OGH 7Ob259/10d

OGH7Ob259/10d30.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Dr. Roch und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden und widerbeklagten Partei F***** Rechtsanwälte GmbH, *****, gegen die beklagte und widerklagende Partei Mag. Wolfgang K*****, vertreten durch GKP Gabl Kogler Papesch Leitner Rechtsanwälte OG in Linz, wegen 63.833,25 EUR sA (Klage) und 15.000 EUR sA (Widerklage), über die außerordentliche Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. November 2010, GZ 15 R 64/10g-89, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Den Gegenstand des Revisionsverfahrens (im dritten Rechtsgang) bilden (nur mehr) die aus einer Stundensatzvereinbarung abgeleiteten, im Herbst 2000/Frühjahr 2001 angefallenen Honorarforderungen der Klägerin für zwei Causen, und zwar eine arbeitsrechtliche mit einem Streitwert von 3.000.000 ATS (siehe KB S 8) und einen Honorarstreit.

Dem Beklagten gelingt es aus folgenden Gründen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.

1. Eine Nichtigerklärung des Verfahrens „infolge Rechtsverweigerung“ der Vorinstanzen sieht die ZPO nicht vor. Der Vorwurf trifft auch inhaltlich angesichts des durchgeführten ausführlichen Beweisverfahrens und des Inhalts der umfangreichen Entscheidungen der Vorinstanzen nicht zu.

2. Auf den Vertrag des Rechtsanwalts mit seinem Klienten ist zunächst die RAO anzuwenden; hilfsweise gelten die Bestimmungen über den Bevollmächtigungsvertrag (RIS-Justiz RS0038703; RS0038942). § 16 Abs 1 RAO sieht (ebenso wie § 2 Abs 1 RATG) die Möglichkeit der freien Vereinbarung des Honorars für den Rechtsanwalt vor, gewährleistet also die Privatautonomie zwischen Klient und Rechtsanwalt. Die Rangfolge der Rechtsgrundlagen für das Anwaltshonorar lautet: 1. Parteienvereinbarung, 2. RATG und 3. angemessenes Entgelt nach § 1152 ABGB, wobei jede Rechtsgrundlage die nachfolgende ausschließt (RIS-Justiz RS0071999; RS0038356).

Als Kriterien der Angemessenheit der Anwaltsleistung gelten deren Umfang, deren Schwierigkeit und Komplexität, die Bedeutung der Angelegenheit für den Einzelnen, das Haftungsrisiko, die wirtschaftlichen Verhältnisse des Mandanten, aber auch die Erfahrung des Anwalts, der Grad seiner Spezialisierung etc (Thiele, Die Pauschalhonorarvereinbarung, AnwBl 2006, 431, Punkt V.). Zu beurteilen sind daher die jeweils konkreten Umstände des Einzelfalls, weshalb generalisierende Aussagen im Sinn von - der freien Vereinbarkeit widersprechenden - absoluten Grenzbeträgen nicht möglich sind. Bei der Prüfung der Angemessenheit des Anwaltshonorars stellt sich daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage.

Eine solche vermag der Beklagte durch eine Gegenüberstellung mit einem nach RATG errechneten Honoraranspruch schon deshalb nicht aufzuzeigen, weil er bei seiner Berechnung (siehe KB S 9 und 16) nur Schriftsätze und Tagsatzungen samt Einheitssatz berücksichtigt, ohne - trotz der zahlreichen (persönlichen und telefonischen) Besprechungen mit dem Beklagten - auf das Wahlrecht der Klägerin nach § 23 Abs 2 RATG Bedacht zu nehmen, die einzelnen Nebenleistungen zu verrechnen.

Im Übrigen vertrat die Klägerin den Beklagten in insgesamt 14 verschiedenen, zum Teil sehr komplexen arbeits- und gesellschaftsrechtlichen Angelegenheiten mit zum Teil sehr hohem Streitwert, sodass bei der Beurteilung des für alle Causen generell vereinbarten Stundensatzes nicht einzelne Verfahren isoliert betrachtet werden dürfen. Schließlich darf nicht außer Betracht bleiben, dass die Klägerin nicht nur mit üblichen Vertretungshandlungen vor Gericht beauftragt war, sondern der Beklagte von ihr auch umfangreiche (auch strategische) Beratung mit dem Ziel einer umfassenden vergleichsweisen Lösung in Anspruch nahm.

Eine allfällige Überschreitung von disziplinarrechtlichen Grenzen ist unerheblich, weil selbst die standeswidrige Vereinbarung eines zu hohen Honorars durch einen Rechtsanwalt allein für die Annahme der Sittenwidrigkeit oder Nichtigkeit im Sinn des § 879 ABGB nicht ausreicht (RIS-Justiz RS0038770; RS0038374).

In der Beurteilung der Vorinstanzen, der zwischen den Parteien vereinbarte Stundensatz sei angemessen, ist somit keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung zu erblicken (vgl Thiele, Anwaltskosten² [2007], 15 FN 90, der Beträge von 220 bis 400 EUR [= ca 3.027 bis 5.504 ATS] als durchaus angemessen erachtet).

3. Für Honorarvereinbarungen gelten die Verbote des Ansichlösens der Streitsache (§ 879 Abs 2 Z 2 erster Fall ABGB; § 16 Abs 1 RAO), der quota litis (§ 879 Abs 2 Z 2 zweiter Fall ABGB), des Wuchers (§ 879 Abs 2 Z 4 ABGB) und der laesio enormis (§ 934 ABGB). Der Beklagte kommt in der Revision nur auf den Wuchertatbestand zurück, ohne sich allerdings mit den Voraussetzungen dafür näher auseinanderzusetzen und darzulegen, warum dessen Verneinung durch das Berufungsgericht (im ersten Rechtsgang ON 77a) unzutreffend sein sollte. Dazu fehlt es also an einer gesetzmäßigen Ausführung der Rechtsrüge der Revision.

4. Schließlich rügt der Beklagte pauschal sekundäre Feststellungsmängel zu den verrechneten und zugesprochenen Einzelpositionen betreffend den dafür notwendigen Zeitaufwand und zur Frage ihrer Notwendigkeit zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung. Er unterlässt es aber aufzuzeigen, zu welchen der - zahlreichen, über etwa 25 Seiten beschriebenen - Positionen er Feststellungen vermisst, geschweige denn anzuführen, was zusätzlich festzustellen gewesen wäre; vielmehr beschränkt er sich auf einen pauschalen Vorwurf ohne jede Konkretisierung und vermag deshalb auch insoweit nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen (vgl RIS-Justiz RS0043644 [T6]; RS0043654 [T7]; RS0043650).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte