European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00074.22X.0622.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der in Österreich wohnhafte Kläger erlitt im Jahr 2020 bei von der Beklagten – einem maltesischen Unternehmen – über deren Website veranstalteten Online‑Glücksspielen Verluste in Höhe des nunmehr von ihm eingeklagten Betrags. Da die Beklagte die Glücksspiele in Österreich ohne Konzession nach dem österreichischen GSpG angeboten habe, seien die von ihm abgeschlossenen Glücksspielverträge unwirksam und die erlittenen Spielverluste rückforderbar.
[2] Die Vorinstanzen gaben dem – sowohl auf Bereicherungsrecht als auch auf Schadenersatz gestützten – Klagebegehren statt. Entgegen dem Standpunkt der Beklagten sei das österreichische Glücksspielmonopol nicht unionsrechtswidrig. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
[3] Die dagegen erhobene (richtig) außerordentliche Revision der Beklagten ist mangels Darlegung einer solchen Rechtsfrage nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Der von der Beklagten gestellte Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit der Revision, verbunden mit der ordentlichen Revision, ist in eine außerordentliche Revision umzudeuten (vgl RIS‑Justiz RS0123405).
[5] 2. Das Rechtsmittel befasst sich ausschließlich mit der Frage der behaupteten Unionsrechtswidrigkeit des im österreichischen Glücksspielrecht vorgesehenen Konzessionserfordernisses. Der Oberste Gerichtshof legte dazu – im Einklang mit der Rechtsprechung der beiden anderen österreichischen Höchstgerichte und auf Basis der einschlägigen Judikatur des EuGH – bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen dar, dass das österreichische System der Glücksspielkonzessionen (einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre) nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben entspricht und nicht gegen Unionsrecht verstößt (vgl in jüngerer Zeit etwa 6 Ob 8/22b; 6 Ob 59/22b; 9 Ob 25/22x, jeweils mwN). Die Beurteilung des Berufungsgerichts entspricht dieser Rechtsprechung, an der auch nach dem von der Revisionswerberin ins Treffen geführten Beschluss des EuGH vom 18. 5. 2021, C‑920/19 , Fluctus ua, festzuhalten ist (vgl etwa 1 Ob 229/20p; 3 Ob 200/21i).
[6] 3. Entgegen der Darstellung der Revisionswerberin ergibt sich aus dieser Entscheidung auch kein Verbot für ein nationales Gericht, sich auf Vorentscheidungen „höherer“ (nationaler) Gerichte (hier auf in zahlreichen Parallelverfahren ergangene Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs) zu berufen, vielmehr sprach der EuGH darin bloß aus, dass eine gegen Art 56 AEUV verstoßende Bestimmung des nationalen Rechts auch dann nicht angewendet werden dürfe, wenn ein „höheres“ nationales Gericht diese als mit dem Unionsrecht vereinbar ansah, dessen Erwägungen aber offensichtlich nicht dem Unionsrecht entsprachen (vgl insbesondere Rn 58 der genannten Entscheidung des EuGH). Dass und bei welcher nationalen Norm dies hier der Fall gewesen wäre, vermag die Revisionswerberin nicht aufzuzeigen. Die behaupteten sekundären Feststellungsmängel „zum Thema Unionsrechtswidrigkeit“ liegen nicht vor. Auch ihr Verweis auf die Notwendigkeit einer „dynamischen Betrachtungsweise“, die die Entwicklung der Umstände berücksichtigen müsse, bleibt in Ermangelung nachvollziehbarer Tatsachenbehauptungen inhaltsleer. Mit ihrer Behauptung, es gelte als erwiesen, dass die Monopolinhaber eine (offenbar gemeint: den unionsrechtlichen Vorgaben widersprechende) „aggressive Expansions- und Werbestrategie“ verfolgten, legt sie keinen rechtlich überprüfbaren konkreten Sachverhalt dar. Insbesondere behauptet sie nicht, dass sich diese „Strategie“ nach den einschlägigen Entscheidungen der österreichischen Höchstgerichte in relevantem Ausmaß verändert hätte. Sie kann damit nicht aufzeigen, dass dem Berufungsgericht, das sich der höchstgerichtlichen Judikatur angeschlossen hat, insoweit ein Beurteilungsfehler unterlaufen wäre.
[7] 4. Da zu den Voraussetzungen der unionsrechtlichen Zulässigkeit eines Glücksspielmonopols sowie der dadurch bewirkten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits umfangreiche Rechtsprechung des EuGH besteht, sieht sich der erkennende Senat nicht veranlasst, das von der Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen zu stellen (vgl etwa 6 Ob 59/22b mwN).
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