OGH 1Ob166/22a

OGH1Ob166/22a12.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin S* D*, vertreten durch Mag. Martin Divitschek und andere Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen den Antragsgegner G* S*, vertreten durch Mag. Bernhard Lehofer, Rechtsanwalt in Graz, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 1. August 2022, GZ 1 R 111/22h‑117, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00166.22A.1012.000

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:
Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Oberster Grundsatz bei der Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse nach den §§ 81 ff EheG ist die Billigkeit (RS0079235 [T1]). Dass die Vorinstanzen den ihnen dabei zustehenden Beurteilungsspielraum (RS0115637 [T1]; RS0108755) in korrekturbedürftiger Art und Weise überschritten hätten, zeigt die Rechtsmittelwerberin nicht auf.

[2] 2. Bei der (billigen) Aufteilung ist in erster Linie auf Gewicht und Umfang des Beitrags jedes Ehegatten zur ehelichen Errungenschaft Bedacht zu nehmen (§ 83 Abs 1 EheG; RS0057923). Eine – auch im vorliegenden Fall erfolgte – Aufteilung im Verhältnis 1 : 1 entspricht bei in etwa gleichwertigen Beiträgen regelmäßig der Billigkeit, sofern nicht im Einzelfall gewichtige Umstände die Aufteilung in einem anderen Verhältnis angezeigt erscheinen lassen (RS0057501 [T3]).

[3] Die Mitwirkung im Erwerb des anderen (und damit die Arbeitsleistung für das Unternehmen des anderen) ist – soweit sie nicht anders abgegolten wurde (vgl § 98 ABGB) – ebenso wie „mittelbare Beitragsleistungen“ durch Haushaltsführung, Kindererziehung und Pflegeleistung bei der Festlegung des Aufteilungsschlüssels nach § 83 EheG zu berücksichtigen (RS0057651 [T4]; RS0131859). Die nicht anders abgegoltene Mitwirkung im Erwerb des Mannes (hier: in seinem landwirtschaftlichen Betrieb) ist gemäß § 83 Abs 2 EheG als Beitrag der Frau zu werten.

[4] Die Ermittlung des Aufteilungsschlüssels ist eine Frage des Einzelfalls, die die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nur im Fall einer aufzugreifenden – hier nicht vorliegenden – Fehlbeurteilung rechtfertigen könnte (RS0108756; vgl RS0057969 [T10]; RS0057923 [T7]). Die dem Apfelanbau gewidmete Landwirtschaft wurde hauptsächlich vom Mann geführt, der hart arbeitete. Er führte die meisten schweren landwirtschaftlichen Arbeiten, oft aber auch Reparatur‑ und Schweißarbeiten, selbst durch. Die Frau half tatkräftig mit, erledigte vor allem Büroarbeiten, kümmerte sich um die Erntehelfer und half auch bei der Ernte mit. Sie führte darüber hinaus den Haushalt und leistete die Hauptarbeit bei der Betreuung und Erziehung der beiden Töchter. Wenn die Vorinstanzen auf der Grundlage dieser Feststellungen von einer Aufteilungsquote von 1 : 1 ausgingen, ist diese Beurteilung nicht korrekturbedürftig. Die Mitarbeit der Frau in der Landwirtschaft – und manchmal, in den ersten Ehejahren auch die ihrer Verwandten – rechtfertigt keine Abweichung vom zugrunde gelegten Aufteilungsschlüssel, vermag sie doch nicht aufzuzeigen, dass die Beiträge ihrer Seite im nennenswerten Umfang überwiegen.

[5] 3. Der Oberste Gerichtshof ist auch im Verfahren außer Streitsachen nicht Tatsacheninstanz (RS0007236 [T2]), weshalb die im Rechtsmittel erörterten Fragen der Beweiswürdigung nicht überprüft werden (RS0007236 [T4]). Das betrifft insbesondere die Feststellung, dass das „Kellerstöckl“ dem landwirtschaftlichen Betrieb dient.

[6] Die von der Frau in diesem Zusammenhang angesprochenen Regelungen über die Beweislast können nur dann zum Tragen kommen, wenn die Beweisergebnisse nach der Überzeugung des Gerichts nicht ausreichen, um einen entscheidungswesentlichen Tatumstand als erwiesen anzunehmen (RS0039903). Trifft das Gericht hingegen eine eindeutige (sei es positive oder negative) Feststellung, so ist für die Anwendung von Beweislastregeln kein Platz (RS0039903 [T1]; RS0039904 [T1]). Das ist hier der Fall.

[7] 4. Die Vorinstanzen gingen davon aus, dass bei Nutzung eines Fahrzeugs zu privaten und geschäftlichen Zwecken der halbe Verkehrswert der Aufteilung zugrunde zu legen sei (vgl 1 Ob 40/15m). Diese Beurteilung wird von der Frau nicht angegriffen. Sie moniert jedoch, dass ihre Mutter für den Ankauf des Vorgängermodells einen Beitrag geleistet habe, vermag aber nicht nachvollziehbar darzulegen, inwiefern dieser Betrag im eingetauschten Nutzfahrzeug, das auf sie zugelassen ist, „fortwirken“ und ihr dieser Betrag als „Vorwegabzug“ zustehen soll. Sie vernachlässigt, dass ein landwirtschaftliches Nutzfahrzeug über die Dauer seines Gebrauchs an Wert verliert und dasaktuelle Nutzfahrzeug nach den Feststellungen dem landwirtschaftlichen Betrieb dient und (unstrittig) nicht der Aufteilung unterliegt.

[8] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

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