OGH 6Ob207/21s

OGH6Ob207/21s2.2.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny, die Hofrätin Dr. Faber und den Hofrat Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J* O*, vertreten durch Salburg Rechtsanwalts GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei T* Limited, *, Malta, vertreten durch Brandl Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 17.543,61 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 26. August 2021, GZ 3 R 92/21a‑27, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 18. Mai 2021, GZ 2 Cg 44/20z‑21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00207.21S.0202.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.251,36 EUR (darin 208,56 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die beklagte Limited nach maltesischem Recht (Malta Business Registry Nr. *) mit Sitz in Malta verfügt über eine aufrechte Lizenz der Malta Gaming Authority für Online-Glücksspiele (Echtgeldpoker‑ und Casinospiele) unter der Domain www.p*.eu. Eine Konzession für ihre Tätigkeiten in Österreich iSd § 12a GSpG für elektronische Lotterien hat sie nicht, bietet aber über ihre deutschsprachige Website p*.eu in Österreich Internet‑Glücksspiel (Echtgeldpoker- und Casinospiele) an. Österreichische Kunden können die Website der Beklagten in Anspruch nehmen.

[2] Der in Österreich wohnhafte Kläger richtete bei der Beklagten einen Account zur Teilnahme am Online‑Glücksspiel ein. Grundlage und Vertragsbestandteil für die zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge sind deren im Zuge der Errichtung des Accounts vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).

[3] Der Kläger nahm zu privaten Zwecken von 19. 11. 2016 bis 3. 9. 2019 an den von der Beklagten angebotenen Pokerspielen teil und erlitt dabei Spielverluste von gesamt 17.543,61 EUR. Er spielte dort online gegen reale Spieler, von denen er nur die Usernamen kannte. Die Beklagte war keine Mitspielerin, sondern gab die Karten. Von den Einsätzen der Spieler behielt sich die Beklagte einen Teil ein. Auf dem Spielerkonto des Klägers wurden sämtliche Zahlungsflüsse, insbesondere die Transferierung der eingelösten Wetteinsätze und erzielten Spielgewinne, zwischen dem Kläger und der Beklagten abgewickelt.

[4] Der Kläger begehrt von der Beklagten 16.879,28 EUR sA. Die mit der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielverträge seien mangels Konzession nach dem Glücksspielgesetz unwirksam, der saldierte Verlustbetrag sei somit bereicherungsrechtlich rückabzuwickeln. Zwischen den Spielern bestehe bereits mangels Kenntnis kein Vertrags- oder synallagmatisches Austauschverhältnis. Vermögensdispositionen hätten nur zwischen den Spielern und der Beklagten stattgefunden; die Bereicherung sei daher ausschließlich bei dieser eingetreten.

[5] Die Beklagtewendete – sofern noch im Revisionsverfahren relevant – ein, sie sei nicht passiv legitimiert, weil der dem Pokerspiel zugrundeliegende Vertrag zwischen den Spielern untereinander und nicht mit dem Anbieter der Website zustande gekommen sei. Gewinne und Verluste realisierten sich nur in diesem Verhältnis, sodass auch allfällige bereicherungs- und schadenersatzrechtliche Ansprüche auf dieses Verhältnis beschränkt seien. Die Beklagte hebe nur eine Servicegebühr für das Bereitstellen der Pokerplattform ein.

[6] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Das ohne Konzession von der Beklagten angebotene Online‑Glücksspiel sei verboten und der mit dem Kläger geschlossene Vertrag gemäß § 879 Abs 1 ABGB nichtig. Der bereicherungsrechtliche Rückforderungsanspruch des Klägers sei daher berechtigt. Dass die Beklagte lediglich an den „Tischgebühren“ verdient habe, führe nicht zu einer fehlenden Passivlegitimation, da der Kläger aufgrund des zwischen ihm und der Beklagten abgeschlossenen Glücksspielvertrags Verluste erlitten habe.

[7] Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und führte – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – aus, die Beklagte sei Veranstalterin des Online-Pokerspiels und Vertragspartnerin des Klägers. Poker – auch Online-Poker – dürfe in Österreich nur im Rahmen einer Konzession angeboten werden. Der Glücksspielvertrag sei daher mangels Konzession der Beklagten nichtig, was zur Rückabwicklung führe. Bereicherungsschuldner sei derjenige, dem der Spieler die Einsätze in Erfüllung mit ihm geschlossener, ungültiger Glücksspielverträge geleistet habe, hier also die Beklagte. Auf Fragen des Schadenersatzes komme es nicht mehr an.

[8] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil zur Frage der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung eines verbotenen Online‑Pokerspiels keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

[9] Die Revision der Beklagten ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Beklagte macht geltend, sie komme nicht als Bereicherungsschuldnerin in Frage, weil sie sich als bloße Anbieterin – anders als bei Bankhalterspielen – nicht am Spiel beteiligt, sondern nur dessen Abwicklung organisiert und dafür lediglich einen fixen Prozentsatz des Einsatzes als Sevicegebühr eingehoben habe. Es liege ein Geschäftsbesorgungsvertrag, konkret ein Treuhandvertrag vor, bei dem in jeder Pokerspielrunde die Einsätze und Spielerguthaben treuhändig entgegengenommen, verwaltet und entsprechend den mit den beteiligten Spielern vereinbarten Auszahlungsbedingungen ausgezahlt würden. Der von der Beklagten als Abwicklungstreuhänderin und Zahlstelle einbehaltene Anteil sei unabhängig von einem aleatorischen Moment. Ein Glücksvertrag bestehe nur zwischen den Spielern, wobei angesichts des Treuhandvertrags und der Einordnung als „Geschäft für den, den es angeht“ die fehlende Offenlegung der konkreten Vertragspartner unschädlich sei.

[11] 1. Der Oberste Gerichtshofs hat im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte und auf Basis der einschlägigen Judikatur des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in mehreren aktuellen Entscheidungen festgehalten, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt im hier relevanten Zeitraum allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (3 Ob 200/21i; 3 Ob 72/21s; 3 Ob 106/21s; 5 Ob 30/21d; 9 Ob 20/21p). Auf die behauptete Unionswidrigkeit des im GSpG statuierten Konzessionssystems geht die Revision aber ohnehin nicht mehr inhaltlich ein.

[12] 2. Wie das Berufungsgericht bereits zutreffend ausgeführt hat (§ 510 Abs 3 ZPO), sind die in der Entscheidung 6 Ob 118/12i angestellten Überlegungen zur (bereicherungsrechtlichen) Passivlegitimation von Lokalbetreibern, die lediglich einen Raum für Glücksspielautomaten oder Kartenspiele zur Verfügung stellen, mangels Vergleichbarkeit der zugrunde liegenden Sachverhalte nicht übertragbar. Während dort mangels Feststellung, dass die Lokalbetreiberin selbst auch Betreiberin bzw Aufstellerin des Automaten gewesen wäre, kein Vertragsverhältnis zwischen der Lokalbetreiberin als Anbieterin des Pokerspiels und den Spielern konstruiert werden konnte, fungiert die Beklagte vorliegend gerade als Anbieterin des Online‑Pokerspiels.

[13] 3. Gemäß § 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG ist bereits das konzessionslose Veranstalten, Organisieren, Anbieten oder Zugänglichmachen von Glücksspiel durch einen Unternehmer verboten; dies auch dann, wenn er nicht selbst am Spiel teilnimmt und etwa die Gewinne stellt, sondern nur auf sonstige Weise an der Durchführung des Spiels mitwirkt. Das wurde durch die Neufassung der Legaldefinition der „Ausspielung“ in § 2 GSpG im Rahmen der GSpG‑Novelle 2008, BGBl I 54/2010, noch einmal bewusst verdeutlicht. In diesem Sinne führen die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (ErläutRV 658 BlgNR 24. GP  5) aus: „Die Veranstaltung/Organisation/das Angebot kann sich beispielsweise durch Mischen und Teilen der Karten, Festlegung von Spielregeln, Entscheidung von Zweifelsfällen, Bewerbung der Möglichkeit zum Spiel, Bereitstellen von Spielort, Spieltischen oder Spielpersonal äußern“). Dies entsprach aber bereits der zuvor geltenden Rechtslage (vgl § 2 Abs 4 GSpG idF BGBl I 69/1997; allgemein zur Behandlung von Hilfs-, Neben- bzw Vorbereitungsgeschäften für Glücksverträge Stefula in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 1267 ABGB Rz 5 mwN; siehe weiters – zu einem verbotenen Pyramidenspiel – 5 Ob 506/96). Zudem kommt es nicht darauf an, ob (auch) der Vertragsbeziehung zwischen den Streitteilen ein aleatorisches Element zugrunde liegt oder (nur) zwischen den Teilnehmern des Online‑Pokerspiels untereinander Glücksverträge zustande gekommen sind.

[14] Vor diesem Hintergrund kann keinem Zweifel unterliegen, dass der vorliegend zwischen den Streitteilen geschlossene Vertrag, mit dem dem Kläger die Teilnahme an Online‑Pokerspielen auf der Website der Beklagten ermöglicht wurde, nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig ist.

[15] 4. Die Rechtsfolgen der Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts wegen Verbots‑ und Sittenwidrigkeit richten sich nach einer Analogie zu § 877 ABGB (Pletzer in Kletecka/Schauer, ABGB‑ON § 877 Rz 6). Die Rückforderbarkeit wird daher in der Regel nicht durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld ausgeschlossen (Pletzer aaO mwN). Nach neuerer Auffassung kommt hier dem Verbotszweck maßgebliche Bedeutung zu: Erfordert der Verbotszweck eine Rückabwicklung, etwa weil das Verbot den Schutz einer Partei bezweckt oder sich gegen den Leistungstausch an sich wendet, sind ausgetauschte Leistungen stets, also in Abweichung zu §§ 1431 ff ABGB auch bei Kenntnis von der ungültigen Verpflichtung zurückzustellen (Koziol/Spitzer in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB5 Vor §§ 1431 Rz 2 mwN; Pletzer aaO Rz 6 ff mwN). Will das Verbotsgesetz dagegen nur die Entstehung einer durchsetzbaren Verpflichtung verhindern, begründet die Nichtigkeit für sich allein noch keinen Rückforderungsanspruch. In Hinblick auf die Zielsetzung des Glücksspielgesetzes kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Gesetzgeber hier gerade den Schutz der Spieler und nicht bloß die Verhinderung des Entstehens klagbarer Verbindlichkeiten bezweckt.

[16] Nach § 877 ABGB ist der erlangte Vorteil herauszugeben (Pletzer aaO Rz 19). Darunter ist zu verstehen, was in jemandes unbeschränkte Verwendungsmöglichkeit gelangt ist, gleichgültig, ob davon in der Folge ein nützlicher oder allenfalls verlustbringender Gebrauch gemacht wurde und ob davon noch ein Nutzen vorhanden ist oder nicht (Pletzer aaO Rz 19 mwN). Ein späterer Wegfall eines einmal eingetretenen Nutzens befreit den Bereicherungsschuldner demnach nicht (9 Ob 98/04h; Pletzer aaO Rz 19).

[17] 5. Die Passivlegitimation der Beklagten ergibt sich schon daraus, dass diese Empfängerin der Leistung des Klägers war. Schon durch die Einzahlung auf ihr Konto kommt es daher zu einer bewussten und zweckgerichteten Vermögensverschiebung zugunsten der Beklagten auf Grundlage der (unwirksamen) vertraglichen Vereinbarung zwischen ihr und dem Nutzer; von einer (Vorab‑)Zahlung zur Abwicklung eines allfälligen, im Einzahlungszeitpunkt noch gar nicht abgeschlossenen Glücksvertrags mit einem künftigen Mitspieler kann keine Rede sein. Durch die wiederkehrenden Geldüberweisungen des Klägers wurde die Beklagte daher sehr wohl unmittelbar bereichert, ganz unabhängig davon, dass es sich dabei jeweils noch nicht um die Leistung eines Spieleinsatzes im Rahmen eines unerlaubten Glücksvertrags (s dazu RS0025607 [T1, T4]; 1 Ob 190/17y]) handelte.

[18] Ein Belassen der Zahlung oder die Anwendung der §§ 1174 Abs 1 Satz 1, 1432 ABGB, auch wenn die Zahlung nicht geleistet wird, um das verbotene Spiel unmittelbar zu bewirken, sondern „nur“ um am Spiel überhaupt teilnehmen zu können, widerspräche überdies dem Verbotszweck der §§ 2 Abs 1 und 4 in Verbindung mit § 4 Abs 1 GSpG (Krejci/Böhler in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1274 Rz 81; vgl auch 6 Ob 124/16b; 7 Ob 225/16p). Dies muss umso mehr dann gelten, wenn – wie im vorliegenden Fall – dem Kläger die Identität der anderen Spieler völlig unbekannt war. Die Argumentation der Beklagten liefe vielmehr darauf hinaus, den Kläger auf faktisch nicht durchsetzbare Ansprüche zu verweisen.

[19] Die Rolle der Beklagten geht zudem auch insofern über jene einer bloßen „Abwicklungstreuhänderin“ hinaus, als ein Nutzer, um überhaupt an den von der Beklagten angebotenen Online‑Glücksspielen – nicht bloß am Poker – teilnehmen zu können, zuvor eine Einzahlung auf ein Konto der Beklagten tätigen muss, woraufhin ihm von der Beklagten ein entsprechendes „Spielguthaben“ eingeräumt wird. Nur in dessen Umfang kann er sich mit Einsätzen an den Spielen, unter anderem am Poker, beteiligen.

[20] 6. Zusammenfassend erweist sich somit die Rechtsansicht des Berufungsgerichts als frei von Rechtsirrtum, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war. Ob der Kläger sein Begehren auch auf Schadenersatz stützten könnte, muss nicht beantwortet werden.

[21] 7. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

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