European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0030OB00218.21M.1222.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Parteien haben die Kosten des Revisionsrekursverfahrens jeweils selbst zu tragen.
Begründung:
[1] Mit Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. 3. 2020, GZ 19 Cg 58/19d‑18, wurde die Verpflichtete schuldig erkannt, die Behauptung/oder die Verbreitung der Äußerung, der Betreibende stehe im Visier der Justiz und er sei ein Fall für die Staatsanwaltschaft und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen (Pkt 1) und diese Äußerung binnen 14 Tagen gegenüber acht namentlich genannten Rechtsanwälten schriftlich als unwahr zu widerrufen (Pkt 2).
[2] Mit Beschluss vom 16. 4. 2021 bewilligte das Erstgericht dem Betreibenden wider die Verpflichtete zur Erwirkung des Pkt 2 des Exekutionstitels die Exekution gemäß § 354 EO, setzte der Verpflichteten zur Vornahme des schriftlichen Widerrufs eine Frist von vier Wochen und drohte ihr für den Fall der Säumnis eine Geldstrafe von 500 EUR an.
[3] Am 16. 6. 2021 stellte der Betreibende einen Vollzugsantrag. Die Verpflichtete habe am 19. 5. 2021 jeweils an die in Pkt 2 des Exekutionstitels genannten Rechtsanwälte eine Mitteilung per E‑Mail und per Einschreiben übermittelt, derzufolge sie „entsprechend dem Urteil des Handelsgerichts Wien zu 19 Cg 58/19d“ dem gerichtlichen Auftrag nachkomme und die (konkret angeführten) beanstandeten Äußerungen als unwahr widerrufe. Durch den Hinweis der Verpflichteten auf das dem Widerruf zugrunde liegende Urteil werde der Widerruf in einer Weise entwertet, dass nicht mehr von der Erfüllung der titelmäßigen Verpflichtung gesprochen werden könne.
[4] Das Erstgericht bewilligte den Vollzugsantrag, trug der Verpflichteten neuerlich die Vornahme des schriftlichen Widerrufs ohne Erwähnung der Verurteilung dazu auf und drohte der Verpflichteten erneut eine Geldstrafe von 500 EUR an. In einem Widerruf dürfe nicht erwähnt werden, dass eine Verurteilung dazu erfolgt sei, weil dies der Fiktion der Freiwilligkeit zuwiderlaufe. Von der Verhängung der angedrohten Geldstrafe sei abzusehen, weil ein Verschulden der Verpflichteten weder ersichtlich noch vom Betreibenden vorgebracht worden sei.
[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Verpflichteten Folge und wies den Vollzugsantrag ab. Dazu sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Der Oberste Gerichtshof habe in der Entscheidung SZ 50/111 lediglich ausgesprochen, dass eine Kenntlichmachung der Verurteilung zum Widerruf in der Veröffentlichung nicht geboten sei. Nach dem Gesetz sei eine Freiwilligkeit des Widerrufs nicht erforderlich; vielmehr genüge die Zurücknahme der beanstandeten Behauptung als unwahr. Durch die von der Verpflichteten gewählte Formulierung werde dem Widerruf weder der Widerrufscharakter genommen noch erfolge dessen Entwertung. Aus diesem Grund könne von einer mangelhaften Erfüllung der titelmäßigen Verpflichtung nicht gesprochen werden.
[6] Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Betreibenden, der auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.
[7] Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Verpflichtete, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.
[9] 1.1 Nach § 1330 Abs 2 Satz 2 ABGB können im Fall der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung unter anderem der Widerruf (gegenüber dritten Personen) und die Veröffentlichung desselben verlangt werden; dabei handelt es sich um selbständige Ansprüche (6 Ob 100/17z). Ein Widerruf dem Verletzten gegenüber, also eine bloße Ehrenerklärung, kommt allerdings nicht in Betracht, weil der Widerruf nicht dazu dient, dem Verletzten eine persönliche Genugtuung zu verschaffen (RS0031915; 6 Ob 258/03i).
[10] Widerruf bedeutet, dass eine Behauptung als unwahr zurückgenommen wird (RS0031908). Ziel des Widerrufs ist es, die durch die unwahre rufschädigende Tatsachenbehauptung entstandene abträgliche Meinung über den Verletzten nachträglich zu beseitigen und dadurch den vorherigen Zustand wiederherzustellen (RS0031936; 6 Ob 258/03i; vgl dazu auch 4 Ob 50/10x und 4 Ob 181/12i). Im Fall der Veröffentlichung des Widerrufs soll gegenüber der Öffentlichkeit auch dokumentiert werden, dass die gesetzte Handlung eine Unrechtshandlung war (6 Ob 258/03i).
[11] 1.2 Der Widerruf hat als subjektive Erklärung desjenigen zu geschehen, der die beanstandete Äußerung abgegeben hat (RS0004729). Er hat in zweifelsfreier, unbedingter Form zu erfolgen und muss in einem angemessenen Verhältnis zur Wirkung des Verstoßes stehen (RS0004655 [T4]; 6 Ob 211/97s). Es muss unzweifelhaft zum Ausdruck gebracht werden, dass die beanstandete Äußerung unwahr ist (RS0031908; RS0107663).
[12] Der Widerruf darf freilich nicht dadurch entwertet werden, dass ihn der Verletzer durch Zusätze wie zB eine Glosse oder Randbemerkung relativiert oder sonst entkräftet oder einschränkt und ihm dadurch den Widerrufscharakter nimmt (vgl RS0107892). In diesem Sinn darf beispielsweise nicht der Eindruck entstehen, der frühere Vorwurf könnte doch zutreffen, sei derzeit aber nur nicht beweisbar (vgl 6 Ob 221/00v).
[13] 2.1 Von der Veröffentlichung des Widerrufs ist die Urteilsveröffentlichung zu unterscheiden, die – anders als etwa in § 25 UWG (als bloßer Nebenanspruch zu einer Unterlassungspflicht; vgl 4 Ob 201/18f) – in § 1330 ABGB nicht vorgesehen ist (RS0031640; RS0004729; vgl auch 4 Ob 236/19p).
[14] 2.2 In der vom Betreibenden ins Treffen geführten Entscheidung zu 1 Ob 652/77, 1 Ob 653/77 SZ 50/111 verwies der Oberste Gerichtshof zunächst auf die Entscheidung zu 1 Ob 585/52 SZ 25/201, wonach der Widerruf als subjektive Erklärung des Verletzers zu geschehen habe, und hielt fest, dass diese Entscheidung in einem Fall erging, in dem der Widerruf einer Behauptung des Beklagten und daneben (zusätzlich) die Ermächtigung des Klägers zur Urteilsveröffentlichung begehrt worden war. Daran anknüpfend führte der Oberste Gerichtshof in SZ 50/111 aus: „Das ändert jedoch nichts daran, dass das Gesetz die Urteilsveröffentlichung in § 1330 Abs 2 ABGB überhaupt nicht erwähnt. Ein Bedürfnis, dem Leser des Widerrufs erkennbar zu machen, dass der Beklagte den Widerruf nicht freiwillig durchführt, sondern aufgrund eines gerichtlichen Urteils dazu gezwungen ist, besteht aber nicht. Im Gegenteil: Der äußere Schein, der Beklagte widerrufe freiwillig, ist für den geschädigten Kläger der viel wirksamere Schutz als die Erkennbarkeit des gerichtlichen Zwangs. Es mag allerdings sein, dass sich der Leser fragen könnte, warum der Widerruf zu einem so späten Zeitpunkt erfolge; daraus den Schluss ziehen zu müssen, auch die Veröffentlichung des gerichtlichen Urteils zuzulassen, ist aber nicht gerechtfertigt.“
[15] Diese Entscheidung betrifft somit das Verhältnis zwischen Veröffentlichung des Widerrufs und einer Urteilsveröffentlichung. Der Oberste Gerichtshof sprach dazu aus, dass neben der Verpflichtung zur Veröffentlichung des Widerrufs nicht auch noch auf Veröffentlichung des Urteils erkannt werden kann und sich aus § 1330 ABGB daher kein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung ableiten lässt (vgl auch 6 Ob 258/03i).
[16] 2.3 Besteht aufgrund einer anderen materiell‑rechtlichen Grundlage ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung, so kann demnach auf die Urteilsveröffentlichung grundsätzlich nur anstatt der Widerrufsveröffentlichung erkannt werden (4 Ob 73/94; vgl auch 4 Ob 135/90).
[17] 2.4 In der Entscheidung zu 6 Ob 258/03i (vgl auch 6 Ob 41/04d) bekräftigte der Oberste Gerichtshof im Einklang mit diesen Überlegungen das „Gebot zur Vermeidung einer Doppelveröffentlichung“. Das Rechtsschutzinteresse am öffentlichen Widerruf falle mit der Veröffentlichung eines wegen derselben Äußerung gefällten Urteils (hier nach § 34 MedienG) weg. Beide Veröffentlichungen dienten dem Ziel der Wiedergutmachung hinsichtlich des verletzten Rufes des Betroffenen im weit zu verstehenden Sinn des § 1323 ABGB. Sollten beide Veröffentlichungen im selben Medium erfolgen und damit an denselben Adressatenkreis gerichtet sein und hätten sie jeweils gleiche oder zumindest sinngemäß gleiche ehrenrührige Behauptungen zum Inhalt, so werde mit beiden Veröffentlichungsansprüchen dasselbe Ziel, nämlich bestmögliche Schadensgutmachung, angestrebt.
[18] 3.1 Zu der hier in Rede stehenden Problematik sind auch noch folgende Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs zu erwähnen:
[19] 3.2 In der schon genannten Entscheidung zu 1 Ob 585/52 SZ 25/201 nahm der Oberste Gerichtshof insbesondere zur Frage Stellung, ob die Widerrufserklärung eine höchstpersönliche Erklärung ist oder auch von der Verlassenschaft oder dem Erben des Verletzers abgegeben werden kann. Dazu führte der Oberste Gerichtshof unter anderem aus: „Maßgebend ist die Frage, ob der gerichtlich erzwungene Widerruf einer Erklärung sein Gewicht aus der subjektiven Glaubwürdigkeit des Widerrufenden erhält. Dies kann jedoch nicht der Fall sein, weil es sich um eine erzwungene Erklärung handelt, die vom Verurteilten auch abgegeben werden muss, selbst wenn er von der Richtigkeit des Widerrufs nicht überzeugt ist. Das Gewicht eines gerichtlich erzwungenen Widerrufs hat seine Grundlage also nicht in der Person des Widerrufenden, sondern in der Erkenntnis des Gerichts, das den Widerruf der Erklärung aufgetragen hat. Der Widerruf erfolgt zwar in der Form einer Erklärung der verpflichteten Person, ihr wahrer Wert liegt aber lediglich in der gerichtlichen Verurteilung zur Abgabe der Erklärung.“
[20] In der ebenfalls schon zitierten Entscheidung zu 6 Ob 258/03i (vgl auch 6 Ob 41/04d) beurteilte der Oberste Gerichtshof das Argument des Klägers als nicht überzeugend, dass die Veröffentlichung des Widerrufs von größerem Gewicht (als die Urteilsveröffentlichung nach § 34 MedienG) sei, zumal – so der dortige Kläger – gegenüber den Medienkonsumenten klar gestellt werde, dass der Äußernde selbst eine unrichtige Tatsachenbehauptung als unwahr zurücknehme, während in der Urteilsveröffentlichung bloß die autoritative Feststellung zum Ausdruck komme, dass der Medieninhaber ein Medieninhaltsdelikt begangen habe. Die Veröffentlichung eines Widerrufs besage nämlich keineswegs, dass der Widerrufende nun von der Unrichtigkeit seiner Behauptung überzeugt sei oder gar, dass er reumütig sein Fehlverhalten einbekenne und um die Wiederherstellung des guten Rufes des Verletzten bemüht sei. Es handle sich vielmehr um eine gerichtlich aufgetragene und angeordnete (erzwingbare) Erklärung, die vom dazu verurteilten Beklagen abgegeben werden müsse, selbst wenn er nach wie vor subjektiv der Ansicht sei, zu dieser Äußerung berechtigt gewesen zu sein. Der Widerruf erfolge zwar in der Form einer Erklärung des Verpflichteten, er beruhe aber auf einer gerichtlichen Verurteilung der Abgabe dieser Erklärung.
[21] 4.1 In der Literatur stimmt Ciresa (Handbuch der Urteilsveröffentlichung4 Rz 2.40) unter Hinweis auf SZ 50/111 zunächst der Judikatur darin zu, dass eine Kenntlichmachung der Verurteilung zum Widerruf in der Veröffentlichung (des Widerrufs) nicht geboten ist. Im Anschluss daran führt er aus, dass eine Kenntlichmachung der Verurteilung zum Widerruf nicht nur nicht geboten, sondern aufgrund der Unterschiede zur Urteilsveröffentlichung überhaupt unzulässig sei. Dazu verweist er auf das seiner Ansicht nach beachtliche Argument der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu AZ 12 R 227/95 MR 1996, 104, wonach eine Kenntlichmachung der Verurteilung der Fiktion der Freiwilligkeit zuwiderlaufe.
[22] Ähnlich führt Swoboda (Das Recht der Presse2 191 ff) ebenfalls unter Hinweis auf die angeführte Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien aus, dass im Widerruf nicht erwähnt werden dürfe, dass eine Verurteilung dazu erfolgt sei, weil dies der Fiktion der Freiwilligkeit zuwiderlaufe und dem Widerruf viel von seiner Effektivität nehmen würde.
[23] Gleiches vertritt Reischauer (in Rummel 3 § 1330 ABGB Rz 22), der dazu ebenfalls auf die erwähnte Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien und auf die Entscheidung SZ 50/111 verweist.
[24] 4.2 Demgegenüber führt G. Korn in seiner Anmerkung zur Entscheidung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien zu AZ 46 R 229/12k MR 2012, 287 aus, dass aus der Entscheidung SZ 50/111 für die vorliegende Problematik nichts zu gewinnen sei, weil der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung zur Frage der Kenntlichmachung der gerichtlichen Verurteilung zum Widerruf gar nicht Stellung genommen habe. Der Oberste Gerichtshof habe sich vielmehr ausschließlich mit dem Unterschied zwischen gerichtlich angeordneter Urteilsveröffentlichung, der die Kenntlichmachung der Verurteilung immanent sei, und der gerichtlichen Verpflichtung zum – auch öffentlichen – Widerruf befasst. Er habe lediglich ausgesprochen, dass eine Kenntlichmachung der Verurteilung zum Widerruf in der Veröffentlichung nicht geboten sei. Davon, dass eine Kenntlichmachung verboten wäre, sei in dieser Entscheidung nicht die Rede. Er (der Autor) sei auch vom Argument nicht überzeugt, dass der äußere Schein der Freiwilligkeit für den Betroffenen der wirksamere Schutz sei. Aus der Kenntlichmachung der Erfüllung einer gerichtlichen Verpflichtung werde dem Rezipienten zusätzlich zur inhaltlichen Information indirekt die Botschaft vermittelt, dass die Richtigkeit der Behauptung des Klägers geprüft und in einem Beweisverfahren die Unrichtigkeit der Behauptungen des Beklagten festgestellt worden sei. Dies sei wohl der wirksamere Schutz als der Schein der Freiwilligkeit. Die Kenntlichmachung der Verurteilung zur Veröffentlichung sei daher nicht verboten, sondern der Hinweis auf die urteilsmäßige Verpflichtung zulässig. Dieses Ergebnis stehe mit den auch hier heranzuziehenden Wertungen des Medienrechts im Einklang. Im medienrechtlichen Gegendarstellungsrecht bestehe im Fall einer gerichtlichen Veröffentlichungsanordnung keine Pflicht zur Offenlegung, dass die Veröffentlichung nicht freiwillig erfolge. Es sei aber völlig unstrittig, dass ein entsprechender Hinweis der Veröffentlichung nicht den Veröffentlichungswert iSd § 13 Abs 3 MedienG mit der Konsequenz nehme, dass dieser nicht formgerecht sei.
[25] 5.1 Der erkennende Senat hat dazu erwogen:
[26] Die in der Literatur vertretene Meinung, wonach eine Kenntlichmachung der Verurteilung wegen der Fiktion der Freiwilligkeit zum Widerruf unzulässig sei, stützt sich ausschließlich auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien zu AZ 12 R 227/95 MR 1996, 104, die sich in dieser Hinsicht wiederum nur auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs SZ 50/111 gründet. Diese höchstgerichtliche Entscheidung betrifft allerdings nur die Frage, ob auf der Grundlage des § 1330 Abs 2 ABGB neben dem Anspruch auf Veröffentlichung des Widerrufs zusätzlich auch ein Anspruch auf Urteilsveröffentlichung besteht, was der Oberste Gerichtshof verneinte. Sie bezieht sich somit – worauf auch G. Korn zutreffend hinweist – nur auf das Verhältnis zwischen der Veröffentlichung des Widerrufs nach § 1330 ABGB und der (auf anderer Rechtsgrundlage beruhenden) Urteilsveröffentlichung. Soweit in der Begründung in der in Rede stehenden Entscheidung allgemein auf die Kenntlichmachung der Verurteilung zum Widerruf Bezug genommen wird, ist zunächst nur davon die Rede, dass ein Bedürfnis dazu nicht bestehe. Mit der Wendung „im Gegenteil, der äußere Schein der Freiwilligkeit ist für den Kläger der wirksamere Schutz“ wird das verneinte Bedürfnis bekräftigt. Ein Verbot der Kenntlichmachung der Verurteilung zum Widerruf lässt sich daraus aber noch nicht ableiten. Die in Rede stehende Entscheidung ist damit keine ausreichende Belegstelle für das vom Betreibenden gewünschte Ergebnis.
[27] Warum der äußere Schein der Freiwilligkeit des Widerrufs für den Kläger einen wirksameren Schutz bieten soll, wurde in der in Rede stehenden Entscheidung nicht näher begründet. In der Entscheidung zu 6 Ob 258/03i (vgl auch 6 Ob 41/04d) hat der Oberste Gerichtshof das Argument des dortigen Klägers, dass die Rücknahme der unwahren Behauptung durch den Äußernden selbst – also nach dem Schein der Freiwilligkeit – besonderes Gewicht zukomme, sogar abgelehnt und darauf hingewiesen, dass der Widerruf zwar in der Form einer Erklärung des Verpflichteten erfolge, es aber eine gerichtlich aufgetragene Erklärung sei und diese keineswegs besage, dass der Widerrufende nun von der Unrichtigkeit seiner Behauptung überzeugt sei.
[28] 5.2 Aus diesen Überlegungen kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass die Freiwilligkeit kein zwingendes Element des Widerrufs ist und der Widerruf seine Grundlage ausschließlich in der gerichtlichen Entscheidung dazu findet. Dies rechtfertigt den weiteren Schluss, dass der Hinweis auf die gerichtliche Entscheidung als Grundlage für die Widerrufserklärung nicht schädlich ist.
[29] 5.3 Für dieses Ergebnis spricht – entgegen den Überlegungen von Ciresa – weiters, dass es einen Gleichklang zwischen der Veröffentlichung des Widerrufs und einer Urteilsveröffentlichung bewirkt.
[30] Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (vgl RS0121963; 4 Ob 199/19x; 4 Ob 33/21p). Auch die Veröffentlichung des Widerrufs informiert die Öffentlichkeit über die Unrechtshandlung des Äußernden (6 Ob 258/03i). Der Widerruf kann etwa dann in einem Medium veröffentlicht werden, wenn dies zur Sicherstellung eines vergleichbaren Veröffentlichungswerts geboten ist, weil die beanstandete Äußerung öffentlich erfolgte. In einem solchen Fall, in dem die Veröffentlichung des Widerrufs der Mitwirkung eines Dritten (zB eines Medieninhabers) bedarf, ist die Verpflichtung dazu nach § 353 EO zu vollziehen (RS0004729).
[31] Die Zielrichtung dieser beiden (unterschiedlichen) Ansprüche besteht demnach in der Information des betroffenen Personenkreises über die erfolgte Rechtsverletzung des Beklagten. Die Beurteilung in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass sich aufgrund des Gebots zur Vermeidung einer Doppelveröffentlichung beide Ansprüche grundsätzlich gegenseitig ausschließen, kann nur bei Annahme eines – von der Rechtsprechung auch bejahten – identen Rechtsschutzinteresses gerechtfertigt sein. Der Urteilsveröffentlichung ist der Hinweis auf die erfolgte Verurteilung in Ansehung des Hauptanspruchs (zB Unterlassung) immanent. Bei Annahme eines identen Rechtsschutzbedürfnisses ist ein sachlicher Grund für die Unzulässigkeit eines Hinweises auf die Verurteilung im Fall der Veröffentlichung des Widerrufs nicht erkennbar.
[32] 6.1 Als Ergebnis ist somit festzuhalten:
[33] Der Widerruf einer unwahren rufschädigenden Tatsachenbehauptung nach § 1330 Abs 2 ABGB ist vom Verletzer selbst zu erklären. Die Freiwilligkeit der Erklärung ist aber kein Element des Widerrufs, weshalb ein Hinweis auf die gerichtliche Entscheidung als Grundlage für die Widerrufserklärung nicht schädlich ist. Eine Kenntlichmachung der Verurteilung zum Widerruf ist damit zulässig. Der Widerruf darf aber nicht dadurch entwertet werden, dass ihn der Verletzer durch Zusätze, wie etwa eine Glosse oder Randbemerkung relativiert oder sonst einschränkt oder entkräftet und ihm dadurch den Widerrufscharakter nimmt.
[34] 6.2 Die von der Verpflichteten am 19. 5. 2021 abgegebenen Widerrufserklärungen enthalten einen zulässigen und den Widerruf nicht entwertenden Hinweis auf die Verurteilung zum Widerruf. Damit ist sie ihrer titelmäßigen Verpflichtung nachgekommen, weshalb das Rekursgericht den Vollzugsantrag des Betreibenden zu Recht abgewiesen hat. Dem Revisionsrekurs des Betreibenden war daher der Erfolg zu versagen.
[35] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO iVm §§ 40 und 50 ZPO. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen ist das Exekutionsverfahren einseitig und die Revisionsrekursbeantwortung daher nicht zu honorieren (§ 65 EO; vgl RS0118686 [T12]).
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