OGH 11Os86/22i

OGH11Os86/22i27.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. September 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner‑Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Turner als Schriftführer in der Strafsache gegen * B* wegen Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 7. Dezember 2021, GZ 4 Hv 48/21b‑70, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0110OS00086.22I.0927.000

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * B* der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15 Abs 1, 206 Abs 1, Abs 3 StGB (A./I./; richtig: eines Verbrechens nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB [s US 46 f] – RIS‑Justiz RS0120828 [T3]), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (A./II./), der Verbrechen der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 und der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 (A./III./), der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 1 StGB (A./IV./), des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3, Abs 3a Z 1 und Z 3, Abs 4 zweiter Fall StGB (B./), des Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3, Abs 3a Z 3, Abs 4 zweiter Fall StGB (C./) sowie des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1 StGB (D./) schuldig erkannt, zu einer Freiheitsstrafe verurteilt und gleichzeitig seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB angeordnet.

[2] Danach hat er in S*, W* und andernorts

A./ im Zeitraum von 2007 bis 31. Mai 2009 zum Nachteil seiner am * 1999 geborenen – somit zu den jeweiligen Tatzeitpunkten unmündigen – Tochter K*

I./ dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen mit einer unmündigen Person zu unternehmen versucht, indem er vielfach wiederholt ihren Kopf zu seinem Penis führte und sagte, sie solle seinen Penis küssen und in den Mund nehmen, wobei sie dies durch Verschließen des Mundes und Wegdrehen des Kopfes abwenden konnte und die Taten eine schwere Körperverletzung, und zwar einen Zustand nach akuter Belastungsreaktion (ICD 10, F 43), eine posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10, F 43) sowie eine Dysthymie (ICD 10, F 34) der unmündigen Person zur Folge hatte;

II./ außer dem Fall des § 206 geschlechtliche Handlungen an einer unmündigen Person vorgenommen bzw von einer unmündigen Person an sich vornehmen lassen, indem er

1./ vielfach wiederholt ihre Hand an seinen Penis führte oder sie aufforderte, seinen Penis zu berühren, um sich dann von ihr befriedigen zu lassen;

2./ ihr zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt in der Nacht ihr Oberteil auszog, sich auf sie legte und seinen Körper beischlafsähnlich bewegte und

3./ vielfach wiederholt ihre Brüste intensiv betastete;

III./ im Rahmen der unter Punkt A./I./ und II./ angeführten Tathandlungen diese wiederholt mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Vornahme oder Duldung von dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlungen sowie von geschlechtlichen Handlungen genötigt, indem er sie schlug und ihr drohte, er werde sie, ihre Mutter oder ihre Geschwister schlagen oder umbringen, wenn sie seinem Willen nicht folgt;

IV./ durch die unter Punkt A./I./ und II./ angeführten Tathandlungen mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen Person geschlechtliche Handlungen vorgenommen bzw an sich vornehmen lassen;

B./ im Zeitraum von 1. Juni 2009 bis zur Vollendung deren 14. Lebensjahres – somit länger als ein Jahr – gegen seine am * 1999 geborene – somit zu den jeweiligen Tatzeitpunkten unmündige – Tochter K* fortgesetzt Gewalt ausgeübt und dadurch die umfassende Kontrolle ihres Verhaltens hergestellt und eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkt, wobei er im Rahmen der fortgesetzten Gewaltausübung wiederholt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität des Opfers beging, indem er sie zumindest alle zwei Wochen mit Gewalt und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung des Analverkehrs, zur Vornahme des Handverkehrs sowie dazu nötigte, es zu dulden, (ohne einzudringen) sein Glied an ihrem Genitalbereich zu reiben, und zwar vorwiegend durch Festhalten ihrer Hände zur Überwindung ihrer Gegenwehr, durch Schläge bei Verweigerung sowie durch Drohungen des Inhalts, er werde sie, ihre Mutter oder ihre Geschwister schlagen oder töten;

C./ im Zeitraum ab Vollendung des 14. Lebensjahres bis Mitte/Ende 2017 – somit länger als ein Jahr – gegen seine am * 1999 geborene Tochter K* fortgesetzt Gewalt ausgeübt und dadurch die umfassende Kontrolle ihres Verhaltens hergestellt und eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkt, wobei er im Rahmen der fortgesetzten Gewaltausübung wiederholt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität des Opfers beging, indem er sie zumindest alle zwei Wochen und ab Jänner 2016 häufiger (zum Schluss beinahe täglich) mit Gewalt und durch Drohung zur Vornahme von Handverkehr und Oralverkehr, zur Duldung von Analverkehr sowie dazu nötigte, es zu dulden, (ohne einzudringen) sein Glied an ihrem Genitalbereich zu reiben, und zwar vorwiegend durch Festhalten ihrer Hände zur Überwindung ihrer Gegenwehr, durch Schläge bei Verweigerung sowie durch Drohungen des Inhalts, er werde sie, ihre Mutter oder ihre Geschwister schlagen oder töten;

D./ im Zeitraum von Jänner 2016 bis 27. Juni 2021 gegen seine Ehefrau S* fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er

I./ sie zumindest alle zwei Wochen – zuletzt am 12. Juni 2021 mit Vorhalten eines Messers – durch die sinngemäßen Äußerungen, er werde sie schlagen oder umbringen und allen erzählen, sie habe ihn betrogen, gefährlich mit dem Tod und der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;

II./ sie am 27. Juni 2021 durch die sinngemäße Äußerung, wenn sie die Polizei rufe, werde er sie nach seiner Haftentlassung umbringen, durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Verständigung der Polizei, nötigte.

Rechtliche Beurteilung

 

[3] Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 4, 5, 5a, 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Mit dem Einwand, das Gericht habe dem Angeklagten trotz eines zwei Tage nach der letzten Hauptverhandlung gestellten (im Übrigen in weiterer Folge bis zur Zustellung des Urteils an die Verteidigerin am 2. Mai 2022 und bei laufender Rechtsmittelfrist nicht weiter verfolgten) Antrags keine Übersetzung des Urteils zukommen lassen, zeigt die Verfahrensrüge weder den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund (§ 281 Abs 1 Z 3 StPO, der sich nur auf in der Hauptverhandlung erfolgte Verletzungen oder Missachtung von Bestimmungen, deren Einhaltung das Gesetz ausdrücklich bei sonstiger Nichtigkeit anordnet bezieht) noch sonstige Nichtigkeit auf.

[5] Auch durch die Abweisung bzw Nichterledigung der in der Hauptverhandlung am 7. Dezember 2021 gestellten Beweisanträge (ON 69 S 4 f; 24 f) wurde der Beschwerdeführer nicht in Verteidigungsrechten verletzt (Z 4; nominell auch Z 5a, vgl aber RIS-Justiz RS0115823 [T6]). Hinsichtlich der Begehren auf Beischaffung seines Mobiltelefons und Auswertung des Chat-Verkehrs zwischen ihm, seinem Schwiegersohn und seiner Tochter zum Beweis dafür, dass die Kommunikation zwischen ihnen bis zwei Monate vor der Anzeigeerstattung einwandfrei funktioniert hätte und die Vorwürfe „unrichtig und falsch“ wären, sowie auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Zustand, zur Größe und zum besonderen Merkmal seines erigierten und unerigierten Penis, woraus sich die „Unglaubwürdigkeit des vermeintlichen Opfers“ ergebe, ging das Schöffengericht von den unter Beweis zu stellenden Tatsachen ohnehin aus (US 45; § 55 Abs 2 Z 3 StPO). Deren Würdigung in Bezug auf die Glaubhaftigkeit der Angaben des Opfers obliegt allein den Tatrichtern (§ 258 Abs 2 StPO). Das Ansinnen des Angeklagten, drei nicht näher genannte Familien „zum Gericht einzuladen“, welche bestätigen würden, dass er nicht gewalttätig sei und niemanden in seiner Verwandtschaft geschlagen habe, ließ bereits die erforderliche (§ 55 Abs 1 StPO) Konkretisierung von Beweismittel und der für die Durchführung notwendigen Informationen vermissen (vgl Schmoller, WK-StPO § 55 Rz 49, 57 und 61).

[6] Indem der Rechtsmittelwerber die erstgerichtliche Beurteilung seiner eigenen Verantwortung, es handle sich bei der gegenständlichen Anzeige um eine von seinem Schwiegersohn ausgehende Racheaktion, als „völlig lebensfremd“ und „bloße Schutzbehauptung“ (US 36) unter dem Aspekt der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) als nicht „ausreichend“ kritisiert, übt er bloß im kollegialgerichtlichen Verfahren in dieser Form nicht zulässige Beweiswürdigungskritik.

[7] Die aus Z 11 des § 281 Abs 1 StPO vorgebrachte Argumentation, das Erstgericht habe den Milderungsgrund der Unbescholtenheit „schlechtargumentiert“, ist lediglich ein Berufungsvorbringen (RIS-Justiz RS0099911 ua).

[8] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).

[9] Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

[10] Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO bleibt anzumerken, dass der in § 61 zweiter Satz StGB angeordnete Günstigkeitsvergleich für jede Tat (im materiellen Sinn) gesondert vorzunehmen ist (RIS-Justiz RS0089011). Das Ergebnis dieser Prüfung ist entweder, dass – streng fallbezogen in einer konkreten Gesamtschau der möglichen Unrechtsfolgen (RIS-Justiz RS0119085 [insbesondere T1] – die Strafgesetze zur Tatzeit günstiger oder jene zum Urteilszeitpunkt zumindest gleichgünstig für den Täter sind (RIS‑Justiz RS0112939; zur Auslegung des Begriffs „Strafgesetze“ in § 61 StGB Ratz, WK‑StPO § 288 Rz 36). Je nachdem ist die Subsumtion (§ 260 Abs 1 Z 2 StPO) der einzelnen Tat – in vollem Umfang (RIS‑Justiz RS0091798) – entweder nach den Tatzeit- oder nach den Urteilszeitgesetzen vorzunehmen. Eine Mischung der verschiedenen Rechtsschichten ist insoweit unzulässig (RIS‑Justiz RS0119085 [T4, T5] und RS0088953).

[11] Jedenfalls verfehlt ist demnach die Annahme von Idealkonkurrenz mehrerer strafbarer Handlungen teils nach Tatzeit-, teils nach (von diesem abweichendem) Urteilszeitrecht.

[12] Soweit hier von Interesse sind – zum einen – Taten vom Schuldspruch A./I./ (§ 206 Abs 1 bzw § 206 Abs 1, Abs 3 StGB), A./III./ (§ 201 StGB) und A./IV./ (§ 212 Abs 1 StGB) umfasst.

[13] § 206 Abs 1 StGB (Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren) blieb im fraglichen Zeitraum zur Gänze und § 206 Abs 3 StGB im hier relevanten Umfang (Abs 3 erster Fall: Freiheitsstrafe von fünf bis zu 15 Jahren) unverändert. Der (nach den Feststellungen ebenfalls verwirklichte) Grundtatbestand des § 201 StGB sah zur Tatzeit (§ 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15) eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, zum Urteilszeitpunkt (§ 201 Abs 1 StGB idgF) aber eine solche von zwei bis zu zehn Jahren vor. Darüber hinaus erfüllen diese Taten – nach dem Urteilssachverhalt – die Tatbestandselemente sowohl des § 212 Abs 1 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung (BGBl I 2006/56) als auch des § 212 Abs 1 Z 1 StGB idgF, welche beiden Strafsätze jeweils eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren androhen.

[14] Hiervon ausgehend sind, soweit § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB (Schuldspruch A./I./) – einmal – begründet wird, die Urteilszeitgesetze in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung (vgl § 28 StGB) nicht ungünstiger als das Tatzeitrecht. Im Übrigen, nämlich soweit § 206 Abs 3 erster Fall StGB infolge materieller Subsidiarität (RIS-Justiz RS0120828 und RS0128224) nicht (nochmals) begründet wurde (US 46 f löst im Gegenstand die Unklarheit US 4 auf), erweisen sich jedoch die Tatzeitgesetze als günstiger. Betrug doch insoweit – bei gleichbleibender Höchststrafe – die jeweilige Mindeststrafe nicht (aus § 201 Abs 1 StGB idgF resultierend) zwei Jahre, sondern (aus § 201 Abs 1 StGB idF BGBl I 2004/15 und aus § 206 Abs 1 StGB resultierend) ein Jahr Freiheitsstrafe (zum Günstigkeitsvergleich hinsichtlich der [infolge Subsidiarität] bei bloß einer Tat angerechneten Erfolgsqualifikation [und damit echt ideal konkurrierender strafbarer Handlungen] einerseits und des damit – mehrere weitere Male – echt real konkurrierenden Grundtatbestands [sowie damit jeweils echt ideal konkurrierender strafbarer Handlungen] andererseits bei kumulativ kausalen Tatmehrheiten vgl 11 Os 12/21f [Rz 16], 11 Os 125/21y [Rz 9], 13 Os 9/22f [Rz 36]).

[15] Weiters sind – nach dem Urteilssachverhalt – auch Taten vom Schuldspruch A./II./ (§ 207 Abs 1 StGB), A./III./ (§ 202 Abs 1 StGB) und A./IV./ (§ 212 Abs 1 StGB) umfasst.

[16] Der Strafsatz des – sonst unverändert gebliebenen – § 202 Abs 1 StGB, der mit BGBl I 2009/40 auf sechs Monate bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe angehoben wurde, betrug zur Tatzeit (BGBl I 2004/15) noch bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe. § 207 Abs 1 StGB, der sowohl während des Zeitraums, in dem die Taten begangen wurden (2007 bis 31. 5. 2009), als auch seither bis zum Urteilszeitpunkt unverändert blieb, normierte aber schon damals eine Strafdrohung von sechs Monaten bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe.

[17] Da gemäß § 28 StGB § 207 Abs 1 StGB den Ausschlag gibt, waren die betreffenden Taten zur Zeit ihrer Begehung mit gleich strenger Strafe bedroht wie zum Urteilszeitpunkt. Demzufolge sind die Tatzeitgesetze – in ihrer fallkonkreten Gesamtauswirkung – nicht günstiger als die Urteilszeitgesetze, sodass gemäß § 61 zweiter Satz StGB eben Letztere anzuwenden gewesen wären. Die Taten wären daher – neben § 207 Abs 1 StGB§ 202 Abs 1 StGB und § 212 Abs 1 Z 1 StGB je idgF zu unterstellen gewesen.

[18] Schließlich bleibt anzumerken, dass die Annahme eines Verbrechens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3, Abs 3a Z 3, Abs 4 StGB (Schuldspruch zu C./) zusätzlich zum Verbrechen der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, Abs 3, Abs 3a Z 1 [erster Fall] und Z 3, Abs 4 zweiter Fall StGB (Schuldspruch zu B./) verfehlt ist.

[19] Nach der Konzeption des § 107b StGB wird durch – ohne größere zeitliche Unterbrechung – fortgesetzte tatbestandliche Vorgangsweise (vgl § 107b Abs 2 StGB) gegen ein Opfer lediglich eine strafbare Handlung verwirklicht. Dies gilt auch bei Tathandlungen gegenüber einem – wie hier – zunächst unmündigen Opfer (Schuldspruch zu B./), welche vom Täter nach Erreichen der Mündigkeit der betroffenen Person fortgeführt werden (Schuldspruch zu C./). Für die Verwirklichung der Qualifikation nach § 107b Abs 3a Z 1 erster Fall, Abs 4 zweiter Fall StGB ist dabei maßgeblich, dass die mehrfachen tatbestandlichen Handlungen iSd § 107b Abs 2 StGB bereits vor Erreichen des 14. Lebensjahres des Opfers einer fortgesetzten, länger als ein Jahr ausgeübten Gewalt entsprechen (vgl 15 Os 1/22v Rz 19 f; RIS‑Justiz RS0129716; Schwaighofer in WK2 StGB § 107b Rz 38/2, 53).

[20] Nach dem festgestellten Sachverhalt (US 3, 8 ff) war dies hier der Fall. Abgesehen davon wird die Qualifikation nach § 107b Abs 4 zweiter Fall StGB vorliegend ohnehin schon dadurch erfüllt, dass nach dem Urteilssachverhalt auch die Gewalt „nach Abs 3“ länger als ein Jahr ausgeübt wurde. Jedenfalls erfüllen die weiteren Angriffe nach Erreichen der Mündigkeit des Opfers kein weiteres Verbrechen nach § 107b Abs 1, Abs 3a Z 3, Abs 4 zweiter Fall StGB. Vielmehr begründen alle vom Schuldspruch zu B./ und C./ umfassten Verhaltensweisen ein – einziges – solches Verbrechen nach § 107b Abs 1, Abs 3, Abs 3a Z 1 und 3, Abs 4 zweiter Fall StGB.

[21] Die aufgezeigten Subsumtionsfehler tangierten den angewendeten Strafrahmen jedoch nicht und wirken sich dementsprechend in concreto nicht zum Nachteil des Angeklagten aus (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 22 f). Das Berufungsgericht ist bei der Entscheidung über die Straffrage an den insoweit fehlerhaften Schuldspruch nicht gebunden (RIS-Justiz RS0118870).

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