OGH 2Ob175/22g

OGH2Ob175/22g22.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch ScherbaumSeebacher Rechtsanwälte GmbH in Graz, wider die beklagte Partei Mag. R*, vertreten durch Wess Kux Kispert & Eckert Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Auskunftserteilung und 111.111,11 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 111.111,11 EUR) gegen das Teil- und Zwischenurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 18. Mai 2022, GZ 14 R 197/21z‑24, mit dem einer Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Oktober 2021, GZ 55 Cg 13/21t‑17, teilweise Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00175.22G.1122.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Erbrecht und Verlassenschaftsverfahren

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist die eheliche, die Klägerin die außereheliche Tochter des 2005 verstorbenen Erblassers, der der Beklagten mit Notariatsakt vom 16. 12. 2000 Liegenschaftsanteile geschenkt hatte.

[2] Die Verlassenschaft wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 3. 4. 2006 der Witwe an Zahlungs statt überlassen.

[3] Mit seit 16. 5. 2020 rechtskräftigem Beschluss des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 5. 3. 2020 wurde festgestellt (§ 150 ABGB), dass nicht der bisherige gesetzliche Vater, sondern der Erblasser der Vater der Klägerin war.

[4] Mit ihrer am 9. 4. 2021 eingebrachten Klage begehrt die Klägerin (1.) Auskunft über sämtliche (weitere) vom Erblasser erhaltene Schenkungen und eidliche Bekräftigung derselben sowie (2.) die Zahlung eines Schenkungspflichtteils in Höhe von 111.111,11 EUR. Sie bringt – soweit noch Gegenstand des Revisionsverfahrens – vor, ihr Pflichtteilsanspruch sei nicht verjährt. Entsprechend der Grundregel des § 1478 Satz 2 ABGB beginne die Verjährungsfrist erst zu dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem das Recht ausgeübt werden hätte können.Vor rechtskräftiger Feststellung der Vaterschaft des Erblassers sei sie rechtlich nicht seine Tochter gewesen. Sie habe daher erst mit Rechtskraft der Statusentscheidungihren Pflichtteilsanspruch geltend machen können.

[5] Die Beklagte wendet ein, der Pflichtteilsanspruch sei nach dem anzuwendenden § 1487 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 verjährt. Die objektive Dreijahresfrist habe mit der Errichtung des Übernahmeprotokolls im Verlassenschaftsverfahren im Jahr 2006 zu laufen begonnen und sei daher längst abgelaufen. Die Vaterschaftsfeststellung nach dem Tod des Erblassers schiebe den Beginn der Verjährungsfrist nicht hinaus.

[6] Das Erstgericht wies das Auskunfts- und Zahlungsbegehren wegen Verjährung ab. Zwar habe es einiges für sich, dass die Verjährung erst mit der aufgrund der Vaterschaftsfeststellung eingetretenen (rechtlichen) Möglichkeit, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, beginne. Allerdings solle gerade mit der Anknüpfung an objektive Ereignisse bei Verjährungsvorschriften dem Rechtsfrieden und der Rechtssicherheit gedient werden. Auf die subjektive Kenntnis komme es nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 nicht an. Die neue Rechtslage sei nicht auf vor Inkrafttreten verwirklichte Sachverhalte anzuwenden.

[7] Mit dem angefochtenen Teil- und Zwischenurteil (§ 393a ZPO) bestätigte das Berufungsgericht die Abweisung des Auskunftsbegehrens mangels Anspruchs auf Auskunftserteilung nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 und sprach aus, das Zahlungsbegehren sei nicht verjährt. Erst mit rechtskräftiger Feststellung der wahren Abstammung der Klägerin sei die Geltendmachung des Schenkungspflichtteils rechtlich „objektiv“ möglich iSd § 1478 Satz 2 ABGB. Davor habe die Verjährung nicht zu laufen beginnen können. Dies entspreche auch der Rechtsprechung im Zusammenhang mit Unterhaltsansprüchen eines Kindes gegen den festgestellten Vater. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht erkennbar zur Frage der Verjährung des Schenkungspflichtteils bei postmortaler Abstammungsfeststellung zu.

[8] Gegen das Zwischenurteil zur Verjährung richtet sich die Revision der Beklagten mit dem Abänderungsantrag, auch das Zahlungsbegehren wegen Verjährung abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[9] Die Klägerin beantragt, die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[10] Die Revision ist zulässig, weil Rechtsprechung zur Verjährung des Pflichtteilsanspruchs nach § 1487 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 bei postmortaler Abstammungsfeststellung fehlt. Sie ist aber nicht berechtigt.

[11] Die Revision argumentiert, aus Gründen der Rechtssicherheit beginne die objektive Verjährungsfrist des § 1487 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 für alle Berechtigten unabhängig von ihrer Kenntnis gleichzeitig mit Errichtung des Übernahmeprotokolls. Dass ein (noch) nicht bestehendes Recht nicht verjähren könne, treffe nicht zu. Auch Unterhaltsansprüche könnten nach rechtskräftiger Abstammungsfeststellung nur drei Jahre zurück geltend gemacht werden, obwohl auch die davor liegenden Ansprüche mangels Abstammungsfeststellung noch gar nicht geltend gemacht werden hätten können. Ließe man die Verjährung erst mit unbefristet möglicher Abstammungsfeststellung beginnen, wäre auch eine unbefristete Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs möglich, was dem Zweck des Verjährungsrechts zuwiderliefe und eine gleichheitswidrige Bevorzugung unehelicher Kinder gegenüber ehelichen Kindern bedeuten würde, für die die Verjährungsfrist kenntnisunabhängig zu laufen beginne. Überdies könne die Abstammung ohnehin als Vorfrage im Pflichtteilsprozess mit Wirkung inter partes beurteilt werden, sodass die Geltendmachung auch bereits vor rechtskräftiger Klärung der Statusfrage im Abstammungsverfahren möglich sei.

Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:

[12] 1. Die Übergangsbestimmung des § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB ordnet an, dass § 1487a ABGB idF des ErbRÄG 2015 ab dem 1. 1. 2017 auf die dort genannten Rechte anzuwenden ist, wenn dieses Recht am 1. 1. 2017 nach dem bis dahin geltenden Recht nicht bereits verjährt ist. Der Lauf der in § 1487a ABGB vorgesehenen kenntnisabhängigen Frist beginnt in solchen Fällen mit dem 1. 1. 2017.

[13] Es ist daher in einem ersten Schritt zu prüfen, ob der Pflichtteilsanspruch der Klägerin nach § 1487 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 zum 1. 1. 2017 bereits verjährt war.

[14] 2. Seit Aufhebung des § 730 Abs 2 ABGB durch das am 1. 1. 2005 – vor dem Tod des Erblassers – in Kraft getretene FamErbRÄG 2004 (BGBl I 2004/58) ist eine Abstammungsfeststellung durch Abstammungsbeweis unbefristet möglich (Scheuba in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.06 § 732 Rz 5; Christandl in Klang³ § 730 ABGB Rz 9).

[15] 3. Die für den übergangenen Noterben maßgebliche kurze Verjährungsfrist des § 1487 ABGB aF beginnt nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von der Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Tod des Erblassers bzw der subjektiven Kenntnis des Berechtigten allgemein (2 Ob 174/15z mwN) mit der Kundmachung des Testaments (RS0034302) bzw nach Inkrafttreten des Außerstreitgesetzes 2005 mit der Errichtung des Übernahmeprotokolls zu laufen (RS0126541). Zu 1 Ob 159/10d betonte der Oberste Gerichtshof, die Forderung nach Rechtssicherheit und Gleichbehandlung aller (bekannten und unbekannten) Erben spreche dafür, die Verjährunsgfrist einheitlich für alle Berechtigten mit dem Tag der Errichtung des Übernahmeprotokolls (und nicht dessen Zustellung) beginnen zu lassen.

[16] 4. Folgende Stellungnahmen in Lehre und (deutscher) Rechtsprechung plädieren dafür, die Verjährung nicht erst mit rechtskräftiger Feststellung der Abstammung beginnen zu lassen.

[17] 4.1 Erstmals befasste sich Fischer-Czermak (Neueste Änderungen im Abstammungs- und Erbrecht, JBl 2005, 2) mit den Auswirkungen der unbefristet möglichen Abstammungsfeststellung auf die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und kam zum Ergebnis, dass die Feststellung der Abstammung keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährungsfrist habe. Trotz unbefristet möglicher Abstammungsfeststellung könnten erbrechtliche Ansprüche nur innerhalb der Verjährungsfristen gelten gemacht werden. Zwar könne man argumentieren, der Fristenlauf beginne erst mit der Feststellung der Abstammung, weil erst damit das Erbrecht entstehe und davor nicht ausgeübt werden könne. Allerdings komme es auf die Tatsache der Abstammung, nicht auf ihre rechtliche Feststellung an, die in den Händen der Beteiligten liege. Auch bei Ansprüchen, deren Fälligkeit von der Ausübung eines Gestaltungsrechts abhänge, beginne die Verjährung mit der Möglichkeit der Ausübung desselben.

[18] 4.2 Dieser Ansicht schlossen sich Eccher (in Schwimann/Kodek 4 § 730 ABGB Rz 8), Ferrari (in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht [2007] 56); und B. Jud (Überlegungen zu einer Reform des Erbrechts, ÖJZ 2008, 551) an.

[19] 4.3 Fischer-Czermak (Abstammungsänderungen nach dem Tod, Fischer-Czermak/Tschugguel, Beiträge zum Familien- und Erbrecht, Liber Amicorum für Edwin Gitschthaler, 51 [63]; Fischer-Czermak/Zöchling-Jud, Aktuelle Fragen im Erbrecht, Symposium zum 80. Geburtstag von Rudolf Welser [2020] 19 [28 f]) meint auch zur neuen Rechtslage, es spreche viel dafür, die kurze Verjährungsfrist des § 1487a ABGB – die absolute Frist ende jedenfalls dreißig Jahre nach dem Tod des Erblassers – nicht erst mit rechtskräftiger Abstammungsfeststellung, sondern schon ab Kenntnis jener Umstände beginnen zu lassen, aufgrund derer eine Abstammungsbeziehung begründet werden könne.

[20] 4.4 Auch Christandl (Die Verjährung erbrechtlicher Ansprüche bei posthumer Vaterschaftsfeststellung, EF-Z 2021/26; ders in Klang³ § 730 ABGB Rz 9) plädiert zur Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 unter Hinweis auf den Wortlaut des § 1487a ABGB und das Interesse der eingeantworteten Erben an Rechtssicherheit, die Verjährungsfrist mit Kenntnis von der Tatsache der Abstammung und nicht erst mit rechtskräftiger Feststellung der Abstammung beginnen zu lassen. Da eine Beurteilung der Abstammung als Vorfrage im Verfahren über das Erbrecht nicht in Betracht komme, sei eine Ablaufhemmung für die Dauer des Abstammungsverfahrens anzunehmen.

[21] 4.5 Schauer/Uitz (Postmortales Abstammungsrecht und Verjährung des Pflichtteilsanspruchs, Zugleich eine Besprechung von OLG Wien 18. 5. 2022, 14 R 197/21z, NZ 2022/114) nehmen sowohl auf die alte als auch die neue Rechtslage Bezug und bezweifeln zunächst unter Hinweis auf § 140 ABGB ebenso die Möglichkeit einer Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Zusammenhang mit einer Pflichtteilsklage, halten eine Klärung dieser Frage im hier interessierenden Zusammenhang aber für entbehrlich. Die Verjährbarkeit eines subjektiven Rechts vor dessen objektiver Ausübbarkeit sei nicht systemwidrig, sondern dem geltenden Recht als Ausdruck des verjährunsgrechtlichen Grundanliegens der Schaffung von Rechtssicherheit und Rechtsfrieden durch Zeitablauf bekannt. So verjähre auch eine Leistungskondiktion gemeinsam mit dem Gestaltungsrecht, obwohl diese ohne Ausübung der Rechtsgestaltung noch gar nicht entstanden sei. Der erst durch die Testamentsanfechtung entstehende Anspruch auf Ausfolgung eines Erbteils qua Erbschaftsklage verjähre ebenso gemeinsam mit dem Gestaltungsrecht. Der vom Berufungsgericht angestellte Vergleich mit der Rechtsprechung zur Verjährung von Unterhaltsansprüchen bei Abstammungsfeststellung sei schon deshalb verfehlt, weil dem Pflichtteilsrecht kein Versorgungscharakter zukomme, der es rechtfertige, die Verjährung erst mit rechtskräftiger Abstammungsfeststellung beginnen zu lassen.

[22] 4.6 Rabl/Cohen (Verjährung im Erbrecht bei postmortaler Abstammungsfeststellung, NZ 2021/46) verweisen – in ihrem im Zusammenhang mit diesem Verfahren angeregten Aufsatz (die Zweitverfasserin ist als Anwältin der Beklagtenvertreterin am Verfahren beteiligt) – darauf, dass die erbrechtlichen Verjährungsbestimmungen des alten und neuen Rechts nicht auf die vorliegende Problematik Bezug nähmen und auch die Gesetzesgenese keine verjährungsrechtlichen Rückschlüsse ergebe. Der Grundsatz, ein Recht könne vor dessen Entstehung bzw Ausübbarkeit nicht verjähren, stehe einem Verjährungsbeginn nicht entgegen, weil die Feststellung der Abstammung auf den Zeitpunkt der Geburt zurückwirke. Die ex-tunc‑Wirkung begründe auch die Anwendbarkeit der Verjährung. Auch im Unterhaltsrecht verjähre der rückwirkend entstandene Anspruch wie jener ehelicher Kinder. Mit dem Regress des Scheinvaters nach § 1042 ABGB, der erst mit rechtskräftiger Beseitigung der Vaterschaft entstehe und erst dann zu verjähren beginne, sei die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs nicht vergleichbar, weil der Scheinvater bis zur Beseitigung seiner Vaterschaft eine eigene Pflicht erfülle und er – anders als das Kind – keinen Rechtsbehelf zur Klärung der Abstammung des Kindes von einem anderen Mann habe. Regressieren könne er sich aber erst, nachdem die Vaterschaft seines Anspruchsgegners feststehe. Die Rechtslage sei vielmehr mit der Verjährung von Ansprüchen, deren Entstehung von der Ausübung eines Gestaltungsrechts abhänge, aber dennoch mit diesem gemeinsam verjähren, vergleichbar. Selbst wenn man eine Inzidentfeststellung der Abstammung nicht zulasse, folge daraus nicht, dass die Verjährung erst mit rechtskräftiger Abstammungsfeststellung beginne. Die erbrechtlichen Verjährungsregeln seien nämlich bereits Ergebnis der vom Gesetzgeber getroffenen Interessensabwägung. Auch Kinder im rechtlichen Sinn, die vom Ableben des Vaters keine Kenntnis hätten oder denen ein Vaterschaftsanerkenntnis verschwiegen worden sei, unterlägen der kurzen objektiven Frist.

[23] 4.7 R. Madl (in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1487a Rz 10) führt – zur neuen Rechtslage – zwar aus, dass der Pflichtteilsanspruch mangels zulässiger Inzidentfeststellung der Abstammung im Pflichtteilsverfahren grundsätzlich nicht vor der rechtskräftigen Feststellung der Abstammung zu verjähren beginnen könne. Da aber die Gleichbehandlung des unehelichen Kindes, dessen Abstammung nicht festgestellt sei, mit einem ehelichen oder unehelichen Kind, dessen Abstammung schon festgestellt sei, geboten sei, sei jene Auffassung jedenfalls im Ergebnis vorzugswürdig, die die Verjährung bereits mit Kenntnis von der Tatsache der Abstammung beginnen lasse, zumal es in der Hand der berechtigten Person liege, die Feststellung der Abstammung zu betreiben und somit die Voraussetzungen für ihr Erbrecht zu schaffen, und sich schon die Einleitung des der Klage vorgelagerten Abstammungsverfahrens als Belangen des Verpflichteten iSd § 1497 ABGB verstehen lasse.

[24] 4.8 Auch Ferrari (in Ferrari/Likar-Peer, Erbrecht² Rz 4.4) lehrt zur neuen Rechtslage, für den Beginn der Frist des § 1487a ABGB komme es darauf an, wann die betreffende Person von ihrer Abstammung erfahre. Ab diesem Zeitpunkt könne sie die Feststellung der Abstammung betreiben und die Voraussetzungen für ihr Erbrecht schaffen.

[25] 4.9 Der BGH (IV ZR 317/17) geht zur deutschen Rechtslage davon aus, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche nach § 2329 BGB (Anspruch auf Herausgabe des Geschenks zum Zweck der Befriedigung, soweit der Erbe zur Ergänzung nicht verpflichtet ist) gemäß § 2332 Abs 2 BGB aF bereits mit dem Erbfall zu verjähren beginnen, obwohl § 1600d Abs 4 BGB aF eine „Rechtsausübungssperre“ dahingehend vorsieht, dass die Rechtswirkungen der Vaterschaft, soweit sich nicht aus dem Gesetz anderes ergibt, erst vom Zeitpunkt ihrer – dann allerdings rückwirkenden – Feststellung geltend gemacht werden können. Begründet wird dies im Wesentlichen mit dem Wortlaut des § 2332 Abs 2 BGB aF, der allein auf den Erbfall und nicht die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs abstelle. Auch dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Zweck, dem Beschenkten bald Klarheit zu verschaffen, entspreche es, auf den Erbfall abzustellen. Ein Hinausschieben des Verjährungsbeginns auf möglicherweise unabsehbare Zeit liefe auf eine Umkehr der gesetzlichen Wertung hinaus. Der beschenkte Dritte oder Miterbe habe ein berechtigtes Interesse daran, dass er ohne Rücksicht auf den Kenntnisstand des Pflichtteilsberechtigten nach kurzer Frist sicher sein könne, das Geschenk nicht wieder herausgeben zu müssen. Im Regelfall sei das pflichtteilsberechtigte uneheliche Kind überdies dadurch ausreichend geschützt, dass es gegen den beschenkten Erben Plichtteilsergänzungsansprüche nach § 2325 BGB gelten machen könne, die der kenntnisabhängigen Verjährung unterlägen.

[26] 5. Welser (Feststellung der Abstammung und Verjährung des Pflichtteilsanspruchs, FS Huber, 543 [544 f] [Beitrag geht auf einen Gutachtensauftrag der Klägerin zurück]; ders, Feststellung der Abstammung, Verjährung des Pflichtteilsanspruchs und die Entscheidung des BGH vom 13. 11. 2019, IV ZR 317/17, EF‑Z 2021/25; ders, Zur Verjährung von Pflichtteilsansprüchen des Kindes nach seinem biologischen Vater bei dessen Tod vor Aufhebung der „rechtlichen Vaterschaft“ des Ehemanns der Mutter, FS Mader [in Druck]) vertritt – zumindest zur alten Rechtslage – die gegenteilige Ansicht, wonach Pflichtteilsansprüche erst mit rechtskräftiger Feststellung der Abstammung zu laufen begännen. Als tragendes Argument dafür führt er ins Treffen, vor der – inzident im Pflichtteilsverfahren nicht möglichen – Feststellung der rechtlichen Abstammung bestehe mangels Verwandtschaft kein Pflichtteilsanspruch. Noch nicht entstandene und daher nicht ausübbare Rechte könnten aber gemäß § 1478 Satz 2 ABGB nicht verjähren. § 1487 ABGB aF treffe – anders als der lediglich in Bezug auf beschenkte Dritte anwendbare § 2332 Abs 2 BGB aF – keine davon abweichende Sonderregelung. Zwar handle es sich um eine objektive, also kenntnisunabhängige Frist. Nichtbestehen eines Rechts und kenntnisunabhängige Nichtausübung eines bestehenden Rechts seien aber auseinanderzuhalten. Dass dies zur zeitlich unbegrenzt möglichen Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs führe, sei im Hinblick auf den verjährungsrechtlichen Grundsatz des § 1478 Satz 2 ABGB hinzunehmen. Auch beim – vergleichbaren – Regress des Scheinvaters gehe der Oberste Gerichtshof davon aus, dass solche Ansprüche vor Aufhebung der juristischen Vaterschaft nicht verjähren könnten, weil der Scheinvater bis zur Feststellung der Vaterschaft gegen den natürlichen Vater keine Rechte habe, die er ausüben könnte. Auch wenn man eine Parallele zur Verjährung von Gestaltungsrechten ziehe, ergebe sich kein anderes Ergebnis. Die Nichtausübung des Gestaltungsrechts habe nicht die gemeinsame Verjährung des entstehenden Rechts zur Folge, sondern führe dazu, dass dieses wegen der Verjährung des Gestaltungsrechts erst gar nicht entstehe. Da das „Gestaltungsrecht auf Feststellung der Abstammung“ nicht verjähre, könne auch der Pflichtteilsanspruch nicht verjähren. Die aus dem Jahr 1811 stammende Bestimmung des § 1487 ABGB aF habe die Interessen unehelicher Kinder noch gar nicht berücksichtigen können, weil diese erst viel später ein gesetzliches Erbrecht erhalten hätten. Die Reformen des Familienrechts hätten aber insgesamt das Ziel verfolgt, die Rechtsstellung unehelicher Kinder zu verbessern. Diese Intention sei auch bei der Auslegung des § 1487 ABGB aF zu berücksichtigen.

6. Stellungnahme des Senats:

[27] 6.1 Ausgangspunkt ist, dass das gesetzliche Erbrecht und damit das Pflichtteilsrecht (§ 758 Abs 1 ABGB) voraussetzt, dass die Verwandtschaft zum Erblasser rechtlich feststeht (Welser, Erbrechts-Kommentar, § 730 ABGB Rz 2; Apathy/Musger in KBB6 § 730 ABGB Rz 3).

[28] 6.2 Die kurze Frist des § 1487 ABGB aF sollte vor allem der Rechtssicherheit Rechnung tragen. Der Gesetzgeber war der Meinung, dass die genannten Fälle keine lange Unsicherheit dulden und auch zur Vermeidung von Beweisschwierigkeiten und dem Schutz der Dispositionsfreiheit des Schuldners einer raschen Klärung zugeführt werden sollen (Vollmaier in Klang³ § 1487 ABGB aF Rz 4; M. Bydlinski in Rummel³ § 1487 ABGB Rz 1). Der Oberste Gerichtshof hat diesen Normzweck zu 1 Ob 159/10d (im Zusammenhang mit der Frage, ob die Verjährung mit Errichtung des Übernahmeprotokolls oder dessen Zustellung zu laufen beginnt) bereits betont und ausgeführt, die Forderung nach Rechtssicherheit und Gleichbehandlung aller (bekannten und unbekannten) Noterben erfordere (grundsätzlich) einen einheitlichen Fristbeginn für alle Berechtigten.

[29] 6.3 Die Verjährung beginnt gemäß § 1478 Satz 2 ABGB aber erst mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht „an sich schon hätte ausgeübt werden können“. Der Oberste Gerichtshof (RS0034302; explizit: 4 Ob 222/09i) hat auch bereits ausgesprochen, dass die Grundregel des § 1478 Satz 2 ABGB mangels Sonderregel in § 1487 ABGB aF auch auf die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen anzuwenden ist (anders offenbar Schauer/Uitz aaO [383], die für den Fristbeginn von einer gefestigten Rechtsprechung zur Auslegung des § 1487 ABGB aF ausgehen, die sie auch auf Fälle postmortaler Abstammungsfeststellung anwenden wollen).

[30] Insoweit unterscheidet sich die österreichische von der deutschen Rechtslage, sodass die Erwägungen des BGH (vgl Pkt 4.9), der im Anwendungsbereich des § 2332 BGB aF kraft normierter Sonderregel für einen Verjährungsbeginn unabhängig von der rechtskräftigen Statusentscheidung eintritt, schon deshalb nicht auf § 1487 ABGB aF übertragbar sind.

[31] 6.4 Die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen beginnt daher grundsätzlich mit dem Zeitpunkt zu laufen, in welchem das Recht „zuerst hätte ausgeübt werden können“, seiner Geltendmachung also kein rechtliches Hindernis – zB mangelnde Fälligkeit – mehr entgegensteht (RS0034343). Maßgeblich ist die objektive Möglichkeit der Geltendmachung (RS0034382). Subjektive oder nur in der Person des Berechtigten liegende Gründe haben keinen Einfluss auf den Beginn der Verjährung (RS0034248).

6.5 Inzidentfeststellung der Abstammung im Pflichtteilsprozess

[32] 6.5.1 Ließe man die Klärung der Abstammungsfrage im Pflichtteilsprozess als Vorfrage zu, hätte dies zur Konsequenz, dass der Berechtigte, dessen Abstammung vom Erblasser noch nicht mit erga-omnes-Wirkung rechtlich feststeht, gleich einem Pflichtteilsberechtigten, für den dies zutrifft, seinen Pflichtteilsanspruch gemäß § 1478 Satz 2 ABGB geltend machen könnte und daher die Verjährungsfrist auch für ihn mit der Testamentskundmachung bzw Errichtung des Übernahmeprotokolls zu laufen begänne.

[33] 6.5.2 Nach der geltenden Gesetzeslage sind Fragen der Vaterschaft aber grundsätzlich im Abstammungsverfahren nach §§ 81 ff AußStrG zu prüfen. Hier bestehen besondere Verfahrensgrundsätze, die die Richtigkeit der Feststellungen gewährleisten sollen (wie etwa Amtswegigkeit, Mitwirkungspflichten nach § 85 AußStrG). Die hier gefällten Entscheidungen wirken gegenüber jedermann (erga-omnes-Wirkung). Sollen daher Rechte aus Abstammung oder Nichtabstammung mit Außenwirkung geltend gemacht werden, ist dies nur nach Maßgabe der entsprechenden Statusentscheidungen möglich; eine Vorfragenbeurteilung findet nicht statt. Es gilt grundsätzlich (§ 140 ABGB), dass das nach § 144 ABGB – dessen Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 30. 6. 2022 (G 230/2021), aufgrund einer Diskriminierung weiblicher gleichgeschlechtlicher Paare ist für die hier maßgeblichen Überlegungen ohne Bedeutung – begründete Abstammungsverhältnis solange bestehen bleibt, als es nicht auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg beseitigt wird, weshalb bis dahin eine selbständige Beurteilung der Abstammung oder Nichtabstammung im Rahmen einer Vorfragenprüfung in der Regel ausgeschlossen ist (6 Ob 52/05y [Pflichteilsansprüche]; 8 Ob 49/13h [bindende Feststellung der Vaterschaft für das Verlassenschaftsverfahren]; 10 Ob 71/15m [Unterhaltsvorschussverfahren]; 7 Ob 60/15x Pkt 2.6.1.; 3 Ob 130/17i Pkt B.10.1.; Apathy/Musger in KBB6 § 730 ABGB Rz 3; Christandl aaO; Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 730 ABGB Rz 9; Hopf/Höllwerth in KBB6 § 140 ABGB Rz 1; differenzierend: Stabentheiner in Rummel³ § 163b ABGB aF Rz 3, Lurger/Tscherner, Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Unterhaltsregressverfahren, Konträre Entwicklungen in Deutschland und Österreich?, JBl 2009, 205 [211 f]; Gitschthaler, Scheinvaterregress – Bereicherung oder Schadenersatz, EF-Z 2009/94 [132 f]; Spitzer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² Vor §§ 81–85 Rz 4 ff; vgl auch die Darstellung des Meinungsstands bei Beck, Kindschaftsrecht³ Rz 15 ff).

[34] 6.5.3 Von diesem Grundsatz hat die Rechtsprechung bisher in folgenden Konstellationen eine Ausnahme gemacht.

[35] Zu 7 Ob 60/15x erachtete der Oberste Gerichtshof in einem Unterhaltsregressprozess des Scheinvaters nach § 1042 ABGB die Prüfung, ob der Beklagte der biologische Vater des Kindes sei, als Vorfrage – mit den Mitteln der ZPO und mit Wirkung bloß zwischen den Parteien und für dieses Verfahren – für zulässig, wenn nach Beseitigung des den Scheinvater als Vater feststellenden Rechtsakts oder der auf der Geburt in aufrechter Ehe gründenden Vaterschaftsvermutung keine Vaterschaft eines anderen Mannes feststeht und keine negative Statusentscheidung hinsichtlich des Beklagten vorliegt („statusrechtliches Vakuum“). Begründet wurde dies (auch) damit, dass der Kläger keine Möglichkeit habe, die Feststellung der Vaterschaft des Beklagten selbst zu bewirken, sodass ihm im Hinblick auf Art 6 EMRK die Möglichkeit offen stehen müsse, die Abstammung als Vorfrage prüfen zu lassen, um seinen Anspruch durchsetzen zu können.

[36] Zu 3 Ob 130/17i ließ der Oberste Gerichtshof in einem Kontaktrechtsverfahren auch bei feststehender Abstammung (Fehlen eines „statusrechtlichen Vakuums“) eine Inzidentfeststellung der Abstammung des Kindes vom Antragsteller zu, weil diesem im Abstammungsverfahren kein Antragsrecht zukomme und er ein grundrechtlich gesichertes Kontaktrecht im dafür vorgesehenen Verfahren nicht durchsetzen könnte, wenn die Antragsberechtigten ein Verfahren auf Feststellung der Nichtabstammung nicht einleiteten und man ihm die selbständige Vorfragenbeurteilung im Kontaktrechtsverfahren auch in der vorliegenden Konstellation verwehrte.

[37] 6.5.4 Die pflichtteilsberechtigte Klägerin hat es aber jedenfalls selbst in der Hand, ihre Abstammung feststellen zu lassen (§§ 148 Abs 1, 150 ABGB) und so die rechtlichen Grundlagen zur Durchsetzung ihres Pflichtteilsanspruchs zu schaffen, sodass allein der Hinweis auf Art 6 EMRK eine selbstständige Vorfragenbeurteilung im Pflichtteilsverfahren nicht tragen könnte. Auch bestand vor dem Beschluss über die Feststellung der Abstammung der Klägerin kein „statusrechtliches Vakuum“, weil die Vaterschaft eines anderen Mannes rechtlich feststand.

[38] In der vorliegenden Konstellation kommt daher entsprechend obigen (Pkt 6.5.2) Grundsätzen eine Inzidentfeststellung der Abstammung im Pflichtteilsverfahren mit Wirkung inter partes und den Mitteln des Zivilprozesses, die aufgrund des Vorliegens eines dann ausübbaren Rechts iSd § 1478 Satz 2 ABGB den Beginn der Verjährung schon vor rechtskräftiger Entscheidung im Statusverfahren zur Folge hätte, nicht in Betracht.

[39] 6.6 Vielmehr besteht, worauf Welser nach Ansicht des Senats zutreffend hinweist, eine Parallele zum Verjährungsbeginn des Anspruchs des Scheinvaters gegen den leiblichen Vater gemäß § 1042 ABGB („Scheinvaterregress“). Dort entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der Anspruch des Scheinvaters gegen den leiblichen Vater auf Ersatz der von ihm dem Kind erbrachten Unterhaltsleistungen nicht vor rechtskräftiger Feststellung, dass der Leistende nicht der leibliche Vater des Kindes ist, zu verjähren beginnen kann (RS0122888). In diesem Fall besteht das einer früheren Geltendmachung entgegenstehende, objektive Hindernis vor allem darin, dass die aufrechte Vaterschaftsfeststellung bzw ‑vermutung Tatsachenwirkung entfaltet, auf deren Grundlage der Leistende bis zur Beseitigung seines Verpflichtungstitels eine eigene Schuld gegenüber dem Unterhaltsempfänger bezahlt hatte.Zur Beseitigung dieser Rechtslage bedarf es zunächst eines Statusverfahrens, dessen Ausgang für den Anspruch gegen den eigentlich Verpflichteten präjudiziell ist.Verallgemeinernd wird auch gesagt, ein Anspruch, für dessen Geltendmachung zunächst in einem anderen Verfahren die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen werden müssen, könne in der Regel noch nicht iSd § 1478 Satz 2 ABGB ausgeübt werden (8 ObA 21/10m Pkt 2.; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.07 § 1478 Rz 14). Voraussetzung für den Beginn der Verjährung ist aber nach der Rechtsprechung nicht die rechtskräftige Feststellung der Abstammung des Kindes vom leiblichen Vater (vgl zur Inzidentfeststellung im Rahmen des Scheinvaterregresses bei „abstammungsrechtlichem Vakuum“: 7 Ob 60/15x). Vielmehr stellt das (noch) feststehende, gegen jedermann wirkende familienrechtliche Abstammungsverhältnis bis zu dessen Beseitigung auf dem nach dem Gesetz vorgesehenen Weg ein rechtliches Hindernis für eine damit in Widerspruch stehende Rechtsausübung dar (vgl 4 Ob 201/07y Pkt 2.5.).

[40] Auch im Zusammenhang mit Unterhaltsansprüchen eines ehelichen Kindes gegen seinen leiblichen Vater wurde bereits ausgesprochen, dass erst mit Rechtskraft des Urteils, mit dem festgestellt wurde, dass der Minderjährige kein eheliches Kind ist, für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den leiblichen Vater kein rechtliches Hindernis mehr besteht. Auch in diesem Zusammenhang wurde (allerdings nach der damals anzuwenden Rechtslage vor dem AußStrG 2003 und der in § 76c JN aF eröffneten Möglichkeit, Unterhaltsansprüche eines unehelichen Kindes mit der Vaterschaftsfeststellungsklage zu verbinden) davon ausgegangen, dass für den Beginn der Verjährungsfrist nicht die rechtskräftige Feststellung der Abstammung vom leiblichen Vater erforderlich war (5 Ob 8/05w).

[41] 6.7 Die zum Scheinvaterregress und zu Unterhaltsansprüchen ergangene Rechtsprechung ist auch für den vorliegenden Fall heranzuziehen.

[42] 6.7.1 Erst die rechtskräftige Feststellung der Abstammung der Klägerin vom Erblasser gemäß § 150 ABGB hatte gesetzlich zwingend die Feststellung der Nichtabstammung vom bisherigen Vater zur Folge (RS0131464). Erst damit wurde das bis dahin mit erga-omnes-Wirkung bestehende Abstammungsverhältnis, das einer damit in Widerspruch stehenden Rechtsausübung durch die Klägerin entgegenstand, beseitigt. Ob Voraussetzung für den Wegfall des Rechtsausübungshindernisses nur die Beseitigung des bisherigen Abstammungsverhältnisses oder – zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs im Zusammenhang mit unehelichen Kindern ohne feststehende väterliche Abstammung (so Welser in FS Huber 543 [552]) – eine die Abstammung und damit das Erbrecht begründende (positive) Abstammungsfeststellung vom Erblasser ist, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, weil diese Zeitpunkte beim „Vätertausch“ iSd § 150 ABGB ohnehin zusammenfallen.

[43] 6.7.2 Die gegenteiligen Ansichten im Schrifttum übergehen einerseits, dass § 1487 ABGB aF keine Sonderregel zum Verjährungsbeginn enthält, sodass die Grundregel des § 1478 Satz 2 ABGB zur Anwendung kommt, und andererseits, dass eine mit erga-omnes-Wirkung feststehende Abstammung grundsätzlich bis zu ihrer Beseitigung im dafür vorgesehenen Verfahren eine damit in Widerspruch stehende Rechtsausübung hindert. Ihnen sind überdies folgende Erwägungen entgegenzuhalten:

[44] Zu Recht wird – im Zusammenhang mit dem Scheinvaterregress – zwar betont, dass der Verjährungsbeginn wohl nicht durch unnötiges Zuwarten mit der Antragstellung in der Statussache hinausgezögert werden könne, das Problem aber im Hinblick auf die ohnehin mit zwei Jahren ab Kenntnis der maßgeblichen Umstände befristete Möglichkeit der Antragstellung des Scheinvaters im Statusverfahren (§§ 153 Abs 1 und 154 Abs 2 ABGB) entschärft sei (Rummel, Zu Unterhaltsansprüchen des Scheinvaters gegen den Unterhaltspflichtigen und deren Verjährung, EF‑Z 2008/58 [103]; R. Madl aaO Rz 14; Vollmaier aaO § 1478 ABGB Rz 63). Wie der dem Verjährungsrecht und gerade der kurzen Frist des § 1487 ABGB aF zuwiderlaufenden Gefahr des (willkürlichen) Hinausschiebens des Verjährungsbeginns durch den Berechtigten im Hinblick auf die unbefristete Möglichkeit der Antragstellung nach § 150 ABGB (RS0131464) allenfalls zu begegnen ist, bedarf im vorliegenden Fall aber keiner Klärung, weil die Klägerin – unstrittig – erstmals 2019 Kenntnis von ihrer Abstammung vom Erblasser erlangte und noch im selben Jahr das Abstammungsfeststellungsverfahren einleitete. Von einem willkürlichen Hinauszögern kann daher im vorliegenden Fall keine Rede sein.

[45] Die Anknüpfung des Verjährungsbeginns an die Rechtskraft der (aufhebenden) Statusentscheidung bedeutet auch keine sachlich nicht gerechtfertigte und daher verfassungsrechtlich bedenkliche Besserstellung eines unehelichen Kindes, dessen Abstammung zum Erblasser nicht festgestellt ist, gegenüber einem ehelichen oder unehelichen Kind, für das dies schon zutrifft (so aber offenbarR. Madl [aaO § 1487a Rz 10] im Zusammenhang mit dem von ihm befürworteten Beginn der Verjährung nach § 1487a ABGB idF ErbRÄG 2015 schon mit der Kenntnis der Tatsache der Abstammung; wohl auch Schauer/Uitz aaO [374]), weil diese eben zuvor (noch) nicht über ausübbare Rechte verfügen, sondern erst in einem anderen Verfahren die rechtlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung ihres Anspruchs schaffen müssen. Im Übrigen werden ehelich geborene Kinder typischerweise viel eher ihre Rechte gegen ihren Vater als Erblasser geltend machen können (Welser in FS Mader Pkt C.).

[46] Die vom Berufungsgericht gezogene Parallele zum Verjährungsbeginn im Unterhaltsrecht basiert nicht auf der von Schauer/Uitz (aaO) bezweifelten Überlegung, Unterhalts- und Pflichtteilsrecht würden der Alimentation des Berechtigten dienen, sondern auf der allgemeinen, für alle Ansprüche (bei Fehlen einer Sondernorm) geltenden Grundregel, vor rechtskräftiger Beseitigung der Abstammung stehe diese aufgrund deren erga-omnes-Wirkung einer Geltendmachung entgegen.

[47] Ein Vergleich mit der Verjährung von Gestaltungsrechten ist nicht angezeigt, weil insoweit erneut die erga-omnes-Wirkung eines feststehenden Abstammungsverhältnisses unberücksichtigt bleibt. Es geht – wie beim Scheinvaterregress – nicht bloß darum, erst die Voraussetzungen für die Entstehung des Pflichtteilsanspruchs durch (positive) Abstammungsfeststellung zu schaffen, sondern auch das mit erga-omnes-Wirkung feststehende, einer Rechtsausübung entgegenstehende Abstammungsverhältnis zum Scheinvater zu beseitigen (vgl 4 Ob 201/07y Pkt 2.5.). Überdies geht der Vergleich schon deshalb fehl, weil das „Gestaltungsrecht auf Abstammungsfeststellung“ – anders als andere Gestaltungsrechte – eben keiner Frist unterliegt.

[48] Soweit Rabel/Cohen (aaO [166]) gegen die Parallele zum Scheinvaterregress auch ausführen, er erfülle bis zur Beseitigung des Abstammungsverhältnisses eine eigene Pflicht und könne sich erst regressieren, nachdem die Vaterschaft seines Anspruchsgegners (offenbar statusrechtlich) feststeht, ist Folgendes zu entgegnen: Zunächst knüpft die Rechtsprechung den Verjährungsbeginn schon an die Beseitigung des Abstammungsverhältnisses und lässt bei einem „statusrechtlichem Vakuum“ eine Inzidentbeurteilung zu (7 Ob 60/15x). Überdies liegt der (verjährungsrechtliche) Fokus dafür, den Anspruch nach § 1042 ABGB erst mit rechtskräftiger Beseitigung des Abstammungsverhältnisses beginnen zu lassen, nicht darauf, dass der Vater bis zur Beseitigung des Abstammungsverhältnisses eine eigene Pflicht erfüllt. Vielmehr geht es darum, dass das Recht (der Anspruch nach § 1042 ABGB) davor noch nicht ausgeübt werden konnte. Sowohl dem Anspruch des Scheinvaters nach § 1042 ABGB als auch dem Pflichtteilsanspruch des unehelichen Kindes steht das feststehende Abstammungsverhältnis entgegen. Auch führt die Rückwirkung der Abstammungsfeststellung nicht schon dazu, dass das Recht zuvor für den Berechtigten auch ausübbar gewesen wäre, hätte dies doch zur Folge, dass der Gesetzgeber dem unehelichen Kind zwar rückwirkend Erb- und Pflichtteilsrechte einräumt, diese aber in der Regel bei Entstehung bereits wieder verjährt wären (vgl Welser in FS Mader Pkt D.).

[49] Zwar hat der Gesetzgeber mit der kurzen Frist insbesondere bezweckt, binnen kurzer Zeit für Rechtsklarheit und -sicherheit zu Gunsten der Pflichtteilsschuldner zu sorgen. Dieser Intention sollte aber offenkundig nicht in jedem Fall zum Durchbruch verholfen werden, wäre doch sonst – unabhängig von der objektiven Ausübbarkeit nach § 1478 Satz 2 ABGB – eine Sonderregel zum Beginn des Fristenlaufs zu erwarten gewesen. Auch zu 1 Ob 159/10d wurde lediglich betont, der Fristenlauf müsse für alle Berechtigten mit der Errichtung des Übernahmeprotokolls zu laufen beginnen. Zu diesem Zeitpunkt waren uneheliche Kinder aber mangels feststehender Abstammung noch gar nicht „berechtigt“.

Als Zwischenergebnis ist daher festzuhalten:

[50] Die Verjährungsfrist des § 1487 ABGB aF beginnt bei postmortaler Abstammungsfeststellung nach § 150 ABGB („Vätertausch“) gemäß § 1478 Satz 2 ABGB erst mit Rechtskraft der Entscheidung im Statusverfahren.

[51] 6.8 Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 erst am 16. 5. 2020 mit rechtskräftiger Entscheidung im Statusverfahren begann.

[52] Da das Recht der Klägerin am 1. 1. 2017 nach dem bis dahin geltenden Recht nicht bereits verjährt war, sondern dessen Verjährung noch nicht einmal begonnen hat, ist § 1487a ABGB anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 9 erster Satz ABGB).

[53] 6.9 Gemäß § 1503 Abs 7 Z 9 zweiter Satz ABGB beginnt der Lauf der in § 1487a vorgesehenen kenntnisabhängigen Frist in solchen Fällen mit dem 1. 1. 2017 zu laufen. Der Wortlaut erfasst daher auch Altsachverhalte, bei denen die Verjährung noch gar nicht begonnen hat, sodass der erst am 9. 4. 2021 bei Gericht geltend gemachte Anspruch der Klägerin verjährt wäre.

[54] Allerdings ist in diesem Zusammenhang eine teleologische Reduktion des § 1503 Abs 7 Z 9 zweiter Satz ABGB geboten. Eine solche ist in jenen Fällen angezeigt, in denen eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut überhaupt nicht erfasst sein soll und sich diese von den eigentlich gemeinten Fallgruppen so weit unterscheidet, dass eine Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre (RS0008979; Kodek in Rummel/Lukas 4 § 7 ABGB Rz 61; Posch in Schwimann/Kodek 5 § 7 ABGB Rz 20).

Die Gesetzesmaterialien zu dieser Bestimmung lauten wie folgt (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 41):

„Bei der Verkürzung einer Verjährungsfrist – wie hier bei der Erbschaftsklage (in den anderen Fällen bleibt sie unverändert) – soll der Eintritt der Verjährung nach der jeweils verbindlichen Rechtslage zu beurteilen sein. Aus Vertrauensschutzgründen soll aber die neue Frist – so sie zur Anwendung kommt – erst mit dem Inkrafttreten der Rechtsänderung zu laufen beginnen (Vonkilch, Das intertemporale Privatrecht 124 f.). Diesen Anliegen will Z 9 Rechnung tragen.“

 

[55] Der Senat hat zu § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB bereits klargestellt, dass die Bestimmung auf die dort genannten Rechte auch dann anzuwenden ist, wenn es dadurch zu einer faktischen Verlängerung der bis zum 1. 1. 2017 geltenden Verjährungsfrist kommt und die kurze Frist auch für solche Rechte am 1. 1. 2017 neu zu laufen beginnt, deren Verjährung bereits vor dem Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 begonnen hat (2 Ob 167/19a insbes Pkt 4.2.4; 2 Ob 154/19i Pkt 2.2; RS0133032 [T1]). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass durch die Übergangsbestimmung – entsprechend dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung und dem Ziel der Erbrechtsreform – ab Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 nur mehr das einheitliche Verjährungsregime des § 1487a ABGB nF auf alle neuen und alle bis dahin nicht verjährten Rechte Anwendung finden soll (2 Ob 167/19a Pkt 4.2.2). Mit der Regelung des zweiten Satzes würden die Auswirkungen der faktischen Verlängerung einer nach altem Recht begonnenen Verjährung begrenzt, weil es insoweit nicht auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen durch den Anspruchsberechtigten ankommt (2 Ob 167/19a Pkt 4.2.4). Den genannten Entscheidungen lagen jeweils Sachverhalte zu Grunde, bei den die Verjährung nach der Rechtslage vor dem Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 schon begonnen hatte.

[56] Auch im Schrifttum wird zumindest implizit davon ausgegangen, dass die Regelung (nur) solche Ansprüche erfasst, deren Verjährung nach alter Rechtslage begonnen hat (vgl Dehn in KBB6 § 1503 ABGB Rz 5, die ausführt, dass es aufgrund des § 1503 Abs 7 Z 9 zweiter Satz ABGB zu einer Verkürzung, aber auch Verlängerung der nach altem Recht begonnenen Verjährung kommen kann; so wohl auch Schamberger, Keine teleologische Reduktion des § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB, NZ 2018/93, der wiederholt betont, dass § 1503 Abs 7 Z 9 zweiter Satz ABGB einen Neubeginn der Verjährungsfrist für Rechte anordnet, deren Verjährung bereits vor Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 begonnen hat).

[57] Eine Anwendung des § 1503 Abs 7 Z 9 zweiter Satz ABGB auch auf Rechte, deren Verjährung mangels ausübbaren Rechts noch gar nicht zu laufen begonnen hat, erscheint zur Erreichung der Gesetzesintention, ab Inkrafttreten des ErbRÄG 2015 nur mehr das einheitliche Verjährungsregime des § 1487a ABGB nF auf alle neuen und alle bis dahin nicht verjährten Rechte anzuwenden, nicht erforderlich. Eine verjährungsrechtliche Gleichstellung von Ansprüchen, deren Verjährung bereits begonnen hat, mit solchen, die bisher noch gar nicht ausgeübt werden konnten und deren Verjährung nach der Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 daher noch nicht beginnen konnte, ist im Rahmen der intertemporalen Vorschrift des § 1503 Abs 7 Z 9 zweiter Satz ABGB auch sachlich nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber wollte mit § 1503 Abs 7 Z 9 zweiter Satz ABGB lediglich die Auswirkungen der faktischen Verlängerung einer nach altem Recht begonnenen Verjährung begrenzen. Dass er damit die von der Rechtsprechung bejahte Anwendbarkeit des § 1478 Satz 2 ABGB in Fällen des § 1487 ABGB aF (siehe oben Pkt 6.3) ausschließen wollte, ist nicht zu unterstellen.

[58] Es ergibt sich daher aus § 1503 Abs 7 Z 9 zweiter Satz ABGB aufgrund der Festlegung des Beginns der kurzen Verjährungsfrist für die von § 1503 Abs 7 Z 9 ABGB erfassten „Altsachverhalte“ mit dem 1. 1. 2017, dass die davon betroffenen Anspruchsgegner zwar nach dem 31. 12. 2019 grundsätzlich nicht mehr mit der Geltendmachung solcher Ansprüche rechnen müssen, weil es insoweit nicht auf die Kenntnis ankommt (2 Ob 167/19a Pkt 4.2.4). Voraussetzung für eine Befristung mit 31. 12. 2019 ist aber, dass die Verjährungsfrist davor überhaupt schon zu laufen begonnen hat, aber noch nicht abgelaufen war, was auf den Anspruch der Klägerin nicht zutrifft.

[59] 6.10 Ob § 1487a ABGB eine Sonderregel zu § 1478 Satz 2 ABGB darstellt, sodass die Verjährung von Pflichtteilsansprüchen bei postmortaler Abstammungsfeststellung im Anwendungsbereich des ErbRÄG 2015 schon mit Kenntnis der das Abstammungsverhältnis begründenden Umstände, also schon vor rechtskräftiger Statusentscheidung zu laufen beginnt, kann hier dahinstehen, weil die Klägerin erst 2019 Kenntnis von ihrem Abstammungsverhältnis erhielt, sodass ihr Anspruch bei Einbringung der Klage am 9. 4. 2021 keinesfalls verjährt war.

[60] 7. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 393 Abs 4 ZPO (RS0128615).

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