungswirkung, also mit Bescheidcharakter, gesehen werden. Letzteres wäre jedoch nach dem Gesagten keinesfalls die unzweifelhaft allein mögliche Auslegung. In einem solchen Fall, in dem der Inhalt der Erledigung einer Verwaltungsbehörde - an den bei Fehlen der Bescheidbezeichnung ein strenger Maßstab anzulegen ist - Zweifel über den Bescheidcharakter entstehen läßt, ist nach der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid essentiell. An dieser mangelt es aber im vorliegenden Fall. Das Schreiben des Bürgermeisters vom 24. Dezember 1968 ist daher kein Bescheid.
Für die allein entscheidende Frage, ob die gegenständliche Zusage eine spätere bescheidförmige Abgabenvorschreibung rechtswidrig erscheinen läßt, ist auch die vom Beschwerdeführer angeschnittene Frage, ob das Schreiben als öffentlich-rechtlicher "Vertrag" gedeutet werden könnte, ohne Relevanz. Die beiden genannten maßgebenden Rechtsvorschriften des materiellen und formellen Abgabenrechtes sehen nämlich keine Rechtsgrundlage dafür vor, daß eine solche Erklärung - mag sie dem privatrechtlichen oder dem schlicht-hoheitlichen Verwaltungshandeln (nicht obrigkeitliche Vollziehung etwa im Sinne des Art. 23 B-VG) zugeordnet werden - eine Abgabenvorschreibung bei sonst gegebener Tatbestandsmäßigkeit ausschlösse (vgl. dazu etwa RUPPE, Auskünfte und Zusagen durch Finanzbehörden, ÖStZ 1979, 50, und PUCK, Haftung des Staates für informelle Zusagen und Auskünfte in: Aicher (Hrsg.), Die Haftung für staatliche Fehlleistungen im Wirtschaftsleben 1988, 171, 198).
Aus diesen Erwägungen folgt, daß das Schreiben des Bürgermeisters vom 24. Dezember 1968 der in Rede stehenden Abgabenvorschreibung nicht entgegensteht und die diesbezüglich behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Vorstellungsbescheides nicht gegeben ist.
2.3. Der Beschwerdeführer behauptet auch die Befangenheit der Mitglieder des Gemeinderates in dieser Abgabensache. Diese Verfahrensrüge ist dahin zu verstehen, daß der Gemeinderat andernfalls keine Abgabenvorschreibung erlassen hätte. Daß eine Rechtswidrigkeit anderer Art, etwa betreffend die Höhe der Abgabenvorschreibung, auf die Befangenheit zurückzuführen wäre, wird nicht behauptet. Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen zum Nichtvorliegen der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit erweist sich auch diese Verfahrensrüge als nicht zielführend. Dazu kommt, daß die Beschwerdeführer es verabsäumt haben, die Befangenheit der Gemeinderatsmitglieder schon vor der Vorstellungsbehörde geltend zu machen, da sie dort nur die Befangenheit des Bürgermeisters, der an der zweitinstanzlichen Entscheidung nicht mitgewirkt hat, eingewendet haben.
2.4. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Bei diesem Ergebnis war ein Auftrag zur Behebung der der Beschwerde anhaftenden Mängel (Vollmachtsvorlage oder eigenhändige Unterfertigung der Beschwerde durch die Beschwerdeführer) entbehrlich.
2.5. Es wird darauf hingewiesen, daß die Beendigung des Beschwerdeverfahrens, für dessen Dauer die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt wird, einen Abspruch über diesen Antrag entbehrlich macht (vgl. z.B. den hg. Beschluß vom 6. September 1978, Zlen. 1902, 1903/78 = ZfVB 1979/2/513).
2.6. Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)