Normen
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
Spruch:
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 32.200,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit Bescheid vom 9. Juni 1998 erteilte der Stadtmagistrat Innsbruck der Raiffeisen Bau Tirol Gesellschaft mbH. gemäß §26 Abs7 der Tiroler Bauordnung 1998 (im folgenden: TBO 1998) die Baubewilligung zur Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses mit zweigeschossiger Tiefgarage auf dem Grundstück Innrain 17 und 19 unter verschiedenen Auflagen unter der aufschiebenden Bedingung der grundbücherlichen Durchführung der genehmigten Grenzänderung. Gemäß §40 Abs3 TBO 1998 wurde die Zulässigkeit des Abbruchs der Bestandsobjekte auf dem Grundstück unter verschiedenen Auflagen festgestellt. Die Einwendungen der Nachbarn wurden teils zurückgewiesen und teils als unbegründet abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid erhoben u.a. die nunmehrigen Beschwerdeführer Berufung, die mit Bescheid des Stadtsenates vom 1. Oktober 1998 gemäß §66 Abs4 AVG als unbegründet abgewiesen wurde. In der Begründung dieses Bescheides wurde darauf hingewiesen, daß sich die Berufungsbehörde in der Beurteilung der "Sache" einzig mit dem Berufungsvorbringen auseinanderzusetzen habe, durch das Bauvorhaben würden Abstandsbestimmungen verletzt. Hinsichtlich der umfangreichen Beschwerdevorbringen bezüglich der Unvereinbarkeit des Vorhabens mit Zielen der örtlichen Raumordnung sei festzuhalten, daß den Berufungswerbern als Nachbarn im Bauverfahren "subjektiv öffentlich-rechtliche Einspruchsberechtigungen" nicht zustünden.
3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Nachbarn, in der die "Verletzung des Rechtsstaatsprinzips", der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG), auf Unverletzlichkeit des Eigentums (Art5 StGG und Art1 des 1. ZP EMRK), auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK) sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (des §25 Abs2 letzter Satz TBO 1998 sowie des §114 Abs1 dritter Satz und §115 Abs2 lita TROG 1997) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
4. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der er den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
5. Über Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof nahm die Tiroler Landesregierung zu der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 TBO 1998 Stellung.
6. Die mitbeteiligte Partei Raiffeisen Bau Tirol Gesellschaft mbH. erstattete eine Äußerung, in der sie beantragt, die Beschwerde abzulehnen, in eventu abzuweisen und ihr Kostenersatz für die regelmäßig anfallenden Kosten zuzuerkennen.
II.1. Aus Anlaß der vorliegenden Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art140 Abs1 B-VG mit Beschluß vom 27. Februar 1999 ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998, eingeleitet.
In der nichtöffentlichen Sitzung am 1. Oktober 1999, protokolliert zu G73/99, hat der Verfassungsgerichtshof die in Prüfung gezogene Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
2. Die belangte Behörde hat daher eine verfassungswidrige Gesetzesbestimmung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt (vgl. VfSlg. 10404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von
S 2.250,- sowie Umsatzsteuer in Höhe von S 4.950,- enthalten.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
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