European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0050OB00005.13S.0214.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.469,88 EUR (darin 244,68 EUR an Umsatzsteuer und 1,80 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Auch wenn die Tierhaltung stets an den Umständen des Einzelfalls zu messen sei und auch höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Attacken von Mutterkühen auf freien Weiden vorlägen, sehe sich das Berufungsgericht zur Zulassung der ordentlichen Revision im Hinblick auf die laut Presse große Zunahme von Kuhattacken auf Wanderer auf alpinen Weiden und Wanderwegen veranlasst, zumal nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen auch die freie Weidehaltung von Mutterkühen mit Kälbern ortsüblich sei und der Mutterinstinkt auch bei im Ostalpenraum üblichen, mit ruhigem Temperament ausgestatteten Pinzgauer Rindern ausgeprägt sei, es also einer Klarstellung der an den Halter von Mutterkühen mit Kälbern anzulegenden Anforderungen auf Almweiden mit Wanderwegen bedürfe, zumal immer häufiger (so auch im vorliegenden Fall) Hunde mitgeführt würden.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, was gemäß § 510 Abs 3 ZPO nur kurz zu begründen ist:
1. Der Umstand allein, dass die zu lösenden Rechtsfragen ‑ angeblich ‑ in einer Vielzahl von Fällen (vermehrt) auftreten, bewirkt für sich noch nicht deren Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0042816; RS0042742 [T12]).
2. Wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist, richtet sich immer nach den Umständen des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0030567; RS0030157 [T1]). Bei der Bestimmung des Maßes der erforderlichen Beaufsichtigung und Verwahrung eines Tieres spielen insbesondere dessen Gefährlichkeit nach seiner Art und Individualität und die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Tierverhalten eine Rolle (vgl RIS‑Justiz RS0030081).
3. Die Haftung des Tierhalters nach § 1320 ABGB ist jedenfalls nicht Erfolgshaftung (vgl RIS‑Justiz RS0030291). Eine Haftung gemäß dem zweiten Satz des § 1320 ABGB tritt nur ein, wenn der Tierhalter die nach den ihm bekannten oder doch erkennbaren Eigenschaften des Tieres erforderliche und nach der Verkehrsauffassung von ihm vernünftigerweise zu erwartende Verwahrungspflicht vernachlässigt hat (RIS‑Justiz RS0029999 [T2]).
4. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zur Haltung von Kühen Stellung genommen und in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass keine Verpflichtung besteht, einen Weg, der durch eine Kuhweide führt, durch Zäune von Weidegebiet abzugrenzen (RIS-Justiz RS0030039). Eine Abzäunung eines Weges auf einer Almweide ist weder üblich noch zumutbar; sollten auf der Weide jedoch aggressive Tiere gehalten werden, sind sie gesondert zu verwahren, sodass sie sich dem Weg nicht nähern können (8 Ob 91/02v; 3 Ob 110/07h). Nach einem Vorfall, bei dem Mutterkühe auf Hunde aggressiv reagierten, ist zumindest eine Warnung durch Aufstellen eines Schildes geboten (3 Ob 110/07h).
5. Die vorliegend erfolgte Verneinung der Tierhalterhaftung des Zweitbeklagten durch das Berufungsgericht ‑ die Klageabweisung gegenüber dem Erstbeklagten erwuchs schon in erster Instanz in Rechtskraft ‑ hält sich im Rahmen der dargestellten Rechtsprechungsgrundsätze. Das Berufungsgericht ist in tatsächlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass die freie Weidehaltung von Mutterkühen mit Kälbern im betreffenden Gebiet ortsüblich ist und die gehaltenen Pinzgauer Rinder ein ruhiges Temperament aufweisen. Der Zweitbeklagte bewirtschaftet die Alm seit 1947 und der vorliegende Fall war der erste, bei dem Kühe Wanderer angegriffen haben. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen die Notwendigkeit besonderer Vorsichtsmaßnahmen, insbesondere das von der Klägerin verlangte Einzäunen der Kühe, verneinte, dann liegt darin jedenfalls keine als unvertretbar aufzugreifende Einzelfallbeurteilung.
6. Eine allfällige Haftung des Zweitbeklagten aus Verletzung vorvertraglicher Schutzpflichten hat das Berufungsgericht mit der Begründung verneint, dass die Geltendmachung dieses Haftungsgrundes in der Berufung am Neuerungsverbot scheitere. Dass und warum diese Beurteilung des Berufungsgerichts unzutreffend sein sollte, zeigt die Klägerin in ihrer Revision nicht auf.
7.1. Die Klägerin vermag insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage geltend zu machen; dies muss zur Zurückweisung ihrer Revision führen.
7.2. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Der Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).
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