Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 3.795,40 (darin enthalten EUR 632,60 an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagenden Parteien sind Piloten bzw Co-Piloten, die bei der Lauda Air Luftfahrtgesellschaft mbH beschäftigt waren und deren Dienstverhältnis im Rahmen eines Betriebsüberganges zufolge § 3 Abs 1 AVRAG per 1. 10. 2004 auf die beklagte Austrian Airlines Österreichische Luftverkehrs AG übergegangen ist.
Die beiden Luftfahrtgesellschaften hatten früher verschiedene Kollektivverträge.
Die Wirtschaftskammer Österreichs, Fachverband Luftfahrtunternehmen, und der österreichische Gewerkschaftsbund, Gewerkschaft Handel, Transport, Verkehr haben rückwirkend mit 1. 4. 2004 einen neuen Kollektivvertrag für das Bordpersonal sowohl der Austrian Airlines AG als auch der Lauda Air GmbH abgeschlossen.
§ 24 dieses neuen gemeinsamen Kollektivvertrages sieht vor, dass beiden alten Kollektivverträge grundsätzlich außer Kraft treten. Ein Zusatzkollektivvertrag hält jedoch im Ergebnis bestimmte günstigere Regelungen für die vor dem 1. 4. 2004 schon bei der Austrian Airlines AG beschäftigten Angestellten (alte AUA Stammbelegschaft) aufrecht, die insoweit als speziellere Regelungen den Allgemeinen Bestimmungen des neuen Kollektivvertrages vorgehen sollen. Dies wird auch in der Schlussbestimmung des § 24 des neuen Kollektivvertrages festgehalten. Die Bestimmungen des neuen - gemeinsamen - Kollektivvertrages für die Austrian Airlines AG und die Lauda Air GmbH sind hinsichtlich der Gehaltstabellen besser als jene des alten Kollektivvertrages für die Lauda Air GmbH, jedoch nicht so gut wie die für das „alte" Bordpersonal der AUA durch den Zusatzkollektivvertrag in Verbindung mit den Übergangsbestimmungen aufrecht erhaltenen Regelungen für Gehalt, Abfertigung, Urlaub und Firmenpension. In diesen Bereichen weichen aber auch die Allgemeinen - also nicht auf dem Zusatzkollektivvertrag beruhenden - Bestimmungen des neuen Kollektivvertrages noch immer stark zu Gunsten von dem alten Kollektivvertrag für die Lauda Air GmbH ab.
Die klagenden Parteien begehren mit ihrer Klage nun einerseits die Entgeltdifferenz zum günstigeren „Zusatzkollektivvertrag und andererseits die Feststellung, dass auf ihr Dienstverhältnis die Bestimmungen des Zuatzkollektivvertrages im Umfang von dessen Punkt III (Mehrleistung § 9), Punkt IV (Urlaub § 12), Punkt VI (Abfertigung § 14 bis I Punkt Piloten) sowie Punkt VII (Firmenpension Piloten § 15) zur Anwendung zu kommen haben. Sie stützen dies zusammengefasst einerseits darauf, dass es sich im Ergebnis um unzulässige „Einzelfallregelungen" handle und andererseits, dass die Einschränkung auch die bereits früher bei der AUA beschäftigten Piloten gegen den Gleichheitsgrundsatz verstoße. Die vorgenommene Differenzierung sei nichtig, sodass auch den ehemaligen Lauda Piloten ein Anspruch auf die gleiche Behandlung zukomme.
Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, dass sie die vor der Insolvenz stehende Lauda Air Luftfahrt GmbH übernommen habe und durch die Belegschaft der AUA zur Zusammenlegung gezwungen worden sei, um eine Produktion unter den günstigeren Bedingungen des Lauda Kollektivvertrages zu verhindern. Darauf hin sei der gemeinsame Kollektivvertrag von den zuständigen Kollektivvertragsparteien abgeschlossen worden, der eine erhebliche Verbesserung der arbeitsrechtlichen Stellung der Lauda-Piloten bewirkt habe. Dabei sei auch das Gleichbehandlungsgebot nicht verletzt worden, weil es sachlich gerechtfertigt sei, bereits bestehende Rechtspositionen nicht verschlechternd abzuändern. Auch sei eine Differenzierung in zeitlicher Hinsicht als zulässig anzusehen, weil sie auch als Reaktion auf Veränderungen der Ertragslage, Unternehmensstruktur oder Unternehmensphilosophie verstanden werden könnten. Eine Weiterführung der Personalkostenstruktur des alten AUA Kollektivvertrages hätte den Bestand des Unternehmens gefährdet, jedoch sei eine Mitnahme der Ansprüche der Stammbelegschaft der AUA und mit Streikdrohung erzwungen worden. Ein Eingriff in Rechtspositionen der Kläger sei nicht erfolgt. Auch könnten die Kläger nicht als „Minderheit" angesehen werden, da zwar die alte Stammbelegschaft der AUA zahlenmäßig größer sei, jedoch ein „Auslaufmodell" darstelle. Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Es ging rechtlich im Wesentlichen davon aus, dass sich insgesamt die Situation auch für die ehemaligen Lauda-Piloten verbessert habe und eine Überschreitung der Regelungsbefugnis der Kollektivvertragsparteien nicht ersichtlich sei.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Kläger nicht Folge. Es führte rechtlich zusammengefasst aus, dass die Kollektivvertragsparteien zwar grundsätzlich bei der Rechtsetzung im normativen Teil an die Beachtung der Grundrechte gebunden seien, dass es ihnen aber zustehe, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen. Wenn der Kollektivvertrag die „Mitnahme" der günstigeren Bestimmungen des alten AUA Kollektivvertrages für das alte AUA Stammpersonal vorsehe, so könne darin keine Diskriminierng des alten „Lauda Air" Stammpersonals gesehen werden, da aus diesem Kollektivvertrag eben keine besseren Bestimmungen vorhanden gewesen wären, die sich hätten mitnehmen lassen. Auch stehe es dem Arbeitgeber frei, in zeitlicher Hinsicht zu differenzieren und nach einem gewissen Zeitpunkt eintretenden Arbeitnehmern bestimmte Vergünstigungen nicht mehr zu gewähren. Dass eine Prolongation der Personalkostenstruktur des früheren AUA Kollektivvertrages den Fortbestand der Unternehmen gefährdet hätte, sei gerichtsbekannt. Der Abschluss des neuen gemeinsamen Kollektivvertrages sei daher erforderlich gewesen.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsericht als zulässig, da eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene ordentliche Revision der Kläger ist zulässig. Handelt es sich doch um die Lösung einer Frage zur Wirksamkeit von differenzierenden Kollektivvertragsregelungen, deren Bedeutung zahlreiche Arbeitnehmer erfasst.
Die Revision ist aber nicht berechtigt. Weitgehend kann auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichtes verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO). Soweit die Revision geltend macht, dass eine unzulässige „Einzelfallregelung" vorliege, kann dies nicht nachvollzogen werden (vgl allgemein dazu dass ein Kollektivvertrag ein Instrument der kollektiven Rechtsetzung ist und grundsätzlich nicht für Einzelfallregelungen zur Verfügung steht
RIS-Justiz RS0110426 mwN 9 ObA 125/98f = SZ 71/122 sowie 8 ObA
197/98y = SZ 72/86). Werden doch keine konkreten Arbeitnehmer
genannt, sondern wird auf allgemeine Kriterien abgestellt. Dass dabei letztlich immer auch bestimmbar ist, welche Arbeitnehmer daraus Ansprüche ableiten können, ändert nichts an dem generellen Charakter der Regelung. Stichtagsregelungen, bei denen für in den Geltungsbereich der alten Regelung fallende Arbeitnehmer bestimmte Ansprüche weiter aufrecht erhalten werden, bedeuten immer, dass diese Arbeitnehmergruppe auch bestimmbar und abgeschlossen ist, wie es etwa auch bei gesetzlichen Übergangsbestimmungen der Fall wäre. Das ändert aber schon deshalb nichts am generellen Charakter der Regelungen, weil die Kriterien nicht nur eindeutig generell abstrakt abgefasst sind, sondern auch als Fortwirken der vormals abstrakt abgefassten begünstigenden Regelungen verstanden werden können und auch ganz allgemeinen Grundprinzipien bei der Überleitung zu neuen Regelungssystemen entsprechen (gegenteiliges kann im Übrigen auch den Ausführungen von Holzer, Strukturfragen des Betriebsvereinbarungsrechtes, 3 sowie ders DRdA 1984, 333 im Ergebnis nicht entnommen werden).
Was nun die Frage einer Verletzung des „Sachlichkeitsgebotes" anlangt, so ist in Lehre und Rechtsprechung im Wesentlichen unstrittig, dass die Grundrechte über § 879 ABGB mittelbar auf die Gestaltungsbefugnisse der Kollektivvertragsparteien im Rahmen des normativen Teiles des Kollektivvertrages einwirken (vgl RIS-Justiz RS0038552 mzwN zuletzt etwa 9 ObA 57/05f; OGH 9 ObA 125/98f betreffend die Gehaltstafel f des Kollektivvertrages für Handelsangestellte, der Sonderregelungen für einzelne Kaufhäuser vorgesehen hat; RIS-Justiz RS0038765 zur Bindung an den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz mwN etwa zuletzt 8 ObA 8/05t; Strasser in ArbVG Komm § 2 Rz 9 mzwN ebenso Runggaldier in Tomandl [Hrsg] Arbeitsverfassungsgesetz § 2 Rz 34 ff uva). Soweit sich nun die Kläger gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, wonach die sachliche Rechtfertigung auch darin liege, dass die „alten Stammarbeitnehmer" der AUA bessere Ansprüche hatten, wendet und ausführt, dass dieses Argument keiner „Kategorie" zuzuordnen sei, ist dem entgegenzuhalten, dass gerade im Sinne dieser ständigen oben dargestellten Rechtsprechung unter dem Aspekt des Vertrauensschutzes auch auf die bisher erworbenen „Anwartschaften" Bedacht zu nehmen ist. Dies ist nun jedenfalls hinsichtlich der Pensionsansprüche als wesentliches Unterscheidungskriterium tragfähig. Zu den übrigen Ansprüchen ist beachtlich, dass es der ständigen Rechtsprechung - allerdings für das Verhalten des einzelnen Arbeitgebers maßgeblichen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz- entspricht, dass mit bestimmten Stichtagen für neu aufgenommene Arbeitnehmer andere Arbeitsbedingungen festgelegt, insbesondere bestimmte Vergünstigungen nicht mehr gewährt werden können (vgl so die stRsp RIS-Justiz
RS0060204 mwN etwa OGH 4 Ob 27/83 = ZAS 1984/14 [Holzer]; OGH 4 Ob
31/85 = SZ 58/40 = ZAS 1987, 16 [Petrovic] oder zuletzt OGH 9 ObA
24/02y). Teilweise wurden diese Überlegungen auch bei der Beurteilung des über § 879 ABGB die Kollektivvertragsparteien bindenden Gleichheitsgrundsatzes im Sinne des Art 7 B-VG (Verbot der willkürlichen und unsachlichen Differenzierung - RIS Justiz RS0053981 mwN etwa 9 ObA 30/99y) mit fruchtbar gemacht (vgl OGH 9 ObA 601/90 im Zusammenhang mit der Differenzierung zwischen „Aktiven" und „Pensionisten" bei einer neu eingeführten verbesserten Pensionsregelung unter Bedachtnahme auf die gestiegenen Anforderungen für die Aktiven).
Dass die Kläger bereits vor dem neuen Kollektivvertrag Anspruch auf die gleichen Entgelte wie die alte „AUA Stammbelegschaft" gehabt hätten, behaupten sie nicht. Insoweit kann ihrem Argument, dass sie bereits bisher Flüge im Namen und auf Rechnung der Beklagten durchgeführt hätten, keine erhebliche Bedeutung zugemessen werden (vgl im übrigen allgemein zu den Fragestellungen im Zusammenhang mit der Kartellfunktion der Kollektivverträge Runggaldier aaO vor § 1 Rz 32 f sowie zur Zulässigkeit der sachlichen Differenzierung durch die Kollektivvertragsparteien OGH 9 ObA 125/98f - betreffend unterschiedliche Wirtschaftskraft; OGH 4 Ob 116/83 = DRdA 1986/6 [Mayer-Maly]- betreffend unterschiedliche Berufsanforderungen uva). Im Wesentlichen läuft die Fragestellung darauf hinaus, inwieweit von dem vom Kollektivvertrag allgemein festgelegten gleichen Entgeltes für die gleiche Arbeitsleistung - hier noch dazu beim gleichen Arbeitgeber - aus dem Grundsatz eines gewissen Vertrauensschutzes im Hinblick auf früher unterschiedliche Kollektivvertragsregelungen, die aus der Herkunft aus unterschiedlichen Unternehmen resultieren, abgewichen werden kann (zu den Betriebspensionen bei unterschiedlicher „Unternehmensherkunft" etwa 8 ObA 150/97k oder OGH 9 ObA 77/95 = DRdA 1996/28 [Eypeltauer] = ZAS 1996/20]). Dabei ist auch auf die allgemeinen Rahmenbedingungen bei Prüfung nach dem Gleichheitsgrundsatz zu verweisen, wonach den Kollektivvertragsparteien ein weiter rechtspolitischer Gestaltungsspielraum sowohl hinsichtlich der angestrebten Ziele als auch der zur Zielerreichung eingesetzten Mittel zusteht (in diesem Sinne OGH 9 ObA 125/98f, aber auch allgemein zum verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz etwa Adamovic-Funk3, 381; Walter-Mayer9 Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts, 561 ff; allgemein zum weiten rechtspolitischem Gestaltungsermessen - RIS-Justiz RS0053889 mwN etwa OGH 1 Ob 151/98g, aber auch etwa zur deutschen Rechtslage BAG 29. 8. 2001 4 AZR 352/00 = NZA 2002, 863 zur Zulässigkeit der Differenzierung zwischen der Stammbelegschaft und der neu aufgenommenen Belegschaft). Das Regelungsziel liegt hier offensichtlich in der der möglichst weitgehenden Wahrung der bisher der AUA-Stammbelegschaft zustehenden Rechte. Bei der Beurteilung dieses Zieles kann auch auf die Wertung einschlägiger gesetzlicher Regelungen zurückgegriffen werden. In diesem Zusammenhang kann auf § 4 Abs 2 AVRAG verwiesen werden (zur Heranziehung auch beim Wechsel zwischen zwei freiwilligen Kollektivvertragsvereinigungen OGH 9 ObA 128/04w und 9 ObA 127/04y = RIS Justiz RS0120297), wonach durch den Wechsel der Kollektivvertragsangehörigkeit infolge des Betriebsüberganges, das dem Arbeitnehmer vor Betriebsübergang für die regelmäßige Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gebührende kollektivvertragliche Entgelt nicht geschmälert werden darf. Dies unterstützt die Wertung der Kollektivvertragsparteien, jenen „alten Stammarbeitnehmern", die bisher ein höheres Entgelt hatten, dieses auch weiter festzulegen (hiebei handelt es sich allerdings um eine statische Festschreibung; zur Zulässigkeit von Einschleifregelungen Binder, AVRAG § 4 Rz 16 ff; ähnlich Holzer, Reisner Arbeitsvertragsrechtsanpassungsgesetz, 142 f jeweils mwN; vgl auch zuletzt etwa EuGH 9. 3. 2006 C-499/04 - Wehrhof; zur zeitlichen Dimension allfälliger Anpassungsfragen OGH 9. 11. 2000, 8 ObA 30/00w [Resch]). Genau dieses Regelungsziel der Aufrechterhaltung eines bisher nach dem alten Kollektivvertrag zustehenden höheren Entgeltes können die Kläger nicht für sich in Anspruch nehmen. Für einen „Exzess" im Gestaltungsermessen der Kollektivvertragsparteien finden sich keine Anhaltspunkte.
Daraus folgt, dass der pauschale Ansatz der Kläger, jene Regelungen der „alten Stammbelegschaft", die für diese aufrecht erhalten wurden, auch für sich zu reklamieren, erfolglos bleiben muss, sodass der Revision der Kläger nicht Folge zu geben ist.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)