OGH 6Ob193/21g

OGH6Ob193/21g22.6.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. C* W*, Rechtsanwalt, *, gegen die beklagten Parteien 1. M* K*, vertreten durch Dr. Lucas Lorenz, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2. S* R*, vertreten durch MMag. Nicolaus Niedrist, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 157.500 EUR sA (erstbeklagte Partei) und 52.500 EUR sA (zweitbeklagte Partei), über die außerordentliche Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. August 2021, GZ 1 R 45/21h‑46, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00193.21G.0622.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist Rechtsanwalt und macht Honoraransprüche für Leistungen für einen verstorbenen Klienten (in der Folge: Veräußerer) geltend. Die Beklagten sind die Geschwister und die bedingt eingeantworteten Erben des Veräußerers.

[2] Die Vorinstanzen gaben den Klagebegehren statt. Die dagegen gerichtete außerordentliche Revision (nur) der Zweitbeklagten zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf:

Rechtliche Beurteilung

[3] 1.1 Nach § 1371 ABGB sind alle der Natur des Pfand- und Darlehensvertrags entgegenstehende Bedingungen und Nebenverträge ungültig; dahin gehört insbesondere die Verabredung, dass nach der Verfallszeit der Schuldforderung das Pfandstück dem Gläubiger zufalle (sog „Verfallsklausel“). Schutzzweck ist es, den Schuldner vor dem Verlust des ganzen, meist wertvolleren Pfandes zu bewahren, den er beim Abschluss des Vertrags zu vermeiden hoffte (6 Ob 183/05p). Verfallsklauseln sind auch bei anderen Sicherungsgeschäften (Sicherungsübereignung, Sicherungsabtretung oder Einräumung einer Verkaufsvollmacht zur Sicherstellung einer Darlehensrückzahlung) analog § 1371 ABGB unzulässig. Das Verbot ist auch auf nicht dinglich gesicherte Gläubiger analog anzuwenden (6 Ob 183/05p).

[4] 1.2 Im vorliegenden Fall wollte der Veräußerer seine landwirtschaftliche Liegenschaft verwerten. Der Kläger erhob, welche Möglichkeiten dafür und in der Folge für eine Entwicklung der Liegenschaft durch einen Erwerber bestünden, akquirierte Interessenten und errichtete eine in der Folge von der Erwerberin und dem Veräußerer unterfertigte Vertragskonstruktion, um so den einem Eigentumserwerb entgegenstehenden Umständen (unter anderem war die Erwerberin bei Vertragsabschluss keine Landwirtin) zu begegnen. Im Wesentlichen zahlte danach die Erwerberin dem Veräußerer 4 Mio EUR als unverzinsliches Darlehen und erhielt die Liegenschaft übergeben, dazu eine unwiderrufliche Verkaufsvollmacht betreffend die Liegenschaft sowie eine Vollmacht des Veräußerer zur Vertretung insbesondere vor Baubehörden. Mit Verkauf/Übereignung der Liegenschaft bzw Einbringung in eine Gesellschaft und Weiterveräußerung/Abtretung der Anteile an wen auch immer und Inkassieren des Kaufpreises in welcher Höhe auch immer durch die Erwerberin sollte das Darlehen als vollständig getilgt gelten und sich der Darlehensbetrag in einen entsprechenden Kaufpreis umwandeln.

[5] 1.3 Bei derartigen Umgehungsmodellen werden in der Rechtsprechung Vertragsketten als Einheit aufgefasst, die in ihrer Gesamtheit beurteilt werden (vgl 6 Ob 316/04w). Vergleichbare Darlehenskonstruktionen im Zusammenhang mit der Umgehung grundverkehrsrechtlicher Vorschriften wurden bereits als Kaufvereinbarung betrachtet (vgl 7 Ob 87/01x).

[6] 1.4 Auch hier gingen die Vertragsparteien davon aus, dass eine Rückzahlung des „Darlehensbetrags“ nicht stattfinden werde. Der Veräußerer wollte die Liegenschaft vielmehr endgültig aufgeben.

[7] 1.5 Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die hier vorliegende Vertragskonstruktion stelle keinen Darlehensvertrag dar, die Nichtigkeitssanktion des § 1371 ABGB greife somit nicht, ist nicht korrekturbedürftig.

[8] 2.1 Rechtsanwälte, die ihre Klienten in Ansehung des österreichischen Grundverkehrsrechts zum Abschluss von unerlaubten Umgehungsgeschäften raten oder an deren Zustandekommen, etwa durch Verfassung von Verträgen, Vertragsentwürfen, sonstigen Urkunden udgl teilnehmen, wirken am Umgehungsgeschäft mit und haben keinen Entgeltanspruch für die dabei erbrachten Leistungen, weil ein verbotenes, weil gesetzwidriges Geschäft nicht Inhalt eines gültigen Bevollmächtigungsvertrags sein kann (RS0038780). Wer das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts behauptet, hat die Voraussetzungen hiefür zu beweisen (1 Ob 84/97b; RS0018177).

[9] 2.2 Jedoch ist nicht jedes Umgehungsgeschäft schon wegen der rechtswidrigen Umgehungsabsicht nichtig; es unterliegt nur der Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist. Ist dieses nur genehmigungsbedürftig, ist es in seiner rechtlichen Wirkung so lange in Schwebe, bis die Genehmigung erteilt oder versagt oder festgestellt wird, dass es dennoch keiner Genehmigung bedarf (RS0016469). Wollen Vertragsparteien die grundverkehrsbehördliche Genehmigung ihrer genehmigungspflichtigen Verträge gar nicht beantragen, weil sie davon ausgehen, dass die Genehmigung versagt werden würde, so sind die Verträge nicht in Schwebe, sondern von Anfang an nichtig (RS0016469 [T6, T10]).

[10] 2.3 In jüngerer Zeit wurde diese Rechtsprechung dahin präzisiert, dass ein Vertrag nicht schon deshalb nichtig ist, weil die Parteien aufgrund der rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses keine Genehmigung beantragen wollen. Beabsichtigen die Parteien bei einer Änderung der rechtlichen und/oder tatsächlichen Verhältnisse die Genehmigung des Vertrags zu beantragen, besteht weiterhin der durch die ausständige grundverkehrsbehördliche Genehmigung gegebene Schwebezustand (1 Ob 136/07t; 6 Ob 127/06d; RS0016469 [T11]).

[11] 2.4 Zwar wurde (auch) in solchen Fällen das Vorliegen eines Umgehungsgeschäfts, insbesondere dessen Genehmigungsbedürftigkeit, vom Prozessgericht geprüft. Im vorliegenden Fall ist aber ohnehin nicht strittig, dass eine Veräußerung der landwirtschaftlichen Liegenschaft im Zeitpunkt des Abschlusses der Verträge der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurfte, was im Übrigen auch vertraglich festgehalten worden war (Pkt 10. der „Darlehensvereinbarung“).

[12] 2.5 Die vom Kläger errichteten Verträge wurden der Grundverkehrsbehörde bisher nicht zur Genehmigung vorgelegt. Bereits das Berufungsgericht hat aber darauf hingewiesen, dass nach den Feststellungen die Erwerberin beabsichtigte, die Voraussetzungen zur Erlangung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Liegenschaftserwerbs zu schaffen, indem sie oder ihr Sohn die Ausbildung zum Landwirt absolvieren. Es gingen beide Vertragsparteien davon aus, dass die Liegenschaft zu einem späteren Zeitpunkt auch tatsächlich von der Erwerberin oder einem ihrer Familienmitglieder grundbücherlich erworben wird.

[13] 2.6 Die Ansicht des Berufungsgerichts, der Honoraranspruch des Klägers entfalle nicht schon wegen einer Mitwirkung an einer nichtigen Gesamtkonstruktion zur Umgehung grundverkehrsrechtlicher Bestimmungen, findet im Ergebnis Deckung in der erörterten Rechtsprechung.

[14] 3. Weshalb ein Erwerb der Liegenschaft durch die Erwerberin auch künftig nicht genehmigungsfähig gewesen wäre, sodass die vom Kläger gewählte Vertragskonstruktion immer zu einer Rückzahlung des dem Veräußerer bezahlten Geldbetrags geführt hätte, legt die Revision nicht dar. Mit ihren diesbezüglichen Ausführungen kann sie daher keine Wertlosigkeit der Leistungen des Klägers aufzeigen.

[15] 4.1 Nach § 16 Abs 1 RAO kann der Rechtsanwalt mit der Partei sein Honorar frei vereinbaren. Die Rangfolge der Rechtsgrundlagen für das Anwaltshonorar lautet 1. Parteienvereinbarung, 2. RATG und 3. angemessenes Entgelt nach § 1152 ABGB, wobei jede Rechtsgrundlage die nachfolgende ausschließt (RS0071999; vgl auch RS0038356).

[16] Auch die Vereinbarung eines Pauschalhonorars ist grundsätzlich zulässig (6 Ob 37/18m; vgl RS0114403). Das Wesen einer Pauschalvereinbarung besteht darin, dass das Honorar auch dann zu leisten ist, wenn sich der Aufwand später als größer oder kleiner herausstellt (5 Ob 176/21z [ErwGr II. 2.1]; vgl RS0022059). Bei einer Pauschalvereinbarung bedarf es zur Fälligkeit des Honorars auch keiner Rechnungslegung, weil die Höhe von vornherein feststeht. Es besteht auch keine Abrechnungspflicht des Rechtsanwalts gegenüber dem eigenen Mandanten (6Ob37/18m [ErwGr 3.2]).

[17] 4.2 Gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Pauschalhonorarvereinbarung des Klägers mit dem Veräußerer sei im vorliegenden Fall als Vergleich zu werten, wendet sich die Revision nicht. Bei solchen Vergleichen wurde in der Rechtsprechung eine Korrektur lediglich in Form einer Irrtumsanfechtung (vgl 1 Ob 220/08x) oder einer Sittenwidrigkeitskontrolle nach § 879 ABGB (vgl 5 Ob 176/21z) vorgenommen.

[18] Die Beurteilung des Berufungsgerichts, im vorliegenden Fall sei weder ein Irrtum des Veräußerers bei Abschluss der Honorarvereinbarung behauptet noch der Einwand der Sittenwidrigkeit erhoben worden, sodass die Angemessenheit des vereinbarten Honorars nicht zu prüfen sei, findet Deckung in der erörterten Rechtsprechung.

[19] 4.3 Ergänzend ist festzuhalten, dass nach ständiger Rechtsprechung für die Annahme der Sittenwidrigkeit iSd § 879 ABGB das Vorliegen einer Standeswidrigkeit nicht ausreicht (RS0038374); selbst die standeswidrige Vereinbarung eines zu hohen Honorars durch einen Rechtsanwalt ist nicht „automatisch“ sittenwidrig und muss die Nichtigkeit zur Folge haben (7 Ob 80/07a [Pauschalhonorarvereinbarung]; RS0038770). Es müsste vielmehr eine der zusätzlichen Voraussetzungen des § 879 ABGB vorliegen (8 Ob 367/62). Dies entspricht auch der herrschenden Ansicht in der Literatur (Vitek in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 16 Rz 2; Engelhart in Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek, RAO10 § 16 RL‑BA 2015 Rz 9; Krejci in Rummel/Lukas, ABGB4 § 879 ABGB Rz 58; Kutis, Honorarvereinbarung, AnwBl 2013, 702; Pilshofer, Grundlagen und Grenzen freier Honorarvereinbarungen im Anwaltsberuf [2011] 220 f).

[20] 4.4 Die in der Revision zitierte Entscheidung 4 Ob 89/00t, der Gegenteiliges entnommen werden könnte, ist vereinzelt geblieben und gibt keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen. Sie behandelt im Übrigen auch keine vergleichsweise Honorarvereinbarung. Die jeweils außerordentliche Revisionen zurückweisenden Entscheidungen 7 Ob 259/10d und 8 Ob 92/14h betrafen stundenabhängige Zeithonorare von Rechtsanwälten und sind daher nicht unmittelbar einschlägig. Auch der Entscheidung 8 Ob 92/14h istim Übrigen lediglich zu entnehmen, dass in Bezug auf den Zeitaufwand eine Angemessenheitskontrolle zulässig sei, weil der Zeitaufwand außerhalb der getroffenen Vereinbarung des Stundensatzes gelegen sei (ErwGr 3.2 und 4).

[21] 4.5 Warum ohne Kontrolle der Angemessenheit einer Pauschalhonorarvereinbarung eine Umgehung der Rechtsprechung möglich sein sollte, dass kein Anspruch auf Entgelt gebühre, wenn der Mandant beweise, dass und aus welchen Gründen  die Leistung wertlos sei (vgl RS0116278), legt die Revision nicht nachvollziehbar dar.

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