European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00104.22B.0928.000
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Begründung:
[1] Die Klägerin und Schwester des Beklagten ist aufgrund des mit ihrer Mutter und Voreigentümerin am 26. 11. 2020 in Notariatsaktform abgeschlossenen Übergabsvertrags grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft *, mit dem darauf errichteten Wohnhaus mit der Anschrift *. In dem Haus wohnten und wohnen im Erdgeschoß die Eltern der Parteien, im ersten Stock die Klägerin und ihre Familie und im Dachgeschoß der Beklagte.
[2] Nachdem die Klägerin geäußert hatte, ein eigenes Haus bauen zu wollen, schlugen die Eltern ihr vor, das gegenständliche Haus zu übernehmen. Es bestand zunächst die Idee, das Haus auf den Sohn der Klägerin – somit den minderjährigen Enkel der Voreigentümerin – zu überschreiben. Die Eltern der Parteien wollten ein Wohnrecht für sich und auch für den Beklagten vertraglich regeln. Zunächst erstellte daher der Notar einen Entwurf eines Übergabsvertrags zugunsten des minderjährigen Enkels, der die Einräumung eines höchstpersönlichen und unentgeltlichen Wohnrechts (Wohnungsgebrauchsrechts) auf Lebensdauer jeweils für die Eltern der Parteien, die Klägerin und den Beklagten vorsah.
[3] Nach Übermittlung des Vertragsentwurfs teilte die Klägerin ihren Eltern und dem Notar mit, dass sie einem Wohnrecht für den Beklagten nicht zustimme. Aufgrund dieser Aussage der Klägerin, meinte der Vater der Parteien, dann würde der Beklagte eben das „in *“ erhalten.
[4] Nach Aufklärung des Notars über die mit einer Übertragung an einen Minderjährigen einhergehenden Problemen beschlossen die Eltern der Parteien, das Haus auf die Klägerin zu überschreiben. Diese stimmte zu, erklärte jedoch ausdrücklich, dass sie ein Wohnrecht für den Beklagten nicht übernehme. Die Eltern der Parteien besprachen im Weiteren mit dem Beklagten, dass er das Wohnrecht trotzdem bekomme, auch wenn das „so nicht im Vertrag“ enthalten sei. Die Eltern der Parteien sicherten dem Beklagten zu, dass er bis zu ihrem Ableben im Haus wohnen bleiben könne.
[5] Der Notar erstellte sodann einen Übergabsauftrag ohne ein Wohnrecht für den Beklagten, der von den Vertragsparteien unterfertigt wurde. Dieser lautet auszugsweise:
„ Erstens - Übergabsobjekt
[...]
1.2 Die Übergeberin überlässt hiermit und übergibt das unter 1.1 beschriebene Übergabsobjekt samt allem, was damit erd‑, mauer‑,niet‑ und nagelfest verbunden ist, samt allem rechtlichen und faktischen Zubehör, sowohl mit allen Rechten und Befugnissen an die Übernehmerin, und diese übernimmt das Übergabsobjekt mit allen Rechten und Verpflichtungen in ihren Besitz und in ihr Eigentum.
1.3 Das Eigentumsrecht der Übernehmerin am Übergabsobjekt wird dadurch eingeschränkt, dass sie sich verpflichtet, das Übergabsobjekt auf Lebzeiten der Übergeberin ohne deren Zustimmung weder zu belasten noch zu veräußern.
[...]
Zweitens - Gegenleistungen
2.1 Für diese Übergabe verpflichtet sich die Übernehmerin für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum des Übergabsobjekts zu folgenden Gegenleistungen und räumt diese hiermit ein:
2.2 Für die Übergeberin ... und deren Ehegatten ... auf Lebzeiten das höchstpersönliche und unentgeltliche Wohnungsrecht (Wohnungsgebrauchsrecht) in sämtlichen derzeit bestehenden Räumlichkeiten des Parterres des Hauses ..., verbunden mit dem angemessenen Mitbenützungsrecht an den gemeinsamen Anlagen und Einrichtungen des Übergabsobjekts, insbesonders an Garten, Garage und Keller.
[...]
Fünftens ‑ Gewährleistung
5.1 [...]
Die Übergeberin haftet aber dafür, dass, soweit in diesem Vertrag nichts anderes vereinbart wird, das Übergabsobjekt frei von bücherlichen und außerbücherlichen Lasten, Rechten Dritter und Eigentumsbeschränkungen in das Eigentum der Übernehmerin übergeht.
5.2 Ausgenommen von der Lastenfreiheit sind die am Übergabsobjekt einverleibten Dienstbarkeiten, die von der Übernehmerin zur weiteren Duldung mitübernommen werden.
[...]“
[6] Der Beklagte verblieb nach der Vertragsunterfertigung weiterhin in der Dachgeschoßwohnung, was die Klägerin zunächst nicht beanstandete. Als sie schließlich im Frühjahr 2021 im Zuge einer beabsichtigten Dachsanierung den Beklagten aufforderte, die Wohnung zu räumen, wandte sich dieser an eine Rechtsanwältin, die ein Schreiben an die Klägerin richtete. Darin wurde die Klägerin aufgefordert, für den Fall, dass es im Rahmen der Sanierungsarbeiten erforderlich sei, die Dachgeschoßräumlichkeiten zu räumen, dem Beklagten kostenlos eine Ersatzwohnung zur Verfügung zu stellen wäre.
[7] Ab diesem Zeitpunkt war die Klägerin nicht mehr damit einverstanden, dass der Beklagte das Dachgeschoß nützt und setzte ihm durch ihren Rechtsvertreter eine Frist für eine Räumung bis zum 31. 5. 2021.
[8] Die Klägerin begehrt die Räumung der näher bezeichneten Räumlichkeiten durch den Beklagten. Der Beklagte benütze die Wohnung seit Jahren, obwohl er hiezu keine Berechtigung habe. Er bezahle weder Miete noch Betriebskosten. Die Klägerin habe die Liegenschaft nur unter der Voraussetzung von ihrer Mutter übernommen, dass dem Beklagten kein Wohnrecht am Dachgeschoß des Hauses zukomme. Sie habe das Eigentumsrecht an der Liegenschaft lastenfrei übertragen erhalten und dem Beklagten auch kein Wohnrecht eingeräumt.
[9] Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung. Vor der Übergabe der Liegenschaft an die Klägerin sei für ihn auf dieser ein Belastungs‑ und Veräußerungsverbot grundbücherlich sichergestellt gewesen. Ihm sei sowohl von den Eltern als auch von der Klägerin mündlich die Zusicherung erteilt worden, dass er im Dachgeschoß des Wohnhauses bis zum Ableben der Eltern wohnen dürfe. Ihm sei daher im bisherigen Ausmaß ein Wohnrecht eingeräumt worden. In den letzten Jahrzehnten habe er Investitionen und Verbesserungsarbeiten in den Ausbau des Dachbodens von rund 35.000 EUR getätigt, dieser Betrag werde einer allenfalls zu Recht bestehenden Klagsforderung gegenüber compensando eingewendet.
[10] Das Erstgericht gab dem Räumungsbegehren statt. Dem Beklagten stehe kein Wohnrecht an der Dachgeschoßwohnung zu. Der Beklagte, der die Dachgeschoßwohnung demnach titellos nutze, sei zur Räumung verpflichtet.
[11] Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsabweisenden Sinn ab. Die Mutter der Parteien habe dem Beklagten als vormalige Liegenschaftseigentümerin ausdrücklich ein (zumindest) obligatorisches Wohnrecht an der seinerseits bereits jahrelang benutzten Dachgeschoßwohnung bis zu ihrem und seines Vaters Ableben eingeräumt. Diese Dienstbarkeitseinräumung sei für die im selben Haus wohnhafte Klägerin jedenfalls offenkundig gewesen und von dieser als Einzelrechtsnachfolgerin ihrer Mutter – zumindest schlüssig – übernommen worden. Die Klägerin habe aufgrund der in Punkt 1.2 des Übergabsvertrags enthaltenen Vertragsklausel „diese übernimmt das Übergabsobjekt mit allen Rechten und Verpflichtungen in ihren Besitz und Eigentum“ das ihrem Bruder von der gemeinsamen Mutter ausdrücklich und noch vor Abschluss des Übergabsvertrags zugesicherte (unentgeltliche) Wohnungsgebrauchsrecht übernommen und müsse es gegen sich gelten lassen. Beachte man, dass die Mutter der Streitteile und Voreigentümerin – trotz Kenntnis der mangelnden Bereitschaft ihrer Tochter, ein grundbücherlich sichergestelltes Wohnungsgebrauchsrecht zugunsten ihres Bruders zu übernehmen – dem Beklagten die (weitere bzw andauernde) Gewährung eines Wohnungsgebrauchsrechts an der Dachgeschoßwohnung ausdrücklich zugesichert und schließlich auch der Beklagte selbst die betreffenden Äußerungen seiner Schwester gekannt habe, so könne nicht im geringsten zweifelhaft sein, dass der übereinstimmende Parteienwille darauf ausgerichtet gewesen sei, dass der Beklagte wenn schon nicht ein gegen jedermann, so doch ein gegen seine Schwester als Übernehmerin abgesichertes bzw dieser gegenüber wirksames Wohnungsgebrauchsrecht erhalten habe. Eine solche höchstpersönliche Wohnungsdienstbarkeit bei – hier im Übrigen auf der Hand liegender – Offenkundigkeit müsse vom neuen Liegenschaftseigentümer trotz Außerbücherlichkeit zur Duldung übernommen werden. Der Beklagte nutze daher nicht titellos. Die Aufrechnung eines Zahlungsbegehrens mit einem Räumungsbegehren sei nicht möglich.
[12] Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Klägerin mit dem Antrag, es im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[13] Der Beklagte begehrt in der ihm freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[14] Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[15] 1. Mit einer Räumungsklage gegen einen titellosen Inhaber einer Wohnung macht der Eigentümer einen auf sein Eigentumsrecht gestützten Herausgabeanspruch nach § 366 ABGB geltend (RS0062419). In solchen Fällen kann der beklagte Sachinhaber ein eigenes dem Eigentümer gegenüber wirksames dingliches oder obligatorisches Recht einwenden. Die Beschränkung für die dem klagenden Eigentümer in § 354 ABGB verliehene Ausschließungsmacht hat der Beklagte zu beweisen (vgl RS0125784, RS0010849).
[16] 2. Der Beklagte wandte ein, ihm sei ein Wohnrecht bis zum Ableben seiner Eltern eingeräumt worden.
[17] 2.1 Die Dienstbarkeit des Wohnrechts ist an sich ein dingliches Recht, doch kann dieses Recht als sogenannte unregelmäßige Servitut auch obligatorisch eingeräumt werden, welcher Art das Wohnrecht ist, ist eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels (RS0011840 [T8]).
[18] 2.2 Ein dingliches Wohnrecht ist immer dann anzunehmen, wenn die Umstände insgesamt den Schluss rechtfertigen, dass nicht ein bloß obligatorisches, sondern ein gegen jedermann wirkendes Recht eingeräumt werden sollte. Für die Abgrenzung zwischen einem obligatorischen und einem dinglichen Wohnrecht ist nur die Parteienabsicht maßgebend (RS0011840 [T4, T7]).
[19] 2.3 Ausgehend von den unbekämpften Feststellungen vereinbarte die Voreigentümerin mit dem Beklagten jedenfalls im Zusammenhang mit der Übertragung der Liegenschaft an die Klägerin ein Wohnrecht bis zum Ableben seiner Eltern. Der Beklagte geht hier selbst zutreffend von einem bloß obligatorischen Wohnrecht aus, weil bereits nach seinem Vorbringen eine grundbücherliche Einverleibung des ihm nicht auf (seine) Lebenszeit eingeräumten und nicht gegen jedermann wirkenden Wohnrechts nicht beabsichtigt gewesen sei.
[20] 2.4.1 Ein bloß obligatorisches Wohnrecht ist nicht schon dann gegenüber dem Einzelrechtsnachfolger (hier der Klägerin) wirksam, wenn er von diesem Recht wusste; der Einzelrechtsnachfolger tritt vielmehr in das obligatorische Schuldverhältnis nur im Wege der Vertragsübernahme ein (vgl RS0011871 [insb T8, T9]; RS0011649 [T1]; RS0011673 [T5]).
[21] 2.4.2 Das Berufungsgericht vertrat, dass die Klägerin die Liegenschaft mit allen Rechten und Pflichten, mit denen sie ihre Rechtsvorgängerin benützte – und damit mit dem obligatorischen Wohnrecht – übernommen habe.
[22] 2.4.3 Bei der Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 ff ABGB ist zunächst vom Wortlaut auszugehen und die Parteiabsicht unter Berücksichtigung der redlichen Verkehrsübung unter Heranziehung des Parteienverhaltens, gemessen am Empfängerhorizont zu erforschen (vgl RS0044358, RS0017915). Bei Auslegung einer Willenserklärung nach den §§ 914 f ABGB ist zunächst vom Wortsinn in seiner gewöhnlichen Bedeutung auszugehen, dabei aber nicht stehen zu bleiben, sondern der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden zu erforschen (RS0017915 [T2]; RS0014160 [T27]). Für die Beurteilung der „Absicht“ der Parteien iSd § 914 ABGB kommt es maßgebend auf den Zweck der Regelung an, den die Beteiligten redlicherweise unterstellen mussten (RS0017915 [T23]).
[23] 2.4.4 Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, dass die Klägerin hinsichtlich des ersten Vertragsentwurfs die Aufnahme eines Wohnrechts des Beklagten bemängelte und festhielt, ein solches nicht zu übernehmen. Nachdem ihr von ihrem Vater signalisiert worden war, dass ihr Bruder offenbar eine andere Liegenschaft erhalten werde, wurde das beanstandete Wohnrecht des Beklagten aus dem Vertragsentwurf entfernt und von der Mutter ausdrücklich die lastenfreie Übergabe zugesichert. Vor diesem Hintergrundkonnte die Klägerin die vom Berufungsgericht herangezogene Passage, wonach sie das Übergabsobjekt mit allen Rechten und Verpflichtungen übernehme,nur dahin verstehen, dass nach der Parteienabsicht der vertragsschließenden Parteien die – ausdrücklich ausgeschlossene – Übernahme des Wohnrechts des Beklagten gerade nicht vereinbart wurde.
[24] 3.1 Eine stillschweigende Erklärung iSd § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung (konkludente oder schlüssige Willenserklärung) oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen. Nach den von Lehre und Rechtsprechung geforderten Kriterien muss die Handlung – oder Unterlassung – nach der Verkehrssitte und nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer Richtung zu verstehen sein, also den zwingenden Schluss zulassen, dass die Parteien einen Vertrag schließen, ändern oder aufheben wollten. Es darf kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt, wobei stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zur Beurteilung heranzuziehen sind (RS0109021).
[25] 3.2 Vor dem Hintergrund, dass der Beklagte in Kenntnis der Ablehnung der Übernahme des ihm von der Voreigentümerin eingeräumten Wohnrechts durch die Klägerin war, konnte er auch allein aus dem Umstand, dass sie ihnnach der Übertragung des Eigentums im November 2020 bis zum Frühjahr 2021 nicht zum Auszug aufforderte, nicht auf die schlüssige Einräumung oder Übernahme des Wohnungsrechts schließen.
[26] 4.1 Der Beklagte meint weiters, das Wohnrecht ersessen zu haben. Diese Ausführungen sind schon deshalb nicht zielführend, weil der Beklagte nach den Feststellungen ohnedies über ein von seiner Mutter eingeräumtes obligatorisches Wohnrecht verfügte, das nur nicht von der Klägerin übernommen wurde. Damit bleibt aber für die Prüfung der Ersitzung eines (dinglichen) Wohnrechts kein Platz.
[27] 4.2.1 Im Übrigen trifft die Behauptungs‑ und Beweislast für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen den Ersitzungsbesitzer (RS0034237). Zur Erfüllung der Ersitzungsvoraussetzungen an einer Liegenschaft ist nicht nur der Wille des Besitzers erforderlich, ein Recht auszuüben, sondern auch, dass die Leistung oder Duldung durch den Grundstückseigentümer erkennbar in Erfüllung einer Schuldigkeit geschieht, als hätte derjenige, dem geleistet wird oder dessen Handlungen geduldet werden, ein Recht darauf (RS0009762 [T1]). Die Besitzausübung muss so beschaffen sein, dass derjenige, in dessen Besitz eingegriffen wird, die Ausübung eines bestimmten Rechts erkennen kann (RS0009762 [T11]).
[28] 4.2.2 Das Vorbringen des Beklagten im erstgerichtlichen Verfahren beschränkte sich darauf, dass er seit knapp 30 Jahren im Dachgeschoß lebe, womit er seiner Behauptungspflicht nicht nachkam und die eben angeführten Voraussetzungen nicht im Ansatz darlegte. Im Übrigen war der 1983 geborene Beklagte zum behaupteten Beginn der Ersitzungszeit und damit dem Fassen eines Besitzwillens hinsichtlich eines Wohnrechts an Räumlichkeiten seines Elternhauses knapp sieben Jahre alt.
[29] 5.1 Der Beklagte behauptete aber weiters, im Zuge der Übertragung der Liegenschaft an die Klägerin auch mit dieser ein Wohnrecht dahin vereinbart zu haben, dass er das Dachgeschoß bis zum Ableben der Eltern unentgeltlich bewohnen dürfe. Das Erstgericht stellte hier fest, dass die Klägerin nie direkt mit dem Beklagten über ein Wohnrecht gesprochen und sie ihm ein solches auch nie zugesagt habe.
[30] 5.2 Aufgrund der vom Berufungsgericht vertretenen – vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten – Rechtsansicht unterließ es die Behandlung der zulässigen Tatsachenrüge: Nach § 501 Abs 1 ZPO ist dann, wenn das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden hat, der an Geld‑ oder Geldeswert 2.700 EUR nicht übersteigt, das Urteil nur wegen Nichtigkeit und einer ihm zugrundeliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpfbar. Die Klägerin bewertete den Streitwert der Räumungsklage nach RATG mit 2.000 EUR und nach GGG mit 750 EUR. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass dann, wenn der Kläger die Bewertung in der Klage nur auf den Streitwert nach RATG und GGG bezieht, der Zweifelsstreit nach § 56 Abs 2 JN – nämlich 5.000 EUR – zur Anwendung kommt (RS0042434 [insb T6]).
[31] 5.3 Die vom Berufungsgericht nicht geprüfte Feststellung, ob die Klägerin, dem Beklagten ein (obligatorisches) Wohnrecht einräumte, erweist sich – wie die obigen Ausführungen zeigen – als rechtlich erheblich, sodass die Aufhebung des Berufungsurteils unumgänglich war.
[32] 6. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 ZPO.
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