OGH 6Ob100/17z

OGH6Ob100/17z7.7.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. H***** P*****, vertreten durch Dr. Maria Windhager, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. K***** Gesellschaft mbH & Co KG, 2. M***** J*****, beide *****, vertreten durch Gheneff‑Rami‑Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Widerrufs (Streitwert 500 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 500 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. März 2017, GZ 5 R 29/17x‑18, mit dem das Urteil des Handelgerichts Wien vom 13. Jänner 2017, GZ 18 Cg 19/16g‑14, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

I. den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0060OB00100.17Z.0707.000

 

Spruch:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Erstbeklagte richtet, zurückgewiesen.

 

II. Im Übrigen zu Recht erkannt:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

 

III. Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit 368,95 EUR (darin 61,49 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

I. Zur Erstbeklagten:

Der Kläger strebt mit seiner Revision eine Abänderung des Berufungsurteils dahin an, „dass dem Klagebegehren stattgegeben wird und die Beklagten schuldig erkannt werden, [ ihm ] die Verfahrenskosten aller Instanzen zu ersetzen“. Tatsächlich hat aber die Erstbeklagte bereits das in der Hauptsache nur gegenüber dem Zweitbeklagten stattgebende Ersturteil gar nicht angefochten, sodass sie auch nicht Partei des Berufungsverfahrens war. Dass das Berufungsgericht die Kostenentscheidung auch gegenüber der Erstbeklagten abänderte, vermag nichts daran zu ändern, dass diese nicht mehr Partei des Rechtsmittelverfahrens in der Hauptsache sein kann, abgesehen davon, dass der Kläger das allein noch revisionsgegenständliche Widerrufs‑ und Veröffentlichungsbegehren gegenüber der Erstbeklagten nicht erhoben hat.

II. Zum Zweitbeklagten:

Aufgrund des im Verfahren erster Instanz geschlossenen Teilvergleichs vom 23. 11. 2016 steht fest, dass die Beklagten die Behauptung und/oder deren Verbreitung zu unterlassen haben, der Kläger habe öffentlich behauptet, eine Durchsuchung von Häftlingen durch Justizwachebeamte, bei der Drogen und Waffen sichergestellt worden waren, kratze an der Menschenwürde der Gefangenen und/oder verletze deren Privatsphäre und/oder sei ein zelebriertes Demütigungsritual. Der Zweitbeklagte hatte als Kolumnist der Erstbeklagten in der „K***** Zeitung“ am 12. und am 24. 2. 2016 derartige Äußerungen getätigt.

Mit Schreiben vom 1. 4. 2016 verlangte der Kläger von der Redaktion der Zeitung die Veröffentlichung einer Gegendarstellung, woraufhin in deren Ausgabe vom 11. 4. 2016 neben einem Foto des Klägers folgende redaktionelle Richtigstellung veröffentlicht wurde:

 

RICHTIGSTELLUNG

Wir haben in unseren Ausgaben vom 12. 2. 2016 (Seite 24) und vom 24. 2. 2016 (Seite 16) in der Kolumne „Post von J*****“ berichtet, dass [ der Kläger ] im Zuge eines Interviews erklärt habe, dass eine Großrazzia in 27 Gefängnissen, bei der Drogen, Waffen und Handys sichergestellt wurden, an der Menschenwürde der Gefangenen kratze, eine Verletzung der Privatsphäre der Insassen darstelle und ein zelebriertes Demütigungsritual sei. Wir stellen dazu richtig, dass [ der Kläger ] nicht die Durchführung einer Razzia an sich derart bezeichnet hat, sondern vielmehr den Umstand, dass diese im Beisein von Journalisten und Fotografen durchgeführt wurde.

 

Darüber hinaus stellte der Kläger gemäß § 14 Abs 1 MedienG den Antrag, der Erstbeklagten die Veröffentlichung der außergerichtlich begehrten Gegendarstellung aufzutragen. Diesem Antrag gab das Landesgericht für Strafsachen Wien am 12. 5. 2016 Folge. Daraufhin veröffentlichte die Erstbeklagte in der Ausgabe der Zeitung vom 18. 5. 2016 auf Seite 22, illustriert mit einem Foto des Klägers, folgende Gegendarstellung:

 

GEGENDARSTELLUNG

Sie haben am 12. 2. 2016 auf S. 24 der periodischen Druckschrift „K***** Zeitung“ in der Kolumne „Post von J*****“ mit der Adressierung „Lieber H***** P***** [ der Kläger ]“ die Behauptung verbreitet, [ der Kläger ] habe einem Redakteur der „***** Nachrichten“ erklärt, eine Großrazzia in 27 Gefängnissen, bei der Drogen, Waffen und Handys sichergestellt wurden, „kratze an der Menschenwürde der Gefangenen“, stelle eine Verletzung der „Privatsphäre“ der Einsitzenden dar und sei ein „zelebriertes Demütigungsritual“. Weiters haben Sie am 24. 2. 2016 auf S. 16 der periodischen Druckschrift „K***** Zeitung“ in der Kolumne „Post von J*****“ mit der Adressierung „Unsäglicher H***** P*****“ erneut die Behauptungen verbreitet, [ der Kläger ] habe eine höchst erfolgreiche Razzia in diversen Hochsicherheitsgefängnissen als „Verletzung der Privatsphäre des Einsitzenden, als zelebriertes Demütigungsritual, das an der Menschenwürde der Gefangenen kratze“ bezeichnet.

Diese Behauptungen sind unrichtig bzw irreführend unvollständig: [ Der Kläger ] hat in einem Interview mit den „***** Nachrichten“ am 10. 2. 2016 nicht die Durchführung einer Razzia in Hochsicherheitsgefängnissen, bei der Drogen, Waffen und Handys sichergestellt wurden, kritisiert, sondern vielmehr den Umstand, dass die Razzia im Beisein von Journalisten und Fotografen durchgeführt wurde. Damit sei „aus einer Durchsuchung eine Medienshow“ gemacht worden, die er als „öffentlich zelebriertes Demütigungsritual“ kritisierte. Wörtlich hat er ausgeführt: „Wenn man aus einer Durchsuchung eine Medienshow macht, dann kratzt das an der Menschenwürde der Strafgefangenen. Auch sie haben eine Privatsphäre. Hier wurde aber das Signal gesendet, dass sie Menschen ohne Rechte sind.“

 

Das Berufungsgericht wies das allein gegen den Zweitbeklagten gerichtete Widerrufs‑ und Veröffentlichungsbegehren ab. Die redaktionelle Richtigstelllung nehme die unwahren Tatsachenbehauptungen unmissverständlich zurück. Die ordentliche Revision sei im Hinblick auf die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 221/00v zur Klarstellung zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof erachtet die tragende Begründung dessen Urteil für zutreffend und verweist den Kläger darauf (§ 510 Abs 3 ZPO).

1.  Nach § 1330 Abs 2 Satz 2 ABGB können im Fall der Verbreitung einer unwahren Tatsachenbehauptung auch der Widerruf und die Veröffentlichung desselben verlangt werden. Unter Widerruf ist dabei zu verstehen, dass eine Behauptung als unwahr zurückgenommen wird (RIS‑Justiz RS0031908). Sein offenkundiger Zweck liegt somit darin, die durch eine herabsetzende Äußerung bereits eingetretene Gefährdung nachträglich zu beseitigen oder bereits eingetretenen Schaden wiedergutzumachen (RIS‑Justiz RS0031936). Ziel des Widerrufs ist es, die durch die veröffentlichte unwahre Tatsachenbehauptung entstandene abträgliche Meinung über den Verletzten zu beseitigen (RIS‑Justiz RS0031936 [T1]) und gegenüber der Öffentlichkeit zu dokumentieren, dass die gesetzte Handlung eine Unrechtshandlung war (6 Ob 258/03i). Der Widerruf hat in zweifelsfreier, unbedingter Form zu erfolgen (6 Ob 211/97s) und muss jedenfalls in einem angemessenen Verhältnis zur Wirkung des Verstoßes stehen (RIS‑Justiz RS0004655 [T4]).

1.1.  Nach Reischauer (in Rummel , ABGB 3 [2004] § 1330 Rz 22) ist ein Widerrufsbegehren abzuweisen, wenn der Täter – ohne dass er dazu verurteilt worden wäre – von sich aus eine materiell‑rechtlich ausreichende Widerrufserklärung abgegeben und damit iSd § 1330 ABGB insoweit den vorigen Zustand wiederhergestellt und den einschlägigen Anspruch erfüllt hat. Im vorliegenden Fall haben die Beklagten sowohl in ihrer Richtigstellung als auch in ihrer Gegendarstellung klar darauf hingewiesen, dass die nunmehr laut Teilvergleich vom 23. 11. 2016 zu unterlassenden Behauptungen „unrichtig bzw irreführend unvollständig“ gewesen seien; darüber hinaus wurde richtiggestellt, welche Aussagen der Kläger tatsächlich getroffen hat. Mit dem Berufungsgericht ist deshalb in der hier vorliegenden Konstellation davon auszugehen, dass der Kläger mit Richtigstellung und Gegendarstellung gegenüber dem von ihm in diesem Verfahren angestrebten Widerruf insoweit mehr erreicht hat, als die Öffentlichkeit über seine tatsächlichen Aussagen vollständig informiert wurde; der Verletzte hat ja an sich keinen Anspruch auf Widerruf in der Form, dass den zurückgenommenen Tatsachenbehauptungen der vom Verletzten behauptete Sachverhalt als richtig gegenübergestellt wird (RIS‑Justiz RS0107663; ausführlich 6 Ob 2334/96w). Dass die inkriminierten Äußerungen des Zweitbeklagten unrichtig, also unwahr – dies ist der wesentliche Inhalt eines Widerrufs (RIS‑Justiz RS0031908) – waren, wurde dabei von den Beklagten deutlich offengelegt.

1.2.  Gegen diese Auffassung spricht auch nicht die in der Revision erwähnte Entscheidung 6 Ob 221/00v, wo zwar erwogen wurde, es sei zweifelhaft, ob eine redaktionelle Richtigstellung einen Widerruf ersetzen könne. Allerdings geht auch diese Entscheidung erkennbar davon aus, dass es maßgeblich auf den Inhalt der Richtigstellung ankommt: Im Anlassfall wurde die Richtigstellung nämlich schon deshalb nicht für ausreichend erachtet, weil sie aufgrund ihrer Formulierung vielmehr den Eindruck entstehen ließ, der frühere Vorwurf könnte doch zutreffen, er sei nur derzeit nicht beweisbar. Demgegenüber ist die Richtigstellung im hier vorliegenden Fall eindeutig dahingehend formuliert, dass die aufgestellte Behauptung als unwahr zurückgezogen wird.

1.3.  Nach der ebenfalls in der Revision erwähnten Entscheidung 6 Ob 295/97v folgt zwar aus dem Charakter des Widerrufs als Naturalrestitutionsanspruch, dass der Täter selbst die Naturalrestitution zu bewirken hat; folglich müsse sich der Verletzte nicht mit einer Ermächtigung zur Veröffentlichung des Widerrufs begnügen, er könne die Veröffentlichung durch den Beklagten selbst verlangen. Allerdings ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall ohnehin erfüllt, ergibt sich doch jedenfalls aus der Richtigstellung, dass beide Beklagte (arg: „wir“, wobei auch der Zweitbeklagte ausdrücklich genannt ist) richtig stellen, die Behauptungen des Zweitbeklagten somit widerrufen.

2.  Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Erstbeklagte hat in der Revisionsbeantwortung darauf hingewiesen, dass sie nicht Partei des Rechtsmittelverfahrens ist.

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