European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0100OB00022.22S.0913.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.272,14 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 378,69 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger erlitt bei von der Beklagten – einem maltesischen Unternehmen ohne Konzession nach dem österreichischen GSpG – über deren Website veranstalteten Online‑Pokerspielen zwischen 5. 7. 2009 und 1. 7. 2019 Verluste in Höhe des eingeklagten Betrags.
[2] Die Vorinstanzen gaben dem auf Schadenersatz‑ und Bereicherungsrecht gestützten Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Frage zu, ob der Betreiber von verbotenen Online‑Pokerspielen, der Einsätze entgegennehme und abzüglich einer Provision an Gewinner auszahle, für die Rückforderung von Spielverlusten aus dem Rechtsgrund der ungerechtfertigten Bereicherung passiv legitimiert sei.
Rechtliche Beurteilung
[3] Die Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruch mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[4] 1. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung ist nach dem Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel durch den Obersten Gerichtshof zu beurteilen. Eine im Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels tatsächlich aufgeworfene erhebliche Rechtsfrage fällt somit weg, wenn sie vor der Erledigung des Rechtsmittels bereits durch eine andere Entscheidung des Obersten Gerichtshofs geklärt wurde (RS0112921 [T5]).
[5] 2.1 Zur Auswirkung der von der Beklagten behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols in der bis 30. 12. 2010 geltenden Fassung des GSpG hat der Oberste Gerichtshof bereits in der – einen nahezu identen Sachverhalt betreffenden – Entscheidung 6 Ob 229/21a klargestellt, dass zwar das in § 21 Abs 2 Z 1 GSpG (bzw § 14 Abs 2 Z 1 GSpG) idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 normierte Sitzerfordernis unionsrechtswidrig war und nach der Rechtsprechung des EuGH ein Mitgliedstaat keine (verwaltungs‑)strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen darf, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Unionsrecht abgelehnt oder vereitelt hat, dass aber dieser Grundsatz schon deshalb nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar ist, weil die „Nichtigkeitssanktion“ im Sinn des § 879 Abs 1 ABGB keine vergleichbare staatliche Sanktion repressiver Natur darstellt. Weiters führte der Oberste Gerichtshof in der zitierten Entscheidung 6 Ob 229/21a aus, dass die zivilrechtliche Unerlaubtheit des Spiels eine Strafbarkeit im Sinn des § 168 StGB nicht voraussetzt (4 Ob 70/22f mwH; RS0102178 [T10]). Außerdem war nur das in § 21 Abs 2 Z 1 GSpG (bzw § 14 Abs 2 Z 1 GSpG) idF vor dem Budgetbegleitgesetz 2011 normierte Sitzerfordernis unionsrechtswidrig, nicht aber das Konzessions‑ bzw Monopolsystem an sich; dass die Beklagte jemals um eine Konzession angesucht habe, geschweige denn die übrigen in § 14 Abs 2, § 21 Abs 2 GSpG normierten Voraussetzungen erfüllt hätte, hat sie nicht behauptet (3 Ob 95/22z, 2 Ob 98/22h, jeweils mwH).
[6] 2.2 Aus diesem Grund ist die Einholung einer Vorabentscheidung nicht notwendig, weil sich die Beklagte mangels Ansuchens um eine Konzession und Erfüllung der Voraussetzungen für deren Erteilung nicht auf den Effektivitätsgrundsatz berufen kann (6 Ob 229/21a).
[7] 3. Der Oberste Gerichtshof hat mittlerweile auch die Passivlegitimation der Beklagten für den vom Kläger mit Leistungskondiktion begehrten Ersatz seiner Spielverluste aus Online‑Pokerspielen in vergleichbaren Verfahren bereits mehrfach bejaht (6 Ob 229/21a; 3 Ob 82/22p; 9 Ob 37/22i; 9 Ob 43/22x; 9 Ob 54/22i; 1 Ob 86/22m ua). Entgegen der Behauptung der Beklagten kann keine Rede davon sein, dass den Entscheidungen 6 Ob 229/21a, 6 Ob 8/22b, 6 Ob 207/21s und 9 Ob 79/21i ein grundlegend anderer Sachverhalt zugrunde gelegen wäre, weil es sich beim „eigenen Nutzerkonto“ des Klägers (so die Revision) um nichts anderes handelt als um das auf der Website der Beklagten angelegte Spielerkonto (3 Ob 82/22p; vgl auch 9 Ob 37/22i zur verfahrensgegenständlichen Website www.*). Nach der Zweckrichtung des Vertrags zwischen den Streitteilen war die Beklagte die Leistungsempfängerin, waren doch ein bei ihr eingerichtetes Nutzerkonto sowie ein Spielguthaben notwendige Voraussetzungen für die Teilnahme an dem von der Beklagten angebotenen Glücksspiel (vgl 9 Ob 43/22x). Die Rolle der Beklagten geht insofern über jene einer bloßen „Abwicklungstreuhänderin“ hinaus, als der Nutzer vorweg eine Einzahlung auf ein Konto der Beklagten tätigen muss, um „Spielguthaben“ zu erwerben und in dessen Umfang an den von der Beklagten (rechtswidrig) angebotenen Online‑Glücksspielen teilnehmen zu können (6 Ob 229/21a; 1 Ob 72/22b; 9 Ob 43/22x ua). Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung des § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB oder § 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet werde, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern „nur“ um am Spiel überhaupt teilnehmen zu können, widerspräche überdies dem Verbotszweck des § 2 Abs 4 iVm mit § 4 Abs 1 GSpG (9 Ob 79/21i ua).
[8] Die Revision der Beklagten ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
[9] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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