OGH 7Ob60/15x

OGH7Ob60/15x2.7.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** W*****, vertreten durch Robathin & Partner Rechtsanwalts KG in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. A***** T*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar Dr. Norbert Marschall Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 81.668,40 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2014, GZ 43 R 423/14w‑15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 23. Mai 2014, GZ 13 C 55/13a‑11, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0070OB00060.15X.0702.000

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

M***** W***** wurde am ***** in aufrechter Ehe des Klägers geboren. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 5. 6. 2012 zu 10 Fam 44/11t, bestätigt durch den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 28. 6. 2013 zu 43 R 396/12x, wurde rechtskräftig festgestellt, dass M***** W***** nicht vom Kläger abstammt. Der Beklagte steht nicht als Vater von M***** W***** fest.

Der Kläger begehrte den Ersatz von Unterhaltsleistungen für die Vergangenheit vom als biologischen Vater in Anspruch genommenen Beklagten. Der Kläger habe als Scheinvater ‑ jeweils im Detail aufgeschlüsselt ‑ im Zeitraum Juni 1988 bis Februar 1996 Naturalunterhalt und im Zeitraum März 1996 bis Mai 2006 auf Grund eines Scheidungsvergleichs Geldunterhalt geleistet. Diese Unterhaltsleistungen hätte nach dem Gesetz der Beklagte tragen müssen. Dieser verweigere eine Mitwirkung an der Vaterschaftsfeststellung.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er stehe nicht als Vater fest. Eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft sei im vorliegenden Verfahren rechtlich ausgeschlossen. Es gäbe keine Anhaltspunkte für seine Vaterschaft; daher bestünde für ihn kein Anlass zu einer Mitwirkung an der Vaterschaftsfeststellung. Der Kläger habe trotz ausreichender Hinweise über seine Scheinvaterschaft kurz nach der Geburt (unmögliche Blutgruppenkombination) Unterhaltsleistungen erbracht, weshalb er von Beginn an keinen Rückforderungswillen gehabt habe. Ersatzansprüche gegenüber der Mutter des Kindes würden vorgehen. Auf Grundlage eines Scheidungsvergleichs und damit auf Grund einer Vertragspflicht erbrachte Unterhaltsleistungen stünden einem Regress nach § 1042 ABGB entgegen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Beweisverfahren ab. Der Beklagte sei nicht rechtlich wirksam als Vater festgestellt. Die Klärung der Vaterschaft sei ausschließlich dem Abstammungsverfahren vorbehalten und könne daher in anderen Verfahren als Vorfrage nicht selbständig geprüft werden.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft des Beklagten sei nach der geltenden Rechtslage ausgeschlossen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe sich noch nicht mit gegenteiligen Lehrmeinungen aus jüngerer Vergangenheit auseinander gesetzt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers mit einem Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, sie ist auch berechtigt.

1.1. Wer für einen anderen einen Aufwand macht, den dieser nach dem Gesetz selbst hätte machen müssen, hat das Recht, Ersatz zu fordern (§ 1042 ABGB). Erbringt ein vermeintlich selbst dazu Verpflichteter Unterhaltsleistungen, hat er nach Beseitigung des ihn als Vater feststellenden Rechtsakts oder der auf der Geburt in aufrechter Ehe gründenden Vaterschaftsvermutung ‑ außer bei Schenkungsabsicht ‑ grundsätzlich gegen den in Wahrheit nach dem Gesetz Unterhaltspflichtigen einen Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB (4 Ob 201/07y; RIS‑Justiz RS0020073).

Der Rückforderungswille ist im Zweifel anzunehmen (RIS‑Justiz RS0019915), sodass der im Regressweg in Anspruch Genommene dessen Fehlen nachzuweisen hat (RIS‑Justiz RS0019915 [T2]).

1.2. Der Umstand, dass Unterhaltsansprüche der Höhe nach durch Vergleich festgesetzt sind, ändert an der Natur der gesetzlichen Unterhaltsansprüche nichts (RIS‑Justiz RS0042549, RS0042623). Eine vertragliche Fixierung des gesetzlichen Unterhalts liegt auch dann vor, wenn der vereinbarte Unterhaltsbetrag etwas höher oder niedriger liegt, als er im gerichtlichen Verfahren bemessen werden würde. Im Zweifel ist eher anzunehmen, dass bloß eine Konkretisierung des gesetzlichen Unterhalts vorliegt (9 Ob 87/03i = RIS‑Justiz RS0042549 [T10]).

1.3. Allfällige schadenersatzrechtliche (vgl RIS‑Justiz RS0048325, RS0048567) Ersatzansprüche des Scheinvaters gegen die Mutter für geleisteten Unterhalt auf Grund bewusst unrichtiger Angaben über die Vaterschaft sind nicht in einer vertraglichen Beziehung zwischen dem Verkürzten und dem Bereicherten oder Empfänger begründet, die einer Anwendung des ‑ eine bloß ergänzende Funktion aufweisenden (RIS‑Justiz RS0028050) ‑ § 1042 ABGB entgegenstehen würde (vgl RIS‑Justiz RS0028050 [T3, T8]). Bereicherungsansprüche stehen gegenüber Schadenersatzansprüchen nicht im Verhältnis der Subsidiarität (RIS‑Justiz RS0022770). Allfällige schadenersatzrechtliche Ersatzansprüche gegen die Mutter bestehen daher neben einem Unterhaltsrückforderungsanspruch nach § 1042 ABGB gegenüber dem biologischen Vater als wahren Unterhaltspflichtigen.

1.4. Hier geht es um einen Ersatzanspruch des Klägers für Unterhaltsleistungen, die er in der Meinung, der biologische Vater zu sein, in Erfüllung der gesetzlichen Unterhaltspflicht erbracht hat. Nach rechtskräftiger Feststellung, dass das während aufrechter Ehe geborene Kind nicht vom Kläger abstammt, hat er nunmehr grundsätzlich einen Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB gegen den (festgestellten) biologischen Vater für erbrachte Unterhaltsleistungen. Allein aus dem Umstand, dass nach dem Klagsvorbringen Unterhaltszahlungen ab März 1996 auf Grundlage eines Scheidungsvergleichs geleistet wurden, folgt kein Entfall eines Ersatzanspruchs nach § 1042 ABGB. Auch allfällige Schadenersatzansprüche gegen die Mutter stehen dem Unterhaltsrückforderungsanspruch des Klägers nicht entgegen.

Dem klagenden Scheinvater steht daher grundsätzlich ein Anspruch nach § 1042 ABGB gegenüber dem biologischen Vater als wahren nach dem Gesetz Unterhaltspflichtigen zu, sofern dieser nicht den Nachweis eines fehlenden Rückforderungswillens erbringt.

2.1. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass die vom Kläger behauptete Vaterschaft des Beklagten bislang in einem Abstammungsverfahren noch nicht festgestellt wurde, das Kind keinen rechtlichen Vater hat und hinsichtlich des Beklagten auch nicht feststeht, dass er nicht der Vater ist. Damit stellt sich die Frage der Zulässigkeit der Vorfragenbeurteilung der Vaterschaft im Unterhaltsregressverfahren. Aus § 190 ZPO ergibt sich, dass Zivilgerichte grundsätzlich noch nicht entschiedene zivil‑ und verwaltungsrechtliche Vorfragen selbst beurteilen dürfen, sofern nicht nach Sondervorschriften eine Unterbrechung zwingend angeordnet ist ( Schragel in Fasching/Konecny ² § 190 ZPO Rz 26; Fucik in Rechberger 4 § 190 ZPO Rz 2). Die bloße Lösung als Vorfrage in den Entscheidungsgründen löst keine Bindungswirkung aus (RIS‑Justiz RS0041180, RS0041342, RS0042554, RS0041178).

In Fällen nicht feststehender Vaterschaft sprach der Oberste Gerichtshof zur Rechtslage vor dem Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz ‑ KindRÄG (BGBl 1989/162) demnach aus, dass die Vaterschaftsfrage im Unterhaltsregressprozess selbständig geprüft werden kann (5 Ob 185/61 = RIS‑Justiz RS0048479). Zu prüfen ist nun, ob diese Rechtsprechung auch nach der derzeit geltenden Rechtslage aufrecht zu erhalten ist.

2.2. Mit dem Kindschaftsrecht-Änderungsgesetz ‑ KindRÄG (BGBl 1989/162) wurde in § 163b ABGB der zweite Satz eingefügt. Die Bestimmung lautete: „Die Vaterschaft wird durch Urteil oder durch Anerkenntnis festgestellt. Die Feststellung der Vaterschaft wirkt gegenüber jedermann.“ Im Bericht des Justizausschusses wurde dazu ausgeführt, dass der Grundsatz, dass die Feststellung der Vaterschaft gegenüber jedermann wirkt, verstärkt wird und dass sich niemand auf die Vaterschaft berufen kann, wenn diese nicht festgestellt ist (JAB 887 BlgNR 17. GP  6).

Im Familien- und Erbrechts-Änderungsgesetz 2004 ‑ FamErbRÄG 2004 (BGBl I 2004/58) wurde seit 1. 1. 2005 in § 138a Abs 1 ABGB geregelt: „Die nach diesem Gesetzbuch begründete Abstammung und deren Änderung sowie die Feststellung der Nichtabstammung wirken gegenüber jedermann.“ Mit dem Kindschafts‑ und Namensrechts-Änderungsgesetz 2013 ‑ KindNamRÄG 2013 (BGBl I 2013/15) wurde diese Bestimmung wortgleich in den am 1. 2. 2013 in Kraft getretenen § 140 ABGB übernommen. Weder den Materialien zum FamErbRÄG 2004 noch zum KindNamRÄG 2013 ist zu entnehmen, dass ‑ soweit hier von Bedeutung ‑ eine weitere Änderung der Rechtslage angestrebt worden wäre.

2.3. Die vom Beklagten zitierte Judikatur nach dem KindRÄG ist zu Verlassenschaftsverfahren (8 Ob 49/13h), Erbrechts- (9 Ob 31/07k) und Pflichtteilsklagen (6 Ob 52/05y) ergangen. Dabei handelt es sich um Fälle, in denen eine Vaterschaft durch Vermutung (9 Ob 31/07k; 6 Ob 52/05y) oder durch Gerichtsurteil (8 Ob 49/13h) feststand.

2.4. In der Lehre werden zur Zulässigkeit der Vorfragenprüfung der Vaterschaft nach der neuen Rechtslage unterschiedliche Meinungen vertreten:

2.4.1. Nach Stefula (in Fenyves/Kerschner/ Vonkilch , Klang³ § 138a ABGB aF Rz 6) ist es verboten, die Frage, wer Vater und Mutter eines Kindes im rechtlichen Sinn ist, losgelöst von den zivilrechtlichen Bestimmungen und den diesbezüglichen Verfahrensvorschriften zu beantworten. Es ist unzulässig, einen Mann, der noch auf keine gesetzlich vorgesehene Weise die Vaterschaft erlangt hat, rechtlich dennoch als Vater zu behandeln. Ein solcher Mann darf im Wege der Vorfragenbeurteilung ‑ entgegen der Rechtsprechung ‑ auf Grund einer Klage desjenigen, der tatsächlich für den Unterhalt des Kindes aufkam, nicht zum Ersatz nach § 1042 ABGB verurteilt werden. Es besteht allgemein ein Verbot, sich im Rechtsleben darauf zu berufen, „in Wahrheit“ Vater des betreffenden Kindes zu sein, solange man diese Stellung nicht auf eine gesetzlich vorgesehene Weise erlangt hat.

2.4.2. Nach Hopf (in KBB 4 § 140 ABGB Rz 1) ist eine selbständige Beurteilung der ‑ durch Anerkenntnis oder gerichtliche Entscheidung begründeten ‑ Abstammung oder Nichtabstammung im Rahmen einer Vorfragenprüfung ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn überhaupt noch keine Feststellung der Vaterschaft erfolgt ist.

2.4.3.  Stormann (in Schwimann/Kodek , ABGB 4 [Ergänzungsband zu Band 1] § 140 Rz 1) meint, dass eine selbständige Beurteilung der Vaterschaft, der Nichtvaterschaft oder der Mutterschaft bzw Nichtmutterschaft als Vorfrage nach § 190 ZPO, § 5 StPO und § 38 AVG nunmehr ausgeschlossen ist. Über die Vaterschaft wird in einem besonders hohe Sicherheit garantierenden Verfahren nach §§ 82 bis 85 AußStrG entschieden. Es besteht daher zufolge § 140 ABGB ein ‑ auch die Vorfragebeurteilung hinderndes ‑ Feststellungs‑ und Beseitigungsmonopol. Solange das Statusverhältnis nicht auf dem gesetzlich vorgesehenen Weg begründet oder beseitigt worden ist, kann sich niemand auf den Bestand oder den Nichtbestand des Statusverhältnisses berufen.

2.4.4.  Apathy (in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 1042 Rz 7), Fischer‑Czermak (in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.02 § 140 Rz 2), Deixler‑Hübner (in Rechberger , AußStrG² § 82 Rz 1) und Weitzenböck (Das neue materielle und formelle Recht der Abstammung und der Adoption ‑ ein Überblick, ÖStA 2005, 70) sprechen sich allgemein gegen die Zulässigkeit einer selbständigen Vorfragenbeurteilung der Vaterschaft aus.

2.4.5. Hingegen verweisen Lurger/Tscherner (Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Unterhaltsregressverfahren, JBl 2009, 205; ihnen folgend Weber , Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Unterhaltsvorschuss- und Kindesunterhaltsverfahren?, Zak 2013/388) darauf, dass Natur und Zweck der Jedermann‑Wirkung der Vaterschaftsfeststellung nach § 138a Abs 1 ABGB (aF) eine strikte Monopolisierung der Vaterschaftsfrage nicht notwendig machen und daher auch nicht gegen eine ausnahmsweise Inzidentfeststellung vor der ABGB/AußStrG‑Feststellung der Vaterschaft sprechen. Eine solche Inzidentbeurteilung erscheint erforderlich, um das von der Rechtsordnung anerkannte Interesse des Scheinvaters an der Durchsetzung seines Unterhaltsregressanspruchs gegen den biologischen Vater nicht ins Leere laufen zu lassen, während die rechtlich geschützten Interessen der übrigen Beteiligten (Mutter, Kind, Beklagter) durch die Inzidentbeurteilung gar nicht beeinträchtigt würden. Die Inzidentfeststellung der Vaterschaft des Beklagten ist im Unterhaltsregressverfahren des klagenden Scheinvaters dann zuzulassen, wenn dem Kläger die Erwirkung einer Vaterschaftsfeststellung nach § 163 ABGB (aF) nicht möglich oder nicht zumutbar erscheint und wenn keine höherrangigen rechtlich geschützten Interessen der übrigen Beteiligten, insbesondere des Kindes und der Mutter, entgegenstehen. Dass Letzteres jemals der Fall sein könnte, muss nach einer Analyse möglicher Fälle als eher unwahrscheinlich eingestuft werden. Im streitigen Unterhaltsregressverfahren gelten auch für den Beweis der Vaterschaft des Beklagten die Beweisregeln der ZPO. Erweist sich ein DNA‑Gutachten als erforderlich, so sollte der Kläger von der analogen Anwendung der Mitwirkungspflicht des Beklagten nach § 85 AußStrG profitieren können. Dem stehen keine schützenswerten Interessen des Beklagten entgegen. Die im Rahmen einer Vorfragebeantwortung nach § 190 ZPO erfolgende Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Unterhaltsprozess erwächst nicht in Rechtskraft und wirkt eingeschränkt inter partes. Sie löst daher keinesfalls die vielfältigen erga‑omnes‑Rechtswirkungen einer Feststellung nach § 138a Abs 1 ABGB (aF) aus.

2.4.6. Auch Gitschthaler (Scheinvaterregress ‑ Bereicherung oder Schadenersatz?, EF‑Z 2009/94) spricht sich für eine Inzidentfeststellung der Vaterschaft in dem Fall aus, in dem der vermutete Vater oder der Anerkennende durch gerichtliche Entscheidung ihren Status nach § 138 ABGB (aF) verlieren und eine Änderung noch nicht eingetreten ist, das heißt noch kein „neuer“ Vater festgestellt wurde. Eine einem gerichtlichen Vaterschaftsverfahren vorgreifende Inzidentfeststellung gefährdet bei einem Kind im „statusrechtlichen Vakuum“ nicht die Monopolstellung des Vaterschaftsverfahrens. In Anbetracht der mangelnden Außenwirkung der Inzidentfeststellung würden die Interessen des Scheinvaters regelmäßig vorgehen. Verweigert der beklagte Mann seine Mitwirkung an einer DNA‑Untersuchung, kann er nur gezwungen werden, wenn der Scheinvater ausreichend Umstände dartut, auf Grund deren der beklagte Mann auch tatsächlich als Vater in Betracht kommt.

2.4.7. Nach Stabentheiner (in Rummel ³, § 163b ABGB aF Rz 3) knüpft § 163b zweiter Satz ABGB (aF) lediglich an eine bereits erfolgte Feststellung der Vaterschaft an und sagt nichts über die Statthaftigkeit einer Vorfragenbeurteilung für die Zeit vor dieser Feststellung aus, sodass es auch für die durch das KindRÄG geschaffene Rechtslage beim früheren Meinungsstand (also Bejahung der Zulässigkeit) zu bleiben hat. Ist die Vaterschaft aber einmal festgestellt, so hat dies die in § 163b ABGB (aF) umschriebene Wirkung gegen jedermann.

2.4.8.  Pichler (in Fenyves/Welser , Klang³ [2000] § 163b ABGB aF Rz 6) verweist darauf, dass kein allgemeines Verbot bestehe, die Frage der Vaterschaft als Vorfrage, zB über Klage und Einrede nach § 1042 ABGB, zu beurteilen.

2.5. Im deutschen Recht ordnet § 1600d Abs 4 BGB bis zur Feststellung der Vaterschaft eine „Rechtsausübungssperre“ an. Vor dem Hintergrund einer im Jahr 2008 in Kraft getretenen Gesetzesänderung (Gesetz zur Klärung der Vaterschaft unabhängig vom Anfechtungsverfahren vom 26. 3. 2008, dBGBl I, 441), die ein Verfahren zur Verfügung gestellt hat, das der Klärung der Abstammung dient und es gleichwohl zulässt, die sich gegebenenfalls als unzutreffend erweisende statusrechtliche Zuordnung des Kindes unverändert zu lassen, hat der BGH Bedenken gegen eine Inzidentfeststellung in Unterhaltsregressverfahren zurückgestellt und zur Ermöglichung der Durchsetzung des Rückgriffsanspruchs des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Vater des Kindes die Inzidentfeststellung unter engen Voraussetzungen zugelassen. Dazu sei es im Wesentlichen notwendig, dass (1) ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren längere Zeit nicht stattfinden wird, weil die zur Erhebung einer solchen Klage Befugten dies ausdrücklich ablehnen oder von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen Gebrauch gemacht haben, (2) die Voraussetzungen der gesetzlichen Vermutung der Vaterschaft darzulegen sind und (3) dadurch nicht in höherrangige verfassungsrechtlich geschützte Rechte Dritter eingegriffen wird (BGH XII ZR 144/06 und XII ZR 46/07). Die deutsche Rechtslage ist jedoch schon im Hinblick auf die dargestellte Gesetzesänderung nicht mit der österreichischen vergleichbar.

2.6.1. Es herrscht Einigkeit darüber, dass nach der geltenden Gesetzeslage Fragen der Vaterschaft grundsätzlich im Abstammungsverfahren nach §§ 81 ff AußStrG zu prüfen sind. Hier bestehen besondere Verfahrensgrundsätze, die die Richtigkeit der Feststellungen gewährleisten sollen (wie etwa Amtswegigkeit, Mitwirkungspflichten nach § 85 AußStrG). Die hier gefällten Entscheidungen wirken gegenüber jedermann (sogenannte erga‑omnes‑Wirkung). Sollen daher Rechte aus Abstammung oder Nichtabstammung mit Außenwirkung geltend gemacht werden, ist dies nur nach Maßgabe der entsprechenden Statusentscheidungen möglich; eine Vorfragenbeurteilung findet nicht statt. Dies steht im Einklang mit der vom Beklagten zitierten Judikatur zu Verlassenschaftsverfahren, Erbrechts- und Pflichtteilsklagen.

2.6.2. Der Gesetzeswortlaut stützt aber die Ansicht, dass die selbständige Vorfragenprüfung der Vaterschaft in Verfahren, in denen ihr nur Bedeutung und Rechtswirkung zwischen den Prozessparteien („inter partes“) zukommt, unter keinen Umständen zulässig sei, nicht. Angeordnet ist nämlich (nur), dass die Feststellung der Vaterschaft gegenüber jedermann wirkt. Eine (Nicht‑)Vaterschaft des Beklagten ist hier gerade nicht festgestellt. Seit der Kläger seine auf der Geburt in aufrechter Ehe gründende Vaterschaftsvermutung erfolgreich bekämpft hat, hat das Kind, für das der Kläger Unterhalt bezahlt hat, keinen rechtlichen Vater. Auf diesen Fall nimmt § 140 ABGB nicht ausdrücklich Bezug.

Die Vaterschaftsfeststellung kann nur vom Kind gegen den Mann oder von diesem gegen das Kind beantragt werden (§ 148 Abs 1 ABGB). Der Kläger hat daher keine Möglichkeit, die Feststellung der Vaterschaft selbst zu bewirken. Würde man ihm die selbständige Vorfragenbeurteilung im Unterhaltsregressverfahren in der vorliegenden Konstellation verwehren, müsste er den Unterhalt für ein Kind tragen, das ‑ im Abstammungsverfahren geklärt ‑ nicht von ihm abstammt, und den biologischen Vater von den Unterhaltszahlungen entlasten. Dies würde berechtigte Interessen des Klägers unzumutbar beeinträchtigen. Dem Scheinvater wäre nämlich von der Rechtsordnung ein materieller Anspruch eingeräumt, den er mangels Zulassung einer Inzidentfeststellung der Vaterschaft im Regressprozess nicht durchsetzen könnte, wenn die Antragsberechtigten ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht einleiten. Dies käme mit dem in Art 6 MRK verbrieften individuellen Durchsetzungsanspruch einer vom nationalen Recht eingeräumten materiellen Berechtigung (vgl Klaushofer in Merten/Papier/Kucsko-Stadlmayer , Handbuch der Grundrechte² § 18 Rn 37) in Konflikt.

2.7. Es ist daher dem Kläger im Unterhaltsregressprozess gegen den biologischen Vater zuzugestehen, die Vorfrage der Vaterschaft des Beklagten ‑ wie immer im Zivilprozess ‑ mit Wirkung bloß zwischen den Parteien und nur für dieses Verfahren prüfen zu lassen.

Dafür stehen dem Kläger mangels gesetzlicher anderslautender Grundlage aber nur jene Beweismittel zur Verfügung, die die ZPO allgemein vorsieht. Dabei ist (jedenfalls im Zivilprozess) das Recht der Mutter, den Namen des Vaters nicht bekanntzugeben (§ 149 Abs 1 ABGB), im Rahmen ihrer vom Kläger beantragten Zeugeneinvernahme zu berücksichtigen (vgl Hopf aaO § 149 ABGB Rz 2; Stabentheiner aaO § 163a ABGB aF Rz 3; Stefula aaO § 163a ABGB aF Rz 9; Deixler‑Hübner in Kletečka/Schauer , ABGB‑ON 1.01 § 163a aF Rz 1; differenzierend zum Abstammungsverfahren Bernat in Schwimann/Kodek , ABGB 4 § 163a aF Rz 4 mwN).

2.8. Zusammenfassend ist daher festzuhalten: In einem Unterhaltsregressprozess des Scheinvaters nach § 1042 ABGB ist die Beurteilung, ob der Beklagte der biologische Vater des Kindes ist, als Vorfrage mit den Mitteln der ZPO mit Wirkung bloß zwischen den Parteien und für dieses Verfahren zulässig, wenn nach Beseitigung des ihn als Vater feststellenden Rechtsakts oder der auf der Geburt in aufrechter Ehe gründenden Vaterschaftsvermutung keine Vaterschaft eines anderen Mannes feststeht und keine negative Statusentscheidung hinsichtlich des Beklagten vorliegt.

3. In der Revisionsbeantwortung wird zwar an sich zutreffend aufgezeigt, dass der beweispflichtige Kläger bislang noch nicht ausreichend die Umstände dargelegt hat, welche die Vaterschaft des Beklagten begründen sollen. Ein entsprechendes Vorbringen zur biologischen Vaterschaft des Beklagten wurde jedoch vom Erstgericht auf Grund einer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht nicht zugelassen. Damit ist dem Kläger im fortzusetzenden Verfahren ein darauf bezogenes Vorbringen samt Beweisanbot zu ermöglichen.

4. Die Urteile der Vorinstanzen sind daher aufzuheben, und es ist dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach entsprechender Verfahrensergänzung aufzutragen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 52 ZPO.

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