VwGH 2000/08/0200

VwGH2000/08/020014.3.2001

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des K in Wien, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in 1100 Wien, Favoritenstraße 108/3, gegen den auf Grund des Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 9. Oktober 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-4788, betreffend Aufhebung eines Bescheides gemäß § 66 Abs. 2 AVG in einer Angelegenheit nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs3;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;
AVG §66 Abs2;
AVG §66 Abs3;
AVG §66 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Mitglied des Zusatzchores der Volksoper Wien GmbH, steht seit längerer Zeit im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Im Antrag auf Notstandshilfe vom 17. Jänner 2000 bejahte er die Frage 5. (Ich stehe derzeit in Beschäftigung) und fügte ergänzend an "fallweise tagew. DV.".

Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice stellte mit den unter Blatt 203 bis 208 im Verwaltungsakt einliegenden Bescheiden vom 29. August 2000 die dem Beschwerdeführer zuerkannte Notstandshilfe gemäß § 33 i.V.m. den §§ 12, 24, 7 und 38 AlVG mangels Arbeitslosigkeit ab dem nachstehend angeführten Tag ein, und zwar

"(2) Ist der der Berufungsbehörde vorliegende Sachverhalt so mangelhaft, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, so kann die Berufungsbehörde den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen.

(3) Die Berufungsbehörde kann jedoch die mündliche Verhandlung und unmittelbare Beweisaufnahme auch selbst durchführen, wenn hiemit eine Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden ist."

Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde außer dem im Abs. 2 erwähnten Fall immer in der Sache selbst zu entscheiden, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist.

Die Berufungsbehörde darf eine kassatorische Entscheidung nicht bei jeder Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes, sondern nur dann treffen, wenn der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint. Die Berufungsbehörde hat dabei zunächst in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen, ob angesichts der Ergänzungsbedürftigkeit des hier vorliegenden Sachverhaltes die Durchführung einer mündlichen Verhandlung als "unvermeidlich erscheint". Für die Frage der Unvermeidlichkeit einer mündlichen Verhandlung im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG ist es aber unerheblich, ob eine kontradiktorische Verhandlung oder nur eine Vernehmung erforderlich ist (vgl. dazu etwa die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I,

2. Auflage, zu § 66 AVG wiedergegebene Rechtsprechung, insbesondere E 357ff).

Nach der Judikatur (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, 94/08/0294, m.w.N.) genügt es für die Rechtmäßigkeit einer Entscheidung nach § 66 Abs. 2 AVG nicht, wenn die von der Behörde "in rechtlicher Gebundenheit" vorgenommene Beurteilung, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung bzw. Vernehmung unvermeidlich ist, zutrifft; es ist vielmehr darüber hinaus erforderlich, dass auch die Ermessenentscheidung, die als notwendig erachteten Verfahrensschritte nicht selbst oder durch ersuchte Behörden durchzuführen, sondern die Sache zu diesem Zweck an die Erstbehörde zurückzuverweisen, - insbesondere unter Bedachtnahme des § 66 Abs. 3 AVG - nicht im Sinne des Art. 130 Abs. 2 B-VG rechtswidrig ist. Einem zurückverweisenden Bescheid im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG muss entnommen werden können, welche Mängel bei der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes im Verfahren vor der Unterbehörde unterlaufen und im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung zu beheben sind. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde nur darauf hingewiesen, zu welchen Themenbereichen die Behörde erster Instanz Feststellungen zu treffen haben werde, sie hat aber nicht ausgeführt, warum diese Feststellungen nur im Rahmen einer mündlichen Verhandlung durch die Behörde erster Instanz getroffen werden können. Bei der Anwendung des § 66 Abs. 2 AVG bedarf es aber einer Begründung, warum die als erforderlich erachtete Ergänzung des Verfahrens nicht durch die Berufungsbehörde, sondern nur im Wege der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung durch die Behörde erster Instanz vorgenommen werden kann.

Aus diesen Erwägungen belastete die belangte Behörde ihre Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grunde ohne Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war. Hinsichtlich der sozialversicherungsrechtlichen Stellung von Mitgliedern des Zusatzchores der Wiener Staatsoper wird für das fortzusetzende Verfahren auf das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1990, VwSlg. N.F. Nr. 13.223/A verwiesen).

Die Kostenentscheidung beruht - im Rahmen des gestellten Antrages - auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. März 2001

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