Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Am 2.6.1996 ereignete sich um 4.20 Uhr auf der Ennstal-Bundesstraße 146 im Gemeindegebiet von Haus im Ennstal ein Verkehrsunfall, als der Kläger mit seinem PKW mit einer dem Beklagten gehörigen Kuh, die aus einem einige hundert Meter entfernt gelegenen Weideareal ausgebrochen und auf die Fahrbahn gelangt war, kollidierte. Der Kläger erlitt dabei Verletzungen; an seinem PKW entstand Totalschaden.
Der Kläger begehrte vom Beklagten Zahlung von S 232.300 sA aus dem Titel des Schadenersatzes sowie die Feststellung der Haftung für zukünftige unfallkausale Schäden. Der Beklagte sei seiner Pflicht zur Verwahrung der entlaufenen Kuh nicht ordnungsgemäß nachgekommen. Diese habe aufgrund der offensichtlich unzureichenden Einzäunung in den Nachtstunden aus dem Weideareal entkommen können und sei vor ihm - völlig unerwartet - auf die Straße gelaufen, weshalb er ungeachtet sofortiger Reaktion den Zusammenstoß nicht mehr habe verhindern können.
Der Beklagte wendete ein, die Weide, von der die Kuh sich aus nicht nachvollziehbaren Gründen entfernen habe können, sei durch einen elektrischen Zaun hohen technischen Standards ausreichend abgesichert gewesen. Die Einzäunung habe sich in vollkommen unbeschädigtem Zustand befunden und sei überdies von ihm laufend auf ihre Zwecktüchtigkeit hin überprüft worden. Somit habe er seine Verwahrungspflicht im vollen Umfang wahrgenommen. Den Kläger treffe am Zustandekommen des Unfalls selbst ein Verschulden, weil er mit weit überhöhter Geschwindigkeit und überdies bloß mit Abblendlicht gefahren sei. Überdies seien dem Kläger auch mangelnde Fahrbahnbeobachtung und eine Reaktionsverspätung zur Last zu legen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es ging hiebei im wesentlichen von folgenden Feststellungen aus:
Der Bauernhof des Beklagten befindet sich in einer Entfernung von rund 800 m von der Unfallstelle nördlich der Bundesstraße. Die Rinderherde, von welcher die unfallverursachende Kuh sich entfernt hatte, befand sich über Nacht auf einer nördlich des Anwesens gelegenen Weide. Der von dieser Weide der Bundesstraße am nächsten gelegene Punkt ist immer noch mehrere hundert Meter davon entfernt.
Bei der verunfallten Kuh handelt es sich um eine dreijährige Mutterkuh, das dazugehörige Kalb war rund drei Monate alt und befand sich zum Unfallszeitpunkt im Verband der Herde innerhalb der Weideumzäunung. Die Kuh war eine Kreuzung der Rassen Fleckvieh und Braunvieh, sie wog ca 600 kg, das Fell hatte bräunliche Farbe, welche von weißen Flecken durchbrochen war. Die Kuh war zum Unfallszeitpunkt nicht stierig.
Bei der gegenständlichen Weide handelt es sich um eine nördlich und östlich des Anwesens des Beklagten gelegene, in Richtung Norden geneigte Wiesenfläche im Ausmaß von einigen Hektar. Die Fläche ist im Süden begrenzt durch das Hofgelände und die Bundesstraße, im Osten durch eine Nachbarwiese sowie im Bereich Norden und Westen durch ein Dach. Vom Stallgebäude nördlich bis zur Überquerung des Baches besteht ein stabiler Holzzaun aus vier Rundlingen, die Überquerung des Baches ist mit vier Holzstangen in Höhen von 0,5, 0,8, 1,0 und 1,2 m gesichert. Anschließend besteht am Westufer des Baches ein fixer Zaun aus zwei Stacheldrähten in Höhen von 0,4 bis 0,7 m und drei Holzstangen in Höhe von 0,3, 0,6 und 0,9 m bis zu einem torartigen Zugang aus der westlichen Himmelsrichtung. Dieser torartige Zugang ist durch einen doppelten Stacheldraht in der Höhe von 0,4 bis 0,7 m und zwei Holzstangen in der Höhe von 0,7 bzw 1,15 m abgesichert. Richtung Norden ist die Fläche mit einem doppelten, teilweise lückigen Stacheldraht eingezäunt, im Norden entlang des Steilabfalles zum Bach besteht kein fixer Zaun. An der östlichen Grenze zum Nachbarn besteht ein fixer Stacheldrahtzaun mit zwei Drähten in der Höhe von 0,5 bzw 0,8 m. Der Abstand der Holzstempel beträgt dabei im Durchschnitt 2,5 m. Entlang der Bundesstraße existiert keine Einzäunung. Die Weide war in Ost-West-Richtung etwa in der Mitte durch einen elektrischen Weidezaun geteilt. Dieser flexible Teilungszaun bestand aus handelsüblichen Federstahlteilen in der Höhe von 1,05 bzw 0,8 m, welche in Abständen von rund 10 m gesetzt und durch ein ebenfalls im Handel erhältliches Weidezaunelektroseil verbunden waren. Der in Norden Richtung Bach gelegene Bereich ohne fixen Zaun sowie der gesamte restliche oben beschriebene fixe Außenzaun waren ebenfalls durch einen elektrischen Weidezaun abgesichert. Das großteils verwendete Weidezaunbreitband war teilweise mittels Isolatoren an Gebüschstämmen und teilweise an Federstahlpfählen in üblicher Höhe befestigt. Als Stromquelle für den Elektrozaun diente ein Netzgerät mit einer angegebenen Leistung von 50 Herz bzw einer Aufnahmeleistung von 3,5 Watt. Die bestehenden fixen Zäune entsprechen in ihrer Machart den in der Gegend üblichen Einzäunungen, im Bereich angrenzend an das Stallgebäude können sie als überdurchschnittlich bezeichnet werden. Zudem ist dieser fixe Zaun noch durch einen Elektrozaun abgesichert. Der den gesamten Weideberich umschließende elektrische Weidezaun ist aus im Handel erhältlichen, praktisch genormten Bestandteilen fachgerecht errichtet, das Netzgerät hat eine für die gegebene Zaunlänge ausreichende Leistung. Im Prinzip ist dieser elektrische Weidezaun als sichere Einzäunung zu betrachten. Da der oben festgestellte Zustand der Weideeinzäunung zum Unfallszeitpunkt gegeben war, kann von einer ortsüblichen sicheren Verwahrung der Tiere durch den Beklagten ausgegangen werden. Die Weidebegrenzung ist als sicher und im ortsüblichen Maßstab gelegen zu bezeichnen.
Dennoch konnte es aus nicht feststellbaren Gründen geschehen, daß die verunfallte Kuh in der Nacht vom 1. auf den 2.6.1996 aus der genannten, gut abgesicherten Weide entkam. Die Kuh wählte nach dem Verlassen der Weide einen nicht mehr näher feststellbaren Weg, sie befand sich gegen 4.00 Uhr morgens im Garten einer Nachbarfamilie, welche die Kuh dort wieder verjagte. Das Haus der Nachbarfamilie liegt dabei in einer Entfernung von ca 800 bis 900 m vom Gehöft des Beklagten entfernt. Vom Haus dieser Familie nahm die Kuh zunächst einen Weg hangaufwärts, sohin von der Bundesstraße weg. Um ca 4.20 Uhr näherte sie sich dann wiederum der Bundesstraße, wo es in weiterer Folge zu der noch in Dunkelheit stattfindenden Kollision zwischen dem Kläger und deer Kuh kam. Es kann nicht festgestellt werden, daß die verunfallte Kuh eine Verhaltensstörung, und schon gar nicht, daß sie eine bereits länger dauernde und für den Beklagten auffällige Verhaltensstörung aufwies. Es kann lediglich festgestellt werden, daß der eigentliche Ausbruchsakt der Kuh ein atypisches Verhalten, wie es in der Praxis durchaus vorkommen kann, darstellt.
Den festgestellten Sachverhalt beurteilte das Erstgericht dahin, daß der Beklagte die entkommene Kuh in ortsüblicher und sicherer Verwahrung gehalten habe, weshalb ihm keinerlei verschuldensbegründendes Fehlverhalten zur Last zu legen sei. Die Weide befinde sich zwar im rechtlichen Sinne in der Nähe einer stark frequentierten Straße, weshalb hinsichtlich der Verwahrung ein besonderer Sorgfaltsmaßstab anzulegen sei, im allgemeinen genüge jedoch ein - hier auch vorhandener - elektrischer Weidezaun. Die Anforderungen an die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht dürften nicht derart überspannt werden, daß eine landwirtschaftliche Tierhaltung sich praktisch als nicht mehr möglich erweise.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers gegen das erstgerichtliche Urteil, das hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von S 58.075 sA und Feststellung der Haftung für 25 % künftiger unfallskausaler Schäden des Klägers - der einräumte, nicht auf Sicht gefahren zu sein - unbekämpft blieb, Folge, hob das Urteil im angefochtenen Umfang auf, verwies die Rechtssache insoweit an das Erstgericht zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Es ließ die Mängel- und Beweisrüge des Klägers unerledigt und führte zu dessen Rechtsrüge folgendes aus:
§ 1320 ABGB sei zwar vom historischen Gesetzgeber als Verschuldenshaftung mit Beweislastumkehr konzipiert worden, doch komme es beim Verschuldensbegriff dieser Bestimmungen nicht auf eine subjektive Vorwerfbarkeit an, sondern sei allein auf die objektiv gebotene Sorgfalt abzustellen. In der Lehre werde daher - nicht zuletzt unter Berufung auf den Gesetzgeber der dritten Teilnovelle, der nur die "volle Gefährdehaftung" ausschließen habe wollen - mit Recht auf die dogmatische Zwitterstellung der Tierhalterhaftung hingewiesen. So spreche Reischauer von einem "Kompromiß zwischen Verschuldens- und Gefährdungshaftung", Gschnitzer von einer "in die Form der Beweislastumkehr gekleideten Gefährdungshaftung". All diese Bemühungen um dogmatische Einordnung zeigten deutlich die Tendenz zu erhöhter Zurechenbarkeit schädigenden Tierverhaltens, mit der der Halter haftungsmäßig belastet sei. Dies erscheine auch sachlich gerechtfertigt, weil die Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens eine beträchtliche Gefahrenquelle darstelle. Dieses Risiko bzw die Schäden, in denen es sich verwirkliche, seien dem Tierhalter (im Wege der Anlegung verschärfter Maßstäbe an die objektiv gebotene Sorgfalt bei der Wahrnehmung der Verwahrungspflicht) aufzuerlegen. Bei der Beurteilung des im Einzelfall anzuwendenden Sorgfaltsmaßstabes sei insbesondere auf die Kriterien der Gefährlichkeit des Tieres und die Möglichkeit der Schädigung durch das spezifische Tierverhalten abzustellen. Je größer die Tiergefährlichkeit und je größer die Schädigungsmöglichkeit, desto höher die an die Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht zu stellenden Anforderungen. Zusätzliche Anhaltspunkte für die Festlegung des Sorgfaltsmaßstabes ließen sich aus einer Interessensabwägung gewinnen. Die von der potentiellen Schädigung betroffenen Interessen (in concreto vor allem die körperliche Unversehrtheit von Straßenbenützern) seien in wertender Betrachtung mit dem durch die Maßnahmen zur Hintanhaltung solcher Schäden beeinträchtigten Interessen des Tierhalters und seiner Sphäre zu vergleichen. In Anwendung dieses Kriterienkataloges sei für den vorliegenden Fall folgendes auszuführen:
Die Gefährlichkeit einer Kuh sei zwar, sofern man bloß auf den charakterlichen Leumund dieser Tierart abstelle (weitgehende Harmlosigkeit, gepaart mit "Dummheit", welche allerdings zu einer gewissen Unberechenbarkeit führe), nicht besonders hoch einzuschätzen, doch greife eine solche abstrakte, ausschließlich an der artspezifischen tierpsychologischen Grundkonstitution orientierte Betrachtungsweise zu kurz. Ein zielführender Ansatz müsse auch die Art und Weise berücksichtigen, auf die eine vom Tierhalter ins Auge zu fassende mögliche Schädigung sich konkret realisiere. Im vorliegenden Fall sei daher die Eigenschaft der Kuh zu einer möglichen Annäherung zu der nahegelegenen Straße oder zu einer Querung dieser Straße oder gar einem Verweilen darauf in Beziehung zu setzen. Unter diesem Blickwinkel könne aber kein Zweifel daran bestehen, daß eine ca 600 kg schwere Kuh auf einer frequentierten Bundesstraße, noch dazu zur Nachtzeit, trotz der ihr landläufig attestierten Sanftmut eine enorme Gefahr darstellt.
Angesichts der geringen Entfernung zwischen Weide und Straße müsse auch die Möglichkeit der Schädigung (bei Versagen der Verwahrungsmaßnahmen) als sehr naheliegend angenommen werden, weshalb die Anwendung der beiden erwähnten Kriterien zur Anlegung eines rigorosen Sorgfaltsmaßstabes führen müsse. Nach den Feststellungen im bekämpften Urteil habe der Weidezaun an manchen Stellen (östliche Grenze) eine Höhe von bloß 80 cm aufgewiesen; teilweise sei der Stacheldraht lückig gewesen. Entlang der Bundesstraße habe keine Einzäunung bestanden. Stattdessen habe sich in einer Entfernung von einigen hundert Metern ein flexibler Elektroweidezaun in relativ geringer Höhe (0,8 bis 1,05 m) befunden. Wenn auch für die Beweidung des Rindviehs ein handelsüblicher Elektroweidezaun "im allgemeinen hinlänglich" sei und die festgestellte Ortsüblichkeit der Umzäunung auf die Erfüllung zumindest durchschnittlicher Standards schließen lasse, so könne dies doch im speziellen Fall angesichts des anzuwendenden erhöhten Sorgfaltsmaßstabes nicht als für den Haftungsfreibeweis ausreichend erachtet werden. Bezüglich der Zaunhöhe sei auszuführen, daß in einem ähnlich gelagerten Fall (ZVR 1970/75) eine Zaunhöhe von 1 m gerade noch als genügend qualifiziert wurde, weil zur Straße hin eine Böschung vorhanden war, die ein zusätzliches, natürliches Hindernis für das Überspringen des Zaunes bildete. Ohne ein solches Hindernis sei ein ausreichender Schutz gegen das Ausbrechen einzelner Tiere erst ab einer Höhe von 1,10 bis 1,20 m gegeben. Dem Umstand, daß im geschilderten Fall die Weide in unmittelbarer Straßennähe gelegen gewesen sei, könne nicht die entscheidende Bedeutung zukommen, weil das Verhalten eines einmal aus einer Weide ausgebrochenen Tieres nicht abschätzbar sei und daher damit gerechnet werden müsse, daß es sich nach erlangter Bewegungsfreiheit auf die "in relativer Nähe befindliche" Straße begebe.
Nach den Beweisergebnissen des erstinstanzlichen Verfahrens habe die Ausbruchstelle nicht eruiert werden können; der Zaun habe keine darauf hindeutende Beschädigung, insbesondere keine Lücke aufgewiesen. Daraus sei zwanglos auf die Mühelosigkeit des Ausbruchsaktes zu schließen. Diese wiederum indiziere ein objektives Fehlverhalten des Beklagten dahin, daß von ihm - insbesondere für die Beweidung während der Nacht - nur unzureichende Verwahrungsmaßnahmen getroffen wurden. Es könne in Anwendung des Maßstabes eines ordentlichen Landwirtes beim Beklagten als Leiter eines landwirtschaftlichen Betriebes vorausgesetzt werden, daß er die Gefahren, die aus der Eigenart der von ihm gehaltenen Tiere entspringen, abzuschätzen vermag und mit entsprechenden Maßnahmen (Errichtung eines Zauns in ausreichender Höhe) darauf reagiert.
Schließlich gehe auch die Abwägung der Interessen im oben erwähnten Sinne, die zwischen dem Recht des Klägers auf körperliche Unversehrtheit und der Beeinträchtigung der (im wesentlichen wirtschaftlichen) Interessen des Beklagten durch den Mehraufwand zur Herstellung eines tatsächlich sicheren Zaunes stattfinde, klar zu Lasten des Beklagten. Ausgehend von dem unstrittigen Standpunkt, daß das menschliche Leben und die körperliche Integrität die höchsten Rechtsgüter seien, müsse dem Beklagten der geringe Mehraufwand zur Herstellung eines etwas höheren und stabileren Weidezauns zugemutet werden, zumal dann, wenn er sich entschließe, die Tiere auch nachts auf der Weide zu belassen, und daher die Chance der rechtzeitigen Entdeckung eines flüchtigen Tieres sehr gering sei. Die Forderung einer solchen Maßnahme stelle noch keinen derart schweren Eingriff in die Interessen des landwirtschaftlichen Tierhalters dar, daß eine Viehhaltung geradezu unmöglich gemacht würde.
Aus diesen Erwägungen sei die Mithaftung des Beklagten für die Unfallsfolgen zu bejahen. Es seien jedoch bisher Feststellungen weder zum Unfallshergang noch zu den einzelnen Schäden bzw zur Schadenshöhe noch zum Vorliegen allfälliger Spät- und/oder Dauerfolgen beim Kläger getroffen worden, zumal das Erstgericht zur Haftungsfrage die Rechtsauffassung vertreten habe, daß jegliche Mithaftung des beklagten Tierhalters abzulehnen sei. Da jedoch dazu vom Erstgericht Beweise aufgenommen worden seien, sei die Sache zur Vermeidung eines unwirtschaftlichen Mehraufwands an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen. Dieses werde im fortzusetzenden Verfahren Feststellungen zum Unfallshergang und zu den einzelnen Schäden des Klägers zu treffen, über die Verschuldensteilung und den dem Kläger zustehenden Schadenersatzbetrag abzusprechen und schließlich auch zu beurteilen haben, ob Spät- oder Dauerfolgen ein Feststellungsbegehren rechtfertigten.
Die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshof nach § 519 ZPO erscheine geboten, weil doch von einer - bisher milderen - Rechtsprechungslinie abgegangen werde und allenfalls unnützer Verfahrensaufwand vermieden werden solle.
Gegen diese Berufungsentscheidung richtet sich der Rekurs des Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das erstgerichtliche Urteil zu bestätigen.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, den Rekurs zurückzuweisen, und hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.
Der Rekurs ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, er ist auch berechtigt.
Der Rechtsmittelwerber macht im wesentlichen geltend, eine Haftung des Tierhalters bestehe nur bei Unterlassung der nach den bekannten oder doch erkennbaren Eigenschaften und dem bisherigen Verhalten des Tieres erforderlichen und nach der Auffassung des Verkehrs vernünftigerweise zu erwartenden Vorkehrungen. Es dürfe die Möglichkeit der Haltung nicht bösartiger Haustiere nicht durch überspannte Forderungen hinsichtlich der Verwahrungs- und Beaufsichtigungspflicht geradezu ausgeschlossen werden. Vielmehr genüge bei solchen Tieren die übliche Verwahrung der betreffenden Tiergattung; eine Vernachlässigung der Verwahrung liege nur vor, wenn diese der gebotenen Vorsicht nicht entspreche. Im allgemeinen genüge die Verwahrung von Rindern mittels eines elektrischen Weidezaunes. Durch die Verwendung eines solchen Zaunes werde eine praktisch befriedigende Hüterwirkung erreicht; wenn es auch nicht unmöglich sei, daß ein solcher Zaun von Rindern aus außergewöhnlicher Veranlassung überwunden werde, sei er als hinlängliche Verwahrung anzusehen. Werde ein elektrischer Weidezaun verwendet, so könne die Kontrolle der Einrichtung auf das Funktionieren der von der Elektrizität ausgehenden Wirkung beschränkt bleiben. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sei die Kuh vom Beklagten in einer ortsüblichen und sicheren Verwahrung gehalten worden. Eine Haftung des Beklagten sei nicht gegeben, weil ihm der Haftungsfreibeweis nach § 1320 ABGB gelungen sei.
Dem ist im wesentlichen zuzustimmen:
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist die Verwahrung von Rindern mit einem elektrischen Weidezaun im allgemeinen als hinlänglich anusehen (SZ 45/126 = ZVR 1974/65; ZVR 1974/18; ZVR 1977/296; ZVR 1979/100; ZVR 1979/130; ZVR 1980/158; SZ 52/86; ebenso Reischauer in Rummel2 § 1320 ABGB Rz 13; Harrer in Schwimann2 § 1320 ABGB Rz 17; Oberhofer, Tierhalterhaftung im ländlichen Bereich, ZVR 1996, 34, 43 f), dies auch - wie hier - nachts und in der Nähe von Bundesstraßen (SZ 45/126; ZVR 1977/296). In SZ 52/86 wurde hiezu folgendes ausgesprochen: "Die Verwahrung von Tieren in der Nähe einer stark befahrenen Straße muß zwar besonders sorgfältig erfolgen, doch dürfen die Anforderungen an den Tierhalter nicht überspannt werden, weil sonst die Viehhaltung geradezu unmöglich gemacht würde. Vom Tierhalter kann nicht verlangt werden, jede Möglichkeit einer Schadenszufügung durch seine Tiere auszuschließen, sondern es ist lediglich zu fordern, daß eine den Anforderungen des § 1297 ABGB entsprechende Vorsicht bei der Verwahrung der Tiere angewendet wird. Durch die Verwendung eines elektrischen Weidezaunes wird eine praktisch befriedigende erhöhte Wirkung erreicht. Auf den guten Wirkungsgrad einer solchen Einrichtung wurde in Literatur und Rechtsprechung hingewiesen. Wenn es auch nicht unmöglich ist, daß ein solcher Zaun von Rindern aus außergewöhnlicher Veranlassung durchbrochen wird, ist er als hinlängliche Verwahrung anzusehen". Nach ZVR 1979/100 genügt es für die abschreckende Wirkung eines Elektrozauns, wenn nur ein stromführender Draht vorhanden und in einer Höhe von 70 bis 90 cm gespannt ist.
Der erkennende Senat sieht sich im vorliegenden Fall nicht veranlaßt, von diesen Grundsätzen abzugehen und - entsprechend den Vorstellungen des Berufungsgerichtes - die Haftung des Rinderhalters zu verschärfen.
Was die Gefahr anlangt, die von der am Unfall beteiligten Kuh ausging, hat der Gesetzgeber in § 1320 ABGB eben keine (volle) Gefährdungshaftung normiert (Reischauer aaO Rz 20 f mwN). Die besondere Tiergefahr wird ohnehin dadurch berücksichtigt, daß nicht auf das subjektive Verschulden des Halters, sondern auf die objektiv geotene Sorgfalt abgestellt wird (Reischauer aaO Rz 20; Koziol, Haftpflichtrecht I3 4/13, 5/40, II2 406 f). Die analoge Anwendung einer (vollen) Gefährdungshaftung ist im vorliegenden Fall der Verwahrung einer Kuh nicht in Betracht zu ziehen (vgl Harrer aaO Rz 22).
Die Möglichkeit der Schädigung bei Versagen der Verwahrungsmaßnahmen rechtfertigt unter den hier gegebenen Umständen nicht schon die Anlegung eines rigorosen Sorgfaltsmaßstabes. Zwar wird die Wahrscheinlichkeit einer Schadenszufügung bei der Prüfung, welche Verwahrung erforderlich ist, eine Rolle spielen, jede Möglichkeit einer Schädigung muß aber nicht auszuschließen sein (Reischauer aaO Rz 12 mN; Harrer aaO Rz 10 mN).
Zwar kann die Abwägung zwischen den beiderseitigen Interessen in die Beurteilung der objektiven Zumutbarkeit von Maßnahmen einfließen; die im allgemeinen Interesse liegende Landwirtschaft darf aber nicht durch Überspannung der Anforderungen unbillig belastet werden (Reischauer aaO Rz 12 mwN).
Ausgehend von den (in der Berufung des Klägers bekämpften) erstgerichtlichen Feststellungen wäre eine Tierhalterhaftung des Beklagten im Hinblick auf das Vorhandensein eines fachgerechten elektrischen Weidezaunes somit zu verneinen. Besondere Umstände, die zu einer abweichenden Beurteilung führen könnten (vgl ZVR 1980/158), liegen nicht vor. Da ein elektrischer Weidezaun für die Verwahrung von Rindern grundsätzlich ausreicht, sind Mängel einer zusätzlichen Umzäunung (teilweise lückiger Stacheldraht) nicht von Bedeutung.
Aufgrund seiner anderen Rechtsmeinung hat das Berufungsgericht die Mängel- und Beweisrüge des Klägers nicht erledigt. Die Rechtssache war daher unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung des Klägers an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
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