European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00200.22P.1118.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):
[2] 1. Nach ständiger Rechtsprechung steht § 1174 Abs 1 Satz 1 ABGB einem bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch hinsichtlich der Spieleinsätze für ein verbotenes Online‑Glücksspiel nicht entgegen, weil die entsprechenden Einsätze nicht gegeben werden, um das verbotene Spiel zu bewirken, sondern um daran teilzunehmen (RS0016325 [T15]; 6 Ob 229/21a [Rz 26]; 9 Ob 54/22i [Rz 12 f]; 7 Ob 102/22h [Rz 4]; 2 Ob 171/22v). Die Rückforderung des – um an einem solcherart verbotenen Spiel teilnehmen zu können – geleisteten Einsatzes verstößt auch nicht gegen Treu und Glauben (7 Ob 102/22h [Rz 5]).
[3] Dass der Kläger nach dem erstinstanzlichen Vorbringen der Beklagten „wissentlich“ Einsätze geleistet haben soll, um „zu bewirken“, dass er an einer in Österreich nicht konzessionierten elektronischen Lotterie „teilnimmt“, kann seiner Rückforderung also nach bereits bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung nicht entgegenstehen.
[4] 2. Ebenso ist geklärt, dass es nicht darauf ankommt, ob der Spieler durch die Teilnahme am verbotenen Spiel selbst einen Verwaltungsstraftatbestand (konkret § 52 Abs 5 GSpG) erfüllt (s 9 Ob 54/22i [Rz 14]; 2 Ob 171/22v [Rz 2]).
[5] 3. Es wurde bereits mehrmals vom Obersten Gerichtshof erläutert, dass der Verbotszweck die Rückabwicklung erfordert (6 Ob 207/21s [Rz 15]; 9 Ob 79/21i [Rz 15]), wenn sich das Verbot – wie hier – gegen den Leistungsaustausch an sich wendet und es den Schutz der Spieler bewirken soll (6 Ob 229/21a [Rz 23]; 9 Ob 79/21i [Rz 15]). Im Hinblick auf die Zielsetzung des Glückspielgesetzes wird der Rückforderungsanspruch des Spielers nach gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs durch die Kenntnis des Leistenden von der Nichtschuld nicht ausgeschlossen (6 Ob 229/21a [Rz 23]; 6 Ob 207/21s [Rz 15]; 9 Ob 79/21i [Rz 15]; 2 Ob 17/22x [Rz 8 f]). Vielmehr besteht der Rückforderungsanspruch des Spielteilnehmers auch dann, wenn ihm die Ungültigkeit seiner Verpflichtung bekannt war (10 Ob 2429/96w; 1 Ob 52/22m [Rz 10]). Eine bereits im Zeitpunkt der Leistung – also des Spieleinsatzes vorhandene – Kenntnis des Spielers von der Ungültigkeit der Verpflichtung schließt dessen Kenntnis von der Rückforderbarkeit der (trotz ungültiger Verpflichtung hingegebenen) Leistung in sich, womit es dem Kläger – wegen des bereits erörterten Verbotszwecks – auch nicht schaden könnte, wenn er der Beklagten eine allenfalls schon bei Teilnahme am verbotenen Spiel bei ihm vorhandene „Absicht“, verlorene Einsätze später einzuklagen, „verschwiegen“ hätte.
[6] 4. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht das im Glücksspielgesetz normierte Monopol- bzw Konzessionssystem bei Würdigung sämtlicher damit verbundener Auswirkungen auf dem Glücksspielmarkt allen vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgezeigten Vorgaben des Unionsrechts (RS0130636 [T7]; 1 Ob 74/22x [Rz 5]; 9 Ob 25/22z [Rz 8]; 7 Ob 102/22h [Rz 6]; 2 Ob 171/22v [Rz 1]; 2 Ob 146/22t [Rz 1]). Es besteht daher angesichts der Rechtsprechung des Höchstgerichts tatsächlich kein (von der Beklagten georteter) „Streit“ über die „Rechtfertigung“ des Ausschlusses des Betreibers von der nationalen Konzession, sodass der erkennende Senat keinen Anlass sieht, der Anregung auf Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens (zur Frage, ob „die Dienstleistungsfreiheit sowie die unionsrechtlichen Grundsätze der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit sowie des Vertrauensschutzes“ dahin auszulegen seien, dass sie der Rückforderung eines Spielers betreffend seiner verlorenen Spieleinsätze entgegenstehen, wenn nicht ausgeschlossen sei, dass der Spieler wusste, dass sich der Dienstleister auf die Dienstleistungsfreiheit und die daraus aus seiner Sicht folgende Unanwendbarkeit des österreichischen Glücksspielmonopols berufe) nachzukommen.
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