VwGH 97/15/0130

VwGH97/15/013017.12.1998

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Mag. Werner Suppan, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Thaliastraße 100, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 6. Juni 1997, RV/067-06/10/97, betreffend Erklärung einer Berufung als zurückgenommen, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §166;
BAO §250 Abs1 lita;
BAO §250 Abs1 litd;
BAO §275;
VwRallg;
BAO §166;
BAO §250 Abs1 lita;
BAO §250 Abs1 litd;
BAO §275;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 12.890 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus der Niederschrift über die Prüfung von Umsatzsteuervoranmeldungen für März bis Juli 1995 vom 30. Oktober 1995 ergibt sich, daß dem Beschwerdeführer im Dezember 1994 die Durchführung von Geschäften mit Parfumölen angeboten worden sei. Er sollte solche Parfumöle mit einem Aufschlag von 5 bis 7% ins Ausland exportieren; der Aufschlag sollte nicht zur Gänze sein "Gewinn" sein, es sollten vielmehr an B und M Provisionen für die Herstellung der Geschäftskontakte bezahlt werden. Im Jahr 1995 seien sodann derartige Geschäfte abgewickelt worden. Der Beschwerdeführer habe entsprechende Exportumsätze in Millionenhöhe erklärt und Vorsteuern geltend gemacht. Aus den Modalitäten der Geschäfte ergebe sich nach Ansicht des Prüfers allerdings, daß es sich um Scheingeschäfte iSd § 23 BAO gehandelt habe.

Mit Schreiben vom 20. August 1996 hielt das Finanzamt dem Beschwerdeführer vor, er habe die bereits abberufenen und urgierten Abgabenerklärungen betreffend Einkommen- und Umsatzsteuer 1995 nicht eingereicht, weshalb die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 184 BAO geschätzt würden. Die - dem Normalsteuersatz unterliegenden - Entgelte würden in Höhe von 449.292,96 S, die Vorsteuern in Höhe von 86.839,20 S angenommen werden. Hinsichtlich Einkommensteuer führte das Finanzamt aus, mangels steuerlicher Auswirkungen würden die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0 S angesetzt werden.

Mit Ausfertigungsdatum 9. September 1996 erließ das Finanzamt dem Vorhalt entsprechende Bescheide betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1995. Die Einkommensteuer wurde - ausgehend von einem Einkommen und Einkünften von 0 S - mit 0 S festgesetzt. In der Bescheidbegründung wird im wesentlichen darauf verwiesen, daß die Exportgeschäfte nicht anerkannt würden.

Gegen diese Bescheide brachte der Beschwerdeführer innerhalb der verlängerten Berufungsfrist die Berufung vom 9. April 1997 ein. Bei den Umsätzen seien steuerfreie Exportumsätze in Höhe von ca 17,9 Mio S anzusetzen und die auf die exportierten Waren entfallenden Vorsteuern anzuerkennen. Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid werde erhoben, weil die Exportgeschäfte Gewinne ergeben hätten, die das Finanzamt nicht berücksichtigt habe.

Mit Bescheid vom 21. April 1997 trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 275 BAO auf, binnen 14 Tagen die Mängel der Berufung zu beheben. Der Berufung fehle die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten werde, die Erklärung, welche Änderung beantragt werden, sowie die Begründung.

Aufgrund dieses Mängelbehebungsauftrages brachte der Beschwerdeführer den Schriftsatz vom 7. Mai 1997 ein. In diesem wird hinsichtlich Umsatzsteuer ua ausgeführt, die steuerfreien - im einzelnen angeführten - Exportumsätze hätten 17,950.013,40 S betragen, es seien aber auch Vorsteuern in Höhe von ca 3,4 Mio S zu berücksichtigen, sodaß sich eine Gutschrift ergebe. Zur Einkommensteuer wird ausgeführt, diese werde hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb bekämpft. Sie seien vom Finanzamt mit 0 S festgesetzt worden, obwohl sich aufgrund der Saldenbilanz eine Gewinn von 570.590,95 S ergebe. Es werde daher beantragt, die Einkommensteuer unter Zugrundelegung von Einkünften aus Gewerbebetrieb von 570.590,95 S festzusetzen. Der Schriftsatz nimmt Bezug auf eine ihm beigelegte Abschrift der Berufung gegen den Bescheid betreffend Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen, in welcher ua ausgeführt wird, daß bei den Exportgeschäften mit einem Aufschlag von 5 bis 7% gearbeitet worden sei, diese Geschäfte keine Scheingeschäfte gewesen seien und - hiezu werde auf die Frachtdokumente verwiesen - die Ware exportiert und nicht in "Umlauf" geschickt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid gemäß § 275 BAO als zurückgenommen erklärt. Der Schriftsatz vom 7. Mai 1997 enthalte hinsichtlich Einkommensteuer 1995 keine Begründung. Die genannte Saldenbilanz sei nicht vorgelegt worden. Aus den Ausführungen zum Umsatzsteuerbescheid könnten keine klaren Schlüsse auf die Höhe des Gewinnes gezogen werden. Der Beschwerdeführer sei daher dem Mängelbehebungsauftrag nicht nachgekommen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Eine Berufung muß gemäß § 250 Abs. 1 BAO enthalten:

  1. a) die Bezeichnung des Bescheides, gegen den sie sich richtet;
  2. b) die Erklärung, in welchen Punkten der Bescheid angefochten wird;
  3. c) die Erklärung, welche Änderungen beantragt werden;
  4. d) eine Begründung.

Entspricht eine Berufung nicht den im § 250 Abs. 1 BAO umschriebenen Erfordernissen, so hat die Abgabenbehörde dem Berufungswerber gemäß § 275 BAO die Behebung dieser inhaltlichen Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, daß die Berufung nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt.

Ziel dieser Bestimmungen ist es, daß die Behörde in die Lage versetzt wird, eine Entscheidung über die Berufung treffen zu können. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Berufung den im § 250 Abs. 1 BAO bezeichneten Erfordernissen entspricht, ist davon auszugehen, daß der Rechtsschutz nicht durch einen überspitzten Formalismus beeinträchtigt werden darf. Ob eine Begründung inhaltlich zutreffend oder schlüssig ist, ist für die Frage der Erfüllung der Voraussetzung des Berufungserfordernisses nach § 250 Abs 1 lit d BAO nicht relevant (vgl die hg Erkenntnisse vom 15. Juli 1998, 97/13/0243, und vom 28. Jänner 1998, 96/13/0081).

Im gegenständlichen Fall ergibt sich aus dem Schriftsatz vom 7. Mai 1997 im Zusammenhang mit den knappen Ausführungen der Berufungsschrift als Begründung iSd § 250 Abs 1 lit d BAO, daß Exportgeschäfte getätigt worden seien, aus welchen für das Jahr 1995 ein Gewinn und damit Einkünfte aus Gewerbetrieb in Höhe von ca 570.000 S resultierten. Die Exportgeschäfte seien nicht als Scheingeschäfte zu qualifizieren und hätten zu Provisionen in Höhe von 5 bis 7% der - im einzelnen angeführten - Entgelte geführt.

Dieser Umfang der Begründung reicht hin, um die Behörde in die Lage zu versetzen zu erkennen, aus welchen Überlegungen der Beschwerdeführer die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid als gerechtfertigt erachtet. Damit war dem Erfordernis des § 250 Abs 1 lit d BAO genüge getan, zumal dieses Erfordernis keinesfalls dahingehend verstanden werden darf, der Berufungswerber müsse eine so umfassende Begründung vortragen, daß die Sache bereits als entscheidungsreif angesehen werden könnte.

Weil sich der angefochtenen Bescheid auch darauf stützt, daß der Beschwerdeführer die Saldenbilanz nicht vorgelegt habe, sei darauf verwiesen, daß ein Mängelbehebungsauftrag nicht zur Beibringung von Beweismitteln erteilt werden darf (vgl Ritz, BAO-Kommentar, § 275 Tz 7) und im gegenständlichen Fall auch nicht zur Beibringung von Beweismitteln erteilt worden ist.

Der Beschwerdeführer wurde sohin durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf eine Berufungsentscheidung verletzt. Diese Rechtsverletzung ist - entgegen der von der belangten Behörde in der Gegenschrift vorgetragenen Ansicht - auch dann gegeben, wenn voraussichtlich die konkrete meritorische Berufungserledigung den Beschwerdeführer nicht günstiger stellen sollte als der Erstbescheid.

Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47ff VwGG iVm der VO BGBl 416/1994.

Wien, am 17. Dezember 1998

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