European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:E131380
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger binnen 14 Tagen die mit 626,52 EUR (darin 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger begehrt 6.000 EUR sA. Die Beklagte habe am 21. 11. 2017 auftragsgemäß einen Wintercheck samt Wechsel der Sommerräder gegen die bei ihr auf Depot liegenden Winterräder am Fahrzeug des Klägers durchgeführt. Aufgrund einer nicht ordnungsgemäßen Montage habe sich am 11. 12. 2017 das linke Vorderrad nach einer Laufleistung von etwa 2.000 km plötzlich gelöst; das Fahrzeug sei sodann im Bereich des linken Vorderrades auf der Fahrbahn aufgeschlagen. In weiterer Folge sei das Fahrzeug zur Beklagten abgeschleppt worden. Die Reparaturkosten seien mit 6.000 EUR beziffert worden. Aufgrund beruflicher Erfordernisse habe der Kläger zunächst eine „Erstreparatur“ durch Erneuerung der linken vorderen Bremsscheibe und mangels baugleicher Felge auch durch Tausch sämtlicher Räder samt Felgen vornehmen lassen. Dafür habe der Kläger der Beklagten unter Vorbehalt der Rückforderung 1.909,67 EUR bezahlt.
[2] In der Folge habe der Kläger das Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 26. 10. 2018 schließlich um einen Kaufpreis von 14.800 EUR (19.000 EUR Zeitwert abzüglich 4.200 EUR Schadensbehebungskosten) verkauft.
[3] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren. Der geltend gemachte Schaden sei nicht auf ein Fehlverhalten der Beklagten zurückzuführen. Außerdem sei das Fahrzeug wertlos. Zum Zeitpunkt des Schadenseintritts habe es seine technische Lebensdauer bereits erreicht gehabt und sei nur noch als Ersatzteillager zu gebrauchen gewesen. Auch sei es aufgrund massiver Mängel und einer negativen Begutachtung gemäß § 57a KFG nicht mehr zum Verkehr zugelassen.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei traf es im Wesentlichen folgende Feststellungen:
[5] Der Kläger war Eigentümer eines Mercedes‑Benz GL 420 CDI 4Matic, welchen er seit dem Jahr 2008 stets bei der beklagten Partei warten ließ. Am 14. 6. 2017 wurde bei der Beklagten wiederum eine positive Begutachtung nach § 57a KFG durchgeführt. Am 21. 11. 2017 führte die Beklagte einen Wintercheck durch und wechselte auch die Räder. Zu diesem Zeitpunkt hat das Fahrzeug eine Laufleistung von 365.569 km erreicht.
[6] Nach diesem Radwechsel legte der Kläger mit seinem Fahrzeug zunächst ca 2.000 km ohne Probleme zurück. Am 11. 12. 2017 löste sich das linke Vorderrad vom Fahrzeug. Die Ursache für das Ablösen des linken Vorderrads konnte nicht festgestellt werden. Es kann sowohl eine Fehlleistung der Beklagten im Rahmen des Rädertauschs oder auch ein Sabotageakt Dritter vorgelegen haben.
[7] Der Kläger erteilte der Beklagten zunächst den Auftrag, das Fahrzeug wieder fahrbereit zu machen. Gegen Zahlung einer Rechnung über 1.909,67 EUR wurde dem Kläger das Fahrzeug wieder ausgefolgt.
[8] Eine neuerliche Überprüfung nach § 57a KFG am 3. 7. 2018 zeigte schwere Mängel, großteils Langzeitschäden, die bei der Beklagten nicht repariert wurden. Das Fahrzeug wurde am 31. 7. 2018 abgemeldet.
[9] Der Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs unter Berücksichtigung dieser Mängel hätte zum 11. 12. 2017 (Unfalltag) 4.000 EUR betragen; unter Außerachtlassung dieser Mängel hätte bestenfalls ein Kaufpreis von 14.000 EUR erzielt werden können.
[10] Tatsächlich verkaufte der Kläger das Fahrzeug aber am 26. 10. 2018 zu einem deutlich höheren Kaufpreis. Er hatte mit dem Käufer einen Kaufpreis von 19.000 EUR vereinbart, wobei die Vertragsparteien von diesem Kaufpreis einvernehmlich 4.200 EUR abzogen. Damit sollten die voraussichtlich aufgrund des Schadens vom 11. 12. 2017 anfallenden Reparaturkosten abgedeckt werden. Die Instandsetzung des bislang noch nicht behobenen Schadens, welcher durch das Ablösen des linken Vorderrads entstand, kostet zumindest 4.200 EUR.
[11] Ausgehend von diesen Feststellungen wies das Erstgericht das Klagebegehren ab. Der Kläger habe keinen Vermögensschaden erlitten. Selbst unter außer Achtlassung der im Ansatz bereits zum 11. 12. 2017 vorliegenden schweren Mängel habe das Fahrzeug nur noch einen objektiven Wert von 14.000 EUR repräsentiert. Der tatsächlich erzielte Verkaufserlös übersteige diesen Wert bei weitem, sodass kein Vermögensnachteil erkennbar sei.
[12] Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil im klagsstattgebenden Sinn ab. Wenn die Vermutung im Raum stehe, dass die Radschrauben bei der Beklagten nicht ordnungsgemäß angezogen wurden, verstehe sich das Verschulden der Beklagten geradezu von selbst. Ein besonders qualifiziertes Verschulden werde bei Anwendung des § 933a ABGB nicht verlangt. Nach § 1298 ABGB hätte die Beklagte beweisen müssen, dass sie kein Verschulden treffe, was ihr nicht gelungen sei.
[13] Das Erstgericht habe festgestellt, dass sowohl ein Fehler bei der Beklagten als auch ein Sabotageakt vorgelegen haben könnten. Genau für diesen Fall greife die Vermutungsfrist des § 924 ABGB. Der Mangel sei am 11. 12. 2017 vorgelegen; die Arbeiten der Beklagten hätten am 21. 11. 2017 stattgefunden. Damit sei keinesfalls ausgeschlossen, dass in der Werkstatt der Beklagten ein Fehler unterlaufen sei. Somit werde vermutet, dass die mangelhafte Befestigung des Rads bereits am 21. 11. 2017 vorgelegen sei.
[14] Weil der Kläger um 4.200 EUR bei der Veräußerung mehr für sein Fahrzeug erzielen hätte können, lige ein entgangener Gewinn vor, der nach § 933a ABGB gleichfalls zu ersetzen sei.
[15] Nachträglich ließ das Berufungsgericht die Revision mit der Begründung zu, die Frage, wieweit die Vermutung des § 924 ABGB im Werkvertragsrecht reiche, sei von allgemeiner, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung.
[16] Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
Rechtliche Beurteilung
[17] Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.
[18] 1. Nach § 933a Abs 1 ABGB kann, wenn der Übergeber den Mangel verschuldet hat, der Übernehmer auch Schadenersatz fordern. Dass von einem Mangel auszugehen ist, kann sich auch bloß aus der Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB ergeben (2 Ob 95/06v; Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek ABGB4 § 1167 Rz 41; P. Bydlinski in KBB6 § 933a ABGB Rz 2; Reischauer, Das neue Gewährleistungsrecht und seine schadenersatzrechtlichen Folgen, JBl 2002, 137 [160]). Die Vermutung erfasst auch Ansprüche wegen Mangelfolgeschäden (2 Ob 95/06v; P. Bydlinski aaO). Dem Übernehmer obliegt jedoch der Beweis dafür, dass der (zu vermutende) Mangel für den Folgeschaden kausal war (Augenhofer, JBl 2007, 772; P. Bydlinski aaO).
[19] 2.1. Nach § 924 ABGB leistet der Übergeber Gewähr für Mängel, die bei der Übergabe vorhanden sind. Dies wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet, wenn der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe hervorkommt. Die Vermutung tritt jedoch nicht ein, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist.
[20] 2.2. Damit wird Art 5 Abs 3 der Verbrauchsgüterkauf‑Richtlinie umgesetzt, die von „offenbar werden“ spricht. Der EuGH (Rs C‑497/13 , Faber, ECLI:EU:C:2015:357) hat ausgesprochen, dass diese Vermutung auch dann eingreift, wenn der gekaufte Gebrauchtwagen etwa vier Monate nach Übergabe aus ungeklärter Ursache während der Fahrt Feuer fängt und ausbrennt.
[21] 2.3. § 924 ABGB ist auch auf Werkverträge anzuwenden (Schwangler, JBl 2016, 301; P. Bydlinski aaO § 924 Rz 2). Bei einer Werkleistung im Sinne des Werkvertragsrechts ist ein „Mangel“ im Sinne des § 922 ABGB das Abweichen des Geleisteten vom Geschuldeten, das sich nach der vertraglichen Leistungsbeschreibung bestimmt (Rebhahn/Kietaibl in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1167 Rz 20).
[22] 2.4. Die Beweislast für den vom Vertrag abweichenden Zustand der Sache wird dem Übernehmer nicht abgenommen (P. Bydlinksi aaO § 924 Rz 3). P. Bydlinski (aaO) weist auch darauf hin, dass die Formulierung „Beweislast für das Vorliegen eines Mangels“ unexakt ist; es geht um den vom Vertrag abweichenden Zustand der Sache. Dem Übernehmer, der sich auf die Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB berufen will, obliegt es bloß, die (nunmehrige) Vertragswidrigkeit („Mangelhaftigkeit“) der Sache und das Hervorkommen dieses Zustands innerhalb der Sechsmonatsfrist zu beweisen (vgl ErläutRV 422 BlgNR 21. GP 14; RS0124354 [T6]; 6 Ob 123/15d). Exakt formuliert P. Bydlinski (aaO § 924 Rz 3), der Übernehmer müsse einen Zustand der Sache innerhalb der sechs Monate nach Übergabe nachweisen, der einen Mangel darstellen würde, wenn er bei Übergabe vorhanden gewesen wäre.
[23] 2.5. Nach Wortlaut und Zweck des § 924 Satz 2 ABGB reicht es jedenfalls aus, wenn der Übernehmer beweist, dass sich die Leistung nunmehr in einem Zustand befindet, der Mangelhaftigkeit bedeutete, wenn er schon bei Leistungserbringung vorgelegen wäre (Leitner, ÖJZ 2009, 476; P. Bydlinski aaO § 924 Rz 3).
[24] 3.1. Der Werkvertrag umfasste im vorliegenden Fall die Verpflichtung der Beklagten, die Räder zu wechseln. Darunter ist auch die dauerhafte (betriebssichere, vgl 2 Ob 170/71 = SZ 45/75) Befestigung der neuen Räder zu verstehen. Dass die Ablösung eines Rads nicht dem werkvertraglich geschuldeten Erfolg entspricht, bedarf keiner weiteren Ausführungen. Damit greift aber im vorliegenden Fall – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – die Vermutung des § 924 ABGB. Dass für den (nunmehrigen) vertragswidrigen Zustand des Fahrzeugs auch eine andere Ursache in Betracht kommt, steht der Anwendung der Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB nicht entgegen. Vielmehr will diese Bestimmung gerade derartige Unsicherheiten erfassen.
[25] 3.2. Die bloß abstrakte Möglichkeit einer anderen Ursache für die Ablösung des Rads reicht weder für die Widerlegung der Vermutung nach § 924 Satz 2 ABGB aus, noch wird damit das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 924 Satz 3 ABGB, wonach die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar sein muss, dargetan.
[26] 3.3. Die Entscheidung 8 Ob 124/08f steht dem nicht entgegen. Bei dem dort zu beurteilenden Werkvertrag über die Wartung einer Heizungsanlage rechtfertigte allein die Tatsache, dass das vom Werkbesteller beigestellte Material nach dem Wartungsvorgang schadhaft wurde (in concreto: Haarriss einer weiterverwendeten Schraubenmutter), noch keine Vermutung mangelhafter Leistungserbringung (P. Bydlinski aaO § 924 Rz 3).
[27] 3.4. Auch der Umstand, dass der Kläger zwischen dem Reifenwechsel und dem Lösen des Rads 2.000 km gefahren ist, reicht hiezu nicht aus, kann doch erwartet werden, dass ein von einer Fachwerkstätte getauschtes Rad entsprechend dauerhaft befestigt ist. Auf die von der beklagten Partei vermissten Feststellungen zur durchschnittlichen Laufleistung eines „österreichischen Kraftfahrzeugs“ kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
[28] 3.5. Damit hat der Kläger den ihm obliegenden Beweis erbracht. Ein Beweis der Mangelhaftigkeit der Leistung des Übergebers wird vom Übernehmer nicht verlangt (P. Bydlinski aaO § 924 Rz 3), weil dann kein Platz mehr für die gesetzliche Vermutung des § 924 Satz 2 ABGB bliebe.
[29] 4.1. Damit sind Schadenersatzansprüche des Klägers denkbar. Der weite Schadensbegriff des ABGB umfasst jeden Zustand, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (RS0022537). Der Schädiger hat den Geschädigten grundsätzlich so zu stellen, wie er ohne schuldhaftes Verhalten gestellt wäre; der Schaden ist durch eine Differenzrechnung zu ermitteln, wobei zunächst der hypothetische heutige Vermögensstand ohne das schädigende Ereignis zu ermitteln und von diesem Betrag der heutige tatsächliche Vermögenswert abzuziehen ist (RS0000153). Somit sind zwei Situationen miteinander zu vergleichen: Die wirkliche, die durch das in Frage stehende Ereignis eingetreten ist, und diejenige, welche ohne dieses Ereignis bestanden hätte, somit eine gedachte hypothetische Lage. Ist die wirkliche Lage gegenüber der gedachten zum Nachteil des Betroffenen, liegt ein Schaden im Rechtssinne vor (RS0022477).
[30] 4.2. § 933a ABGB umfasst auch den Ersatz weiterer Nicht‑ oder Schlechterfüllungsschäden (vgl auch 2 Ob 99/18z zum Problem „neu für alt“ bei schadenersatzrechtlichem Anspruch auf Verbesserung). Dazu gehört auch der Entfall eines Weiterveräußerungsgewinns (P. Bydlinski in KBB6 § 933a Rz 8; 6 Ob 134/08m).
[31] 4.3. Der Umfang des Schadenersatzes nach § 933a ABGB hängt aber – wie sonst – vom Verschulden des Schädigers ab (§§ 1323 f ABGB). Daher ist volle Genugtuung (Ersatz des „Interesses“) nur bei grob schuldhaftem Verhalten des Schädigers zu ersetzen. Entgangener Gewinn ist daher auch bei § 933a ABGB bei leichter Fahrlässigkeit nicht ersatzfähig (Ofner in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 933a Rz 7 mwN).
[32] 5.1. Beim Vermögensschaden unterscheidet das ABGB zwischen positiven Schaden und entgangenem Gewinn. Bei leichter Fahrlässigkeit ist nur der positive Schaden zu ersetzen; der entgangene Gewinn gebührt nach §§ 1323 f ABGB erst ab grobem Verschulden (Karner in KBB6 § 1293 ABGB Rz 3). Mit diesem gegliederten Schadensbegriff berücksichtigt das Gesetz – wenn auch in schematischer Weise – die Schwere des Zurechnungsgrundes beim Umfang des Ersatzes (Koziol, Haftpflichtrecht I4 Rz A/51; Karner aaO mwN).
[33] 5.2. Positiver Schaden ist die Minderung eines schon vorhandenen Vermögensgutes, etwa die Zerstörung einer Sache, der Entzug eines Forderungsrechts oder das Entstehen einer Verbindlichkeit (Koziol aaO Rz B/1/48; Karner aaO § 1293 ABGB Rz 4; 8 Ob 33/87; 2 Ob 151/88) sowie ein Aufwand, den der Geschädigte aufgrund eines Schadensereignisses tätigen muss (Karner aaO § 1293 ABGB Rz 4 und 7). Aufwendungen zur Schadensbeseitigung sind positiver Schaden und daher schon bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen (Apathy, Aufwendungen zur Schadensbeseitigung 44 ff, 92 ff; Karner aaO § 1293 Rz 7).
[34] 5.3. Der Verlust einer Erwerbschance ist positiver Schaden, wenn der Geschädigte schon eine rechtlich gesicherte Position hat. Beispiele bilden ein Vertrag oder eine bindende Offerte (Karner aaO § 1293 Rz 5). Dem ist nach ständiger Rechtsprechung der Fall gleichzuhalten, dass der Gewinn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre (1 Ob 15/92; 1 Ob 20/94; 1 Ob 315/97y; kritisch Karner aaO § 1293 Rz 5 mwN).
[35] 5.4. Im vorliegenden Fall verfügte der Kläger im Zeitpunkt des Schadenseintritts noch nicht über eine gesicherte Erwerbsposition, wurde der Kaufvertrag doch erst nach dem Unfall abgeschlossen. In Anbetracht des Umstands, dass der vom Kläger nach seinen Angaben erzielte Kaufpreis deutlich über dem Verkehrswert liegt, kann auch keine Rede davon sein, dass dieser Weiterveräußerungsgewinn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eingetreten wäre.
[36] 5.5. Die Beweislastumkehr nach § 1298 ABGB betrifft aber nur die leichte Fahrlässigkeit. Grobes Verschulden hat hingegen der Geschädigte zu beweisen (Karner in KBB6 § 1298 Rz 5 mwN). Behauptet der Übernehmer somit das Vorliegen grober Fahrlässigkeit, so muss er dies selbst beweisen (Ofner in Schwimann/Kodek ABGB4 § 933a Rz 28).
[37] 5.6. Diesen Beweis hat der Kläger im vorliegenden Fall nicht erbracht, ist es doch nach den Feststellungen des Erstgerichts ebenso möglich, dass der Schaden nicht aufgrund eines Montagefehlers beim Reifenwechseln, sondern aufgrund eines Sabotageakts eintrat.
[38] 6.1. Allerdings beruft sich der Kläger auch auf die Kosten der Reparatur in Höhe von 4.200 EUR. Diese Reparatur wurde jedoch – im Gegensatz zur Notreparatur um rund 1.900 EUR – nicht durchgeführt.
[39] 6.2. Gerade zum – auch hier gegenständlichen – Ersatzanspruch nach § 933a ABGB hat der erkennende Senat in der Entscheidung 6 Ob 134/08m darauf hingewiesen, dass nach neuerer Rechtsprechung fiktive Schadensbehebungskosten nur bis zur Höhe der Minderung des gemeinen Werts der beschädigten Sache zu ersetzen sind, weil eine darüber hinausgehende Leistung eine den Aufgaben des Schadenersatzrechts widersprechende Bereicherung des Geschädigten auf Kosten des Schädigers bewirken würde (6 Ob 134/08w ErwGr 7 unter Berufung auf SZ 68/101 mwN; 1 Ob 331/98b). Werde der Mangel nicht behoben, so habe der Übernehmer nur Anspruch auf Ersatz der Wertminderung (unter Berufung auf EvBl 2001/156; Reischauer, Das neue Gewährleistungsrecht und seine schadenersatzrechtlichen Folgen, JBl 2002, 137 [163]) und des daraus resultierenden sonstigen Nichterfüllungsschadens. Hier sei etwa an den Fall zu denken, dass ein Schaden dadurch entsteht, dass sich die mangelhafte Sache nicht oder nur zu einem schlechteren Preis weiter veräußern ließ (Reischauer aaO 163).
[40] 6.3. Gerade eine derartige Konstellation liegt im vorliegenden Fall aber vor: Nach den Feststellungen der Vorinstanzen wurden die Reparaturkosten von 4.200 EUR vom Verkaufspreis abgezogen; ohne den Schaden hätte der Kläger das Fahrzeug um 19.000 EUR verkauft. Ob diese Feststellungen in Anbetracht des festgestellten Zeitwerts (unter Berücksichtigung der nicht vorfallskausalen „Langzeitschäden“) von nur 4.000 EUR zutreffend sind, ist vom Obersten Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist (RS0123663 uva), nicht zu überprüfen.
[41] 6.4. Damit wirkten sich die Reparaturkosten in voller Höhe auf den erzielten Weiterveräußerungserlös aus. Das Argument, dass den Zeitwert (Wiederbeschaffungswert) übersteigende Repaturkosten nicht zu ersetzen sind, weil dies unwirtschaftlich wäre, passt für die vorliegende Sonderkonstellation daher nicht. Aus diesem Grund besteht im vorliegenden Fall auch kein Anlass, auf die Frage einzugehen, ob diese Kosten auch unabhängig davon jedenfalls zu ersetzen wären, weil der positive Schaden bei Zerstörung eines Rechtsguts stets objektiv‑abstrakt berechnet werden kann (so Koziol, Haftpflichtrecht I4 Rz B/1/74 ff; Karnerin KBB6 § 1293 Rz 8) oder ob es sich dabei um eine bloße Berechnungshilfe (Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1323 Rz 3 f und § 1332 Rz 11 ff; Kodek, FS Danzl 117 ff) handelt.
[42] 6.5. Was die Kosten für die „Notreparatur“ in Höhe von 1.909,67 EUR anlangt, so wurden diese Kosten zur teilweisen Schadensbehebung tatsächlich aufgewendet. Diese „Notreparatur“ war auch evident Voraussetzung dafür, dass der Kläger sein Fahrzeug verkaufen konnte.
[43] 7. Darauf, dass der Kläger das Fahrzeug nach den Feststellungen der Vorinstanzen zu einem weit über dem Zeitwert liegenden Betrag veräußerte, hat sich die Beklagte im Verfahren erster Instanz nicht berufen. Die Vorteilsausgleichung hat aber nach ständiger Rechtsprechung nicht von Amts wegen, sondern nur über Einwendung des Schädigers zu erfolgen (RS0036710). Die diesbezüglichen Ausführungen in der Revision verstoßen daher gegen das Neuerungsverbot. Zudem ist der Beklagten entgegenzuhalten, dass der sehr hohe Verkaufserlös nicht direkte Folge der Beschädigung, sondern Ergebnis des „Verkaufsgeschicks“ des Klägers ist, sodass dieser nicht als aus dem Schadensereignis (unmittelbar) resultierender „Vorteil“ angesehen werden kann. Vielmehr wäre es dem Kläger freigestanden, sein Fahrzeug auch ohne den Unfall entsprechend günstig zu veräußern.
[44] 8. Damit erweist sich die Entscheidung des Berufungsgerichts als zutreffend, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.
[45] 9. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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