OGH 9ObA287/01y

OGH9ObA287/01y20.2.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner und Mag. Bernhard Achitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gerald P*****, Angestellter, *****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei G ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Krainer, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 49.916,79 (S 668.870) brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. Juni 2001, GZ 7 Ra 126/01f-27, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. November 2000, GZ 31 Cga 190/99f-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in der Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von EUR 47.951,71 (S 659.830,-) brutto sA als Teilurteil bestätigt. Die hierauf entfallenden Verfahrenskosten bleiben der Endentscheidung vorbehalten.

Im Übrigen, nämlich in der Entscheidung über das noch offen verbleibende Klagebegehren von EUR 1.965,08 (S 27.040,-) brutto sA und in seinem Kostenausspruch, wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Arbeitsrechtssache an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen. Die hierauf entfallenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagte gibt zwei ausschließlich durch Werbung finanzierte Gratiszeitungen heraus, die 47 mal jährlich bzw. einmal monatlich erscheinen. Die Beklagte hat keine Gewerberechtigung und ist weder Mitglied einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer Steiermark noch des Verbandes Österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger. Aufgabe des bei der Beklagten beschäftigten Klägers war es, Kunden zu akquirieren und mit ihnen Inseratenaufträge abzuschließen. Weitere Aufgabe des Klägers war die Gestaltung der Inserate, deren Platzierung, das Absprechen von Erscheinungsterminen und Kosten mit den Kunden sowie die Beschaffung des benötigten Materials (Druckunterlagen) von den Kunden und die Endkontrolle. Im Revisionsverfahren ist nicht mehr strittig, dass der Kläger bei der Beklagten von Anfang 1995 bis zur mit Schreiben vom 2. 7. 1999 schriftlich ausgesprochenen und dem Kläger am 5. 7. 1999 zugegangenen Entlassung als Angestellter beschäftigt war. Strittig ist nur mehr, ob dem Kläger mangels Berechtigung der Entlassung beendigungsabhängige Ansprüche zustehen, ob er Anspruch auf ihm vorenthaltene Sonderzahlungen für die Zeit ab 1996 hat, ob er noch offene Provisionsansprüche hat und ob Gegenforderungen der Beklagten zu Recht bestehen.

Zur Berechtigung der Entlassung:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht erachtete die Entlassung als gerechtfertigt und verneinte demgemäß die vom Kläger geltend gemachten beendigungsabhängigen Ansprüche. Den behaupteten Anspruch auf Sonderzahlungen für die Zeit ab 1996 hat es ebenfalls verneint. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es in diesem Zusammenhang ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den zu dieser Frage erstatteten Revisionsausführungen

entgegenzuhalten:

Zur Entlassung:

Der Kläger und ein weiterer Mitarbeiter hatten es übernommen, die Inserate für eine von der Beklagten herausgegebene, am 5. 7. 1999 erscheinende Beilage beizubringen. Sie konnten mit der Akquisition im Februar 1999 beginnen und beabsichtigten, ihre Stammkunden und Kunden, die bereits im Vorjahr inseriert hatten, für Inserate zu gewinnen. Eine Woche bis zehn Tage vor dem geplanten Drucktermin liegt die sogenannte "Deadline", bis zu der sämtliche Aufträge und Druckunterlagen vorliegen und - dies ist ein für das Funktionieren des Produktionsablaufs notwendiger Grundsatz - mit den Kunden fixe Verträge abgeschlossen sein müssen. Schon im Mai 1999 bezweifelte der Geschäftsführer der Beklagten den Arbeitseinsatz des Klägers für die Beilage und drohte ihm an, ihm diese Arbeit zu entziehen. Da die Beklagte fürchtete, zu wenig Anzeigen zu bekommen, verlangte sie eine Woche vor der Deadline eine vorläufige Auflistung der Inserenten, um den zu erwartenden Umsatz einschätzen zu können. Der zweite mit der Vorbereitung der Beilage befasste Mitarbeiter nahm in diese Auflistung, die am 14. 6. 1999 abgegeben wurde, nur Kunden auf, mit denen er bereits Verträge abgeschlossen hatte. Der Kläger nannte jedoch - ohne auf diesen Umstand hinzuweisen - Kunden, mit denen er zum Teil noch nicht einmal Kontakt aufgenommen hatte. Am 25. 6. 1999 erhielt die Anzeigenleiterin die gleiche Auflistung noch einmal, wobei klar war, dass dies nun die "vorläufige Endauflistung" (zu dieser kommen noch die unmittelbar von der Geschäftsführung verkauften Inserate) sein sollte. Auf dieser Grundlage wird der Umfang der Zeitung und der errechnete Gesamtumsatz festgelegt. Auch bei der neuerlichen Vorlage der Liste wies der Kläger nicht darauf hin, dass er zahlreiche darauf genannte Kunden noch nicht kontaktiert hatte. Von den vom Kläger in der Auflistung angeführten Kunden inserierten letztlich nur elf; zwei Inserate wurden ohne entsprechenden Auftrag eingeschaltet. Weitere 17 vom Kläger in die Auflistung aufgenommenen Kunden hatten kein Interesse an einer Einschaltung. Es mussten daher zahlreiche Kunden gestrichen werden. Am 30. 6. 1999 wurde gegen 16.00 Uhr mit dem Zeichnen der Zeitung begonnen. So weit bereits bekannt, wurde berücksichtigt, dass vom Kläger genannte Inserate nicht einzuschalten waren. Die Geschäftsführung versuchte telefonisch, in allerletzter Minute Inserate zu verkaufen. Infolge des Ausfalls der Inserate des Klägers nahm die Überarbeitung der Beilage mehr Zeit in Anspruch als sonst (siehe im Detail S 33 des Ersturteils). Noch an diesem Tag gestand der Kläger dem Geschäftsführer gegenüber, in seine Liste Kunden aufgenommen zu haben, mit denen er erst Gespräche habe führen wollen. Daraufhin wurde der Vertrag mit dem Kläger mit sofortiger Wirkung aufgelöst.

Auf dieser Grundlage erachtete das Berufungsgericht den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit des § 27 Z 1 AngG, 3. Tatbestand, als verwirklicht.

Der dagegen erhobene Einwand des Klägers, dass die Beklagte die Deadline um ca eine Woche vorverlegt und er es daher nicht zu vertreten habe, noch nicht alle Kunden kontaktiert zu haben, geht am Kern des gegen den Kläger erhobenen Vorwurfs vorbei. Entscheidend ist ja nicht, dass er noch nicht alle Kunden kontaktiert hatte. Vorzuwerfen ist ihm vielmehr primär, dass er diesen Umstand verschwieg und der Beklagten - und zwar nicht nur eine Woche vor der Deadline sondern auch bei der endgültigen Vorlage der Liste eine Woche später - Kunden nannte, ohne in irgendeiner Form darauf zu verweisen, dass ein Großteil davon noch nicht kontaktiert worden war. Damit verstieß der Kläger gegen einen für die Gestaltung des Druckwerks wesentlichen Grundsatz, zumal die der Beklagten präsentierten Kunden Grundlage für die Planung des Umfangs und des Inhalts der nur durch Inserate finanzierten Beilage waren. Soweit der Kläger dies in seiner Revision in Frage stellt, weicht er vom festgestellten Sachverhalt ab. Dass es "nicht ausgeschlossen" war, dass die der Beklagten präsentierten Kunden letztlich der Einschaltung eines Inserats zugestimmt hätten, vermag das Verhalten des Klägers nicht zu rechtfertigen. Fest steht, dass letztlich der weitaus überwiegende Teil der genannten Kunden (17 !) kein Interesse an einem Inserat hatte. Dass die Nennung einer derart großen Zahl von Kunden, mit denen keine Vereinbarung vorlag, für die Beklagte die dann tatsächlich aufgetretenen Probleme nach sich ziehen musste, musste dem Kläger klar sein. Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, dass ein derartiges Verhalten den Kläger vertrauensunwürdig iS des § 27 Z 1 AngG, 3. Tatbestand, gemacht hat und die Entlassung somit gerechtfertigt war.

Zum Anspruch des Klägers auf Sonderzahlungen:

Das Berufungsgericht ging davon aus, dass das Dienstverhältnis mit der Beklagten keinem Kollektivvertrag unterworfen sei, weil die Beklagte weder Mitglied einer Fachgruppe der Wirtschaftskammer noch Mitglied des Verbandes Österreichischer Zeitungsherausgeber und Verleger ist.

Der dagegen vom Kläger vorgebrachte Hinweis auf die Entscheidung 9 Ob 229/98 geht fehl. Die dort vorgenommenen Abgrenzungen betreffen den Anwendungsbereich des Journalistengesetzes, das aber für den Kläger, der als Anzeigenkontakter tätig ist, nicht zu Anwendung kommen kann. Dass der auf Arbeitgeberseite vom Verband Österreichischer Zeitungsherausgeber und Zeitungsverleger abgeschlossene Kollektivvertrag für die kaufmännischen Angestellten der Tages-/Wochenzeitungen keine Regelung enthält, wonach er nur Mitglieder dieses Verbandes erfasse, ändert nichts daran, dass die Beklagte, die nicht Mitglied dieses Verbandes ist, im Hinblick auf § 8 ArbVG nicht kollektivvertragsangehörig ist. Der Kollektivvertrag kann den Kreis der kraft Gesetzes von seinem normativen Teil erfassten Personen nicht ausdehnen (Strasser/Jabornegg, ArbVG³ Anm 2 zu § 8).

Dass nach § 2 Abs 13 der GewO Normen der kollektiven Rechtsgestaltung, die für Arbeitsverhältnisse zu Arbeitgebern gelten, welche ihre Tätigkeiten auf Grund von Gewerbeberechtigungen ausüben, auch für Arbeitsverhältnisse zu jenen Arbeitgebern Geltung haben, die diese Tätigkeiten ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung ausüben, trifft zu. Dazu haben aber schon die Vorinstanzen zutreffend darauf verwiesen, dass auf die Herausgabe, das Herstellen und das Verbreiten periodischer Druckwerke durch das Medienunternehmen des Medieninhabers sowie den Kleinverkauf solcher Druckwerke die GewO nach ihrem § 2 Abs 1 Z 18 nicht anwendbar ist (vgl dazu auch 4 Ob 137/93). Auf § 2 Abs 13 der GewO kann sich der Kläger daher nicht berufen. Der dagegen erhobene Einwand, § 2 Abs 13 GewO sei im Verhältnis zu § 2 Abs 1 Z 18 GewO "die speziellere Norm", ist nicht nachvollziehbar.

Im Übrigen ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass er - obwohl er insofern behauptungs- und beweispflichtig ist - nicht einmal behauptet hat, dass er - wäre der Kollektivvertrag anwendbar - in seinen dann bestehenden Ansprüchen verkürzt worden wäre: Es wurde festgestellt, dass er von der Beklagten vor die Wahl gestellt wurde, auf der Grundlage des als "Werkvertrag" bezeichneten Vertrages - mit hohen Provisionsansprüchen, aber ohne Fixum und ohne Sonderzahlungen

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