OGH 9ObA76/23a

OGH9ObA76/23a16.12.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Sibylle Wagner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Philipp Brokes (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei J*, vertreten durch Themmer, Toth & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A*-Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, wegen Rechnungslegung und Feststellung (Gesamtstreitwert 87.777 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 27. Juli 2023, GZ 8 Ra 40/23w‑35, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 8. November 2022, GZ 8 Cga 50/18w‑31, nicht Folge gegeben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00076.23A.1216.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

1. Die Revisionsbeantwortung wird zurückgewiesen.

2. Der Revision wird teilweise Folge gegeben und die Urteile der Vorinstanzen, soweit sie das Begehren auf Rechnungslegung über die Direktorenbonifikation, genannt * für 2017 sowie Zahlung des sich daraus ergebenden Guthabensbetrags abweisen, aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

3. Im Übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

4. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Der Kläger war von 1. 8. 1988 bis 29. 11. 2017 bei der Beklagten beschäftigt. Dem Dienstverhältnis des Klägers liegt der Kollektivvertrag für Angestellte im Außendienst der Versicherungsunternehmen (KV) zugrunde. Er war zunächst als Auszubildender im Innendienst, ab 1. 8. 1990 als Mitarbeiter im Außendienst tätig. In der Folge wurde der Kläger zum Bezirksdirektor, dann zum Direktor ernannt. Er baute gemeinsam mit seinem Vater ein Prämienvolumen von jährlich ca 3 Mio EUR auf und warb ca 2.400 Kunden für die Beklagte an. Er entschied sich für das Provisionsmodul, wonach die Erstprovision und die Folgeprovisionen jeweils 50 : 50 aufgeteilt werden und gegen ein Modul, nach dem zunächst eine höhere Provision bei nachfolgender niedriger Folgeprovision lukriert wird. Die Provisionen wurden in Form eines monatlichen Akontos ausgezahlt, die tatsächliche Abrechnung erfolgte jeweils im Jänner oder Februar des Folgejahres. Die letzte Provisionsakontierung erfolgte im Dezember 2017, ein Teil dieses Betrags wurde mit der Endabrechnung von Jänner 2018 wieder in Abzug gebracht.

[2] Die Beklagte erstellt jährlich einen Vertriebsplan, in dem sämtliche Definitionen zu Bezugsmodellen, Bonifikationen, Wettbewerben und Kapazitäten für den Betrieb der Beklagten enthalten waren. Unter Punkt 2.4 im Vertriebsplan 2017 wurden die Bonifikationsbedingungen für 2017 festgelegt, nach denen unter anderem Anspruch auf eine Bonifikation Vermittler/innen haben sollten, die über ein aufrechtes Dienstverhältnis zum 31. 12. 2017 verfügten. Zusätzlich wurde festgehalten, dass die Grundsätze der Auslegung von Bonifikationsausschreibungen oder ihrer Berechnung nicht auf dem Rechtsweg angefochten werden können und sich die Beklagte – Abteilung Vertriebsstrategie – den Bonifikationsausschluss teilnehmender Vermittler/innen bei Verstößen gegen die Wertungsrichtlinien vorbehält.

[3] Im März 2016 erhielt der Kläger eine Direktorenbonifikation in Höhe von 32.560 EUR brutto, im März 2017 von 22.443,53 EUR brutto.

[4] Das Dienstverhältnis zwischen den Parteien endete durch Entlassung. Diese wurde vom Kläger gerichtlich angefochten. Das Klagebegehren wurde mittlerweile rechtskräftig abgewiesen.

[5] Mit Urteil des Bezirksgerichts * vom 4. 9. 2019 wurde der Kläger wegen des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB und des Vergehens der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt. Zusätzlich wurde er zu einer Ersatzleistung an die privatbeteiligte Beklagte in Höhe von 314,80 EUR verurteilt. Hinsichtlich der weiteren Ansprüche wurde die Beklagte auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Der Verurteilung liegen drei fingierte Versicherungsmeldungen des Klägers über Kühlgutschäden zugrunde. Die Verurteilung wegen des Vergehens der Urkundenfälschung beruhte auf dem Verfälschen von zwei Kündigungsschreiben, um eine vorzeitige Entbindung aus Verträgen bei anderen Versicherungen zu erreichen.

[6] Der Kläger begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, ihm eine Provisionsabrechnung hinsichtlich der bis 30. 11. 2017 von ihm vermittelten und aufrechten Versicherungsverträge zu legen, dies für den Zeitraum 1. 1. 2018 bis 31. 12. 2018 und 1. 1. 2019 bis 31. 12. 2019 und über die Direktorenbonifikation, genannt * für 2017, sowie den sich aufgrund der Rechnungslegung ergebenden Guthabensbetrag zu zahlen. Weiters begehrt er festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet sei, für sämtliche vom Kläger bis zum 30. 11. 2017 vermittelten und aufrechten Versicherungsverträge auch weiterhin die erwirtschafteten Provisionen an den Kläger auszubezahlen. Er bringt vor, die Folgeprovisionen seien unabhängig vom Ausgang des Entlassungsanfechtungsverfahrens zu zahlen. Es bestehe ein Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII EGZPO. Weiters habe er ein rechtliches Interesse an der Feststellung, dass die Beklagte dazu verpflichtet sei, solange die Verträge aufrecht seien, entsprechende Provisionen zu zahlen. § 6 Abs 6 des KV sei sittenwidrig und nichtig nach § 879 ABGB. Subsidiär müsse das richterliche Mäßigungsrecht zur Anwendung gelangen. Die Direktorenbonifikation habe er jahrzehntelang aufgrund seiner Spitzenumsätze erhalten. Es sei daher zu einer schlüssigen diesbezüglichen Vereinbarung gekommen, weshalb diese Bonifikation ihm auch für 2017, zumindest jedenfalls anteilig, zustehe. Auch diesbezüglich bestehe daher ein Rechnungslegungsanspruch.

[7] Die Beklagte bestreitet und bringt vor, die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche seien entlassungsabhängig. § 6 Abs 6 KV schließe Folgeprovisionen für den Fall der gerechtfertigten Entlassung aus. Aus dem Vertriebsplan ergebe sich, dass Grundlage für eine Bonifikation unter anderem sei, dass keine groben Verstöße gegen die in diesem Betriebsplan enthaltenen Wertungsrichtlinien vorlägen. Solche Verstöße seien aufgrund des der Entlassung zugrunde liegenden Sachverhalts gegeben.

[8] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Nach § 6 Abs 6 KV habe der Kläger aufgrund der berechtigten Entlassung keinen Anspruch auf Folgeprovisionen und daher auch nicht auf Rechnungslegung. Diese Kollektivvertragsbestimmung sei auch nicht sittenwidrig. Auf § 6 Abs 6 KV sei das richterliche Mäßigungsrecht nicht anzuwenden. Ein Anspruch auf die Direktorenbonifikation bestehe nicht, da der Vertriebsplan vorsehe, dass ein solcher ein aufrechtes Dienstverhältnis zum 31. 12. 2017 voraussetze.

[9] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung nicht Folge. § 6 Abs 6 KV sei nicht sittenwidrig. Der Kläger sei aufgrund seiner Malversationen, wegen derer er auch rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden sei, gerechtfertigt entlassen worden. Es bestehe daher kein Anspruch auf Provisionen nach Ende des Dienstverhältnisses. Auch bei Zugrundelegung eines vom Kläger geforderten abgestuften Systems sei ein Entfall der vom Kläger geltend gemachten Nachprovisionen sachgerecht. Die bestehende Kollektivvertragsbestimmung sei nicht mit Fällen vergleichbar, in denen ein Dienstgeber mit einem Dienstnehmer einen vertraglichen Vorausverzicht für Provisionsansprüche vereinbare. Den Kollektivvertragsparteien sei zu unterstellen, eine vernünftige, zweckentsprechende und praktisch durchführbare Regelung sowie einen gerechten Ausgleich der sozialwirtschaftlichen Interessen der Arbeitsvertragsparteien herbeiführen zu wollen. Es liege auch keine einer richterlichen Mäßigung unterliegende Konventionalstrafe vor.

[10] Für die Direktorenbonifikation sehe der Vertriebsplan vor, dass das Dienstverhältnis zum 31. 12. aufrecht sein müsse. Das sei beim Kläger nicht der Fall gewesen. Damit habe er die Voraussetzungen für die Bonifikation nicht erfüllt. Für das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aufgrund einer Betriebsübung sei entscheidend, welchen Eindruck der Arbeitnehmer als sorgfältige Überlegung vom Erklärungsverhalten des Arbeitgebers haben durfte. Der Kläger habe im vorliegenden Fall nur davon ausgehen können, dass die Beklagte die Bonifikation entsprechend den Regelungen im Vertriebsplan definiere und festlege. Dass diese anders gewesen wären als in den Vorjahren, habe er nicht behauptet. Damit sei aber Voraussetzung für einen Anspruch ein aufrechtes Dienstverhältnis zum 31. 12.

[11] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nicht zugelassen, weil erhebliche Rechtsfragen nicht zu beurteilen seien.

[12] Der Kläger begehrt in seiner außerordentlichen Revision das Berufungsurteil dahingehend abzuändern, dass der Klage vollinhaltlich stattgegeben wird. In eventu stellt er einen Aufhebungsantrag.

[13] Die – freigestellte – Revisionsbeantwortung der Beklagten war zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die Revision ist zur Klarstellung zulässig und teilweise auch berechtigt.

[15] 1. Die Revisionsbeantwortung ist verspätet und daher zurückzuweisen. Gemäß § 507a Abs 2 Z 3 iVm § 508a Abs 2 ZPO begann die Frist für die Revisionsbeantwortung mit der Zustellung des Freistellungsbeschlusses (25. 10. 2024) zu laufen. Gemäß § 507a Abs 3 Z 2 ZPO wäre die Revisionsbeantwortung nicht beim Erstgericht sondern beim Obersten Gerichtshof einzubringen gewesen. Wird eine Rechtsmittelschrift bei einem funktionell nicht zuständigen Gericht eingebracht, ist sie zwar von Amts wegen an das funktionell zuständige Gericht weiterzuleiten; es ist jedoch für die Rechtzeitigkeit der Rechtsmittelschrift der Zeitpunkt des Einlangens bei diesem Gericht maßgebend (RS0043678). Im Zeitpunkt des Einlangens beim Obersten Gerichtshof (9. 12. 2024) war die Revisionsbeantwortungsfrist aber bereits abgelaufen.

[16] 2. Unstrittig ist, dass auf das Dienstverhältnis des Klägers zur Beklagten der Kollektivvertrag für Angestellte im Außendienst der Versicherungsunternehmen (KV) anzuwenden ist.

[17] Dessen § 6 lautet:

Provisionszahlung nach Auflösung des Dienstverhältnisses

(1) Die vereinbarte Folgeprovision bleibt dem Angestellten unter der Bedingung einer ununterbrochenen Dauer eines diesem Kollektivvertrag unterliegenden Dienstverhältnisses bei dem gleichen Dienstgeber durch mindestens 3 Jahre gemäß den folgenden Bestimmungen gewahrt, längstens jedoch bis zum Ablauf der ursprünglich vereinbarten Dauer der von ihm selbständig vermittelten Versicherungsverträge nach Maßgabe des Prämieneinganges; dabei werden nach Beendigung des Dienstverhältnisses eingetretene Prämienzuwächse nicht berücksichtigt.

(2) Insoweit dem Angestellten eine Folgeprovision unter Berücksichtigung des Abs 1 zusteht, beträgt diese nach Endigung des Dienstverhältnisses, längstens bis zu seinem Tode, 50 % jener Folgeprovision, auf die der Angestellte Anspruch hätte, wenn noch ein Dienstverhältnis bestünde. Besteht bei Beendigung des Dienstverhältnisses ein Anspruch auf eine Alters- oder Berufsunfähigkeitspension aus der Sozialversicherung, so erhöht sich der Prozentsatz auf 60 %. Dasselbe gilt bei Beendigung des Dienstverhältnisses infolge Krankheit oder Unglücksfall des Angestellten nach Ablauf des Zeitraumes, für den ein Entgeltanspruch gem. § 8 Angestelltengesetz besteht.

(3) Endigt das Dienstverhältnis durch Tod oder stirbt der Angestellte nach Übertritt in den Ruhestand, bleibt der/dem nicht wieder verheirateten Witwe/dem Witwer nach dem Tod des Angestellten bzw Pensionisten und bei Ableben den minderjährigen gesetzlich unterhaltsberechtigten Waisen der Anspruch auf Folgeprovisionen der Dauer nach im Sinne des Abs 1 und in der Höhe von 50 % jener Folgeprovisionen, auf die der Angestellte Anspruch hätte, wenn noch ein Dienstverhältnis bestünde, gewahrt. [...]

(4) Kündigt der Dienstnehmer das Dienstverhältnis und betätigt er sich sodann für einen anderen Versicherungsvertreiber, so behält er den Anspruch auf die Hälfte der ihm gemäß Abs 2 zustehenden Folgeprovision.

(5) Es besteht kein Anspruch auf Folgeprovision oder auf Teile einer solchen, wenn der Angestellte etwas unternimmt, was eine Beeinträchtigung oder Schmälerung des Geschäftsbestandes oder der geschäftlichen Interessen oder des Ansehens des Dienstgebers zur Folge haben könnte.

(6) Ebenso besteht kein Anspruch auf Folgeprovision oder auf Teile einer solchen, wenn der Angestellte vom Dienstgeber vorzeitig entlassen wird (§ 27 Angestelltengesetz).

[...]“

[18] 3. Auch vom Kläger wird nicht bestritten, dass bei Zugrundelegung von § 6 Abs 6 KV aufgrund der von den Gerichten als gerechtfertigt erkannten Entlassung des Klägers grundsätzlich kein Anspruch auf Folgeprovisionen besteht. Der Kläger macht vielmehr geltend, dass die kollektivvertragliche Regelung gegen § 879 ABGB verstößt.

[19] 4. Der Kläger behauptet einen aufrechten Anspruch auf Nachprovisionen. Provisionen fallen unter den weiten Entgeltbegriff des Arbeitsrechts (Preiss in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 10 AngG Rz 13; vgl RS0027975). Dabei vergütet eine Abschlussprovision dem Arbeitnehmer die Tatsache des zustande gekommenen Geschäftsabschlusses, eine Vermittlungsprovision, die für den Arbeitgeber erfolgreiche Vermittlungstätigkeit (Mair in Reissner, AngG3 § 10 Rz 6 mwN). Eine Betreuungsprovision vergütet dem Arbeitnehmer hingegen die Erhaltung, Erneuerung und Erweiterung des bestehenden Vertragsbestands (9 ObA 603/93).

[20] Bei der in der Versicherungsbranche üblichen Folgeprovision handelt es sich dem Wesen nach um eine Vermittlungsprovision, die durch mehr als einmalige Erfolgsvergütung vorgenommen wird. Die Folgeprovision gebührt meist für die vom Angestellten durch selbständige Werbung vermittelten Versicherungsverträge nach Maßgabe des Prämieneingangs (RS0027977). Da Folgeprovisionen ihrem Entlohnungszweck nach an die Dauer des (Versicherungs‑)Vertragsverhältnisses anknüpfen und (mangels diesbezüglicher besonderer Vereinbarung) nicht an den aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses, stehen sie dem provisionsberechtigten Angestellten grundsätzlich auch noch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu, solange das vermittelte Vertragsverhältnis weiterhin aufrecht bleibt. Dementsprechend wird – bezogen auf das schon beendete Arbeitsverhältnis – auch vom Anspruch auf „Nachprovision“ gesprochen (Jabornegg in Löschnigg/Melzer, AngG11 § 10 Rz 31).

[21] 5. Für Vermittlungsprovisionen ist daher grundsätzlich davon auszugehen, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Konnex zwischen der erbrachten Arbeitsleistung und dem Erwerb des Anspruchs auf Provision unberührt lässt (RS0027962). Im Zweifel steht dem Angestellten Provision für alle Geschäfte zu, die durch seine Tätigkeit während der Dauer des Arbeitsverhältnisses zwischen der Kundschaft und dem Arbeitgeber zustande gekommen sind.

[22] 6. Die Vereinbarung, dass der Provisionsanspruch erst mit der Zahlung des Kunden entsteht, ist keine von diesem Grundsatz abweichende Vereinbarung, weil sie nur den Zeitpunkt des Entstehens des Provisionsanspruchs betrifft, der durchaus auch erst nach Ende des Vertragsverhältnisses liegen kann (RS0027962 [T1]). Mangels abweichender Vereinbarung bleibt der Anspruch auf Verprovisionierung bereits während des Arbeitsverhältnisses abgeschlossener Geschäfte daher selbst dann bestehen, wenn die diesbezüglichen Zahlungen auch erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eingehen (vgl 9 ObA 287/01y mwN, vgl auch Preiss in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 10 AngG Rz 43).

[23] 7. Gemäß der dispositiven Natur der Abs 3 und 4 des § 10 AngG können für den Provisionsverdienst auch vom Gesetz abweichende Regelungen zum Provisionserwerb und zur Provisionsfälligkeit getroffen werden. Dabei ist allerdings die Sittenwidrigkeitsgrenze des § 879 ABGB zu beachten (Preiss in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 10 AngG Rz 47). Davon abgesehen kann daher eine Provisionsvereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgrund des dispositiven Charakters des gesamten Provisionsrechts inhaltlich beliebig ausgestaltet werden.

[24] 8. Eine derartige inhaltliche Regelung für Folge-(Nach‑)provisionen haben die Kollektivvertragsparteien in § 6 KV vorgenommen.

[25] Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass der normative Teil eines Kollektivvertrags nach den Auslegungsregeln der §§ 6, 7 ABGB auszulegen ist (RS0008807; RS0010088). Die Gerichte haben die Kollektivverträge aber dahin zu prüfen, ob sie gegen höherrangiges Recht, also die Verfassung, europäisches Unionsrecht, zwingendes Gesetzesrecht, die guten Sitten oder tragende Grundsätze des Arbeitsrechts verstoßen (8 ObA 30/00w). Kollektivvertragliche Rechtsansprüche sind zwar in jeder Richtung regelbar. Die Gestaltungsfreiheit der Kollektivvertragsparteien findet aber ihre Schranke in der mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte, vor allem in der Konkretisierung der wertausfüllungsbedürftigen Generalklauseln des Zivilrechts (insbesondere § 879 ABGB; RS0018063 [T4]). Allerdings sind auch verschlechternde Regelungen in Kollektivverträgen unangreifbar, wenn sie den Grundsätzen der Sachlichkeit und Verhältnismäßigkeit entsprechen (RS0008687 [T26]).

[26] Sachliche Differenzierungen sind somit zulässig. Die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist bei kollektivvertraglichen Regelungen grundsätzlich anzunehmen (RS0038552). Bei der Prüfung, ob eine Kollektivvertragsbestimmung gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz verstößt, darf insbesondere auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass den Kollektivvertragsparteien ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum sowohl hinsichtlich der angestrebten Ziele als auch der zur Zielerreichung eingesetzten Mittel zusteht (8 ObA 19/06m mwN).

[27] 9. Der Oberste Gerichtshof hat sich bislang mit dem Entfall von Nachprovisionen überwiegend im Zusammenhang mit vertraglichen Vereinbarungen auseinandergesetzt. Vor Prüfung der kollektivvertraglichen Regelung ist zunächst auf diese Judikatur einzugehen, da aus ihr Anhaltspunkte für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit vergleichbarer Regelungen gewonnen werden können.

[28] In der Entscheidung 9 ObA 179/89 erachtete der Oberste Gerichtshof aufgrund der dispositiven Natur von § 10 Abs 3, 4 AngG einzelvertragliche Vereinbarungen, die einen Entgeltanspruch und daher auch einen Anspruch auf Folgeprovisionen auf die Dauer des Dienstverhältnisses beschränken, für zulässig, soweit ihnen keine kollektivvertraglichen Regelungen entgegenstehen. Eine Berufung auf die Sittenwidrigkeit einer solchen Vereinbarung sei aber zulässig. Eine solche wurde für den konkreten Fall aufgrund der Aufteilung der Provision auf Teilansprüche, die bestimmten Phasen der Abwicklung des abgeschlossenen Geschäfts entsprechen, verneint. Berücksichtigt wurde unter anderem auch, dass die getroffene Regelung für die Zeit des aufrechten Dienstverhältnisses gegenüber § 10 Abs 3 AngG günstiger war, und der Kläger selbst gekündigt hatte.

[29] In 9 ObA 94/91 wurde eine Vereinbarung, wonach der Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis keinen Anspruch auf die während des aufrechten Arbeitsverhältnisses bereits erworbenen, aber noch nicht fällig gewesene Provisionen hat, als sittenwidrig erachtet. Ziehe man in Betracht, dass die erfolgsorientierte Provisionsgewährung das Ziel verfolge, den Arbeitnehmer zu einer höheren Leistung anzuspornen und seine Motivation zu einem besonderen Einsatz zu unterstützen und berücksichtige man den das Arbeitsrecht beherrschenden Grundsatz des Schutzes des persönlich abhängigen Arbeitnehmers, dann bewirke eine Vereinbarung, derzufolge der Arbeitgeber durch Ausspruch einer Kündigung den Anspruch des Arbeitnehmers auf bereits verdientes Entgelt vernichten könne, eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Arbeitnehmers, sodass die Voraussetzung für die Bejahung der Sittenwidrigkeit erfüllt seien.

[30] Auch im Zusammenhang mit selbständigen Handelsvertretern hatte sich der Oberste Gerichtshof mit Vereinbarungen, die zum Verlust von Provisionen nach Beendigung des Vertragsverhältnisses führten, auseinander-zusetzen. In 6 Ob 170/02x wurde in Bezug auf § 8 Abs 2 HVertrG ausgeführt, dass die Beendigung des Handelsvertretervertrags grundsätzlich nicht zum Verlust von Provisionen für Geschäfte führe, die noch während des aufrechten Bestands des Handelsvertreterverhältnisses abgeschlossen, aber erst nach dessen Ende ausgeführt worden seien, soweit derartige „Überhangprovisionen“ nicht vertraglich ausgeschlossen seien.

[31] In der Entscheidung 3 Ob 138/14m war eine Vereinbarung zu beurteilen, nach der der Anspruch auf Provision als Folge jeder Beendigung des Agenturvertrags erlöschen sollte. Das Vertragsverhältnis endete durch Kündigung des Handelsvertreters. Der Oberste Gerichtshof führte dazu aus, dass derartige Provisionen als Entgelt sowohl für Vermittlungs- als auch für Betreuungsleistungen anzusehen seien. Ein Entfall von Provisionen für bereits erbrachte Leistungen für den Fall einer Kündigung des Versicherungsvertragsverhältnisses durch den arbeitnehmerähnlichen Versicherungsvertreter beeinträchtige dessen Kündigungsmöglichkeit wegen der umfangreichen negativen wirtschaftlichen Auswirkung ganz erheblich. Die schon bei Abschluss eines Agenturvertrags getroffene Vereinbarung, die auch für den Fall der Beendigung des Agenturvertrags durch unbegründete, das heißt ausgleichsschädliche Eigenkündigung durch den Versicherungsvertreter das Erlöschen der bereits verdienten, aber noch durch die Ausführung der vermittelnden Versicherungsverträge bedingten Vermittlungsprovisionen (Folgeprovisionen) ohne jede Einschränkung vorsehe, sei sittenwidrig im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB. Wesentliches Argument war auch, dass der Handelsvertreter wegen seiner unberechtigten Eigenkündigung keinen Ausgleichsanspruch nach § 24 HVertrG in Anspruch nehmen könne.

[32] In der Entscheidung 9 ObA 19/17k wandte der Oberste Gerichtshof diese Erwägungen auf den unberechtigten vorzeitigen Austritt eines arbeitnehmerähnlichen Versicherungsvertreters an. Das Sittenwidrigkeitsurteil der Provisionsverzichtsklausel gründe im Wesentlichen auf den nachträglichen Entfall eines vom arbeitnehmerähnlichen Versicherungsvertreters während aufrechten Vertrags bereits verdienten Entgelts, das dem arbeitnehmerähnlichen Versicherungsvertreter auch nach Beendigung des Vertrags seine Existenzgrundlage sichern solle. Ein arbeitnehmerähnlicher Versicherungsvertreter sei aufgrund des spezifischen Abhängigkeitsverhältnisses zu seinem Vertragspartner zur Bestreitung seines Lebensunterhalts (jedenfalls auch) auf diese Entlohnung besonders angewiesen. Diesen vom – arbeitnehmerähnlichen – Versicherungsvertreter zu tragenden gravierenden, weil existenzbedrohenden Nachteilen steht auf der Seite der Beklagten der Bonus gegenüber, den ihr aus der Tätigkeit des Klägers zukommenden Vorteil (Prämienzahlungen der Versicherungsnehmer) für sich in Anspruch nehmen zu können, ohne die dafür vorgesehene Vergütung leisten zu müssen. Die Art der Beendigung des Vertragsverhältnisses änderte an dieser Beurteilung nichts. Eine sachliche Rechtfertigung, weshalb sich der Unternehmer die Folgeprovisionen bei bestimmten Beendigungsarten ersparen können solle, sei nicht ersichtlich. Zudem sichere auch der Gesetzgeber dem Angestellten ein bereits ins Verdienen gebrachtes Entgelt völlig unabhängig von der Art der Beendigung, insbesondere aber auch beim unberechtigten vorzeitigen Austritt des Angestellten, zu.

[33] In der Entscheidung 4 Ob 142/21t wurde auch für den Fall des selbständigen Handelsvertreters, der nicht arbeitnehmerähnlich ist, von der Sittenwidrigkeit eines Vorausverzichts auf sogenannte „Überhangsprovisionen“ ausgegangen, weil der Provisionsentfall nicht nur im Falle unbegründeter – den Ausgleichsanspruch schädigender – Eigenkündigung, sondern auch für die unberechtigte vorzeitige Vertragsauflösung durch den Geschäftsherrn, der es dementsprechend einseitig in der Hand gehabt habe, dem Handelsvertreter seine für den Vertragsabschluss ausgelobten Überhangsprovisionen zu nehmen, gelte.

[34] Zusammenfassend lässt sich dieser Rechtsprechung entnehmen, dass ein Vorausverzicht auf sämtliche Nachfolgeprovisionen insbesondere dann als sittenwidrig erachtet wurde, wenn dadurch die Kündigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers unverhältnismäßig beschränkt oder dem Arbeitgeber die Möglichkeit gegeben wurde, bei einseitiger grundloser Beendigung des Vertragsverhältnisses deren Entfall herbeizuführen. Allerdings wurde auch herausgestrichen, dass es sich um schon verdiente Provisionen handelt und durch einen Entfall des Provisionsanspruchs der Arbeitgeber den Vorteil aus den abgeschlossenen Geschäften erhält, ohne dafür eine Vergütung leisten zu müssen.

[35] 10. Bei Prüfung der Regelung des § 6 KV ist zunächst zu berücksichtigen, dass diese in ihrer Gesamtheit betrachtet, zunächst nicht den Entfall von Nachprovisionen vorsieht, sondern diese im Gegenteil nach einer Dauer des Dienstverhältnisses von drei Jahren auch nach dessen Ende zwingend in Höhe von 50 % des Anspruchs, der bei aufrechtem Dienstverhältnis bestünde, vorsieht. Für den Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses bei Anspruch auf eine Alters- oder Berufsunfähigkeitspension, Krankheit oder Unglücksfall beträgt dieser Anspruch sogar 60 %. Weiters ist auch bei Tod des Dienstnehmers ein Anspruch der Witwe/des Witwers und minderjähriger Unterhaltsberechtigter vorgesehen.

[36] Gegenüber § 10 AngG, der für angestellte Provisionsvertreter wie ausgeführt keine zwingende Vorschrift bezüglich Nachprovisionen enthält, ist der Kollektivvertrag somit günstiger, da er bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen grundsätzlich zwingend Nachprovisionen in bestimmter Höhe vorsieht.

[37] Auf der anderen Seite sieht der Kollektivvertrag in Fällen, in denen der Arbeitnehmer eine konkurrenzierende Tätigkeit ausübt bzw die geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers schädigt sowie im Fall der gerechtfertigten Entlassung eine Minderung bzw einen Entfall der Nachprovision vor.

[38] Dazu führt der in der Revision zitierte Jabornegg (in Löschnigg/Melzer, AngG11 § 10 Rz 36) aus, diese kollektivvertragliche Absicherung der Nachprovision für Versicherungsaußendienstangestellte sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass ohne Regelung im Kollektivvertrag aufgrund der Dominanz des Arbeitgebers bei der inhaltlichen Gestaltung der Arbeitsverträge sehr wahrscheinlich ein Fortlaufen von in der Sache bereits verdienten Folgeprovisionen nach Arbeitsvertragsende häufig vertraglich überhaupt ausgeschlossen würde und der Arbeitnehmer dann allenfalls in Fällen sittenwidriger Provisionsausschlüsse noch weitere Ansprüche geltend machen könnte.

[39] Der Kollektivvertrag versucht daher einen Ausgleich zwischen dem wirtschaftlichen Interesse des Arbeitgebers im Hinblick auf möglichst geringe Folgeprovisionen und dem des Arbeitnehmers an einer günstigen Regelung zu finden, die Folgeprovisionen im angemessenen Ausmaß sichert, indem sie bei grundsätzlicher Garantie eines Anspruchs auf Folgeprovisionen verschiedene Ausnahmen vorsieht, die für deren Entfall im Wesentlichen ein – detailliert geregeltes – gegen arbeitsvertragliche Verpflichtungen verstoßendes Verhalten des Arbeitnehmers voraussetzen.

[40] 11. Dabei ist entgegen der Revision auch bei Betrachtung des § 6 Abs 6 KV allein der Entfall des Anspruchs des Arbeitnehmers nicht (nur) von einer einseitigen Erklärung des Arbeitgebers abhängig, sondern setzt ein die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar machendes Verhalten des Arbeitnehmers voraus. Damit unterscheidet sich dieser Fall von dem der Kündigung oder unzulässigen vorzeitigen Beendigung eines Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber. Er ist auch nicht vergleichbar mit den zuvor zitierten Fällen, in denen dem Arbeitnehmer durch eine entsprechende Vereinbarung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht unwesentlich erschwert wurde.

[41] Richtig ist zwar, dass § 6 Abs 6 KV vom Wortlaut her nicht auf ein schuldhaftes Verhalten des Arbeitnehmers beschränkt ist. Allerdings enthält der Kollektivvertrag in § 6 Abs 2 wie ausgeführt eine gesonderte Regelung für die in der Revision angesprochene Beendigung des Arbeitsverhältnisses infolge Krankheit oder Unglücksfall. Auch daraus ist zu erkennen, dass die Kollektivvertragsparteien eine differenzierte Regelung unter Berücksichtigung der Interessen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer vereinbarten.

[42] Im Übrigen wurde – worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat – das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund eines Sachverhalts beendet, der auch zu einer strafgerichtlichen Verurteilung des Klägers wegen Betrugs zu Lasten der Beklagten geführt hat. Selbst bei einer teleologischen Reduktion von § 6 Abs 6 KV auf Entlassungen aufgrund schuldhaften Verhaltens des Arbeitnehmers, wäre für den Kläger daher nichts zu gewinnen. Auf die Höhe eines dabei entstandenen Schadens kann es dabei nicht ankommen, da es sich beim Entfall von Folgeprovisionen nicht um einen „Schadenersatzanspruch“ des Arbeitgebers handelt, sondern um eine Folge des vertragswidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers.

[43] Vom Fehlen eines abgestuften Systems, wie die Revision vermeint, kann daher nicht gesprochen werden. Auch insoweit ist nicht von einer Unsachlichkeit des § 6 Abs 6 KV auszugehen.

[44] 12. Richtig ist, dass, soweit man davon ausgeht, dass Nachprovisionen bereits verdientes Entgelt mit Abschluss des jeweiligen Versicherungsvertrags darstellen, die Regelung des § 6 Abs 6 KV inhaltlich zu einem Entfall dieses schon verdienten Entgelts führt, begründet ausschließlich durch ein nachfolgendes vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers.

[45] In der Entscheidung 9 ObA 7/90 hat der Oberste Gerichtshof in Auseinandersetzung mit dieser Frage die Bestimmung des Kollektivvertrags dahingehend beurteilt, dass es sich bei den in § 6 genannten Voraussetzungen für den nach dem Gesetz (§ 10 AngG) nur bei Vereinbarung geschuldeten Anspruch auf Folgeprovision nach Auflösung des Dienstverhältnisses nicht um auflösende Bedingungen für einen bereits entstandenen Anspruch, sondern um Bedingungen für das Entstehen eines derartigen Anspruchs auch noch nach Auflösung des Vertragsverhältnisses handle, sodass die Anordnung, dass dieser bei einer Entlassung nicht entstehe, zulässig sei. Dem hält die Revision entgegen, dass es sich tatsächlich um eine Bedingung für den Entfall eines bereits entstandenen Anspruchs handle.

[46] Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Kollektivvertrag wie ausgeführt eine gegenüber § 10 AngG zwingende Bestimmung für Folgeprovisionen enthält, deren Voraussetzungen in § 6 KV geregelt sind. Insoweit haben die Kollektivvertrags-parteien die (auch negativen) Bedingungen dafür festgelegt, wann dem Arbeitnehmer ein solcher Anspruch zukommt und wann nicht.

[47] 13. Zusammenfassend ist daher davon auszugehen, dass § 6 des KV eine differenzierte Regelung enthält, die überhaupt erst einen für die Arbeitnehmer günstigen zwingenden Anspruch auf Nachprovision schafft und umgekehrt auch für Fälle vorwerfbaren Verhaltens des Arbeitnehmers eine Minderung bzw einen Entfall dieser Provisionen vorsieht. Diese die Interessen sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber berücksichtigende, von den Parteien des Kollektivvertrags vereinbarte Regel ist nicht als unsachlich anzusehen. Gegen die Gültigkeit der kollektivvertraglichen Regelung bestehen daher keine Bedenken. Entsprechend dem Kollektivvertrag steht aber dem Kläger kein Anspruch auf Nachprovisionen zu, weil er gerechtfertigt entlassen wurde.

[48] 14. Richtig ist, dass das in § 6 Abs 5 KV vorgesehene Erlöschen des Anspruchs auf Folgeprovision als Konventionalstrafe beurteilt wird, die dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegt. Jabornegg sieht auch in § 6 Abs 4 KV nichts anderes als eine sehr weit gefasste und mit Konventionalstrafe abgesicherte Konkurrenzklausel, auf die demnach die Schutzvorschriften der §§ 36 bis 38 AngG anzuwenden seien (Jabornegg in Löschnigg/Melzer, AngG11 § 10 Rz 38). Die Revision geht davon aus, dass bei Wirksamkeit des § 6 Abs 6 KV auch die darin angeordnete Rechtsfolge dem richterlichen Mäßigungsrecht unterliegt.

[49] In der bereits zitierten Entscheidung 9 ObA 7/90 hat der Oberste Gerichtshof den Charakter des § 6 Abs 6 KV als Konventionalstrafe verneint. Daran ist festzuhalten. Geht man wie die Entscheidung 9 ObA 7/90 davon aus, dass in der Art der Beendigung eine negative Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs liegt, kommt eine Mäßigung schon mangels Anspruchs nicht in Betracht. Anders als § 6 Abs 5 KV stellt Abs 6 aber auch keinen (pauschalierten) Schadenersatzanspruch dar. § 6 Abs 6 KV setzt vielmehr nur ein vertragswidriges Verhalten des Dienstnehmers voraus, aber nicht, dass dieses Verhalten auch nur zumindest geeignet ist, einen Schaden zu verursachen. Ein einer Konventionalstrafe vergleichbarer Fall liegt daher schon grundsätzlich nicht vor.

[50] 15. Damit besteht aber kein Anspruch des Klägers auf Folgeprovisionen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Zu Recht haben daher die Vorinstanzen das Begehren auf Rechnungslegung, soweit es sich auf die Folgeprovisionen bezieht, abgewiesen.

[51] 16. Weiters begehrt der Kläger aber auch eine Rechnungslegung bezogen auf die Direktorenbonifikation.

[52] Nach den Feststellungen besteht der Anspruch auf eine Bonifikation bei Erfüllung der übrigen Voraussetzungen dann, wenn der Arbeitnehmer über ein aufrechtes Dienstverhältnis zum 31. 12. 2017 verfügt. Entgegen den Vorinstanzen reicht allein diese Stichtagsregelung jedoch nicht aus, den Kläger von einer Bonifikation auszuschließen.

[53] 17. Gemäß § 16 AngG gebührt einem Angestellten eine periodische Remuneration, auch wenn das Dienstverhältnis vor Fälligkeit des Anspruchs gelöst wird, in dem Betrag, der dem Verhältnis zwischen der Dienstperiode, für die die Entlohnung gewährt wird, und der zurückgelegten Dienstzeit entspricht. Unter „Remuneration“ wird allgemein eine aus besonderem Anlass gewährte Zuwendung verstanden, die in Anerkennung der dem Arbeitnehmer geleisteten Dienste zum Zwecke der Belohnung (arbeitsleistungsbezogene Zuwendungen), Betriebsbindung und/oder Mehrausgabenabgeltung gegeben wird (Marhold/Auer‑Mayer in Auer‑Mayer/Burgstaller/Preyer, AngG § 16 Rz 9).

[54] Eine jährlich in verschiedener Höhe mit dem ausdrücklichen Hinweis auf den freiwilligen und unverbindlichen Charakter gewährte Zuwendung erzeugt keinen Rechtsanspruch auf dauernde Gewährung. Bei Unterlassung eines entsprechenden Vorbehalts nehmen regelmäßig gewährte Zuwendungen, die im Unternehmen gebräuchlich sind und mit denen der Dienstnehmer rechnen konnte, den Charakter eines Entgelts an (RS0028297). Entscheidend ist, welchen Eindruck die Arbeitnehmer vom schlüssigen Verhalten des Arbeitgebers haben mussten und was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Überlegung dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers entnehmen können, nicht aber das Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers (RS0028297 [T2]).

[55] § 16 AngG umfasst beispielsweise Bilanzremunerationen eines Versicherungsangestellten im Innendienst (9 ObA 2264/96y), Jahresprämien (8 ObA 167/98m) oder Prämien für das Erreichen eines für ein ganzes Geschäftsjahr vorgegebenen Ziels (8 ObA 127/00k).

[56] 18. Aus den Feststellungen ergibt sich, dass die über viele Jahre regelmäßig den Mitarbeitern der Beklagten gewährte Direktorenbonifikation als Abgeltung für besondere Vermittlungsleistungen, deren Voraussetzungen im jährlichen Vertriebsplan im Wesentlichen immer gleichartig definiert wurden, gestaltet ist. Insofern handelt es sich um eine Zusage einer regelmäßigen Leistung, die § 16 AngG unterliegt.

[57] 19. Die zwingende Bestimmung des § 16 AngG kann allerdings nicht dadurch umgangen werden, dass die Entstehung des nicht mit einer spezifischen Leistung des Arbeitnehmers verknüpften, sondern für die gesamte Arbeitsleistung im Kalenderjahr oder Arbeitsjahr gebührenden Remunerationsanspruchs an das Erreichen eines bestimmten Stichtages gebunden wird (RS0028850).

[58] Stichtagsregelungen sind daher unbeachtlich (vgl 9 ObA 82/13v mwN; Marhold/Auer‑Mayer in Auer‑Mayer/Burgstaller/Preyer, AngG § 16 Rz 51 ff; Heilegger, Unzulässigkeit von Stichtagsregelungen, infas 2007, 31). Das von den Vorinstanzen herangezogene Argument, dass dem Kläger keine (auch nur anteilige) Bonifikation zusteht, weil er zum 31. 12. 2017 nicht mehr bei der Beklagten beschäftigt war, kommt daher keine Bedeutung zu.

[59] 20. Ausgehend von der vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht wurde allerdings nicht geprüft, ob der Kläger die Voraussetzungen für eine Direktorenbonifikation überhaupt erfüllt hat. Weiters wurde von der Beklagten eingewendet, der Kläger habe gegen die Wertungsrichtlinien verstoßen, was nach den Bedingungen im Vertriebsplan zu einem Ausschluss führen kann.

[60] 21. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher in diesem Umfang aufzuheben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen. Dabei werden die Parteien allenfalls zu ergänzendem Vorbringen zu den Voraussetzungen für die Direktorenbonifikation und deren Erfüllung bzw zu einem „Ausschluss wegen Verstößen gegen die Wertungsrichtlinie“ anzuleiten sein.

[61] 22. Der Revision war daher teilweise Folge zu geben.

[62] 23. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 40, 50 ZPO.

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