Normen
AVG §37 idF 1998/I/158;
AVG §37;
AVG §39 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §45 Abs3;
AVG §8;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
BauO Tir 1998 §24 Abs1;
BauO Tir 1998 §25 Abs2;
BauO Tir 1998 §26 Abs2;
BauO Tir 1998 §26 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art140 Abs7;
AVG §37 idF 1998/I/158;
AVG §37;
AVG §39 Abs2 idF 1998/I/158;
AVG §45 Abs3;
AVG §8;
AVG §82 Abs7 idF 1998/I/158;
BauO Tir 1998 §24 Abs1;
BauO Tir 1998 §25 Abs2;
BauO Tir 1998 §26 Abs2;
BauO Tir 1998 §26 Abs3;
BauRallg;
B-VG Art140 Abs7;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einem am 16. März 1994 bei der Behörde eingelangten Ansuchen beantragten der Erst- und die Zweitmitbeteiligte (Bauwerber) die Erteilung der Baubewilligung für den Zubau eines Wohnhauses mit Keller und Garage zum bestehenden nach dem Konsens aus 1966 zum Teil als Tischlerei benützten Gebäude auf der GP 59/2, KG F, wobei im neu zu errichtenden Teil des Gebäudes auch betrieblich zu nutzende Räume vorgesehen waren. In der über dieses Ansuchen anberaumten Verhandlung vom 28. November 1995 sprach sich der Beschwerdeführer gegen die Bewilligung des Bauvorhabens aus.
Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 2. August 1996 wurde den Bauwerbern die beantragte Baubewilligung unter Auflagen erteilt.
Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. September 1996 lediglich in einem im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht mehr relevanten Punkt Folge gegeben, im Übrigen aber wurde sie abgewiesen.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 7. November 1996 als unbegründet abgewiesen. Dieser Bescheid wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 24. April 1997, Zl. 97/06/0002, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes behoben.
Mit Antrag vom 6. Mai 1998 beantragten die Bauwerber nach Zurückziehung des ursprünglichen Bauansuchens unter gleichzeitiger Vorlage neuer Unterlagen neuerlich die Erteilung einer Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaus zum bestehenden Wohnhaus auf der genannten Grundparzelle.
Mit Bescheid der auf Grund der Verordnung vom 17. September 1996, LGBl. Nr. 76/1996, zuständig gewordenen Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 10. Juli 1998 wurde die beantragte Baubewilligung ohne Durchführung einer (neuerlichen) mündlichen Bauverhandlung unter Auflagen erteilt.
Die gegen diesen Bescheid gerichtete Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Oktober 1998 abgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Nach Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens mit Beschluss vom 27. Februar 1999, B 2126/98, hob der Verfassungsgerichtshof mit seinem Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G 73/99, die Bestimmung des § 25 Abs. 2 letzter Satz der Tiroler Bauordnung 1998 (TBO), LGBl. Nr. 15/1998, als verfassungswidrig auf. Mit Erkenntnis vom 29. November 1999, B 2055/98-7, wurde in weiterer Folge der Bescheid der belangten Behörde vom 5. Oktober 1998 wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes aufgehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Bescheid der belangten Behörde vom 3. März 2000 wurde der Berufung des Beschwerdeführers Folge gegeben, der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 10. Juli 1998 behoben und die Angelegenheit in Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Bezirkshauptmannschaft Schwaz zurückverwiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, sowohl der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vom 10. Juli 1998 als auch der (Vor-) Bescheid der belangten Behörde vom 5. Oktober 1998 seien im zeitlichen Geltungsbereich der "alten" Technischen Bauvorschriften (TBV) ergangen. Diese seien jedoch mit LGBL. Nr. 89/1998, in Kraft getreten am 13. Oktober 1998 inhaltlich wesentlich verändert worden. Diese neuen Bestimmungen der TBV seien aber nunmehr anzuwenden, wobei die seit der Aufhebung des § 25 Abs. 2 letzter Satz TBO 1998 durch den Verfassungsgerichtshof erweiterten Nachbarrechte zu berücksichtigen seien. So habe eine ergänzende Beurteilung zu erfolgen, ob das Bauvorhaben auch den neuen Regelungen entspreche. Dabei sei beachtlich, dass ein bloßer Verweis auf die Regelungen der TBV nicht mehr ausreichend sei, sondern es im Einzelfall notwendig werden könne, durch detaillierte Auflagen sicherzustellen, dass das konkrete Bauvorhaben dem § 16 Abs. 1 TBO (bautechnische Erfordernisse) entspreche. Da nun das Mitspracherecht der Nachbarn nicht (mehr) auf die bloße Geltendmachung von Abstandsverletzungen beschränkt sei, und die bautechnischen Vorschriften teilweise auch dem Schutz von Nachbarrechten dienten, einzelne Auflagen also die Interessenssphäre der Nachbarn berühren könnten, sei zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens die Neudurchführung einer mündlichen Bauverhandlung unter Beiziehung der Nachbarn und der für eine ergänzende Beurteilung erforderlichen Sachverständigen notwendig.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete, von diesem nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 21. Juni 2000, B 785/00-3, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Sachentscheidung verletzt, weil die Berufungsbehörde nicht gemäß § 66 Abs. 4 AVG in der Sache durch Abweisung, sondern gemäß § 66 Abs. 2 AVG mit Aufhebung und Zurückverweisung entschieden habe.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, die belangte Behörde habe keine ausreichende Begründung dafür angegeben, warum sie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung für notwendig erachte, zumal ein allenfalls erforderliches Ergänzungsgutachten auch schriftlich eingeholt werden könne, jedenfalls aber keinen Grund zur Zurückverweisung darstelle.
Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit macht der Beschwerdeführer geltend, durch Aufhebung des § 25 Abs. 2 letzter Satz TBO 1998 durch das vorzitierte Verfassungsgerichtshoferkenntnis sei auch dem erstinstanzlichen Bescheid die rechtliche Grundlage entzogen worden, weshalb richtigerweise mit einer ersatzlosen Behebung des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Schwaz vorzugehen gewesen wäre. Auch sei die Angelegenheit infolge des bereits mehrjährig anhängigen Verfahrens entscheidungsreif, in Wahrheit liege eine mangelhafte Sachverhaltsermittlung gar nicht vor.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Ein auf § 66 Abs 2 AVG gegründeter letztinstanzlicher Bescheid ist ein verfahrensrechtlicher Bescheid, der durch Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochten werden kann. Eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch einen solchen aufhebenden Bescheid kann etwa darin gelegen sein, dass die Berufungsbehörde von dieser Regelung mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung im Sinne des § 66 Abs 4 AVG erlassen hat (vgl. als Beispiel für viele das hg. Erkenntnis vom 14. März 2001, Zl. 2000/08/0200).
Gemäß § 59 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94/2001, sind die im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Gesetzes (d.i. der 1. November 2001) anhängigen Baubewilligungsverfahren und Verfahren auf Grund von Bauanzeigen nach der bisherigen Tiroler Bauordnung (TBO 1998, LGBl. Nr. 15/1998) weiterzuführen, wenn das betreffende Bauvorhaben auch nach diesem Gesetz bewilligungspflichtig oder zumindest anzeigepflichtig ist.
Nach § 24 Abs. 1 der TBO 1998 hat zwar die Behörde eine mündliche Verhandlung (Bauverhandlung) durchzuführen, sofern das Bauansuchen nicht nach § 26 Abs. 2 oder 3 zurückzuweisen oder ohne weiteres Verfahren abzuweisen ist, wenn auf Grund der Planunterlagen nicht offenkundig auszuschließen ist, dass Nachbarrechte im Sinne des § 25 Abs. 2 berührt werden. Dieser Bestimmung ist jedoch durch § 39 Abs. 2 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 als abweichende Regelung gemäß § 82 Abs. 7 AVG in der angeführten Fassung derogiert worden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2000, Zl. 99/06/0197). Mangels einer besonderen Übergangsvorschrift in der Novelle zum AVG BGBl. I Nr. 158/1998 hatten die Verwaltungsbehörden diese Rechtslage auch in den am 1. Jänner 1999 bereits anhängigen Verfahren anzuwenden. Dessen ungeachtet haben die Verwaltungsbehörden auch im Falle der Derogation der besonderen Verfahrensbestimmungen über die Gestaltung des Ermittlungsverfahrens auf der Grundlage der §§ 37 ff AVG die Möglichkeit, gegebenenfalls eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Durch die Aufhebung des die Nachbarrechte auf die Geltendmachung von Abstandsverletzungen beschränkenden § 25 Abs. 2 letzter Satz TBO 1998 durch den Verfassungsgerichtshof ist insofern eine Änderung der Rechtslage eingetreten (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 29. August 2000, Zl. 2000/06/0066), als der Beschwerdeführer, dessen Beschwerde hinsichtlich der Aufhebung der genannten Bestimmung ein "Anlassfall" war, im fortgesetzten Verfahren nunmehr die Möglichkeit hat, weitere subjektivöffentliche Rechte geltend zu machen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon wiederholt ausgesprochen, dass es dann, wenn sich das für die Beurteilung eines Sachverhaltes maßgebende Gesetz ändert, das Gebot des Parteiengehörs verlangt, dass die Partei zu dieser Gesetzesänderung gehört und ihr die Möglichkeit eingeräumt werden muss, weitere, auf Grund der Änderung der Rechtslage erst möglich gewordene Einwendungen zu erheben bzw. zu präzisieren.(vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, auf Seite 236 zu 49a und auf Seite 237 zu 53 aufgezeigte hg. Judikatur), wobei aber allein aus der Änderung der Rechtslage nicht abgeleitet werden kann, dass die Baubehörde verpflichtet wäre, eine neue Bauverhandlung durchzuführen.
Die belangte Behörde hat ihren Bescheid im Sinne des § 66 Abs 2 AVG damit begründet, es seien auch neuerliche gutachterliche Stellungnahmen in Bezug auf die Bestimmungen des "neuen" Bautechnikgesetzes einzuholen. Dies reichte aber zur Begründung der Aufhebung nach § 66 Abs. 2 AVG allein nicht aus. Die Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens berechtigt die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs 2 AVG vielmehr nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides, wenn sich diese nicht anders als mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Anwesenheit der an der Sache beteiligten Personen und aller sonst für die Ermittlung des relevanten Sachverhaltes (Erhebung der Tatsachen und deren Erhärtung durch Beweise) in Betracht kommenden Personen, die daher gleichzeitig am gleichen Ort zu einer mündlichen Verhandlung versammelt werden müssen, beheben lässt, was u.a. dann der Fall wäre, wenn - in einem Bauverfahren - wegen der allfälligen Prüfung der Notwendigkeit von Auflagen, die erst die Bewilligungsfähigkeit ermöglichen, die gleichzeitige Anwesenheit von Sachverständigen und Parteien erforderlich ist (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1985, Zl. 84/05/0240, VwSlg 11795 A/1985, die hg. Erkenntnisse vom 9. Dezember 1986, Zl. 84/05/0097, BauSlg. Nr. 816, und vom 22. September 1998, Zl. 97/05/0104).
Im vorliegenden Fall kann erst nach Einräumung des aus den oben dargestellten Gründen erforderlich gewordenen neuerlichen Parteiengehörs beurteilt werden, ob es auf Grund der sodann erhobenen (neuen) Einwendungen nach der soeben dargestellten Rechtslage einer weiteren Bauverhandlung bedarf.
Dadurch, dass die belangte Behörde dies verkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. April 2002
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