European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E133440
Spruch:
1. Die außerordentliche Revision wird, soweit sie von der erstklagenden Partei gegen die zweitbeklagte Partei erhoben wurde, als absolut unzulässig zurückgewiesen.
2. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Der Erstkläger ist ein Verein und alleiniger Gesellschafter der Zweitklägerin. Der Verein wurde im März 2017 als Plattform für Sammelklagen im Zusammenhang mit dem sogenannten „Dieselskandal“ gegründet. Die Zweitklägerin wurde Anfang März 2018 als reine Zweckgesellschaft zur Verrechnung mit ausländischen Prozessfinanzierern, Rechtsanwälten und anderen Dienstleistern gegründet. Die Parteienbezeichnung der Zweitklägerin wurde im Beschluss des Berufungsgerichts vom 27. September 2021 wegen Änderung ihres Firmenwortlauts wie im Kopf ersichtlich richtiggestellt.
[2] Der zweitbeklagte Rechtsanwalt ist Gründungsmitglied des klagenden Vereins und war auch dessen Rechnungsprüfer. Der Zweitbeklagte ist alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Erstbeklagten.
[3] Der Zweitbeklagte hatte die Idee, eine Domain mit dem Namen „dieselklage.at“ für das Projekt zur Sammlung von Klagen zu schaffen. Gleichzeitig arbeitete ein der Erstbeklagten nahestehendes Unternehmen an einer Applikation als Standardprodukt für die Verwaltung von Massenschäden. Die Streitteile trafen keine Vereinbarung, wem die Inhaberschaft der Domain zukommen soll. Die Kläger haben die Beklagten weder zur Suche oder Namensfindung einer Domain noch zur Registrierung der Domain beauftragt oder dafür ein Entgelt geleistet.
[4] Die Domain wurde im Jänner 2018 auf die Erstbeklagte registriert und von dieser den Klägern zur Verfügung gestellt, die dann ab März 2018 unter dieser Domain eine von den Beklagten erstellte Website betrieben. Die Kläger hatten aber nie Zugriff zum Hauptaccount der Domain. Die Domaingebühren wurden stets von der Erstbeklagten entrichtet. Die Aufgabenteilung zwischen der Zweitklägerin und der Erstbeklagten wurde im März 2018 in einer schriftlichen Vereinbarung geregelt. Diese Zusammenarbeit wurde von der Zweitklägerin im Dezember 2018 aufgekündigt.
[5] Die Domain wird seit März 2019 von der Erstbeklagten „geparkt“. Die Beklagten betreiben damit keine Website, derartiges ist auch nicht geplant.
[6] Die Kläger begehren – soweit für das drittinstanzliche Verfahren noch relevant – die Übertragung der Domain an sie. In ihrem Rechtsmittel stützen sie sich noch auf vertragliche Ansprüche auf Herausgabe der Domain.
[7] Das Erstgericht verwarf mit Beschluss die von den Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs (Spruchpunkt I) und wies die Klage mit Urteil ab (Spruchpunkt II).
[8] Aus Anlass der klägerischen Berufung wies das Berufungsgericht die Klage, soweit sie von der erstklagenden Partei gegen die zweitbeklagte Partei erhoben wurde, mit Beschluss zurück; gleichzeitig wurden das darauf bezogene Verfahren und das darüber ergangene Urteil als nichtig aufgehoben (Spruchpunkt I). Im Übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung mit Urteil nicht Folge (Spruchpunkt II).
[9] In ihrem gegen das Berufungsurteil erhobenen Rechtsmittel („Antrag gemäß § 508 Abs 1 ZPO; ordentliche Revision“), dass das Berufungsgericht mit seinem Rückleitungsbeschluss vom 27. September 2021 zutreffend als außerordentliche Revision qualifiziert hat, bekämpfen beide Kläger das Urteil (also den Spruchpunkt II der Entscheidung) hinsichtlich beider Beklagter. Die Rechtsmittelwerber streben die Abänderung des Urteils im klagsstattgebenden Sinn an.
Rechtliche Beurteilung
I. Zur außerordentlichen Revision der erstklagenden Partei gegen die zweitbeklagte Partei:
[10] Der Anspruch der erstklagenden Partei gegen die zweitbeklagte Partei ist nicht Gegenstand des angefochtenen Berufungsurteils. Vielmehr hat das Berufungsgericht die Klage durch seinen Beschluss (rechtskräftig) insoweit zurückgewiesen. Die Revision ist daher in diesem Umfang unzulässig (6 Ob 2401/96y; 10 ObS 178/00z).
II. Zum übrigen Teil der außerordentlichen Revision:
[11] Die Kläger zeigen im Übrigen in ihrem Rechtsmittel keine erheblichen Rechtsfragen auf.
[12] 1.1 Die Kläger machen eine Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO geltend, weil das Berufungsgericht die analoge Anwendung des § 30a MSchG mit Hinweis auf die Entscheidung des Erstgerichts gemäß § 500a ZPO abgelehnt habe.
[13] 1.2 Darauf kann die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht gestützt werden. Abgesehen davon, dass sich die Begründung des Berufungsgerichts nicht allein auf den Hinweis nach § 500a ZPO beschränkte, machen die klagenden Parteien nicht das Fehlen von Entscheidungsgründen geltend, sondern rügen nur den Umstand, dass das Berufungsgericht die Verneinung eines behaupteten Anspruchsgrundes nicht ausreichend begründet habe. Damit wird aber keine Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO geltend gemacht. Eine solche Nichtigkeit ist nämlich nur dann gegeben, wenn ein Widerspruch im Spruch selbst und ein Mangel der Gründe überhaupt, nicht aber, wenn eine mangelhafte Begründung vorliegt (RS0042133).
[14] 2. Die gerügte Mangelhaftigkeit im Zusammenhang mit der Erledigung eines Teils der Beweisrüge liegt nicht vor.
[15] 2.1 Das Berufungsgericht muss sich bei der Behandlung der Beweisrüge nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis auseinandersetzen (RS0042189; RS0043371 [T18]). Eine knapp gehaltene Begründung, die noch erkennen lässt, dass eine Überprüfung stattgefunden hat, genügt (RS0043371 [T4]).
[16] 2.2 Das Berufungsgericht vermisste hinsichtlich des vom Rechtsmittel hervorgehobenen Teils der Beweisrüge ausreichende Beweisergebnisse für die begehrte Ersatzfeststellung. Damit hat es den wesentlichen Argumenten der Beweisrüge eigene, logisch nachvollziehbare Überlegungen entgegengesetzt, was einer mängelfreien Erledigung der Beweisrüge entspricht (4 Ob 103/21g mwN). Im Übrigen verwies das Berufungsgericht auf die Argumente des Erstgerichts. Ob den Anforderungen des § 500a ZPO genügt wurde, ist eine Frage des Einzelfalls, die vom Obersten Gerichtshof nur bei einer (hier nicht vorliegenden) grob fehlerhaften Anwendung der dem Berufungsgericht eingeräumten Möglichkeit der Begründungserleichterung aufgegriffen werden kann (RS0123827).
[17] 3. Auch zur inhaltlichen Beurteilung des Klagsanspruchs wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt.
[18] 3.1 Die angefochtene Entscheidung ist stark vom Ergebnis der Vertragsauslegung geprägt. Die Auslegung eines Vertrags ist aber als Einzelfallentscheidung nur bei groben Auslegungsfehlern oder eklatanter Ermessensüberschreitung überprüfbar (vgl RS0044088). Nur wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde, ist die Frage der Auslegung eines Vertrags vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen (RS0042936).
[19] 3.2 Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass sich aus dem Wortlaut der schriftlichen Vereinbarung, der Verfahrensweise der Streitparteien mit der Domain (Registrierung, Websiteerstellung, Zurverfügungstellung) sowie aus der späteren Gründung der Zweitklägerin als reine Zweckgesellschaft eine Übertragung der Rechte an der Domain zu Gunsten der Revisionswerber nicht ableiten lässt, ist jedenfalls vertretbar.
[20] 3.3.1 Das Rechtsmittel qualifiziert die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, mit der dieses die Ansprüche der Zweitklägerin in Bezug auf die Domain verneint hat, als „krasse Fehlbeurteilung“, weil sich die Begründung darauf beschränkt habe, dass die Zweitklägerin erst nach der Registrierung der Domain gegründet worden sei.
[21] 3.3.2 Mit diesem aktenwidrigen Vorbringen blenden die klagenden Parteien Teile der zweitinstanzlichen Begründung aus. Das Berufungsgericht beschränkte sich nicht auf den Hinweis der zeitlichen Abfolge von der Registrierung der Domain und der nachfolgenden Gründung der Zweitklägerin, sondern verneinte etwa aus dem zwischen der Zweitklägerin und der Erstbeklagten abgeschlossenen Vertrag eine Verpflichtung der Erstbeklagten gegenüber der Zweitklägerin.
[22] 3.3.3 Der Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass auch im Übrigen keine Ansprüche der Zweitklägerin zu erkennen seien, die mit der Domain im Zusammenhang stünden, hält die Revision nur den lapidaren, abstrakten und allgemeinen Hinweis entgegen, dass Rechtsgeschäfte auch vor Gründung einer Gesellschaft für diese getätigt werden könnten. Es wird aber nicht näher ausgeführt, inwieweit sich aus dem Sachverhalt ein derartiges Rechtsgeschäft ableiten lässt. Eine Rechtsrüge ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, wenn sie sich darauf beschränkt, allgemein die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen rechtlichen Beurteilung zu behaupten, ohne dies zu konkretisieren (RS0043603 [T12]). Dabei muss die Rechtsrüge vom konkret festgestellten Sachverhalt ausgehen (RS0043603 [T8]). Da die Rechtsrüge hier diese Anforderungen nicht erfüllt, kann sie insoweit keiner weiteren Behandlung zugeführt werden und damit auch keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen.
[23] 3.4 Letzteres gelingt dem Rechtsmittel auch mit dem Hinweis auf die Entscheidung 4 Ob 47/08b, gewerbeverein.at, nicht.
[24] 3.4.1 Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass der dortige Beklagte auf werkvertraglicher Grundlage die Internetaktivitäten des Klägers betreute und dem Kläger auch unter dem Titel „Erstellen des Werbeauftritts www.gewerbeverein.at “ einen Pauschalbetrag verrechnete. Der Senat ging im Wege einer ergänzenden Vertragsauslegung davon aus, dass neben dem Erstellen der Inhalte auch die Übertragung der Domain geschuldet wird, wenn ein EDV-Dienstleister mit dem Erstellen eines Internetauftritts unter einer bestimmten Domain beauftragt wird, die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung für ihn registriert ist.
[25] 3.4.2 Im gegenständlichen Fall lässt sich aus den Feststellungen ein solches Auftrags-, oder Werkvertragsverhältnis zwischen den Parteien in Bezug auf die Domainerstellung nicht ableiten. In der abweisenden Entscheidung kann daher kein Widerspruch zur bisherigen Rechtsprechung gesehen werden.
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