OGH 2Ob25/15p

OGH2Ob25/15p18.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr.

Veith und Dr.

Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** S*****, vertreten durch Dr. Manfred Angerer ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagten Parteien 1. J***** D*****, vertreten durch Dr. Mario Petutschnig, Rechtsanwalt in Villach, 2. E***** P*****, vertreten durch Dr. Gernot Murko ua, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 11.416,09 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse 12.927,57 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 31. Oktober 2014, GZ 2 R 181/14a‑69, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 25. August 2014, GZ 24 Cg 45/12t‑64, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0020OB00025.15P.0218.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, jeder beklagten Partei die mit je 838,08 EUR (darin enthalten 139,68 EUR USt) bestimmten Kosten der jeweiligen Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Begründung

Gegenstand des Prozesses ist die Frage der Haftung der Beklagten für die von der Klägerin erlittenen Verletzungen. Der Erstbeklagte ist Eigentümer von 31 Rindern (16 Mutterkühe und 15 Kälber), die im Sommer auf einer dem Zweitbeklagten gehörenden Almweide weideten. Über die Almweide führt ein Wanderweg. Die Almweide liegt zwischen zwei Gasthäusern. Die Klägerin und ihr Mann, die jeweils einen Jagdhund an der kurzen Leine mitführten, benützten am 29. Juli 2010 diesen Weg, wobei die Klägerin durch eine Mutterkuh verletzt wurde. Zum Unfallzeitpunkt standen bei beiden Zugängen zur Weide Warnschilder mit der Aufschrift „Achtung Mutterkühe! Mitführen von Hunden auf eigene Gefahr“. Schon ein Jahr vor diesem Vorfall war es auf dieser Weide zur Verletzung eines einen Hund mitführenden Wanderers durch die Kühe des Erstbeklagten gekommen, wovon die Beklagten im Zeitpunkt des gegenständlichen Unfalls wussten.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht ließ erst nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision mit folgender Begründung zu: Die einschlägige Judikatur lasse sich dahin zusammenfassen, dass keine Verpflichtung bestehe, einen Weg, der durch eine Kuhweide führe, durch Zäune vom Weidegebiet abzugrenzen; dass aggressive Tiere gesondert zu verwahren seien und dass nach einem Vorfall, bei dem Mutterkühe auf Hunde aggressiv reagierten, „zumindest“ eine Warnung durch Aufstellen eines Schildes geboten sei (vgl 5 Ob 5/13s; 3 Ob 110/07h).

Bedenke man, dass derartige Zwischenfälle vermehrt vorkämen, dem Fremdenverkehr in Österreich große (wohl weiter zunehmende) Bedeutung zukomme, der körperlichen Unversehrtheit von Menschen besondere Priorität einzuräumen sei und gerade im Bereich von Gasthäusern mit einer entsprechenden Frequenz eines Wanderwegs (auch von Wanderern mit Hunden) zu rechnen sei, wäre eine Fortentwicklung der Rechtsprechung (oder eine Klarstellung der bisherigen; arg: „zumindest“) in die Richtung möglich, dass in derartigen Fällen das bloße Aufstellen eines Warnschildes doch nicht ausreiche.

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

Ob dem Halter des Tieres nach den jeweiligen Gegebenheiten der Nachweis gelungen ist, die objektiv gebotene und zumutbare Sorgfalt eingehalten zu haben, ist eine im Beurteilungsspielraum des Berufungsgerichts gelegene Einzelfallbeurteilung, der ‑ außer bei einer auffallenden Fehlbeurteilung ‑ keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zukommt (RIS‑Justiz RS0030157 [T10]; vgl auch RS0030567; RS0030058).

Das Berufungsgericht hat die wesentlichen Grundsätze der Tierhalterhaftung (betreffend eine Kuhweide) zutreffend dargestellt.

Weiters spielt nach der Rechtsprechung die Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung bei der Prüfung, welche Verwahrung erforderlich ist, eine Rolle: jede Möglichkeit einer Schädigung muss aber nicht auszuschließen sein. Die im allgemeinen Interesse liegende

Landwirtschaft darf nicht durch Überspannung der Anforderungen unbillig belastet werden (2 Ob 180/98d = RIS‑Justiz RS0030024 [T13]).

Die Verneinung der Haftung durch das Berufungsgericht hält sich durchaus im Rahmen der Rechtsprechung, insbesondere der beiden zitierten Entscheidungen 3 Ob 110/07h und 5 Ob 5/13s. Dass selbst im Fall, dass bereits vorher einschlägige Unfälle passiert sind, jedenfalls ein Einzäunen der Kühe bzw des Wegs geboten wäre, lässt sich aus der Entscheidung 3 Ob 110/07h nicht ableiten. Dort wurde dem beklagten Rinderhalter die Unterlassung eines Warnschilds mit praktisch demselben Wortlaut, wie er hier festgestellt wurde, vorgeworfen; im Übrigen wurde aber auf die „sonst ortsübliche freie Haltung von Rindern auf der Alm (also ohne Einzäunung oder sonstige Maßnahmen)“ hingewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0030039).

Den Argumenten der Revisionswerberin ist noch Folgendes entgegenzuhalten:

Dass die gegenständlichen Kühe an sich (also ohne Begegnung mit Hunden) „aggressive Tiere“ sind, steht nicht fest.

Der Oberste Gerichtshof hat zwar in der Entscheidung 3 Ob 110/07h ausgeführt, es treffe nicht zu, dass jedermann wisse, dass angeleinte Hunde auf Almwanderungen Rinder zu aggressivem Verhalten reizten. Ein solches Wissen sei nicht notorisch.

Hier wurde aber durch das angebrachte Warnschild gerade auf diese Gefahr hingewiesen, sodass sich die Klägerin auf ihre diesbezügliche allfällige Unkenntnis nicht berufen könnte. Überdies ist auch von Hundehaltern zu verlangen, dass sie über die mit dem Halten von Hunden (der jeweiligen Rasse) typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen (§ 1320 ABGB).

Es muss mit dem Warnschild nicht noch zusätzlich ‑ wie die Revisionswerberin vermeint ‑ auf die „Lebensgefahr“ hingewiesen werden. Aus dem festgestellten Warnschild wird auf die von den Mutterkühen ausgehende Gefahr ausreichend hingewiesen. Dass ein Angriff einer ausgewachsenen Kuh oder gar mehrerer solcher Kühe unter Umständen lebensgefährlich sein kann, versteht sich aufgrund deren von der Revisionswerberin selbst ins Treffen geführten „gewaltigen Erscheinung“ mit einem Gewicht von ca 750 kg je Kuh von selbst.

Die Rechtsprechung, wonach die Verwahrung eines Tieres in unmittelbarer Nähe einer stark frequentierten Straße besonders sorgfältig erfolgen muss (RIS‑Justiz RS0030107), ist hier nicht einschlägig, weil der Wanderweg, der nach den Feststellungen ein landwirtschaftlicher Bringungsweg ist, keine stark frequentierte Straße ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Beide Beklagten haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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