VwGH 90/05/0214

VwGH90/05/021415.10.1991

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden SenatspräsidentDr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde der Stadt Wien (Wiener Stadtwerke-Elektrizitätswerke), vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen die Niederösterreichische Landesregierung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer

elektrizitätswirtschaftsrechtlichen Angelegenheit, den Beschluß gefaßt:

Normen

ABGB §696;
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §69 Abs1;
AVG §73 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art12 Abs3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §21;
VwGG §27;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;
ABGB §696;
AVG §13 Abs1;
AVG §56;
AVG §69 Abs1;
AVG §73 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art12 Abs3;
ElektrizitätswesenG NÖ 1990 §21;
VwGG §27;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

In einem vor der belangten Behörde zur Zl. I/5-E-7855 anhängigen Verfahren über einen Antrag der B AG auf Erteilung einer Bau- und Betriebsbewilligung nach dem Niederösterreichischen Starkstromwegegesetz, LGBl. 7810-0, für die Verlegung und den Betrieb einer 20 kV-Kabelleitung und eines innerbetrieblichen Hochspannungsnetzes mit Errichtung der Trafostation "Ringspinnerei" in den Katastralgemeinden O und Z hatte die Beschwerdeführerin den Antrag gestellt, ihr in diesem Verfahren Parteistellung zuzuerkennen.

Mit Bescheid vom 2. Februar 1990, Zl. I/5-E-7855/6, hatte die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.

Mit einem am 21. Februar 1990 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz vom 14. Februar 1990 begehrte die Beschwerdeführerin gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG den Übergang der Zuständigkeit an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten, an welches sie ihren Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung wiederholte.

Mit einem weiteren, bei der belangten Behörde ebenfalls am 21. Februar 1990 eingelangten Schriftsatz vom 14. Februar 1990 stellte die Beschwerdeführerin unter Anführung des anhängigen Verfahrens im Betreff ihres Schriftsatzes und unter Hinweis auf den abschlägigen Bescheid der belangten Behörde in der Angelegenheit "in eventu" folgende Anträge:

"a) Die niederösterreichische Landesregierung als zuständige Behörde möge den Wiener Stadtwerken-Elektrizitätswerke in einem von der EVN-AG oder Dritten eingeleiteten Verfahren gemäß § 21 nö. Elektrizitätswesengesetz, LGBl. Nr. 7800-0, auf Erteilung einer Bewilligung zur Versorgung der Firma B-AG, p.A. A-Straße 45, E, mit Elektrizität Parteistellung einräumen.

b) Die niederösterreichische Landesregierung möge den Antrag mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen zurückweisen."

Die Beschwerdeführerin begründete ihr Begehren damit, daß sich das Areal der Firma B AG im Ortsgebiet der Gemeinde E befinde, welches Gebiet ausschließlich von ihr ausreichend mit Elektrizität versorgt werde. Der öffentlich-rechtliche Anspruch der Beschwerdeführerin auf Wahrung ihres vertraglich mit der EVN-AG abgegrenzten Versorgungsgebietes sei von der belangten Behörde zu beachten. Mit einem am 7. September 1990 bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz vom 5. September 1990 stellte die Beschwerdeführerin klar, daß die Bezeichnung der die Parteistellung begehrenden Antragstellerin richtig "Stadt Wien (Wiener Stadtwerke-Elektrizitätswerke)" zu lauten habe.

Mit Bescheid vom 5. Dezember 1990, GZ 551.524/3-VIII/6/90, stellte das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten fest, daß der Beschwerdeführerin im Verfahren der belangten Behörde über den Antrag der B AG auf Erteilung einer Bau- und Betriebsbewilligung nach dem Niederösterreichischen Starkstromwegegesetz, LGBl. 7810-0, für die Verlegung und den Betrieb einer 20 kV-Kabelleitung und eines innerbetrieblichen Hochspannungsnetzes mit Errichtung der Trafostation "Ringspinnerei" in den Katastralgemeinden O und Z Parteistellung zukomme und daß der Bescheid der Behörde über die Zurückweisung des Antrags der Beschwerdeführerin auf Einräumung der Parteistellung gemäß Art. 12 Abs. 3 B-VG außer Kraft trete.

Die am 31. Oktober 1990 überreichte Säumnisbeschwerde der Beschwerdeführerin macht Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde in Ansehung der "in eventu" gestellten Anträge geltend, der Beschwerdeführerin Parteistellung in einem von der EVN-AG oder Dritten eingeleiteten Verfahren gemäß § 21 Niederösterreichisches Elektrizitätswesengesetz, LGBl. 7800-0, auf Erteilung einer Bewilligung zur Versorgung der B AG mit Elektrizität Parteistellung einzuräumen und einen solchen Antrag mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen zurückzuweisen.

Die belangte Behörde hat die Akten ihres Verfahrens I/5-E-7855 vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den Vorwurf der Säumigkeit mit der Begründung bestreitet, es habe sie mangels Anhängigkeit eines solchen von der Beschwerdeführerin bezeichneten Verfahrens und zufolge der Formulierung des Antrags als Eventualantrag eine Entscheidungspflicht über die den Gegenstand der Säumnisbeschwerde bildenden Anträge nicht getroffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG kann nach § 27 VwGG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Voraussetzung einer erfolgreichen Säumnisbeschwerde ist somit primär der Bestand eines Anspruchs der Partei des Verwaltungsverfahrens auf Erlassung eines Bescheides, sei es auch eines solchen auf Zurückweisung des gestellten Antrages (vgl. den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934 und 1223/73, Slg. N.F. Nr. 9458/A).

Der Auffassung der belangten Behörde, es sei ihr eine Entscheidungspflicht über die zum Anlaß der Säumnisbeschwerde genommenen Anträge der Beschwerdeführerin nicht erwachsen, kann zwar nicht mit der in der Gegenschrift zum Ausdruck gebrachten Begründung, wohl aber im Ergebnis aus anderem Grunde beigepflichtet werden. Ein sogenannter Eventualantrag ist im Verwaltungsverfahren nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zulässig. Das Wesen eines solchen Antrages liegt darin, daß er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, daß der Primärantrag erfolglos bleibt, sodaß der Eventualantrag dann gegenstandslos wird, wenn dem Primärantrag stattgegeben wurde (vgl. hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1990, Zl. 89/01/0114, und die darin zitierte Vorjudikatur). Das von der belangten Behörde gewonnene Verständnis der von der Beschwerdeführerin gestellten Eventualanträge hätte sie freilich von der Entscheidungspflicht nicht entbunden. Würde sich doch ein unter der Bedingung des Anhängigwerdens eines Verfahrens gestellter Antrag eines Dritten, ihm in dem anhängig werdenden Verfahren Parteistellung einzuräumen, als ein im Verwaltungsverfahren zulässig gestelltes Begehren nicht verstehen lassen. Während der bereits aktualisierte Bestand eines Rechtes, aus welchem Parteistellung in einem Verfahren abgeleitet wird, wohl Erfolgsvoraussetzung eines Antrags auf Einräumung der Parteistellung ist (vgl. hg. Erkenntnisse vom 15. Juni 1987, Zl. 87/10/0005, und vom 16. Jänner 1989, Zl. 88/10/0106), muß der Umstand der Anhängigkeit eines Verfahrens, für welches Parteistellung begehrt wird, als verfahrensrechtliche Zulässigkeitsvoraussetzung des Antrags auf Einräumung der Parteistellung angesehen werden. Sieht eine Verwaltungsvorschrift wie die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Bestimmung des § 21 des Gesetzes vom 16. Dezember 1971, betreffend Regelungen auf dem Gebiete des Elektrizitätswesens in Niederösterreich, LGBl. 7800-0, ein von einem Antrag abhängiges Bewilligungsverfahren vor, so wird ein solches Verfahren vor Anbringen eines Bewilligungsantrags durch den Bewilligungswerber nicht anhängig. Das von einem Dritten gestellte Begehren auf Einräumung der Parteistellung in einem solchen, noch nicht anhängigen Verfahren aber müßte mangels Anhängigkeit des Verfahrens als unzulässig zurückgewiesen werden. Das von der belangten Behörde gewonnene Verständnis der Eventualanträge der Beschwerdeführerin hätte demnach einen Anspruch der Beschwerdeführerin auf Bescheiderlassung im Sinne der Zurückweisung ihrer danach als unzulässig anzusehenden Anträge begründet.

Die von der Säumnisbeschwerde betroffenen Eventualanträge der Beschwerdeführerin waren aber so nicht zu verstehen. Es erweist der Inhalt der Eventualanträge der Beschwerdeführerin sowohl für sich betrachtet, als auch im Kontext mit ihrem sonstigen Sachvorbringen im starkstromwegerechtlichen Verfahren der B AG vielmehr, daß es sich bei diesen Eventualanträgen um gerade solche handelte, die im Sinne der dargestellten Judikatur als zulässig gelten, weil sie unter der Bedingung stehen, daß dem zuvor gestellten Primärantrag Erfolg versagt bleiben sollte. Es hat die Beschwerdeführerin nämlich nicht nur im Betreff ihres zum Anlaß für die Säumnisbeschwerde genommenen Antragsschriftsatzes ausdrücklich das Verfahren der B AG angeführt, sondern in den einleitenden Bemerkungen zu ihren Anträgen ebenso ausdrücklich auf jenen Bescheid der belangten Behörde Bezug genommen, mit welchem ihr Parteistellung im dortigen Verfahren verweigert wurde. Wenn die Beschwerdeführerin mit einem am selben Tage verfaßten und auch bei der belangten Behörde eingelangten Schriftsatz zuvor den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über ihren Antrag auf Einräumung der Parteistellung im starkstromwegerechtlichen Verfahren begehrt und diesen ihren Antrag an das Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten wiederholt hatte, dann kann die den Gegenstand der vorliegenden Säumnisbeschwerde bildende Eventualantragstellung nur so verstanden werden, daß sie unter der aufschiebenden Bedingung erhoben wurde, daß der Antrag auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über die Parteistellung im starkstromwegerechtlichen Verfahren oder aber der Antrag auf Einräumung der Parteistellung in diesem Verfahren vor dem Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten erfolglos bleiben würde.

Damit konnte aber über die so verstandenen Eventualanträge der Beschwerdeführerin eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde zunächst solange nicht entstehen, als die Primäranträge der Beschwerdeführerin nicht rechtskräftig abgewiesen worden wären, während mit der im vorliegenden Fall stattgebenden Entscheidung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Primäranträge der Beschwerdeführerin ihre Eventualanträge gegenstandslos werden mußten (vgl. das vorzitierte hg. Erkenntnis vom 20. Februar 1990, Zl. 89/01/0114). Daß die B AG ihrerseits gegen den dem Primärantrag der Beschwerdeführerin stattgebenden Bescheid des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten die zu hg. Zl. 91/05/0016 protokollierte Bescheidbeschwerde erhoben hat, ändert daran nichts, weil auch im Falle eines Erfolgs dieser Beschwerde mit der Aufhebung des bekämpften Bescheides des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 5. Dezember 1990, GZ. 551.524/3-VIII/6/90, der Primärantrag der Beschwerdeführerin wieder offen wäre, was eine Entscheidungspflicht der belangten Behörde über die Eventualanträge nach den dargestellten Erwägungen noch nicht auslösen würde.

Es liegt daher die geltend gemachte Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde nicht vor, weshalb die Säumnisbeschwerde mangels Vorliegens der Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG als unzulässig zurückzuweisen war.

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