OGH 2Ob177/23b

OGH2Ob177/23b25.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende, die Hofräte Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*, vertreten durch Gottgeisl Leinsmer Weber Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei E*, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 32.978,90 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 18. November 2022, GZ 2 R 175/22f-17, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 3. Oktober 2022, GZ 5 Cg 23/22d-12, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0020OB00177.23B.1025.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Zurückweisung der Klage wird bestätigt, soweit die klagende Partei ihr Begehren auf ungerechtfertigte

Bereicherung stützt.

Im Übrigen – soweit die klagende Partei ihre Ansprüche auf den Rechtsgrund des deliktischen Schadenersatzes stützt – werden die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. Dem Erstgericht wird die Einleitung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte betreibt von ihrem Sitz auf Malta die Website *, über die sie Online‑Glücksspiele anbietet. Sie richtet ihr Angebot auf den gesamten europäischen Markt aus. Ihr wurde keine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz (GSpG) erteilt. Der im Sprengel des Erstgerichts wohnhafte B* (in der Folge: Spieler) zahlte im Zeitraum von 15. Jänner bis 8. September 2021 insgesamt 55.090 EUR auf sein bei der Beklagten eingerichtetes Spielerkonto ein und erhielt 22.101,10 EUR ausbezahlt. Im Zuge der Registrierung akzeptierte der Spieler die für ihn einseh- und abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten, die auszugsweise lauten:

„24. ANWENDBARES RECHT

Die vorliegenden Verträge unterliegen dem Recht von Malta. Die Parteien stimmen überein, dass in einem Streitfall, einer Kontroverse oder einem Anspruch in Verbindung mit diesen Bedingungen oder im Falle eines Bruchs, einer Beendigung oder einer Ungültigkeit derselben, die exklusive Gerichtsbarkeit hierbei den maltesischen Gerichten unterliegt.“

[2] Ende September 2021 unterfertigten die Klägerin, ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz, und der Spieler einen Abtretungsvertrag, mit dem der Spieler sämtliche Erstattungs- und Schadenersatzansprüche im Zusammenhang mit der Nutzung des Glücksspielangebots der Beklagten an die Klägerin abtrat.

[3] Die Klägerin begehrt unter Berufung auf die Abtretungserklärung des Spielers die Rückzahlung des von ihm bei Online-Glücksspielen der Beklagten erlittenen Verlusts. Mangels österreichischer Konzession der Beklagten sei der Glücksspielvertrag nichtig und der Verlustbetrag bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln. Im Übrigen werde die Forderung auch auf deliktischen Schadenersatz gestützt. Die Zuständigkeit des Erstgerichts gründe sich auf Art 7 Nr 1 und 2 sowie Art 18 Abs 1 EuGVVO.

[4] Die Beklagteerhebt die Einrede der mangelnden internationalen Zuständigkeit. Sie habe mit dem Spieler eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten maltesischer Gerichte geschlossen, die auch die Zessionarin gegen sich gelten lassen müsse. Sowohl der Erfüllungsort iSd Art 7 Nr 1 EuGVVO als auch der Handlungs- und Erfolgsort iSd Art 7 Nr 2 EuGVVO liege in Malta.

[5] Das Erstgericht erklärte sich für international unzuständig und wies die Klage zurück.

[6] Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Klägerin, bei der es sich um keine Verbraucherin handle, müsse sich als Zessionarin die mit dem Spieler geschlossene Gerichtsstandsvereinbarung entgegenhalten lassen. Dass sie ihren Sitz in der Schweiz habe, ändere nichts an der Anwendbarkeit des Art 25 EuGVVO 2012.

[7] Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob sich ein im EU-Ausland ansässiger Nichtverbraucher als Beklagter gegenüber einem Nichtverbraucher mit Sitz in der Schweiz als Kläger auf eine Gerichtsstandsvereinbarung berufen könne, wenn der Kläger als Zessionar einen ihm zedierten Anspruch aus einem behauptetermaßen unwirksamen Glücksspielvertrag geltend mache, in dem diese zwischen Verbraucher und Nichtverbraucher unwirksame Gerichtsstandsvereinbarung enthalten sei.

[8] Dagegen wendet sich der Revisionsrekurs der Klägerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Bejahung der internationalen Zuständigkeit; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Beklagte beantragt, den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage, hilfsweise „mangels internationaler Zuständigkeit“ zurückzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

[10] Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

1. Gerichtsstandsvereinbarung

[11] Unstrittig ist, dass der Anwendungsbereich der Verordnung (EU) Nr 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Neufassung; EuGVVO 2012, in der Folge: EuGVVO) im vorliegenden Fall eröffnet ist.

[12] Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, dass sich die Klägerin, eine Inkassogesellschaft, als Zessionarin einer aus einem Verbrauchergeschäft abgetretenen Forderung nicht auf den – dem Verbraucher persönlich vorbehaltenen – Verbrauchergerichtsstand des Art 18 Abs 1 EuGVVO berufen kann (vgl EuGH C-498/16 , ECLI:EU:C:2018:37, Schrems, Rn 44 mwH), stellt sie im Revisionsrekurs nicht mehr in Frage.

[13] Die Klägerin argumentiert aber, dass keine sie aufgrund des Rechtsübergangs bindende wirksame Gerichtsstandsvereinbarung mit dem Spieler vorliege. Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

[14] 1.1. Der Oberste Gerichtshof hat in zwei gleich gelagerten Fällen (10 Ob 56/22s Rz 15 ff und 8 Ob 172/22k Rz 16) derselben Klägerin gegen einen unionsansässigen Glücksspielanbieter ausgeführt:

„In der Entscheidung C-519/19 , ECLI:EU:C:2020:933, Ryanair DAC, hat der EuGH ausgeführt, dass eine in einen Vertrag aufgenommene Gerichtsstandsklausel ihre Wirkung grundsätzlich nur im Verhältnis zwischen den Parteien entfaltet, die dem Abschluss des Vertrags zugestimmt haben (Rn 42). Einen Dritten – wie hier die Klägerin – könnte eine Gerichtsstandsklausel, der er nicht zugestimmt hat, nur dann binden, wenn er nach dem in der Sache anwendbaren nationalen Recht in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartner eingetreten ist (Rn 47). Zu den Voraussetzungen der Wirksamkeit einer Gerichtsstandsklausel führt der EuGH aus, dass nach Art 25 Abs 1 EuGVVO die in der Gerichtsstandsklausel bezeichneten Gerichte zuständig sind, es sei denn, die Gerichtsstandsvereinbarung ist nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaats materiell nichtig (Rn 49). Der EuGH wies weiters auf die Entscheidung Lexitor (C-383/18 , ECLI:EU:C:2019:702, Rn 20) hin und führte aus, dass die Tatsache, dass sich in dieser (und anderen) Rechtssachen nur Gewerbetreibende gegenüberstanden, der Anwendung eines Instruments aus dem Verbraucherschutzrecht der Union nicht entgegensteht, weil der Anwendungsbereich der RL 2008/48/EG über Verbraucherkreditverträge nicht von der Identität der Parteien des fraglichen Rechtsstreits, sondern von der Eigenschaft der Vertragsparteien abhängt (Rn 53). Im Spruch dieser Entscheidung hielt der EuGH zunächst fest, dass eine Fluggesellschaft eine Gerichtsstandsklausel, die in einem Beförderungsvertrag mit einem Fluggast enthalten war, einer Inkassogesellschaft, an die der Fluggast seine Forderung abgetreten hat, nicht im Zuständigkeitsstreit entgegenhalten kann, es sei denn, dass nach den Rechtsvorschriften des Staates, dessen Gerichte in dieser Klausel bestimmt sind, die Inkassogesellschaft in alle Rechte und Pflichten der ursprünglichen Vertragspartei (des Fluggastes) eingetreten ist. Im zweiten Satz des Tenors sprach er – ohne Bezugnahme auf die Abtretung der Forderung – aus, dass gegebenenfalls eine Gerichtsstandsklausel in einem Beförderungsvertrag, die nicht im Einzelnen ausverhandelt worden ist, missbräuchlich im Sinn von Art 3 RL 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln sein kann. [...] Daraus ergibt sich, dass in einem ersten Schritt die Frage der Wirksamkeit der zwischen den ursprünglichen Parteien vereinbarten Gerichtsstandsklausel zu prüfen ist. Bejaht man diese, ist erst in einem zweiten Schritt die Wirksamkeit der Rechtsnachfolge zu prüfen, was nach dem sich aus Art 14 Rom-I-VO ergebenden Recht zu geschehen hat (und nicht nach Art 25 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 2 EuGVVO, vgl Mankowski, Legal Tech im Inkassomodell und Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Internationalen Zivilprozessrecht, RIW 2021, 397 [402]). […] In der Entscheidung C-519/19 war eine Gerichtsstandsklausel in einem Beförderungsvertrag zu beurteilen. Beförderungsverträge sind gemäß Art 17 Abs 3 EuGVVO vom Verbraucherschutzregime nach der EuGVVO ausgenommen. Im vorliegenden Fall kommen die Art 17 ff EuGVVO hingegen zur Anwendung, sodass die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung zwischen dem Spieler und der Beklagten nicht nach dem (von Pkt 24 AGB des Spielervertrags verwiesenen) maltesischen Recht zu beurteilen ist, sondern – aufgrund des Anwendungsvorrangs der EuGVVO (RS0106679 [T6]; RS0109738; Staudinger in Rauscher, EuZPR-EuIPR I5 Einl Brüssel Ia-VO Rn 27) – nach den Regeln der EuGVVO. [...] Gerichtsstandsvereinbarungen und entsprechende Bestimmungen in Trust-Bedingungen haben gemäß Art 25 Abs 4 EuGVVO ua dann keine rechtliche Wirkung, wenn sie den Vorschriften des Art 19 EuGVVO zuwiderlaufen. Gemäß Art 19 EuGVVO ist eine Gerichtsstandsvereinbarung in Verbrauchersachen nur nach Entstehen des Rechtsstreits zulässig (Nr 1), weiters wenn sie dem Verbraucher noch andere Gerichtsstände zur Verfügung stellt (Nr 2) und schließlich, wenn sie für beide Parteien den gemeinsamen Wohnsitz oder den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt als Gerichtsstand festschreibt und eine solche Vereinbarung nach dem Recht des Wohnsitz- (oder Aufenthalts-)mitgliedstaats zulässig ist (Nr 3; Mayr in Czernich/Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands- und Vollstreckungsrecht4, Art 19 EuGVVO Rz 3).“

[15] 1.2. Nach diesen Ausführungen, die der erkennende Senat teilt, erfüllt die in Pkt 24 der AGB der Beklagten enthaltene Gerichtsstandsklausel die notwendigen Voraussetzungen nicht. Sie wurde daher nicht wirksam vereinbart. Der Spieler akzeptierte die AGB der Beklagten, spielte in der Folge und erlitt Verluste. Dass (gerichtliche) Streitigkeiten daraus unmittelbar bevorstanden, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen (vgl Simotta in Fasching/Konecny V/1³ Art 19 EuGVVO Rz 6 mwH).

[16] Mangels einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung kann auch die Klägerin als Zessionarin nicht daran gebunden sein, ohne dass auf die Frage der Wirksamkeit der Rechtsnachfolge noch weiter einzugehen wäre.

2. Gerichtsstand des Erfüllungsorts

[17] Auf den Gerichtsstand nach Art 7 Nr 1 EuGVVO kommt die Klägerin im Revisionsrekurs nicht mehr zurück. Es reicht damit ein kurzer Verweis darauf aus, dass der Oberste Gerichtshof in den gleichgelagerte Fälle betreffenden Entscheidungen 10 Ob 56/22s (Rz 20 ff) und 8 Ob 172/22k (Rz 19 ff) bereits ausgeführt hat, dass der Erfüllungsort des Glücksspielvertrags in Malta (und nicht in Österreich) liegt.

3. Deliktsgerichtsstand

[18] Die Klägerin macht jedoch zu Recht geltend, dass die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts insoweit gegeben ist, als sie ihre Ansprüche auf deliktischen Schadenersatz stützt und damit den Deliktsgerichtsstand des Art 7 Nr 2 EuGVVO in Anspruch nimmt.

[19] 3.1. Der Oberste Gerichtshof hat in den Entscheidungen 10 Ob 56/22s (Rz 28 ff) und 8 Ob 172/22k (Rz 26 ff) bei gleichartigem Sachverhalt zu dieser Frage wie folgt Stellung bezogen:

„Nach Art 7 Nr 2 EuGVVO 2012 kann, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Orts geklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht. [...] Der EuGH definiert Klagen aus 'unerlaubten Handlungen' als Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird und die nicht an einen 'Vertrag' im Sinne des Art 7 Nr 1 EuGVVO anknüpfen (RS0115357). Beruft sich der Kläger auf die Regeln über die Haftung aus unerlaubter Handlung oder einer Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, also auf einen Verstoß gegen eine gesetzliche Verpflichtung, und erscheint es nicht unerlässlich, den Inhalt des mit dem Beklagten geschlossenen Vertrags zu prüfen, um zu beurteilen, ob das diesem vorgeworfene Verhalten rechtmäßig oder rechtswidrig ist, weil diese Verpflichtung des Beklagten unabhängig von diesem Vertrag besteht, so bilden eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand der Klage im Sinne von Art 7 Nr 2 EuGVVO (EuGH C-59/19 , ECLI:EU:C:2020:950, Wikingerhof, Rn 33; C-548/12 , Rn 25). Sache des nationalen Gerichts ist es zu prüfen, ob die Ansprüche des Klägers – unabhängig von ihrer Einordnung nach nationalem Recht – im Sinn der EuGVVO vertraglicher Art sind oder vielmehr eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, zum Gegenstand haben (EuGH C-59/19 Wikingerhof, Rn 30; C-548/12 , Brogsitter, Rn 26). [...] Die Klägerin stützt ihre Ansprüche auf deliktischen Schadenersatz, weil die Beklagte in Österreich konzessionslos und unter Missachtung der strafrechtlichen Bestimmungen des § 168 Abs 1 StGB und § 1 Abs 1 GSpG – als Schutzgesetze zugunsten des Spielers – verbotenes Glücksspiel anbot. Die zivilrechtliche Unerlaubtheit eines Spiels, das den in § 168 Abs 1 StGB und § 1 Abs 1 GSpG genannten Charakter hat, bei dem also Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen, setzt überdies eine Strafbarkeit im Sinn des § 168 StGB nicht voraus (10 Ob 22/22s mwH; RS0102178 [T10]; RS0038378). Um die darauf gestützten deliktischen Schadenersatzansprüche der Klägerin zu beurteilen, ist es daher nicht unerlässlich, den Inhalt des Vertrags zwischen dem Spieler und der Beklagten zu prüfen, weil bereits der behauptete Verstoß der Beklagten gegen die § 168 Abs 1 StGB und § 1 Abs 1 GSpG zivilrechtliche Schadenersatzansprüche aus deliktischer Haftung nach sich zieht (vgl 6 Ob 229/21a Rz 28 f ua). [...] Grundsätzlich kann der Geschädigte seine Ansprüche alternativ am Handlungs- oder Erfolgsort geltend machen (EuGH C-709/19 , ECLI:EU:C:2021:377, Vereniging van Effectenbezitters, Rn 26; 8 Ob 30/19y; RS0115357 [T19], RS0109078 [T27]). Erfolgsort ist der Ort, an dem die schädigenden Auswirkungen des haftungsauslösenden Ereignisses zu Lasten des Betroffenen eintreten (Simotta in Fasching/Konecny V/1³ Art 7 EuGVVO Rz 335 mwH; RS0119142). Für den Bereich eines reinen Vermögensschadens – wie er auch im vorliegenden Fall geltend gemacht wird – kann der Geschädigte an seinem Wohnort nur dann klagen, wenn neben der Vermögensbeeinträchtigung an diesem Ort ein weiteres Element der unerlaubten Handlung in diesem Staat eingetreten ist oder hier gesetzt wurde, wenn daher der Wohnsitz des Klägers tatsächlich der Ort des ursächlichen Geschehens oder der Verwirklichung des Schadenserfolgs ist (EuGH C-375/13 , ECLI:EU:C:2015:37, Kolassa, Rn 50; C-709/19 Rn 29 ua; 8 Ob 30/19y; 8 Ob 75/18i). [...] Dem Einwand der Beklagten, der – hier maßgebliche – Erstschaden habe sich infolge der Einzahlung des Einsatzes des Spielers auf das Spielerkonto in Malta verwirklicht, ist entgegenzuhalten, dass der dort erliegende Spieleinsatz sich nach dem Erfolg oder Misserfolg des Spiels richtet. Verluste werden mit Gewinnen ausgeglichen, sodass erst der letztlich verbleibende Verlust einen Erstschaden darstellt, der sich für den Spieler durch das Fehlen des entsprechenden Betrags in seinem in Österreich befindlichen Vermögen auswirkt.“

[20] 3.2. Entscheidend ist nach diesen überzeugenden Ausführungen damit nicht, wo die Beklagte die Spielerkonten führt. Die Einzahlung des Spielers schädigt sein Vermögen nicht, denn ihm steht in gleicher Höhe eine Forderung gegen die Beklagte gegenüber, die er sich jederzeit auf Verlangen wieder auszahlen lassen kann. Erst ein die Gewinne übersteigender Verlust aus dem verbotenen Glücksspiel schädigt das Vermögen des Spielers, indem sich sein Auszahlungsanspruch dadurch um den Verlust vermindert. Nach Österreich weist auch, dass die den Schadenersatz begründende Rechtswidrigkeit aus dem Verstoß gegen das österreichische Glücksspielrecht resultiert, also einem Verstoß gegen öffentlich-rechtliche österreichische Eingriffsnormen. Das vorgeworfene deliktische Verhalten der Beklagten bestand nicht im Anbieten von Online-Glücksspielen an sich (wozu sie nach ihrem Sitzrecht befugt ist), sondern darin, dieses Angebot für österreichische Spieler im Geltungsbereich der Konzessionspflicht zugänglich und nutzbar zu machen (10 Ob 56/22s Rz 33 und 8 Ob 172/22k Rz 28 f).

[21] 4. Der Revisionsrekurs ist daher teilweise berechtigt (ebenso 3 Ob 164/23y und 6 Ob 168/23h). Die internationale Zuständigkeit des Erstgerichts ist gemäß Art 7 Nr 2 EuGVVO in dem Umfang zu bejahen, in dem die Klägerin ihre Ansprüche auf deliktischen Schadenersatz stützt. Hingegen können Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung nicht beim Gerichtsstand für Deliktsklagen des Art 7 Nr 2 EuGVVO geltend gemacht werden (10 Ob 56/22s, 4 Ob 173/19y; RS0109739 [T12]). Dies gilt selbst für Bereicherungsansprüche, die aus einem Eingriff in Rechtsgüter des Entreicherten herrühren, weil mit ihnen nur die Rückgängigmachung der Entreicherung, nicht aber Schadenersatz begehrt wird (5 Ob 49/06a; 10 Ob 56/22s; RS0109078 [T4]).

[22] 5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 und 4 ZPO.

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