OGH 9Ob31/07k

OGH9Ob31/07k8.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sonja H*, vertreten durch Dr. Manfred Schnurrer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Hermann A*, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wegen Einverleibung des Eigentums an einer Liegenschaft und Zahlung von EUR 90.624,73 sA (Revisionsinteresse EUR 100.624,73), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 8. Juni 2006, GZ 6 R 69/06y‑27, womit über Berufung der beklagten Partei das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Jänner 2006, GZ 22 Cg 242/04v‑19, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2007:E85075

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.928,34 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 321,39 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Am 19. 1. 1945 wurde die Ehe der Rosa und des Johann A* aus dem Verschulden der Rosa A* geschieden. Rosa A* war damals im 7. Monat mit der Klägerin schwanger. Im Scheidungsurteil wird ausgeführt, dass Rosa A* angesichts des Zeitpunkts des letzten Urlaubs ihres Ehemannes von einem anderen Mann geschwängert worden sein muss. Sie habe auch gar nicht bestritten, im fraglichen Zeitraum mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt zu haben.

Die Klägerin wurde am 16. 4. 1945 - innerhalb von 302 Tagen nach der Scheidung - geboren. Nach der zunächst anders lautenden, aber bald berichtigten Eintragung im Geburtenbuch ist die Klägerin ein eheliches Kind des Johann A*.

Am 20. 7. 1946 schlossen Johann und Rosa A* wiederum die Ehe. Eine Vaterschaftsbestreitungsklage hat Johann A* zu keinem Zeitpunkt erhoben. Die Klägerin lebte immer im Haushalt des Johann A* und ist wie dessen leibliches Kind aufgewachsen.

Während in den Verlassenschaftsverfahren nach Johann und Rosa A* die Erbberechtigung beider Streitteile nicht strittig war, trat in den Verlassenschaftsverfahren nach zwei Schwestern des Johann A* der Beklagte als einziger Nachkomme seines Vaters auf. Die Klägerin hatte von diesen Verfahren zunächst keine Kenntnis.

Mit ihrer Klage macht sie nunmehr unter Hinweis auf ihr gesetzliches Erbrecht als Nichte Ansprüche aus den Verlassenschaften der beiden Geschwister des Johann A* geltend.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin sei nicht die leibliche Tochter des Johann A*, weshalb sie nicht gesetzlich erbberechtigt sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auf Zustimmung des Beklagten zur anteiligen Einverleibung des Eigentums der Klägerin an den ihm eingeantworteten Liegenschaften (bzw Liegenschaftsanteilen) statt und stellte fest, dass das Zahlungsbegehren der Klägerin dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Nach der Rechtslage zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin gelte für ein Kind, das nach der Eheschließung und vor dem 302. Tag nach Auflösung der Ehe seiner Mutter geboren werde, die Vermutung der Ehelichkeit. Diese Vermutung könne nur durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt werden. Die Unehelichkeit könne nur geltend gemacht werden, wenn sie rechtskräftig festgestellt worden sei. Dies sei nicht erfolgt, weshalb der als ehelich anzusehenden Klägerin ein gesetzliches Erbrecht zustehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung.

Einer Eintragung im Geburtenbuch komme nur deklarative Bedeutung zu. Relevant für das vorliegende Verfahren sei, ob die Vermutung der Ehelichkeit der Klägerin nach der damaligen Rechtslage widerlegt worden sei. § 138 Abs 1 zweiter Satz ABGB, wonach diese Vermutung nur durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt werden kann, mit der festgestellt wird, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter stammt, sei zwar erst mit dem Kindschaftsrechtsänderungsgesetz BGBl Nr. 403/1977 eingefügt worden. Der Beklagte übersehe allerdings, dass diese Bestimmung dem damals aufgehobenen § 159a ABGB idF des dRGBl I 1943/13 entspricht. Auch zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin habe daher die Bestreitung der ehelichen Geburt nur mittels Klage erfolgen können. Eine solche habe Johann A* aber nie eingebracht. Den dadurch bewirkten Verlust des Bestreitungsrechtes müssten auch seine Rechtsnachfolger gegen sich gelten lassen. Die vom Beklagten ins Treffen geführte Tatsachenfeststellung im Scheidungsurteil sei nur als Begründung dieses Urteils zu sehen. Die materielle Rechtskraft eines Scheidungsurteils erstrecke sich nur auf die Frage der Scheidung und nicht auf den familienrechtlichen Status der Klägerin. Für die Klägerin gelte daher die Vermutung der Ehelichkeit.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten.

Die Klägerin beantragt, die Revision „zurück- bzw abzuweisen".

Die Revision ist nicht berechtigt.

 

Rechtliche Beurteilung

Das Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der ausführlichen Begründung des angefochtenen Urteils zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Für die Beurteilung maßgebend ist die Rechtslage zum Zeitpunkt der Geburt der Klägerin. Sie wird geprägt durch die §§ 138, 159 und 159a ABGB idF RGBl 1943/13. Diese Bestimmungen haben - soweit hier von Interesse - folgenden Wortlaut:

§ 138 Für ein Kind, welches nach geschlossener Ehe und vor Ablauf des dreihundertzweiten Tages nach Auflösung oder Nichtigerklärung der Ehe von der Gattin geboren wird, streitet die Vermutung der ehelichen Geburt ....

§ 159 Die Bestreitung der Ehelichkeit erfolgt bei Lebzeiten des Kindes durch Erhebung der Klage. Die Klage ist gegen das Kind zu richten. .......

§ 159a Die Unehelichkeit eines Kindes, für das die rechtliche Vermutung der ehelichen Geburt streitet, kann nur geltend gemacht werden, wenn sie rechtskräftig festgestellt ist.

Das Berufungsgericht hat sich nicht auf § 138 Abs 1 zweiter Satz ABGB („Diese Vermutung kann nur durch eine gerichtliche Entscheidung widerlegt werden, mit der festgestellt wird, dass das Kind nicht vom Ehemann der Mutter abstammt"), sondern auf die eben wiedergegebene Rechtslage nach den §§ 138, 159, 159a idF RGBl 1943/13 gestützt. Zudem ist insoweit - wie die zweite Instanz richtig hervorgehoben hat - durch die Einfügung des § 138 Abs 1 zweiter Satz ABGB inhaltlich keine Änderung eingetreten. Die dazu angestellten Überlegungen der zweiten Instanz werden in der Revision nicht einmal erwähnt.

Nach der einhelligen Rechtsprechung zu § 138 ABGB idF vor dem FamErbRÄG 2004 konnte die Ehelichkeitsvermutung des § 138 Abs 1 ABGB nur durch eine gerichtliche Entscheidung in einem Ehelichkeitsbestreitungsverfahren auf Grund einer Klage widerlegt und nicht als Vorfrage in einem Scheidungsverfahren der Eltern selbständig beurteilt werden. Dabei handelt es sich nicht - wie der Revisionswerber meint - um eine „ältere Judikatur aus den 70er Jahren". Vielmehr hat der Oberste Gerichtshof an dieser Rechtsprechung bis in die jüngste Zeit festgehalten (RIS‑Justiz RS0009648; zuletzt etwa 6 Ob 52/05y; 9 Ob 135/99i). Von ihr abzugehen, besteht keinerlei Veranlassung.

Die hier anzuwendende Rechtslage nach den §§ 138, 159 und 159a ABGB idF RGBl 1943/13 ist inhaltlich völlig vergleichbar und daher nicht anders zu beurteilen.

Dass die Eintragung im Geburtenbuch zunächst dieser Rechtslage widersprochen hat, mag zutreffen. Abgesehen davon, dass diese Eintragung berichtigt wurde, ist ihre (ohnedies nur temporäre) Unrichtigkeit nicht in der Lage, die aus dem Gesetz abzuleitende Ehelichkeit der Klägerin zu widerlegen.

Erwägungen über die durch das FamErbRÄG 2004 geschaffene Rechtslage, die hier unbestritten nicht zur Anwendung kommt, sind entbehrlich.

Warum die hier wiedergegebene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshof verfassungswidrig sein soll, zeigt der Revisionswerber nicht auf. Sein Einwand, sein Vater habe darauf vertrauen können, nach dem Scheidungsverfahren kein weiteres Verfahren über die Abstammung der Klägerin führen zu müssen, ist von vornherein nicht geeignet, die Verfassungswidrigkeit der anzuwendenden Norm oder der dazu ergangenen Rechtsprechung darzutun. Zudem beruht dieser Einwand auf einer bloßen Vermutung. Es steht nämlich keineswegs fest (und wurde auch gar nicht behauptet), dass der Vater des Revisionswerbers auf die vom Revisionswerber behaupteten Wirkungen des Scheidungsurteils vertraut und nur deshalb von einer Ehelichkeitsbestreitungsklage Abstand genommen hat. Gerade der Umstand, dass die Klägerin immer im Haushalt des Johann A* und der Mutter gelebt hat, dass Johann A* sie behandelt hat wie ein leibliches Kind und dass er bereits etwas mehr als ein Jahr nach der Scheidung die Mutter wieder geheiratet hat, lässt es als zumindestens ebenso wahrscheinlich erscheinen, dass er an einer Bestreitung der Abstammung der Klägerin gar nicht interessiert war und die Vorgangsweise des Beklagten gar nicht seinem Willen entspricht. Derartige Überlegungen sind aber angesichts der eindeutigen Rechtslage von vornherein nicht relevant.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

 

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