OGH 5Ob168/19w

OGH5Ob168/19w30.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. F*, 2. J*, beide vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei R*, vertreten durch Dr. Ewald Jenewein, Rechtsanwalt in Innsbruck, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei H* GmbH, *, vertreten durch Dr. Markus Heis, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (ausgedehnt) 1. Zahlung (1a. 154.806,74 EUR sA [Erstkläger], 1b. 142.590 EUR sA [Zweitkläger]), 2. Rente (Streitwerte 2a. 54.972 EUR [Erstkläger], 2b. 75.060 EUR [Zweitkläger]), 3. Feststellung (Streitwerte 3a. 50.000 EUR [Erstkläger], 3b. 10.000 EUR [Zweitkläger]), über die außerordentlichen Revisionen der Kläger, des Beklagten und der Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 2. August 2019, GZ 3 R 39/19p-111, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E127986

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen der Kläger, des Beklagten und der Nebenintervenientin auf Seiten des Beklagten werden gemäß § 508aAbs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502Abs 1ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der Erstkläger ist der Witwer der D*, der Zweitkläger ist deren beider Sohn. D* wurde am 28. 7. 2014 in Tirol von der Rinderherde des Beklagten attackiert und getötet.

In einem Nebental werden mehrere Almen und die dort betriebenen Gastwirtschaften durch eine geschotterte öffentliche Gemeindestraße mit einem Fahrverbot (ausgenommen Anrainer) erschlossen. Die Verkehrsfrequenz betrug im Jahr 2014 ca 80 Fahrzeuge pro Tag, wobei diese am Eingang des Tals am höchsten war und zum Talschluss hin abnahm. Auf der Straße verkehrt im Sommer ein Shuttlebus mit Haltestellen bei den einzelnen Almen; dieser fährt zu fixen Zeiten im Linienverkehr einmal morgens und einmal am Nachmittag. Zusätzlich können bei dem Taxiunternehmen, welches das Shuttleservice anbietet, Sonderfahrten zu jeder Tageszeit gebucht werden. Die Straße wird auch von Radfahrern (Mountainbikern) und Wanderern benützt. Sehr viele Wanderer fahren etwa mit der von der Nebenintervenientin betriebenen Panoramabahn auf den nahegelegenen Berg und gehen dann zu Fuß (das letzte Stück auf der Straße) ins Tal.

Im mittleren Teil des Tals befindet sich das Almgebiet des Beklagten. Die Straße führt etwa 2–3 km durch dieses ca 50 ha große Almgebiet. Der Beklagte führt seinen Betrieb seit dem Jahr 2002 als Mutterkuhbetrieb. Im Jahr 2014 bestand seine Herde aus Rindern der Rasse „Tiroler Grauvieh“; es waren neun Mutterkühe mit Kälbern und eine weitere trächtige Kuh. Als Mutterkühe werden weibliche Rinder verstanden, die ihre Kälber in den ersten ca zehn Lebensmonaten direkt, also ohne den Zwischenschritt des Melkens durch den Menschen, ernähren. Die Mutterkuhhaltung wird wegen der vergleichsweise geringen Arbeitsbelastung als Haltungsform gewählt.

Das Vieh des Beklagten konnte sich im gesamten Almgebiet grundsätzlich frei bewegen. Allerdings betrieb der Beklagte ein Weidemanagement, um Qualität und Quantität der angebotenen Weide möglichst hoch zu halten. Dazu errichtete er unterschiedlich lange, durch das Gelände verlaufende Elektrozäune. Im Jahr 2014 bestanden auch noch andere Abzäunungen, die dazu dienten, das Eindringen des Viehs anderer Bauern in das Weidegebiet des Beklagten zu verhindern, sowie dazu, ein Quellschutzgebiet sowie sogenannte „Bergmähder“ zu schützen.

Das Almgebiet des Beklagten liegt überwiegend in steilem, teils bewaldetem Gelände. In dem weitgehend flachen Bereich der Alm befinden sich die Wohn- und Stallgebäude des Beklagten und das (nicht vom Beklagten geführte) „Alpengasthaus“. In deren Nähe treffen einander verschiedene Wanderwege. Der Bereich um die Almgebäude und das Gasthaus ist der am stärksten von Wanderern, Radfahrern und Fahrzeugen frequentierte Bereich im Weidegebiet. Im Alpengasthaus halten sich an schönen Tagen jeweils gleichzeitig 50–100 Gäste auf. Der unmittelbare Bereich rund um das Gasthaus und den nahe liegenden Kinderspielplatz war (auch schon) im Jahr 2014 eingezäunt, damit das Vieh des Beklagten nicht in diesen Bereich eindringen konnte. In dem Bereich um die Almgebäude und die Gastwirtschaft hielt sich das Vieh des Beklagten am häufigsten im gesamten Almgebiet auf. Seit der tödlichen Attacke auf D* stellt der Beklagte auch in diesem Bereich entlang der Straße einen Elektrozaun auf. Für diese Abzäunung der Straße entlang der etwa 500 m langen Strecke von der Gastwirtschaft bis zu jenem Bereich, in welchem sich das Gelände wiederum versteilt, betragen die Materialkosten umgelegt auf das Jahr 218,80 EUR. An Arbeitszeit für den Aufbau dieses Zauns fallen höchstens zwei Arbeitstage an, der Abbau erfolgt binnen weniger Stunden. Durch das Aufstellen dieses Zauns wird der Weidebetrieb nicht beeinträchtigt.

Bei der Mutterkuhhaltung ist der Mutterinstinkt der Kühe deutlich stärker ausgeprägt als in der Milchviehhaltung. Mutterkühe reagieren vergleichsweise früh und intensiv, wenn sich Menschen und/oder Tiere deren Kälbern nähern. Auseinandersetzungen kommen insbesondere zwischen Hunden und Mutterkühen vor, weil Hunde aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Wölfen von Rindern als akute Bedrohung für ihre Jungtiere gesehen werden. Die instinktbedingte Aggression der Mutterkühe gilt also meist nicht dem Hundeführer, sondern dem Hund. Wird der Hund losgelassen, kann dieser üblicherweise flüchten und die Aufmerksamkeit der Mütterkühe bewegt sich meist vom Menschen weg. Wird der Hund nicht losgelassen oder versucht der Hundeführer, den Hund zu schützen, so richtet sich die Aggression vermehrt gegen den Hundeführer.

Im Jahr 2014 waren die Kühe des Beklagten vor allem, wenn sich Hunde in der Nähe befanden, besonders unruhig und aggressiv. Diese erhöhte Aggressivität war dem Beklagten ebenso bekannt wie das Ausmaß der touristischen Nutzung der Straße und der umliegenden Wanderwege insbesondere durch Wanderer (auch mit Hunden). Unter anderem bei dem südlichen das Weidegebiet begrenzenden Weiderost hat der Beklagte gut sicht- und lesbar folgenden Warnhinweis angebracht: „Achtung Weidevieh! Halten Sie unbedingt Distanz – Mutterkühe schützen ihre Kälber – Betreten und Mitführen von Hunden nur auf eigene Gefahr“.

D* wanderte am 28. 7. 2014 die Straße talauswärts und ging an dieser für sie wahrnehmbaren Warntafel vorbei. Gegen 15:00 Uhr erreichte sie die Gastwirtschaft auf der Alm des Beklagten. Ihren Hund, einen Kerry Blue Terrier, führte sie mit einer (gesamt) rund 2,5 m langen Leine, die sie um ihre Hüfte geschlungen und mit einem Karabiner fixiert hatte. Nachdem sie an dem Gasthof vorbeigegangen war, noch vor der Stelle, an der der von der Gastwirtschaft führende Fußweg in die Straße einmündet, ging sie an der Herde des Beklagten vorbei. Die Kuh, die der Straße am nächsten stand, war von dieser etwa 1 bis 2 m entfernt. D* führte ihren Hund an der linken, also der Herde abgewandten Seite. Die Herde verhielt sich unauffällig, auch ihr Hund reagierte nicht auf die Herde und ging ruhig neben ihr her. Unmittelbar nach dem Passieren der Kühe wurden diese unruhig. Sie verfolgten D* und kreisten sie von hinten kommend ein; sie wurde darauf erst aufmerksam, als die ersten Tiere neben ihr waren. Sie wurde von den Kühen mit den Hörnern geschubst, in die Luft geworfen und vom Weg abgedrängt. Der Angriff ging sehr rasch vonstatten, sie hatte keine Möglichkeit mehr, auf den Angriff noch ausweichend zu reagieren. Nach Beginn des Angriffs war es ihr auch nicht mehr möglich, die Leine von ihrer Hüfte zu lösen. Sie kam – etwa 60 m unterhalb des Gasthofs und wenige Meter abseits der Straße – am Boden zu liegen. Die Kühe führten laufend Angriffe auf sie und ihren Hund aus. Dem Hund gelang es, sich selbst zu befreien, er rannte davon. Ein Teil der Kühe folgte dem Hund, andere gingen weiterhin auf D* los. Erst dem von einem Wanderer zu Hilfe gerufene Betreiber des Gasthofs gelang es, die Kühe zu vertreiben. Aufgrund von massiver Gewalteinwirkung auf den Brustkorb verstarb D* nach diesen Attacken noch vor Ort.

Die Kläger stehen auf dem Standpunkt, den Beklagten treffe das Alleinverschulden am Tod ihrer Ehegattin und Mutter, weil er seine Pflichten als Tierhalter iSd § 1320 ABGB verletzt habe. Aus dem Titel des Schadenersatzes begehrten sie jeweils den Zuspruch einer Hinterbliebenenrente nach § 1327 ABGB und die Zahlung von Schmerzengeld. Der Erstkläger begehrte zudem den Ersatz weiterer ihm erwachsener Schäden. Beide Kläger begehrten außerdem die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche zukünftigen Ansprüche aus dem Vorfall vom 28. 7. 2014.

Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren zur Gänze und den Leistungsbegehren der Kläger jeweils teilweise statt. Ausgehend von der Haftung des Beklagten für die gesamten Schäden verpflichtete es diesen zur Leistung einer monatlichen Rente von 1.212,50 EUR an den Erstkläger und von 352,50 EUR an den Zweitkläger, jeweils ab dem 31. 1. 2019; weiters zu einer Zahlung von 132.823,63 EUR an den Erstkläger (darin 55.000 EUR Schmerzengeld) und von 47.500 EUR an den Zweitkläger (darin 17.500 EUR Schmerzengeld). Die jeweiligen Mehrbegehren wies das Erstgericht ab.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen des Beklagten und der Nebenintervenientin teilweise Folge. Auch das Berufungsgericht bejahte die Haftung des Beklagten, den Klägern sei aber ein gleichteiliges Mitverschulden der Verstorbenen zuzurechnen. Ausgehend von dieser Schadensteilung und einem geringeren Schmerzengeldanspruch des Erstklägers änderte es die Entscheidung entsprechend ab. Es stellte fest, dass der Beklagte gegenüber beiden Klägern zur Hälfte für die zukünftigen Ansprüche haftet. Dem Rentenbegehren gab es jeweils mit der Hälfte der vom Erstgericht zugesprochenen Beträge statt, also hinsichtlich des Erstklägers mit 606,25 EUR und hinsichtlich des Zweitklägers mit 176,25 EUR, jeweils monatlich ab dem 1. 2. 2019. Es verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 53.911,81 EUR an den Erstkläger (ausgehend von [nur] 30.000 EUR Schmerzengeld) und von 23.750 EUR an den Zweitkläger. Die jeweiligen Mehrbegehren wies das Berufungsgericht ab.

Gegen die sie jeweils beschwerenden Teile dieser Entscheidung des Berufungsgerichts richten sich die außerordentlichen Revisionen der Kläger, des Beklagten und der Nebenintervenientin.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentlichen Revisionen sind unzulässig und zurückzuweisen.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist (§ 502 Abs 1 ZPO). Eine solche erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist hier nicht zu lösen.

I. Zu den Revisionen des Beklagten und der Nebenintervenientin

1. Der Beklagte und die Nebenintervenientin wenden sich gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe – losgelöst von der Frage des Mitverschuldens und der Schadensteilung – für die vorfallskausalen Schadenersatzansprüche der Kläger zu haften.

2.1. Gemäß § 1320 ABGB (in der Fassung vor dem HaftRÄG 2019 [BGBl I 2019/69]) ist, wenn jemand durch ein Tier beschädigt wird, derjenige dafür verantwortlich, der es dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Derjenige, der das Tier hält, ist verantwortlich, wenn er nicht beweist, dass er für die erforderliche Verwahrung oder Beaufsichtigung gesorgt hatte. Diese Bestimmung wurde mit dem HaftRÄG 2019 um einen zweiten Absatz erweitert. Danach kann der Halter in der Alm- und Weidewirtschaft bei der Beurteilung der Frage, welche Verwahrung erforderlich ist, auf anerkannte Standards der Tierhaltung zurückgreifen. Andernfalls hat er die im Hinblick auf die ihm bekannte Gefährlichkeit der Tiere, die ihm zumutbaren Möglichkeiten zur Vermeidung solcher Gefahren und die erwartbare Eigenverantwortung anderer Personen gebotenen Maßnahmen zu ergreifen. Die erwartbare Eigenverantwortung der Besucher von Almen und Weiden richtet sich nach den durch die Alm- und Weidewirtschaft drohenden Gefahren, der Verkehrsübung und anwendbaren Verhaltensregeln. Dieser § 1320 Abs 2 ABGB in der Fassung des HaftRÄG 2019 ist (nur) auf schädigende Ereignisse anzuwenden, die nach dessen Inkrafttreten am 24. 7. 2019 eingetreten sind (§ 1503 Abs 12 ABGB). Im hier zu beurteilenden Fall gilt diese Sonderbestimmung für die Halter in der Alm- und Weidewirtschaft daher nicht.

2.2. Nach § 1320 erster Satz ABGB ist derjenige für den Tierschaden verantwortlich, der das Tier dazu angetrieben, gereizt oder zu verwahren vernachlässigt hat. Von einem „Reizen“ des Tieres kann nach der Rechtsprechung aber nur dort die Rede sein, wo ein Mensch aus Mutwillen, Willkür oder sonstiger sachlich unberechtigter Einstellung den Angriff des Tieres durch sein eigenes Verhalten geradezu herausfordert (RIS-Justiz RS0030212). Entgegen der Auffassung des Beklagten ist daher das Verhalten der Verstorbenen, die mit ihrem angeleinten Hund an den Mütterkühen zwar nur in einem Abstand von 1-2 m, aber ruhig vorbeiging, kein Reizen iSd § 1320 ABGB; das selbst dann nicht, wenn man dafür auch ein Verhalten genügen lassen wollte, das lediglich auf Fahrlässigkeit beruht (vgl Danzl in KBB5 § 1320Rz 2 mwN). Es mangelt an der dafür erforderlichen aktiven, auf das Tier gerichteten Handlung und an der objektiven Eignung zur gezielten Provokation. Die vom Beklagten in diesem Zusammenhang aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Haftung des Tierhalters entfällt, wenn der Geschädigte das Tier gereizt hat (vgl Harrer/Wagner in Schwimann/Kodek,ABGB Praxiskommentar4 § 1320 ABGB Rz 27), dieses Verhalten also nicht bloß ein Mitverschulden begründet, sondern die Haftung des Tierhalters nach § 1320 zweiter Satz ABGB von vornherein ausschließt, stellt sich daher in diesem Verfahren nicht.

2.3. Eine Haftung gemäß § 1320 zweiter Satz ABGB tritt ein, wenn der Tierhalter die nach den Umständen gebotenen Vorkehrungen zur Verwahrung oder Beaufsichtigung des Tieres unterlässt. Welche Maßnahmen dabei im Einzelnen notwendig sind, richtet sich nach den dem Tierhalter bekannten oder erkennbaren Eigenschaften des Tieres und den jeweiligen Umständen (RS0030058; RS0029999 [T2]; RS0030024; RS0030472). Maßgeblich sind die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Tierverhalten und eine Abwägung der betroffenen Interessen (RS0030081 [T16]). Je größer die Gefährlichkeit des Tieres, desto größere Sorgfalt ist aufzuwenden (RS0030081 [T6, T11]). Es ist dabei nicht nur das bisherige Verhalten des Tieres, sondern auch die Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung durch das Tier zu prüfen (RS0030081 [T10]; RS0030024 [T12]). Je größer diese Schadensmöglichkeit ist, umso strengere Anforderungen müssen gestellt werden. Dabei spielt es eine wesentliche Rolle, in welchen besonderen Verhältnissen sich das Tier befindet, insbesondere ob es mit vielen Menschen in Kontakt kommt oder kommen kann (RS0030081). Stellt ein Tier eine Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen, dem anerkannt höchsten Gut, dar, ist die Forderung, das Tier durch Einzäunen, Anketten, Anlegen eines Maulkorbs oder Führen an der Leine zu verwahren, eine zumutbare und keine gravierende Interessen beeinträchtigende Maßnahme, die jedenfalls in keinem Verhältnis zu der andernfalls bestehenden Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen steht (RS0030081 [T1]). Die Anforderungen an die Beaufsichtigung und Verwahrung eines Tieres dürfen freilich auch nicht überspannt werden (RS0030365; RS0030326).

2.4. Der Tierhalter hat bei der Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres die objektiv erforderliche Sorgfalt einzuhalten. Er hat daher diesen Umstand und damit zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt; misslingt ihm dieser Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten (RS0105089). Ob dem Halter des Tieres der Nachweis gelungen ist, nach den jeweiligen Gegebenheiten die objektiv gebotene Sorgfalt eingehalten zu haben, ist eine Einzelfallbeurteilung, die im Beurteilungsspielraum des Berufungsgerichts liegt. Dieser kommt daher in der Regel keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (RS0030157 [T10]; RS0030567 [T1]).

3.1. Zur Tierhalterhaftung in der Alm- und Weidewirtschaft hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt Stellung genommen und ausgeführt, dass grundsätzlich keine Verpflichtung besteht, einen Weg, der durch ein Weidegebiet führt, durch Zäune vom Weidegebiet abzugrenzen (RS0030039). Eine Abzäunung eines Wegs auf einer Almweide ist weder üblich noch zumutbar (5 Ob 5/13s mwN). Diese Rechtsprechung beruht auf der Prämisse, dass Kühe im Allgemeinen keine Gefahr für den Menschen sind (vgl 2 Ob 18/93; Reischauer in Rummel 3 § 1320 Rz 13). Besondere Umstände können im Einzelfall freilich zu einer Anhebung der Sorgfaltsanforderungen führen (RS0030081 [T22]). So muss etwa die Verwahrung eines Tieres auf einer Weide in unmittelbarer Nähe einer stark frequentierten Straße (RS0030107) oder einer Seilbahnstation (RS0030107 [T2]) besonders sorgfältig erfolgen.

3.2. Besondere Umstände, die zu einer Anhebung der Sorgfaltsanforderungen führen, lagen etwa der Entscheidung 2 Ob 334/01h zugrunde. Bei den vom dort beklagten Landwirt gehaltenen Schottischen Hochlandrindern handelte es sich um Mutterkühe, die nach den Feststellungen auf Menschen, die ihnen gegenüber eine Distanz von 10 m bzw in der Zeit nach dem Kalben eine Distanz von 30 m unterschritten, entweder mit Flucht oder mit unvermitteltem Angriff reagierten. Dieses Verhalten war dem Beklagten aus entsprechenden Vorfällen bekannt. Das Berufungsgericht bejahte dessen Haftung, weil unter Berücksichtigung dieser Umstände die erforderliche Verwahrung der auf der Alm frei herumlaufenden Mutterkühe im kritischen Zeitraum nach dem Kalben nicht ausreichend gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof befand, dass diese Beurteilung des Einzelfalls keine erhebliche Rechtsfrage aufwerfe. Auch in der Entscheidung 3 Ob 110/07h war die Haftung eines Landwirts zu beurteilen, der auf einer Alm Mutterkühe und Kälber der grundsätzlich gutmütigen Rasse „Aubrac“ hielt. Die Kühe hatten einen Wanderer, der zwei Hunde an der Leine mit sich führte, auf einem Weg etwa 200 m von einer Almhütte entfernt attackiert, zu Boden gestoßen und schwer verletzt. Das Berufungsgericht bejahte die Haftung des Tierhalters, weil er wegen der von den Mutterkühen ausgehenden Gefahr und eines ihm bekannten früheren Vorfalls zur Sicherung von Wanderern für eine Abzäunung des Wegs hätte sorgen müssen. Der Oberste Gerichtshof wies die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage zurück. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts über eine Handlungspflicht sei jedenfalls vertretbar, zumal bei der Beurteilung des Sorgfaltsmaßstabs eine Interessenabwägung erforderlich sei und dabei der Unversehrtheit von Menschen ein besonders hoher Stellenwert zukomme. Der Beklagte habe nach Bekanntwerden des ersten Vorfalls nicht mehr davon ausgehen dürfen, dass die bis dahin auf Wanderer mit Hunden gutmütig reagierenden Kühe kein Gefahrenpotenzial bildeten, also keine Maßnahmen zu ergreifen wären. Die Frage, ob der Beklagte – wie vom Berufungsgericht gefordert – schon nach dem ersten Vorfall eine Abzäunung des Wegs hätte vornehmen müssen, war nicht entscheidungswesentlich, weil der Beklagte jedenfalls seine Warnpflicht verletzt hat. Muss der Landwirt, etwa wie dort wegen eines entsprechenden Vorfalls, davon ausgehen, dass seine Rinder, insbesondere weil es sich um Mutterkühe handelt, auf Hunde aggressiv reagieren, hat er Wanderer jedenfalls durch einen Schilderhinweis zu warnen.

Die Haftung des Halters von Mutterkühen auf freier Almweide war auch Gegenstand der Entscheidungen 5 Ob 5/13s und 2 Ob 25/15p. In beiden Fällen verneinte das Berufungsgericht die Haftung des beklagten Landwirts für eine „Kuhattacke“ auf Wanderinnen, die jeweils einen Hund mit sich führten; in beiden Fällen wies der Oberste Gerichtshof die Revision der Klägerin mangels erheblicher Rechtsfrage zurück. Zu 5 Ob 5/13s verwies der Oberste Gerichtshof darauf, dass grundsätzlich keine Verpflichtung besteht, einen Weg, der durch ein Weidegebiet führt, durch Zäune vom Weidegebiet abzugrenzen. Nach dem in diesem Verfahren festgestellten Sachverhalt war die freie Weidehaltung (auch) von Mutterkühen mit Kälbern im betreffenden Gebiet ortsüblich, die gehaltenen Pinzgauer Rinder (Mutterkühe mit Kälbern) wiesen ein ruhiges Temperament auf, der Beklagte bewirtschaftete die Alm seit 1947 und der der Entscheidung zugrunde liegende Vorfall war der erste, bei dem Kühe Wanderer angriffen. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen die Notwendigkeit besonderer Vorsichtsmaßnahmen, insbesondere das von der Klägerin verlangte Einzäunen der Kühe, verneinte, dann lag darin jedenfalls keine als unvertretbar aufzugreifende Einzelfallbeurteilung. In dem der Entscheidung 2 Ob 25/15p zugrunde liegenden Fall attackierte eine Mutterkuh auf einem über die Almweide führenden Wanderweg zwischen zwei Gasthäusern eine Wanderin, die einen Jagdhund an der kurzen Leine mitführte. Zum Unfallzeitpunkt standen bei beiden Zugängen zur Weide Warnschilder mit der Aufschrift „Achtung Mutterkühe! Mitführen von Hunden auf eigene Gefahr“. Schon ein Jahr vor diesem Vorfall war es auf dieser Weide zur Verletzung eines einen Hund mitführenden Wanderers durch die Kühe gekommen, wovon der Tierhalter im Zeitpunkt des dort zu beurteilenden Unfalls wusste. Unter diesen Umständen sah der Oberste Gerichtshof in der Verneinung der Haftung durch das Berufungsgericht keine aufzugreifende Fehlbeurteilung. Diese halte sich vielmehr im Rahmen der Rechtsprechung, insbesondere der beiden Entscheidungen 3 Ob 110/07h und 5 Ob 5/13s. Aus der Entscheidung 3 Ob 110/07h lasse sich nicht ableiten, dass in dem Fall, dass bereits vorher einschlägige Unfälle passiert seien, jedenfalls ein Einzäunen des Wegs geboten sei. Die Rechtsprechung, wonach die Verwahrung eines Tieres in unmittelbarer Nähe einer stark frequentierten Straße besonders sorgfältig erfolgen müsse, war nicht einschlägig, weil der Wanderweg ein landwirtschaftlicher Bringungsweg und damit keine stark frequentierte Straße war.

4.1. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, und zwar sowohl die Grundsätze zur Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB als auch die einzelnen Entscheidungen zur Mutterkuhhaltung auf Almweiden, dargestellt und auf den vorliegenden Einzelfall angewandt. Es bejahte die Haftung des Beklagten aufgrund einer nicht ausreichenden Verwahrung seiner Tiere. Der Beklagte habe seine Sorgfaltsverpflichtung nicht nur objektiv sondern in schuldhafter Weise verletzt. Dem Beklagten sei nicht nur grundsätzlich bewusst gewesen, dass seine Mutterkühe sensibel und aggressiv auf Hunde reagierten, ihm sei auch bekannt gewesen, dass seine Tiere im Jahr 2014 vor allem dann, wenn sich Hunde in der Nähe befanden, besonders unruhig und aggressiv gewesen seien. Auf die von seinen Tieren ausgehende (Lebens-)Gefahr habe der Beklagte nicht in ausreichendem Maß reagiert, indem er diese im näheren Unfallbereich nicht mittels Zaunes von Menschen samt ihren Hunden abgehalten habe, obgleich er an anderer Stelle durchaus zum Schutz seiner eigenen Interessen mit Abzäunungen vorgegangen sei und eine weitere Zaunerrichtung in diesem neuralgischen Bereich entlang der Straße mit einem vergleichsweise geringen Aufwand zu bewerkstelligen gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat seine Rechtsansicht anhand der konkreten Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls (wie schon das Erstgericht) ausführlich und differenziert begründet. Eine solche Einzelfallentscheidung ist vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn sich die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht im Rahmen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hält und daher im Interesse der Rechtssicherheit korrigiert werden muss (vgl RS0044088; RS0042405). Das ist hier nicht der Fall.

4.2. Der Beklagte argumentiert, dass aufgrund der angefochtenen Entscheidung für nahezu alle Almlandwirte in Österreich eine Rechtsunsicherheit zur Frage entstehe, ob und in welchen „neuralgischen“ Bereichen durch Almweiden führende Wanderwege von den angrenzenden Weideflächen abzuzäunen seien. Gleichzeitig gesteht er unter Hinweis auf die Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs zum Entwurf des HaftRÄG 2019 (1 Präs. 1613-1423/19d) und die Regierungsvorlage zum HaftRÄG 2019 (RV 623 XXVI. GP  1) selbst zu, dass Weide- und Almflächen zwar im Allgemeinen nicht abgezäunt oder eingefriedet werden müssen, es dem Halter aber im Einzelfall nicht erspart werden könne, weitergehende Maßnahmen zu treffen. Bei stark begangenen oder befahrenen Wegen, auf denen es bereits zu Vorfällen mit Tieren gekommen sei, könnten ausnahmsweise solche weitergehende Verwahrungspflichten bestehen. Entscheidend sei, was dem Halter angesichts wahrscheinlicher Schäden berechtigter Wegnutzer an Verwahrung zugemutet werden könne. Dabei komme es auf die Umstände des Einzelfalls an. Die nächste Umgebung eines viel besuchten Ausflugsgasthofs sei anders zu beurteilen, als ein markierter Wanderweg im Almgelände. Aus dem hier maßgeblichen Sachverhalt sollen sich nach Auffassung des Beklagten aber gerade keine solchen weitergehenden Verwahrungspflichten ableiten lassen. Wegen der dem Tierhalter, nicht aber dem Wanderer bekannten Aggressivität von Mutterkühen gegenüber Hunden, habe das Höchstgericht zwar gefordert, dass der Tierhalter auf diesen Umstand durch eine entsprechende Warntafel hinweist. Dass in dem Fall, dass bereits einschlägige Unfälle passiert seien, jedenfalls ein Abzäunen des Wegs geboten wäre, lasse sich dieser Rechtsprechung aber nicht entnehmen.

4.3. Bei der Bestimmung des Maßes der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung eines Tieres sind die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung und eine Abwägung der betroffenen Interessen zu berücksichtigen (RS0030081 [T16]). In Bezug auf jedes dieser maßgeblichen Kriterien waren hier Umstände verwirklicht, die ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach zur Anhebung der Anforderungen an die objektive Sorgfalt des Tierhalters führen und besondere Sicherungsmaßnahmen geboten erscheinen lassen. So hebt das Berufungsgericht zutreffend hervor, dass die Mutterkühe des Beklagten im Unterschied zu „reinem Milchvieh“ mit einem stärker ausgeprägten Mutterinstinkt ausgestattet sind und bei einer Annäherung von Menschen und/oder Tieren an deren Kälber vergleichsweise früh und aggressiv reagieren. Dem Beklagten war nicht nur dieser Umstand bewusst, ihm war vor allem auch schon vor den Vorfällen am 28. 7. 2014 bekannt, dass seine Mutterkühe in diesem Jahr dann, wenn sich Hunde in der Nähe befanden, besonders unruhig und aggressiv waren.

Zu dieser relativen Gefährlichkeit der Tiere kam die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer Schädigung im Bereich um die Almgebäude und das Gasthaus. Das ist der Bereich im Weidegebiet, der stark und relativ zu anderen Bereichen am stärksten sowohl von Wanderern als auch von den Kühen frequentiert wurde. Im Hinblick auf die Tatsache, dass Wanderer nicht selten Hunde mitführen, bedingt diese hohe Frequenz, dass die Kühe des Beklagten dort häufig und in relativ kurzen Abständen mit Menschen und sie begleitenden Hunden in Kontakt kommen oder kommen können. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ist es aus landwirtschaftlich-fachlicher Sicht sinnvoll, Wege in derart stark frequentierten Bereichen, wo die Wahrscheinlichkeit eines direkten Aufeinandertreffens von Mensch und Rind und damit die Wahrscheinlichkeit für Gefahrensituationen beim Wandern (mit Hunden) sehr hoch ist, einzuzäunen. Dass die Schadensmöglichkeit an stark frequentierten Orten entsprechend größer ist, zeigte sich gerade auch hier. Schon vor dem Angriff auf D* gab es nämlich auf der Straße im Bereich der Alm des Beklagten zwei ähnliche Vorfälle, bei denen die Kühe des Beklagten eine Wanderin und den an der Leine mitgeführten Hund attackierten. Der zweite Vorfall war dabei nur etwa halbe Stunde vor dem Angriff auf D* passiert und dieser Angriff hätte sich auch gar nicht ereignet, wenn die Herde des Beklagten nicht schon durch den Zwischenfall unmittelbar davor in Aufregung versetzt worden wäre. Hätte es diesen Zwischenfall nicht gegeben, hätte D* nach den Feststellungen des Erstgerichts mit ihrem Hund an der Herde vorbeigehen können, ohne dass etwas geschehen wäre. Entgegen der Auffassung der Nebenintervenientin bedeutet dies freilich nicht, dass dieser für den Angriff auf D* kausale Zwischenfall mit einer anderen Wanderin oder gar der gegen sie gerichtete Angriff selbst als ein der Geschädigten zurechenbarer Zufall (vgl RS0027286) zu qualifizieren ist. Zufall iSd § 1311 erster Satz ABGB ist im Verhältnis Geschädigter und Belangter nur ein schädigender Erfolg, für den der Belangte nicht nach den Kriterien der §§ 12951320 ABGB einzustehen hat (Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1311 Rz 1), also keiner dieser schadenersatzrechtlichen Zurechnungsgründe vorliegt (Karner in KBB5 § 1311 ABGB Rz 1). Das Charakteristische des Zufallsschadens besteht gerade darin, dass sein Eintritt durch entsprechende Maßnahmen und Vorkehrungen, die vernünftigerweise zu erwarten sind, nicht verhindert werden kann (Wagner in Schwimann/Kodek, ABGB Praxiskommentar4 § 1311 ABGB Rz 2).

Der Angriff auf D* hätte auch dann nicht stattgefunden, wenn sich im Bereich der Unfallstelle (ca 60 m unterhalb des Gasthofs) entlang der Straße ein zweigliedriger Elektrozaun befunden hätte. Das Aufstellen von Zäunen ist im Zusammenhang mit (anderen) Erfordernissen der Almwirtschaft nicht ungewöhnlich, ein Elektrozaun im Bereich des ebenen Weidegebiets rund um die Alm des Beklagten beeinträchtigt den Weidebetrieb auch nicht. Der dafür notwendige Aufwand ist vergleichsweise gering. Die Forderung, diesen Teil der Straße entlang der Weideflächen abzuzäunen, ist daher eine zumutbare und keine gravierende Interessen beeinträchtigende Maßnahme, die jedenfalls in keinem Verhältnis zu der andernfalls bestehenden Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit von Menschen steht. Entgegen der Auffassung des Beklagten wird damit die im allgemeinen Interesse liegende Beweidung von Almflächen nicht unbillig belastet oder unmöglich gemacht.

4.4. Mit seiner Rechtsansicht, unter diesen dem Beklagten bekannten konkreten Umständen wäre es objektiv geboten gewesen, der von den Mutterkühen für Wanderer mit einem Hund ausgehenden Gefahr nicht bloß durch das Aufstellen von Warnschildern zu begegnen, sondern im näheren Unfallbereich durch Errichtung eines Weidezauns eine Trennung von Menschen und Tieren vorzunehmen, verlässt das Berufungsgericht den ihm eingeräumten Beurteilungsspielraum daher nicht. Auch insofern nicht, als es dem Umstand, dass nicht feststeht, ob dem Beklagten die dem Angriff auf D* vorangegangenen konkreten Zwischenfälle bekannt geworden waren, keine entscheidende Bedeutung beimaß. Anders als die Nebenintervenientin meint, hat die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs das Aufstellen von entsprechenden Warnschildern nicht generell als ausreichend erachtet und das Gebot des Einzäunens von Wanderwegen nicht ausdrücklich abgelehnt. Wenn im Einzelfall eine besondere Gefahrensituation besteht und diese – wie hier – in örtlicher Hinsicht eingegrenzt werden kann, so sind auch im Almgebiet erhöhte Anforderungen an die erforderliche Verwahrung und Beaufsichtigung zu stellen und zumutbare zusätzliche Sicherungsmaßnahmen zu fordern.

II. Zur Revision der Kläger

1. Die Kläger bekämpfen die Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits insoweit, als die Schadenersatzansprüche der Kläger und das Feststellungsbegehren dem Grunde nach wegen eines (vermeintlichen) Mitverschuldens um 50 % gekürzt wurden, andererseits als das dem Erstkläger in 1. Instanz zugesprochene Schmerzengeld nicht nur dem Grunde nach um 50 % gekürzt, sondern zusätzlich der Höhe nach von 55.000 EUR auf 30.000 EUR verringert wurde.

2.1. Das Mitverschulden iSd § 1304 ABGB setzt kein Verschulden im technischen Sinne voraus; auch Rechtswidrigkeit des Verhaltens ist nicht erforderlich. Es genügt vielmehr eine Sorglosigkeit gegenüber den eigenen Gütern, worunter auch die Gesundheit fällt (RS0022681; RS0032045). Bei der Beurteilung des Fehlverhaltens des Verletzten steht die Frage im Vordergrund, ob er jene Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Teilnehmer in seiner Lage angewandt hätte, um eine Schädigung zu verhindern oder abzuwenden (RS0022681 [T15]).

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung müssen sich die Hinterbliebenen ein Mitverschulden des Getöteten anrechnen lassen (RS0026892 [T3]). Bei Mitverschulden des Getöteten unterliegt der Ersatzanspruch der Hinterbliebenen demnach der Schadensteilung (RS0027341 [T2]).

2.3. Das Ausmaß eines Mitverschuldens wirft wegen seiner Einzelfallbezogenheit keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0087606 [T1], RS0022681 [T8, T10, T11]). Das gilt auch für die Frage, ob ein Mitverschulden so gering ist, dass es gegenüber dem des Beklagten gänzlich in den Hintergrund tritt und daher vernachlässigt werden kann (RS0087606 [T7]). Eine solche Einzelfallentscheidung ist vom Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn eine aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vorliegt (RS0044088; RS0042405). Das ist hier aber nicht der Fall.

3.1. Das Berufungsgericht bejahte ein Mitverschulden der Verstorbenen im Ausmaß von 50 %. D* hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde und die diese führenden Menschen sind. Zudem sei sie durch das vom Beklagten angebrachte Warnschild nicht nur vor der Gefährlichkeit der Tiere des Beklagten gewarnt worden, sondern sie habe auch eine Handlungsanweisung (Achten auf Distanz) erhalten. Damit aber könne das Passieren der Herde in einem Abstand von 1 bis 2 m (zu der am nächsten stehenden Kuh) nur als Sorglosigkeit gewertet werden. Für jeden auf seine eigene Sicherheit bedachten Menschen liege es mehr als nahe, dass diese Entfernung keine ausreichende Distanz sei. Bei der Durchquerung der sich im Umkreis der Almgebäude und der Gastwirtschaft befindlichen Weidefläche mag es zwar „schwierig“ gewesen sein, eine größere Distanz zu den Tieren einzuhalten, und es stehe auch nicht fest, ob das Unglück durch die Benützung eines an sich bestehenden Alternativpfades vermeidbar gewesen wäre. Aus den Feststellungen lasse sich aber ableiten, dass es D* leicht möglich gewesen wäre, diese Annäherung zu verhindern. Sie hätte ein Weitergehen zumindest vorübergehend einstellen, den Gasthof aufsuchen und/oder sich des Shuttle-Dienstes bedienen können. Eine vermeidende Reaktion auf die Attacke selbst sei D* im Hinblick auf deren Überfallsartigkeit nicht möglich gewesen. Allerdings hätte sie angesichts der Gefährlichkeit von Mutterkühen für Hunde und ihre Führer schon bei Erkennen der Herde zumindest die Leinenführung so gestalten müssen, dass sie sich jederzeit vom Hund trennen hätte können. Dies wiederum hätte aber vorausgesetzt, die Tiere nach Passieren im Auge zu behalten. D* sei somit zusammengefasst insoweit sorglos gewesen, als sie sich den Tieren der Herde auf 1–2 m genähert habe, obwohl sie mit einem Schild gerade davor gewarnt worden war. Damit einhergehend habe sie es verabsäumt, die Tiere im Auge zu behalten und ihre Leinenführung rechtzeitig so zu gestalten, dass sie sich vom primären Angriffsziel rechtzeitig lösen hätte können. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts sei dieses Mitverschulden nicht so gering, dass es gegenüber dem Verschulden des Beklagten gänzlich in den Hintergrund trete und daher vernachlässigt werden könne. Im Rahmen der Verschuldensabwägung bestehe kein Anlass, das Verschulden eines der beiden Beteiligten stärker als jenes des anderen zu gewichten. Die Zurechnungsmomente würden weder auf der einen noch auf der anderen Seite überwiegen.

3.2. Die Annahme eines Mitverschuldens der Verstorbenen hält sich im Rahmen der Judikatur des Obersten Gerichtshofs. Insbesondere verlangt diese von Hundehaltern, dass sie über die mit dem Halten von Hunden typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen und sich dementsprechend verhalten (6 Ob 96/19i; 2 Ob 25/15p). Die Argumentation der Kläger, D* habe trotz dieses iSd § 1299 ABGB zu fordernden Wissensstands nicht wissen müssen, dass konkret die Kühe des Beklagten Mutterkühe seien und daher eine Gefahr für ihren Hund und sie selbst seien, geht ins Leere. Die vom Beklagten angebrachten Warnschilder brachten die von einem Zusammentreffen von Hunden und seinen Mutterkühen ausgehende Gefahr deutlich zum Ausdruck (vgl 2 Ob 25/15p). Das Mitführen eines Hundes verpflichtete D* daher zu einer besonderen Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten. Daran vermag auch ein allfälliges subjektives Sicherheitsgefühl, das die Kläger aus dem Umstand ableiten, dass sich D* auf einer öffentlichen Gemeindestraße und in unmittelbarer Nähe zu einer Gaststätte mit Kinderspielplatz befand, nichts zu ändern. Auch in Bezug auf die Verschuldensteilung im Verhältnis 1:1 ist dem Berufungsgericht daher kein aufzugreifender Ermessensfehler unterlaufen.

4.1. Bei der Bemessung des Schmerzengeldes ist einerseits auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, andererseits zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen (RS0031075). Die Höhe des angemessenen Schmerzengeldes wirft daher als Frage des Einzelfalls in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RS0042887). Allerdings darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden. Im Fall einer eklatanten Fehlbemessung, die völlig aus dem Rahmen der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt, wäre zur Vermeidung gravierender Ungleichbehandlungen durch die Rechtsprechung und damit letztlich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit eine Revision ausnahmsweise zulässig (RS0031075 [T7]; RS0042887 [T5, T6, T10]).

4.2. Ein derartig gravierender Beurteilungsfehler ist dem Berufungsgericht nicht unterlaufen. Dieses ging von den maßgeblichen Grundsätzen der Rechtsprechung aus und orientierte sich an der – in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs wiederholt als Extremfall bezeichneten – Entscheidung 2 Ob 186/03x. Der Erstkläger erlitt durch den Vorfall vom 28. 7. 2014 eine seelische Störung von Krankheitswert, im Wesentlichen eine chronifizierte depressive Episode im Anschluss an eine Anpassungsstörung und an eine physiologische, dann pathologische Trauerreaktion sowie Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung. Seit Sommer 2018 ist er durchgehend arbeitsunfähig. Angesichts dessen und der hier gebotenen Teilbemessung für einen Zeitraum von viereinhalb Jahren ist der vom Berufungsgericht als angemessen betrachtete Schmerzengeldbetrag von 30.000 EUR (vor Schadensteilung) nicht unvertretbar niedrig (vgl 2 Ob 135/07b mit ausführlicher Judikaturübersicht). Die Kläger übersehen, dass die Schmerzengeldbemessung nach ständiger Rechtsprechung (RS0125618) nicht nach starren Regeln zu erfolgen hat, sodass das Schmerzengeld auch nicht nach Art eines Tarifs für einzelne Tage oder sonstige Zeiteinheiten aufgrund festgestellter Schmerzperioden berechnet werden kann. Die festgestellten Schmerzperioden können lediglich als Bemessungshilfe herangezogen werden (5 Ob 34/18p; RS0122794 [T4]).

III. Ergebnis

Die Revisionen waren mangels Notwendigkeit der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

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