European Case Law Identifier: ECLI:AT:OLG0819:2024:00100R00099.24D.0704.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Insolvenzrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
I. Dem Rekurs, dessen Kosten die Rekurswerberin selbst zu tragen hat, wird n i c h t Folge gegeben.
II. Der Revisionsrekurs ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .
III. Der Masseverwalter hat die Kosten seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss vom 6.6.2023 der Konkurs eröffnet und Dr. F*, Rechtsanwalt in G*, zum Masseverwalter bestellt.
Zum Vermögen der Schuldnerin zählen die Liegenschaftsanteile B‑LNR 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99 und 100, je in EZ ** KG ** B*. Mit diesen Liegenschaftsanteilen ist jeweils untrennbar Wohnungseigentum (an Top 1, Top 7, Top AP6, Top AP7, Top AP8, Top AP9, Top AP10 und Top AP11) verbunden.
Im Lastenblatt des Grundbuchs ist betreffend dieser Liegenschaftsanteile zu C‑LNR 23a und C-LNR 25a jeweils die Klage gemäß § 27 Abs 2 WEG 2002 (2 C 765/22d und 2 C 1073/22y) angemerkt.
Im Rahmen der vom Erstgericht bewilligten freihändigen Veräußerung dieser Liegenschaftsanteile konnte der Masseverwalter hinsichtlich der gemeinsam veräußerten B‑LNR 93, 95, 96, 97, 98, 99 und 100 einen Verwertungserlös von EUR 684.000,-- und hinsichtlich der gesondert veräußerten B‑LNR 94 einen Verwertungserlös von EUR 180.000,-- erzielen.
Zur Verhandlung über die Verteilung des Verkaufserlöses beraumte das Erstgericht für den 13.5.2024 eine Tagsatzung an. Gleichzeitig erging am 10.4.2024 die Aufforderung an alle Personen, welche die Berichtigung ihrer Ansprüche aus dem Verkaufserlös begehren, ihre Ansprüche an Kapital, Zinsen, wiederkehrenden Leistungen, Kosten und sonstigen Nebenforderungen bis längstens 14 Tage vor Abhaltung der Tagsatzung anzumelden (§ 210 EO) und die zum Nachweis dieser Ansprüche dienenden Urkunden in Urschrift oder Abschrift vorzulegen, widrigenfalls ihre Ansprüche bei der Verteilung nur insoweit berücksichtigt würden, als sie aus dem öffentlichen Buche, den Pfändungs- und sonstigen Exekutionsakten als rechtsbeständig und zur Befriedigung geeignet erhellen. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass nach Beendigung der Verteilungstagsatzung eine Ergänzung der Anmeldung unstatthaft ist. Die Ladung samt dieser Aufforderung wurde sämtlichen Pfandgläubigern, sohin auch der Rekurswerberin, zugestellt und zudem die Abhaltung der Tagsatzung in der Insolvenzdatei bekannt gemacht.
Am 2.5.2024 (ON 40) meldete die Rekurswerberin eine Forderung von EUR 28.325,69 s.A. an. Am 13.5.2024 – unmittelbar vor der Verteilungstagsatzung – brachte die Rekurswerberin eine „berichtigte Forderungsanmeldung“ beim Erstgericht ein (ON 44), worin sie eine „Gesamtabsonderungsforderung“ von EUR 29.862,98 zur Anmeldung brachte und diesbezüglich die bevorrangte Befriedigung als Absonderungsforderung gemäß § 27 WEG beantragte. Diese Forderung schlüsselte sie wie folgt auf:
Betriebskosten von 1.1.2022 bis 30.6.2022
Zahlungsbefehl GZ 2 C 765/22d Kapital EUR 11.091,23
Betriebskosten von 1.7.2022 bis 31.12.2022
Zahlungsbefehl GZ 2 C 1072/22y Kapital EUR 6.104,22
Betriebskosten von 1.1.2023 bis 30.6.2023
kein ZB wg. Insolvenzeröffnung Kapital EUR 6.599,86
Betriebskosten
nach Insolvenzeröffnung für März 2024 EUR 679,36
Gesamtsumme Kapital EUR 24.474,67
zuzügl. Zinsen für Hauptsache lt. Schuldnerabrechnung EUR 2.978,26
Kosten laut Schuldnerabrechhnung EUR 2.292,14
zuzügl. Zinsen für Kosten lt. Schuldnerabrechnung EUR 117,91
Gesamtabsonderungsforderung daher EUR 29.862,98
Als Bescheinigungsmittel legte sie – wie schon in der vorangegangenen Forderungsanmeldung – lediglich eine Schuldnerabrechnung vor, in der neben den Hauptsachenforderungen (Betriebskosten) der oben angeführte Zinsbetrag sowie die (Prozess- und Exekutions-)Kosten aufgeschlüsselt ersichtlich sind.
Zur Verteilungstagsatzung am 13.5.2024 (ON 45) erschien neben dem Masseverwalter und einem Vertreter einer Hypothekargläubigerin auch die anwaltliche Vertretung der Rekurswerberin. Der Masseverwalter erhob hinsichtlich der von der Rekurswerberin angemeldeten (Teil-)Forderungen über EUR 6.599,86 für Betriebskosten von 1.1.2023 bis 30.6.2023 und über EUR 679,36 für Betriebskosten März 2024 Widerspruch. Er begründete dies damit, dass hinsichtlich der Betriebskostenforderung über EUR 6.599,86 keine Klage zur Wahrung des gesetzlichen Pfandrechts gemäß § 27 WEG eingebracht worden sei. Beim Betrag von EUR 679,36 handle es sich um eine Masseforderung. Die Rekurswerberin replizierte auf dieses Vorbringen nicht.
Mit dem angefochtenen Beschluss verteilte das Erstgericht den Verkaufserlös dieser Sondermasse, wobei es der Rekurswerberin eine gemäß § 27 WEG bevorrechtete Forderung in der Höhe von (nur) EUR 22.583,76 zur vollständigen vorzugsweisen Berichtigung durch Barzahlung zuwies.
Begründend führte es dazu erkennbar aus, der im Rahmen der Verteilungstagsatzung vom Masseverwalter zur angemeldeten Forderung der Eigentümergemeinschaft erhobene Widerspruch hinsichtlich der Beträge über EUR 6.599,86 und EUR 679,36 sei aus den vom Masseverwalter genannten Gründen zu Recht erfolgt, sodass von der insgesamt angemeldeten Forderung lediglich EUR 22.583,76 zur vollständigen Berichtigung durch Barzahlung zugesprochen werden könnten.
Gegen diesen Verteilungsbeschluss richtet sich der Rekurs der Gläubigerin ** C*straße D* [richtig: H* C*straße D*, B*] mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung insoweit abzuändern, als ihr für den Zeitraum von 1.1.2023 bis 30.6.2023 ein weiterer Betrag von EUR 5.399,78 im Rahmen der Verteilung als Vorzugsposten zugewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Masseverwalter hat dazu eine Rekursbeantwortung eingebracht.
I. Gemäß § 260 Abs 4 IO ist der Rekurs in Insolvenzsachen einseitig, soweit das Gesetz nichts anderes anordnet. Eine solche Anordnung nehmen die §§ 119 f IO nicht vor. Mit Blick auf die Verteilungsvorschriften der EO, die für die Verteilung des bei der Verwertung der Sondermasse erzielten Erlöses anzuwenden sind (RS0003046, RS0003381), ist auch auf § 65 Abs 3 EO zu verweisen, wonach der Rekurs im Exekutionsverfahren nur dann zweiseitig ist, soweit es sich um Kostenentscheidungen, Entscheidungen über Anträge auf Einstellung, Einschränkung oder Aufschiebung der Exekution handelt, oder dies sonst in der EO angeordnet ist. § 234 EO sieht jedoch keine Zweiseitigkeit des Rekursverfahrens gegen Verteilungsbeschlüsse vor.
Aus besonderen – nur von der zweiten Instanz im Einzelfall im Rahmen ihres pflichtgemäßen rechtlichen Ermessens beurteilbaren – Gründen kann die Anhörung des Rekursgegners zur Herstellung der „Waffengleichheit“ geboten sein (RS0118686). Es obliegt somit dem Rechtsmittelgericht, im Einzelfall zu beurteilen, ob die Anhörung des Rekursgegners zur Herstellung der Waffengleichheit geboten ist. Letzteres kommt insbesondere dann in Betracht, wenn eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs jedenfalls unzulässig ist und das Rekursgericht deshalb als letzte Instanz entscheidet oder wenn im Rechtsmittel neue rechtliche Aspekte vorgetragen wurden. In derartigen Fällen ist die Gelegenheit zur Rekursbeantwortung auch dann zu gewähren, wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist (3 Ob 162/03z; RS0116198; Jakusch in Angst/Oberhammer, EO³ § 65 EO Rz 30/1).
Unter diesem Gesichtspunkt nimmt das Rekursgericht im vorliegenden Fall davon Abstand, die vom Masseverwalter (voreilig ohne Auftrag) eingebrachte Rekursbeantwortung zurückzuweisen. Der Masseverwalter hat jedoch, da gemäß § 254 Abs 1 Z 1 IO die Insolvenzordnung einen Kostenersatz nicht vorsieht, die Kosten der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
II. Der Rekurs ist nicht berechtigt:
Die Rekurswerberin argumentiert, sie habe hinsichtlich der Betriebskostenrückstände für den Zeitraum von 1.1.2023 bis 30.6.2023 am 14.6.2023 beim Bezirksgericht S* eine Klage eingereicht, wobei neben der Erlassung eines Zahlungsbefehls über EUR 6.599,86 auch die Anmerkung der Klage gemäß § 27 WEG 2002 beantragt worden sei. Zu Unrecht sei dann vom Bezirksgericht S* mit Beschluss vom 27.6.2023 zu 2 C 428/23x ihr Antrag auf Erlassung eines Zahlungsbefehls und auch auf Anmerkung der Klage im Hinblick auf die erfolgte Insolvenzeröffnung zurückgewiesen worden. Die Prozesssperre des § 6 IO gelte nicht für eine Klage, die zur Ausübung des gesetzlichen Vorzugspfandrechts nach § 27 WEG 2002 erhoben worden sei und den Antrag auf Anmerkung der Klage gemäß § 27 WEG enthalte. Richtigerweise wäre vom Bezirksgericht S* keine Zurückweisung auszusprechen, sondern ein Verbesserungsverfahren einzuleiten gewesen, welches die Umstellung der Klage auf den Masseverwalter zum Inhalt habe.
Im Hinblick auf die Entscheidung 5 Ob 305/00i werde zudem die Auffassung vertreten, dass eine Klage, welche eindeutig zur Ausübung des gesetzlichen Vorzugspfandrechts erhoben worden sei, einen zulässigen Rechtsbehelf zur Geltendmachung des Absonderungsrechts darstelle, auch wenn diese zu Unrecht zurückgewiesen worden sei. Es wäre ihr daher grundsätzlich auch der Betrag von EUR 6.559,86 [richtig wohl: EUR 6.599,86] für den Zeitraum von 1.1.2023 bis 30.6.2023 als Vorzugsposten zuzuweisen gewesen. Da vom Masseverwalter am 22.5.2023 ein Betrag von EUR 1.200,08 an die Rekurswerberin bezahlt worden sei, ergebe sich ein restliches Zahlungsinteresse von EUR 5.399,78.
Unter einem brachte die Rekurswerberin die Mahnklage vom 14.6.2023 über eine Kapitalforderung von EUR 6.599,86 betreffend aushaftende Betriebskosten für den Zeitraum von 1.1.2023 bis 30.6.2023 sowie den Beschluss des Bezirksgerichts S* vom 27.6.2023 zu 2 C 428/23x, mit welchem der Antrag auf Anmerkung der Klage gemäß § 27 WEG 2002 zurückgewiesen wurde, in Vorlage. Dazu brachte sie ergänzend vor, diese Urkunden würden im Hinblick auf die Bestimmung des § 260 IO dem Rekurs beigelegt und auch der entsprechende Akt 2 C 428/23x BG S* zum Beweis angeboten. Sollte von Seiten des Rekursgerichts diese Vorlage als nicht zulässig erachtet werden, werde vorsorglich vorgebracht, dass im Beschluss des BG S* auch die Anmerkung der Abweisung im Grundbuch verfügt worden sei, was bei der Verteilung zu beachten gewesen wäre. Diesfalls wäre hervorgekommen, dass im hier geltend gemachten Ausmaß ein weiterer bei der Verteilung zu beachtender Vorzugsposten zu Gunsten der Rekurswerberin vorliege.
Rechtliche Beurteilung
III. Hiezu hat das Rekursgericht erwogen:
1. Bei der – im Sinne des § 120 Abs 2 IO – außergerichtlichen (freihändigen) Verwertung von mit Absonderungsrechten belasteten Liegenschaften bildet der Erlös eine Sondermasse, die durch das Insolvenzgericht nach den Verteilungsvorschriften der EO zu verteilen ist. Die Ansprüche der Absonderungsgläubiger sind in einer amtswegig durchzuführenden Verteilungstagsatzung gemäß den §§ 212 ff EO zu prüfen, im Anschluss daran ist ein Verteilungsbeschluss zu fassen (RS0003381, RS0003046).
2. Die allgemeinen Verteilungsregeln finden sich in den §§ 216 ff EO. Es gibt demnach sechs Rangklassen, von denen drei als Vorzugsposten vor den bücherlich sichergestellten Ansprüchen zu berichtigen sind.
2.1. Nach § 216 Abs 1 Z 3 EO sind in der dritten Rangklasse, somit vor den pfandrechtlich sichergestellten Forderungen, die aus den letzten fünf Jahren vor dem Tag der Erteilung des Zuschlags (im Insolvenzverfahren vor der rechtskräftigen Genehmigung der freihändigen Verwertung) rückständigen Forderungen gemäß § 27 WEG 2002 zu berichtigen.
2.2. An jedem Miteigentumsanteil besteht in dem durch § 216 Abs 1 Z 3 EO bestimmten Ausmaß ein gesetzliches Vorzugspfandrecht zu Gunsten der Forderungen der Eigentümergemeinschaft gegen den Eigentümer des Anteils (§ 27 Abs 1 Z 1 WEG 2002). Das Vorzugspfandrecht kommt dem Forderungsberechtigten aber nur zu, wenn er die Forderung samt dem Pfandrecht innerhalb von sechs Monaten mit Klage geltend macht und die Anmerkung der Klage im Grundbuch beim Miteigentumsanteil des Beklagten beantragt (§ 27 Abs 2 WEG). Damit soll gewährleistet werden, dass alle in das Grundbuch Einsicht Nehmenden darauf aufmerksam gemacht werden, dass zumindest „eine überprüfungswürdige Situation besteht“ (Angst in Angst/Oberhammer, EO3 § 216 EO Rz 9/2 mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien).
3. In der Entscheidung 3 Ob 179/10k hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, dass für die Wirksamkeit des Vorzugspfandrechts nach § 27 WEG im Meistbotverteilungsverfahren die (rechtzeitige) Klagsführung sowie der Antrag auf Klagsanmerkung genügt. Der Bewilligung und des Vollzugs der Klagsanmerkung im Grundbuch bedürfe es hiefür nicht, wodurch also der Eintragungsgrundsatz im Grundbuch durchbrochen wird (3 Ob 179/10k mwN). In diesem vom Obersten Gerichtshof zu beurteilenden Fall war ungeachtet des auf mehrere Liegenschaftsanteile bezogenen Antrags die Klagsanmerkung nur auf einen Liegenschaftsanteil erfolgt, in einem weiteren Verfahren zwar auf alle Liegenschaftsanteile, dies aber erst nach der Meistbotverteilungstagsatzung.
Zuvor war diese Frage in der Lehre kontrovers diskutiert worden. Entsprechend dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut wurde zwar vielfach die Meinung vertreten, dass es zur Aktualisierung des Vorzugspfandrechts nur der fristgerechten Klage mit Antrag auf Klagsanmerkung bedarf. Löcker vertrat diese Ansicht jedoch mit der Einschränkung, dass in der Folge auch eine Bewilligung erfolgt (Löcker in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 27 WEG Rz 17).
Der Oberste Gerichtshof hielt in der Entscheidung 3 Ob 179/10k fest: „Da das Vorzugspfandrecht nach § 27 Abs 1 WEG seinem Wesen nach keine rangbegründende, sondern nur Warnfunktion hat, kommt es auf den Zeitpunkt (sogar auf die Tatsache) der Bewilligung oder des Vollzugs im Grundbuch nicht an. Die Warnfunktion wird im Hinblick auf die Plombierung des Grundbuchs bereits durch den Antrag erfüllt, des Vollzugs bedarf es hiefür nicht. Wenn Löcker (aaO Rz 17) darauf hinweist, dass eine rechtskräftige Abweisung des Anmerkungsantrags der Berufung auf das Vorzugspfandrecht in der Verteilungstagsatzung im Hinblick auf die Rechtskraftwirkung der Abweisung entgegenstünde, so besteht ein solches Hindernis im vorliegend zu beurteilenden Fall nicht.“
4. Im hier vorliegenden Fall liegt aber gerade dieser Fall vor. Das Bezirksgericht S* hat die Klage der Rekurswerberin samt Antrag auf Klagsanmerkung rechtskräftig zurückgewiesen. Es stellt sich daher für das vorliegende Verfahren die Frage, ob für die Wirksamkeit des Vorzugspfandrechts im Sondermasseverteilungsverfahren die erfolglos gebliebene Klagsführung vor dem Bezirksgericht S* ausreichend ist.
4.1. Die am 14.6.2023 beim Bezirksgericht S* zu 2 C 428/23x eingebrachte Klage und der Antrag auf Klagsanmerkung wurden deswegen zurückgewiesen, da über das Vermögen der Schuldnerin bereits am 6.6.2023 das Konkursverfahren eröffnet worden war.
Jede Klage, die zur Ausübung des gesetzlichen Vorzugspfandrechts erhoben wird, privilegierte Forderungen zum Gegenstand hat und einen Antrag auf Anmerkung der Klage nach § 27 WEG enthält, ist ein zulässiger Rechtsbehelf zur Geltendmachung des Absonderungsrechts. Die Prozesssperre des § 6 Abs 1 IO besteht für eine solche Klage nicht (RS0114464). Allerdings können Rechtsstreitigkeiten über solche Absonderungsansprüche nach der Konkurseröffnung nur gegen den Masseverwalter anhängig gemacht oder fortgesetzt werden (8 Ob 235/00t; 5 Ob 305/00i; RS0001828).
Richtigerweise hätte die Rekurswerberin ihre Klage also gegen den Masseverwalter zu richten gehabt.
4.2. Wurde jedoch eine Klage über einen Absonderungsanspruch unrichtig gegen den Schuldner anhängig gemacht, ist eine Richtigstellung der Parteienbezeichnung auf den Masseverwalter – auf Antrag oder von Amts wegen – zulässig (Mohr IO11 [2012] § 6 IO E 96). Vor allem dann, wenn die klagende Partei erkennbar die Insolvenzeröffnung übersehen hat, hat das Prozessgericht einen Sanierungsversuch zu unternehmen. Ist klar, dass die klagende Partei, wäre ihr das Insolvenzverfahren bekannt gewesen, den Insolvenzverwalter geklagt hätte und dass sie gegen ihn prozessieren will, muss das Prozessgericht die Parteibezeichnung auf diesen berichtigen (Jelinek in KLS² § 6 Rz 44 und 45).
Ein Antrag auf Berichtigung der Parteienbezeichnung wurde von der Rekurswerberin nicht gestellt. Unabhängig davon, dass das Bezirksgericht S* auch von Amts wegen ein Verbesserungsverfahren einleiten hätte können, hätte die Rekurswerberin jedenfalls gegen die Zurückweisung des Antrags auf Klagsanmerkung bzw des Antrags auf Erlassung eines Zahlungsbefehls ein Rechtsmittel ergreifen können. Dies hat sie nicht getan. Sie hätte auch eine neue Klage gegen den Masseverwalter einbringen können. Auch das unterblieb.
4.3. Im Ergebnis ist daher festzuhalten: Für die Geltendmachung der bevorrangten Forderung gemäß § 27 WEG genügt zwar die (rechtzeitige) Klagsführung samt Antrag auf Klagsanmerkung. Dies gilt aber nur dann, wenn die formellen Voraussetzungen der Klagseinbringung mit Anmerkung im Grundbuch erfüllt sind (RS0113379; 8 Ob 235/00t; 5 Ob 61/00g; immolex 2000/185). Der Rechtssatz, dass es auf den Zeitpunkt (ja theoretisch sogar auf die Tatsache) der Bewilligung oder des Vollzugs im Grundbuch nicht ankommt, kann nach Ansicht des Rekursgerichts dann nicht gelten, wenn eine unzulässige Klage oder – wie hier – eine Klage gegen die falsche Partei eingebracht wurde und auch keine Bemühungen unternommen wurden, eine Parteienberichtigung vorzunehmen oder eine unrichtig erfolgte Zurückweisung zu bekämpfen.
Die Rekurswerberin kann sich daher hinsichtlich der Betriebskostenrückstände für den Zeitraum von 1.1.2023 bis 30.6.2023 nicht auf ein Vorzugspfandrecht gemäß § 27 WEG 2002 berufen.
5. Darüber hinaus ist noch auf Folgendes hinzuweisen:
5.1. Forderungen, für die ein Vorzugspfandrecht besteht, werden nicht von Amts wegen berücksichtigt. Gemäß § 210 EO haben die mit ihren Ansprüchen auf das Meistbot gewiesenen Personen ihre Ansprüche an Kapital, Zinsen, Kosten und sonstigen Gebühren vor oder spätestens bei der Meistbotverteilungstagsatzung anzumelden und durch Urkunden in Urschrift oder Abschrift nachzuweisen (3 Ob 162/02y). Betreffend das Vorzugspfandrecht gemäß § 27 WEG muss in der Anmeldung neben dem Betrag auch der Rechtsgrund für die Forderung in einer Weise dargelegt werden, welche die Beurteilung ermöglicht, seit wann die Forderung „rückständig“ ist, und darin ferner ein für die Beurteilung des Zeitpunkts der Fälligkeit ausreichendes Vorbringen enthalten sein. Zusätzlich muss noch eine mit dem Eingangsvermerk des Gerichts versehene Gleichschrift der Klage und – falls die Klage in der mündlichen Verhandlung ausgedehnt wurde – eine Abschrift des Verhandlungsprotokolls angeschlossen werden (3 Ob 179/10k mwN). Generell sind die zur Meistbotverteilung angemeldeten Forderungen durch Urkunden nachzuweisen, wenn sie nicht aus dem Grundbuch oder den Exekutionsakten entnommen werden können (RS0003104).
5.2. Im vorliegenden Fall ist die Rekurswerberin bei ihrer Forderungsanmeldung (ON 40 und 44) ihrer Bescheinigungspflicht nicht in ausreichendem Ausmaß nachgekommen. Es wurde lediglich eine Schuldnerabrechnung vorgelegt, nicht aber Gleichschriften der Klagen, auf die sie die Wirksamkeit der behaupteten Vorzugspfandrechte stützte. Hinsichtlich zweier Positionen wurde lediglich auf die Geschäftszahlen der diesbezüglich eingebrachten Mahnklagen verwiesen, wobei hinsichtlich einer Klagsführung sogar eine falsche GZ angeführt wurde (2 C 1072/22y statt 2 C 1073/22y). Hinsichtlich der hier strittigen rückständigen Betriebskosten von 1.1.2023 bis 30.6.2023 über EUR 6.599,86 enthält die Forderungsanmeldung den Hinweis: „kein ZB wg. Insolvenzeröffnung“ (ON 44).
5.3. Zwar gilt: Das Gericht hat einem in der Verteilungstagsatzung erschienenen, wenn auch anwaltlich vertretenen Gläubiger zufolge § 78 EO iVm § 182 Abs 1 ZPO in Ansehung einer mangelhaft angemeldeten oder mangelhaft bescheinigten Forderung einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, der allenfalls auch zu einer Erstreckung der Verteilungstagsatzung führen kann (3 Ob 52/22a mwN). Verbesserungsaufträge können zwar auch schon vorher erteilt werden, die Pflicht hiezu erwächst aber zufolge § 182 ZPO erst in der Tagsatzung (3 Ob 113/02t).
Eine Anleitungspflicht ergibt sich aber nur für den Fall einer unpräzisen, unvollständigen oder unklaren Anmeldung (3 Ob 217/99d). Auch muss die Schwäche des Standpunkts einer Partei, auf die bereits eine gegnerische Verfahrenspartei hingewiesen hat, vom Gericht keiner Erörterung zugeführt werden (RS0122365).
Im vorliegenden Fall könnte der Hinweis in der Forderungsanmeldung „kein ZB wg. Insolvenzeröffnung“ zwanglos auch dahingehend interpretiert werden, dass aufgrund der Insolvenzeröffnung gar keine Klage samt Antrag auf Klagsanmerkung eingebracht wurde, zumal ja weder die Mahnklage vorgelegt noch auf eine bezughabende GZ hingewiesen wurde. Auf das Widerspruchsvorbringen des Masseverwalters in der Verteilungstagsatzung, wonach hinsichtlich der Position EUR 6.599,86 keine Zahlungsklage zur Wahrung des gesetzlichen Pfandrechts gemäß § 27 WEG eingebracht wurde, replizierte die in dieser Tagsatzung ebenfalls anwesende Rechtsvertreterin der Rekurswerberin nicht. Es bestand sohin für das Erstgericht kein Anlass, der Gläubigerin einen Verbesserungsauftrag dahingehend zu erteilen, den Nachweis zu erbringen, dass eine Mahnklage samt Antrag auf Klagsanmerkung, dies jedoch gegen die Schuldnerin, eingebracht wurde.
Das Gericht hat nicht die Pflicht, einen ungenügend angegebenen Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln oder Erhebungen über Bestand und Umfang der angemeldeten Ansprüche zu pflegen. Es ist auch nicht verpflichtet, andere Akten beizuschaffen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um Akten eines anderen Gerichts handelt (Angst/Jakusch/Mohr, EO15 (2012) § 214 EO E 7, 17, 18).
5.4. Auch das Argument der Rekurswerberin, dass im Beschluss des BG S* auch die Anmerkung der Abweisung im Grundbuch verfügt worden sei, wodurch [gemeint offensichtlich bei Einsicht ins Grundbuch] hervorgekommen wäre, dass ein weiterer bei der Verteilung zu beachtender Vorzugsposten zu Gunsten der Rekurswerberin vorliege, was bei der Verteilung zu beachten gewesen wäre, geht ins Leere. Entgegen dieser Verfügung unterblieb nämlich eine solche Anmerkung im Grundbuch. Das Erstgericht hat von Amts wegen vor der Verteilungstagsatzung einen aktuellen Grundbuchsauszug eingeholt, konnte daraus aber keinen Hinweis auf das Verfahren 2 C 428/23x des BG S* entnehmen. Zu einer amtswegigen Erhebung oder Veranlassung einer Ergänzung der schriftlichen Forderungsanmeldung bestand sohin für das Erstgericht auch unter diesem Aspekt kein Anlass. Darüber hinaus würde es die Anforderungen an die Amtswegigkeit und die Anleitungspflicht des Gerichts überspannen, müsste es von sich aus jede Anmerkung einer Abweisung einer Klagsanmerkung hinterfragen.
6. Darüber hinaus gilt: Die Unterlassung des Hinweises auf Mängel der Anmeldung durch den Erstrichter gegenüber dem bei der Meistbotverteilungstagsatzung erschienenen Anmeldenden stellt einen primären Verfahrensmangel dar, der vom Rekursgericht nicht von Amts wegen, sondern nur dann wahrgenommen werden kann, wenn er ausdrücklich geltend gemacht wird (3 Ob 162/02y). Dies ist hier nicht geschehen.
7. Aufgrund dieser Erwägungen ist dem Rekurs insgesamt kein Erfolg beschieden.
8. Allein aufgrund der Erfolglosigkeit des Rekurses hat die Rekurswerberin die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen. Überdies findet im Insolvenzverfahren ein Kostenersatz nicht statt (§ 254 Abs 1 Z 1 IO).
9. Der Revisionsrekurs ist gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO jedenfalls unzulässig.
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