Spruch:
1.) Die Bezeichnung der beklagten Partei wird auf Ingrid M*****, berichtigt.
2.) Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 2.009,70 EUR (darin enthalten 334,95 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 3. 5. 2006 verstorbene Erblasser setzte in seinem Testament vom 16. 10. 1996 seine Ehegattin, die Beklagte, als alleinige Erbin sowie die beiden gemeinsamen Kinder als Ersatzerben ein. Die Klägerin, seine Tochter aus erster Ehe, wurde im Testament nicht erwähnt.
Am 23. 5. 2006 wurde in der Kanzlei des Gerichtskommissärs ein Übernahmeprotokoll, in dem das Testament angeführt ist, errichtet. Dieses wurde mit der beglaubigten Abschrift des Testaments am 23. 5. 2006 zum Verlassenschaftsakt genommen. Mit Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 6. 9. 2006 wurde für die Klägerin, deren Aufenthaltsort unbekannt war und ist, ein Erbenkurator bestellt.
1.) Die Verlassenschaft wurde der Alleinerbin mit Beschluss vom 5. 5. 2010 rechtskräftig eingeantwortet, weshalb die Bezeichnung der beklagten Partei nach § 235 Abs 5 ZPO auf die Gesamtrechtsnachfolgerin zu berichtigen ist.
2.) Mit der am 7. 7. 2009 beim Erstgericht eingelangten Klage machte die Klägerin ihren Pflichtteilsanspruch geltend.
Thema des Revisionsverfahrens ist, ob die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB (Geltendmachung des gesetzlichen Pflichtteilsanspruchs bei testamentarischer Erbfolge) entsprechend der Auffassung der beklagten Partei bereits mit Errichtung des Übernahmeprotokolls am 23. 5. 2006 oder - wie die Klägerin meint - erst mit der Zustellung an den Erbenkurator begonnen hat.
Das Erstgericht folgte dem Standpunkt der Klägerin und sprach in seinem Zwischenurteil aus, dass das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe.
Das Berufungsgericht teilte hingegen die Auffassung der Beklagten und wies das Klagebegehren ab. Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist des § 1487 ABGB sei bis zum Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes die Testamentskundmachung gewesen, weil damit die Pflichtteilsverletzung festgestanden, der Pflichtteilsanspruch fällig geworden und die Klage objektiv möglich gewesen sei. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen für den Beginn des Laufs einer Verjährungsfrist komme es auf die Kenntnis des Berechtigten von seinem Anspruch nicht an, es sei denn, die Unkenntnis beruhe auf einem arglistigen Verhalten des Anspruchsgegners (RIS-Justiz RS0034302; 4 Ob 222/09i; Madl in Kletecka/Schauer § 1487 ABGB Rz 10; Dehn in KBB² § 1487 Rz 2; M. Bydlinski in Rummel³ § 1487 Rz 3 f).
Das neue Außerstreitrecht sehe nun anstelle der früheren Regelung über die Testamentskundmachung, wonach die letztwillige Verfügung in Gegenwart von zwei Zeugen zu verlesen und darüber ein Protokoll aufzunehmen gewesen wäre (§§ 61 ff AußStrG alt), in § 152 vor, dass der Gerichtskommissär die Urkunde über die letztwillige Anordnung zu übernehmen, ein Übernahmeprotokoll aufzunehmen und eine beglaubigte Abschrift der Urkunde zum Verlassenschaftsakt zu nehmen habe. Neu sei, dass den Parteien und jenen, die nach der Aktenlage aufgrund des Gesetzes zur Erbfolge berufen werden, unbeglaubigte Abschriften der Urkunde zuzustellen seien (§ 152 Abs 2 Satz 2 AußStrG). In den ErläutRV (wiedergegeben bei Fucik/Kloiber, AußStrG 452 f) werde dazu ausgeführt, die Testamentskundmachung sei weitgehend zu einem Formalakt geworden, da die Praxis gezeigt habe, dass die förmliche Kundmachung des Testaments sich ohne Öffentlichkeit bloß unter Beteiligung der Überbringer oder vor Gerichtspersonen abspiele. Ein modernes Außerstreitgesetz müsse aber versuchen, von jenen Förmlichkeiten loszukommen, die in keiner Art und Weise eine Verbesserung des Rechtsschutzes mit sich brächten. Die Kundmachung des Testaments hätte im Kern zwei wichtige Funktionen, nämlich einerseits, die Parteien auf das Vorliegen einer Erklärung des letzten Willens aufmerksam zu machen, und andererseits, einen ersten vorläufigen Befund über den äußeren Zustand der Urkunden aufzunehmen. Der erste dieser Aspekte werde durch das Übernahmeprotokoll des Gerichtskommissärs, wie es nun im Abs 1 verwirklicht sei, gewährleistet. Mit der letztwilligen Erklärung sei so zu verfahren wie bisher, allerdings sei auf der zum Verlassenschaftsakt zu nehmenden beglaubigten Abschrift der Urkunde der Tag der Aufnahme in den Akt zu vermerken. Allen Parteien und auch jenen Personen, die nach der Aktenlage (also ohne weitere Untersuchungspflicht) aufgrund des Gesetzes zur Erbfolge berufen wären, seien ebenfalls Abschriften zuzustellen. Diese Ausfertigungen, die bloß Informationszwecke hätten, kämen ohne Beglaubigungsvermerk aus. Die Verständigung der potenziellen Erben diene der Verwirklichung eines effektiven rechtlichen Gehörs, weil sie denjenigen, die bei Ungültigkeit der Erklärung als Erben in Frage kämen, im frühestmöglichen Verfahrensstadium substanzielle Informationen an die Hand gebe.
Zur Frage, wann nach dem neuen Außerstreitverfahren der Verjährungsbeginn für Pflichtteilsansprüche anzusetzen sei, habe der Oberste Gerichtshof - soweit überblickbar - bisher erst einmal (allerdings nur obiter) unter Berufung auf Mader/Janisch (in Schwimann, ABGB3 VI § 1487 Rz 6) derart Stellung genommen, dass ab Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes nunmehr wohl auf die Verständigung durch Zustellung des Übernahmeprotokolls abzustellen sein werde (1 Ob 200/06b = Zak 2007/344 = EFSlg 118.027; ebenso Dehn aaO; Feil, AußStrG § 152 Rz 1). Eine Zustellung des Übernahmeprotokolls an die Parteien sei jedoch im Gesetz nicht vorgesehen, weshalb es darauf nicht ankommen könne. Es stelle sich aber die Frage, ob nach der neuen Regelung des § 152 AußStrG der Übernahme der Urkunde samt Errichtung des Übernahmeprotokolls und Aufnahme einer beglaubigten Abschrift der Urkunde in den Verlassenschaftsakt durch den Gerichtskommissär (in diesem Sinne Kralik/Beer, Nova et Varia 2005, 67) oder erst der Zustellung der letztwilligen Verfügung an die (potenziell) Berechtigten materiell-rechtliche Bedeutung für die Verjährungsfrist zukomme (so Likar-Beer in Ferrari/Likar-Beer, Erbrecht [2007] 362 f). Ersteres sei zu bejahen.
Aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich eindeutig die Absicht des Gesetzgebers, die Testamentskundmachung ihrer früheren Förmlichkeiten zu entkleiden und auf die Übernahme der Urkunde durch den Gerichtskommissär zu reduzieren, sodass das frühere Protokoll über die Testamentskundmachung nunmehr durch das Übernahmeprotokoll ersetzt werde (Maurer/Schrott/Schütz AußStrG § 152 Rz 1). Die primäre Funktion der Testamentskundmachung, die Parteien auf das Vorliegen einer Erklärung des letzten Willens aufmerksam zu machen, werde nun durch das Übernahmeprotokoll des Gerichtskommissärs gewährleistet (Fucik, Das neue Verlassenschaftsverfahren [2005] Rz 137). Die Verständigung der potenziellen Erben diene hingegen reinen Informationszwecken, ohne verfahrensrechtliche Handlungspflichten auszulösen (Fucik aaO Rz 140). Dass der Gesetzgeber des AußStrG mit der in § 152 getroffenen Neuregelung den Beginn der Verjährungsfrist für Pflichtteilsansprüche - abweichend von den oben dargestellten Grundsätzen und der bisherigen Rechtslage - von der Verständigung der Berechtigten abhängig habe machen wollen, lasse sich den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Dagegen spreche schon, dass nur die nach der Aktenlage bekannten Erben zu verständigen seien und das Verlassenschaftsgericht auch keine Nachforschungspflicht treffe, sodass die kurze Verjährungsfrist des § 1487 ABGB für unbekannte Erben grundsätzlich nicht mehr zum Tragen kommen würde. Dies widerspreche aber nicht nur der Grundregel für den Verjährungsbeginn, wonach subjektive Verhältnisse unberücksichtigt zu bleiben haben, sondern liefe auch der in § 1487 ABGB zum Ausdruck kommenden Intention des Gesetzgebers entgegen, durch Normierung einer kurzen Verjährungsfrist für die dort genannten erbrechtlichen Ansprüche dem in diesem Bereich besonders hohen Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung zu tragen. Ein derartiger Regelungswille könne dem Gesetzgeber des AußStrG mangels Vorliegens irgendwelcher Anhaltspunkte aber nicht unterstellt werden. Gehe man davon aus, dass der Formalakt der Kundmachung durch jenen der Übernahme der Urkunde samt Errichtung eines Übernahmeprotokolls ersetzt worden sei und damit auch die Fälligkeit des Pflichtteilsanspruchs eintrete, so sei kein Grund dafür ersichtlich, warum der Beginn der Verjährungsfrist - abweichend von der bisherigen Rechtslage - von einer individuellen Verständigung der Berechtigten abhängig sein solle. Dass die potenziellen Erben von der Errichtung des Übernahmeprotokolls durch den Gerichtskommissär nicht unbedingt Kenntnis haben müssten, ändere daran nichts. Auch die Kundmachung letztwilliger Verfügungen nach der alten Rechtslage sei nach § 62 AußStrG alt ohne Vorladung der Beteiligten erfolgt, sodass auch damals eine Kenntnisnahme durch die potenziell Pflichtteilsberechtigten nicht gewährleistet worden sei.
Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.
Der erkennende Senat hält die Begründung des Berufungsgerichts für überzeugend (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Die in der Entscheidung 1 Ob 200/06b - in einem Halbsatz als obiter dictum - geäußerte, von den bereits zitierten Autoren Dehn, Kletecka/Maurer, Mader und Ferrari/Likar-Peer sowie von Scheuba in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Erbrecht und Vermögensnachfolge, § 9 Rz 96, ohne nähere Begründung, (zum Teil wörtlich) übernommene Auffassung, ab Inkrafttreten des neuen Außerstreitgesetzes werde nunmehr wohl auf die Zustellung des Übernahmeprotokolls (gemeint: der Abschrift der letztwilligen Anordnung) abzustellen sein, widerspricht dem in ständiger Rechtsprechung und Lehre vertretenen allgemeinem Grundsatz, dass es für den Lauf der Verjährungsfrist auf die Kenntnis des Berechtigten vom Bestehen seines Anspruchs nicht ankommt. In den Fällen, in denen nicht nur ein potenzieller Erbe zu verständigen ist, sind durchaus divergierende Zustelldaten möglich. Dann müsste der Ablauf der Verjährungsfrist für die Berechtigten unterschiedlich berechnet werden, was mit dem Zweck einer auf den objektiven Zeitpunkt der Fälligkeit abgestellten und aus Gründen der Rechtssicherheit für sämtliche Beteiligten zum selben Zeitpunkt beginnenden Verjährungsfrist unvereinbar ist. Die Forderung nach Rechtssicherheit und nach Gleichbehandlung aller (bekannter und unbekannter) Erben spricht eindeutig dafür, die Verjährungsfrist einheitlich für alle Berechtigten mit dem Tag der Errichtung des Übernahmeprotokolls beginnen zu lassen. Der bis zum Inkrafttreten des neuen Außerstreitrechts vorgesehene Publizitätsakt der Kundmachung in Form der Verlesung der letztwilligen Verfügung vor zwei Zeugen konnte eine ursprünglich tendierte „Außenwirkung“ ohnehin nicht garantieren und wurde als sinnloser Formalismus aufgegeben, wie die Materialien auch deutlich zum Ausdruck bringen.
Damit hat es bei dem vom Berufungsgericht erzielten Ergebnis der Verjährung zu bleiben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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