OGH 2Ob53/19m

OGH2Ob53/19m30.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé und die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * 2017 verstorbenen J* B*, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Pflichtteilsberechtigten A* B*, vertreten durch Dr. Eva Maria Barki, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 1. Februar 2019, GZ 16 R 5/19b, 16 R 6/19z‑53, womit infolge Rekurses des genannten Pflichtteilsberechtigten der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 7. November 2018, GZ 2 A 228/17d‑41, bestätigt und der Rekurs des genannten Pflichtteilsberechtigten gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 7. November 2018, GZ 2 A 228/17d‑42, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E128627

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs wird, soweit er sich auf den den erstinstanzlichen Beschluss ON 41 behandelnden Teil der angefochtenen Entscheidung bezieht, mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

2. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird, soweit er sich auf den den erstinstanzlichen Beschluss ON 42 behandelnden Teil der angefochtenen Entscheidung bezieht, nicht Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Ausspruch über die Zurückweisung des Rekurses entfällt.

3. Ein Kostenersatz findet nicht statt.

 

Begründung:

Der Erblasser starb am * 2017. Er hinterlässt zwei Söhne und eine Tochter. Der jüngere Sohn und die Tochter (im Folgenden: Antragsgegner) sind zu gleichen Teilen Testamentserben, der ältere Sohn (im Folgenden: Antragsteller) ist pflichtteilsberechtigt.

Über Antrag des Antragstellers, der behauptete, zum Nachlass gehörten „namhafte Mengen von Gold‑ und Silbermünzen“, die sich am erblasserischen Wohnsitz befänden, von den Erben aber nicht angegeben worden seien, wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 29. 12. 2017 die Absonderung des Nachlasses vom Vermögen der Erben bewilligt, eine Separationskuratorin bestellt und die Sicherung der Verlassenschaft durch Versiegelung des erblasserischen Wohnsitzes bewilligt. Außerdem wurde die Anmerkung der Nachlassseparation im Grundbuch angeordnet.

Der Gerichtskommissär legte das mit 2. 7. 2018 datierte Inventar vor, das er – unter nur teilweiser Berücksichtigung des danach gestellten Antrags – am 12. 7. 2018 berichtigte bzw ergänzte; dieses Inventar weist einen Reinnachlass von 237.636,66 EUR aus.

Am 6. 7. 2018 hatte der Antragsteller

I. die Feststellung des Verkehrswerts der Liegenschaft EZ *,

II. die Ergänzung des Inventars,

III. die Durchführung von Sparbuchabfragen durch den Gerichtskommissär bei der Bank A*, E*Bank, R* Bank, U* Bank, zum Zwecke der Feststellung, ob der Erblasser Sparbuchkonten hatte, sowie Feststellung deren Höhe und Aufnahme in das Inventar,

IV. die an die Tochter des Erblassers zu richtende Aufforderung, ihre Bankverbindungen bekannt zu geben, und die rückwirkende Öffnung der Konten der Tochter zum Zwecke der Feststellung von Geldüberweisungen des Erblassers an sie sowie

V. die Übersendung von Kopien der bereits vorliegenden Sachverständigengutachten

beantragt.

Dazu führte er, soweit in dritter Instanz noch von Interesse, aus, das Inventar sei ergänzungsbedürftig. Unter den Aktiva sei im Inventar das Guthaben auf dem Girokonto mit 6.307,20 EUR angeführt, was aber nur ein Drittel des Kontostandes im Todeszeitpunkt sei. Richtigerweise sei der Gesamtbetrag von 18.921,60 EUR als Aktivum in das Inventar aufzunehmen. Der Erblasser sei Kontoinhaber gewesen. Im Inventar nicht berücksichtigt sei weiters eine neuwertige, fast nicht benützte und intakte Infrarotkabine im Wert von ca 5.000 EUR. Der Erblasser habe dem Antragsteller „immer“ von namhaften Guthaben auf Sparbüchern erzählt, solche schienen im Inventar aber nicht auf.

Mit Beschluss vom 7. 11. 2018 (ON 41) bewilligte das Erstgericht unangefochten die unter I. und V. genannten Anträge, wies jedoch die übrigen Anträge ab.

Es stellte ua Folgendes fest:

Das Girokonto weist drei Miteigentümer auf (namentlich genannt: den Erblasser und die Testamentserben). Eine vorhandene, nicht fix mit dem Haus verbundene Infrarotkabine wurde bei der Fahrnisschätzung jedenfalls mitbewertet. Es gibt keinen Markt für gebrauchte Infrarotkabinen. Es kann nicht festgestellt werden, dass es weitere nachlasszugehörige Sparbücher gibt.

Rechtlich führte das Erstgericht ua aus, weise ein gemeinschaftliches Bankkonto mehrere Eigentümer auf, sei mangels eindeutigen Gegenbeweises davon auszugehen, dass das Guthaben den Mitberechtigten anteilsmäßig zustehe und das Gesamtguthaben somit als zu einem Drittel nachlasszugehörig auszuweisen sei. Die Infrarotkabine sei mangels Absatzmarkts nicht zu inventarisieren. Die bloße Angabe des Antragstellers, der Erblasser habe von namhaften Guthaben auf Sparbüchern erzählt, stelle keinen konkreten Anhaltspunkt für die Nachlasszugehörigkeit oder Existenz dieser Sparbücher dar.

Über Antrag der Antragsgegner hob das Erstgericht mit weiterem Beschluss vom 7. 11. 2018 (ON 42) die Sicherung der Verlassenschaft durch Versiegelung auf. Dazu stellte es ua fest:

Trotz genauer Nachschau im Erdgeschosskeller und Dachboden konnten keine Silber- oder Goldmünzen gefunden werden. Die Separationskuratorin hielt in ihrer Stellungnahme vom 4. 7. 2018 fest, dass im gesamtem Haus, inklusive aller Schränke und hinter den Bildern, nach Gold- und Silbermünzen gesucht worden sei.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Gefahr, dass Vermögensbestandteile der Verlassenschaftsabhandlung entzogen werden, bestehe nicht mehr, sodass es einer Versiegelung nicht mehr bedürfe.

Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluss dem Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss ON 41 (Spruchpunkte II. bis IV.) nicht Folge und wies den Rekurs gegen den Beschluss ON 42 zurück. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs jeweils nicht zu.

Zum Rekurs gegen den Beschluss ON 41 führte es aus, die Behauptung des Antragstellers, der Erblasser sei (alleiniger) Kontoinhaber gewesen, sei durch die Mitteilung der kontoführenden Bank widerlegt. Es habe für den Gerichtskommissär schon mangels darüber hinausgehender Hinweise keinen Anlass gegeben, die Angaben der Bank anzuzweifeln und weitere Erhebungen anzustellen. Die Ansicht des Erstgerichts, der Infrarotkabine komme mangels Markts kein eigenständiger Wert zu, sei nicht zu beanstanden. Die reinen Vermutungen des Antragstellers genügten nach den Kriterien der Rechtsprechung nicht, um eine (rückwirkende) Öffnung der Konten des Erblassers zu rechtfertigen. Die ebenfalls begehrten Anfragen an Banken bezüglich (erhoffter) Sparbücher stellten nur einen reinen Erkundungsbeweis dar, zumal der Antragsteller kein konkretes Vorbringen zu angeblichen Sparbüchern (zB Bank, Kontonummer, Höhe der Einlage) erstatten könne. Zur beantragten Öffnung der Konten der Tochter des Erblassers enthalte der Rekurs weder ausreichendes Vorbringen noch einen konkreten Rekursantrag. Überdies böten die Bestimmungen des Verlassenschaftsverfahrens für eine Überprüfung von nicht dem Verstorbenen zurechenbaren Konten keine rechtliche Handhabe.

Zum Rekurs gegen den Beschluss ON 42 führte das Rekursgericht aus, die vom Erstgericht zugleich mit der Bewilligung des Absonderungsantrags angeordnete Versiegelung des Nachlasses sei eine Maßregel der Absonderung und als solche mit der Absonderung selbst so verknüpft, dass sie für sich allein, etwa bei Aufhebung der Absonderungsbewilligung durch das Rekursgericht, nicht bestehen könne. Daraus folge aber gerade nicht, dass eine Versiegelung nicht trotz aufrechter Absonderung aufgehoben werden könne: Allein die vom Antragsteller behauptete Existenz von Gold- und Silbermünzen sowie auch Sparbüchern habe die Versiegelung der Liegenschaft gerechtfertigt; eine allfällige Schmälerung der Pflichtteilsansprüche des Antragstellers durch Verfügung der Erben über die nachlasszugehörigen Liegenschaftsanteile scheide aufgrund der bücherlichen Anmerkung der Separation ohnehin aus. Abgesehen davon obliege die Entscheidung, ob eine Sicherung des Nachlasses notwendig sei, dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtskommissärs. Einem Pflichtteilsberechtigten stehe der Rekurs weder gegen einen Beschluss auf Zurückweisung seines Antrags auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen noch gegen die Aufhebung einer Sicherungsmaßnahme bei Aufrechterhaltung der Separation zu.

Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, seinen im Beschluss ON 41 behandelten Anträgen stattzugeben, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Weiters beantragt er, den angefochtenen Beschluss betreffend den Beschluss ON 42 aufzuheben und dem Rekursgericht die Fortsetzung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen, allenfalls in der Sache selbst zu entscheiden und den Antrag der Erben auf Aufhebung der Versiegelung abzuweisen.

Die Antragsgegner beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen bzw ihm nicht Folge zu geben.

Die Separationskuratorin, der der Oberste Gerichtshof die Revisionsrekursbeantwortung betreffend den erstgerichtlichen Beschluss ON 42 freistellte, hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist betreffend den Gegenstand des Beschlusses ON 41 mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig; betreffend den Gegenstand des Beschlusses ON 42 ist das Rechtsmittel zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Zum Gegenstand des Beschlusses ON 41:

1.1. Ergänzung des Inventars (Spruchpunkt II. des Beschlusses ON 41):

1.1.1. Der Antrag auf Aufnahme bestimmter Sachen in das Inventar, deren Zugehörigkeit zum Verlassenschaftsvermögen strittig ist, hat seine rechtliche Grundlage in § 166 Abs 2 AußStrG. Wird ein solcher Antrag nach Errichtung des Inventars gestellt, ist der darüber ergangene Beschluss nach allgemeinen Grundsätzen anfechtbar (2 Ob 64/18b; 2 Ob 81/18b; RS0132172).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor: Der Antragsteller begehrte mit seinem Antrag vom 6. 7. 2018 vergeblich die Aufnahme bestimmter Sachen (Forderungen und Gegenstände) in das am 2. 7. 2018 errichtete Inventar.

1.1.2. Girokonto:

Der Oberste Gerichtshof hat zuletzt in der Entscheidung 2 Ob 12/18f (= RS0131966) ausgesprochen, dass Guthaben auf Oder-Konten mangels Bescheinigung des Gegenteils durch unbedenkliche Urkunden nur mit dem anteilig auf den Erblasser entfallenden Teil als Aktiva der Verlassenschaft anzusehen sind (vgl auch 1 Ob 108/13h). Nach der dem Gerichtskommissär erteilten Auskunft der Bank ist hier von einem Oder-Konto auszugehen (vgl Beilage ./E: Einzelverfügungsbefugnis der mehreren Inhaber).

Die von der zitierten Rechtsprechung geforderte Bescheinigung des Gegenteils durch unbedenkliche Urkunden betreffend das Girokonto hat der Antragsteller nicht erbracht.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die das Guthaben auf dem Girokonto nur mit einem Drittel in das Inventar aufgenommen haben, stehen mit dieser Rechtsprechung im Einklang, weshalb der Rechtsmittelwerber insoweit keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt hat.

1.1.3. Infrarotkabine:

Die diesbezügliche erstgerichtliche Feststellung bedeutet im Ergebnis, dass die Infrarotkabine mangels vorhandenen Markts keinen (Verkehrs-)Wert hat. Diese Tatsachenfeststellung kann der Rechtsmittelwerber in dritter Instanz nicht mehr bekämpfen, weshalb seine Ausführungen insoweit ins Leere gehen. Die Infrarotkabine zählt daher nicht zu den Aktiva des Inventars.

1.2. Sparbücher (Spruchpunkt III. des Beschlusses ON 41):

1.2.1. Auch der Antrag auf „Sparbuchabfragen“ bei den Banken zielt auf eine Entscheidung nach § 166 Abs 2 AußStrG ab, weil, wie schon aus dem Antragsbegehren hervorgeht, die möglichen Sparguthaben in das Inventar aufgenommen werden sollen.

In der Entscheidung 2 Ob 64/18b wurde klargestellt, dass ein Antrag zur Erwirkung einer Entscheidung nach § 166 Abs 2 AußStrG zunächst bloß auf die Vornahme weiterer Erhebungen gerichtet werden kann. Es bedarf aber „besonderer Indizien“ für Existenz und Nachlasszugehörigkeit der behaupteten Vermögenswerte, hier also dafür, dass tatsächlich Sparguthaben des Erblassers vorhanden sind. Reine Erkundungsbeweise sind in diesem Zusammenhang nicht aufzunehmen (vgl auch 2 Ob 183/15y).

1.2.2. Wie der Oberste Gerichtshof im Zusammenhang mit Anträgen auf rückwirkende Kontenöffnung bereits ausgeführt hat, ist das Konkretisierungserfordernis nicht so hoch anzusetzen, dass etwa ein Antrag auf Ermittlung des Vorhandenseins und des Umfangs eines vom ursprünglichen Inventar noch nicht erfassten Vermögens praktisch nie in Frage kommt (2 Ob 183/15y). Umso eher gilt dies für eine bloße Anfrage nach dem Vorhandensein von dem Erblasser gehörigen Sparbüchern, greift diese doch in keinerlei Rechte Dritter ein, während die rückwirkende Kontenöffnung die Empfänger von Geldbeträgen offen legt und in der Sache regelmäßig der Information über mögliche Schenkungen dient (zu den Erfordernissen für eine Kontenöffnung vgl 2 Ob 183/15y [3]). Diese unterschiedliche Interessenlage rechtfertigt es, die Anforderungen an das Vorliegen „besonderer Indizien“ für Anträge auf Anfragen an Banken nach Sparbüchern des Verstorbenen, mittels derer etwa Auskünfte über das Vorhandensein auf den Verstorbenen identifizierter Sparguthaben erlangt werden können (zur Bedeutung vgl 2 Ob 64/17a; RS0131962), noch geringer zu halten, als bei Anträgen auf rückwirkende Kontenöffnung.

Nach diesen Kriterien könnte zwar schon die (nicht von vornherein als unwahr zu unterstellende) Behauptung des Antragstellers, der Erblasser habe „immer“ von namhaften Guthaben auf Sparbüchern erzählt, einen hinreichend konkreten Anhaltspunkt dafür bieten, dass nachlasszugehörige Sparbücher vorhanden sind. Das diesbezügliche Vorbringen des Antragstellers bedarf aber keiner abschließenden Würdigung. Denn der Antrag auf entsprechende Bankenanfrage setzt zumindest die Nennung konkreter Kreditinstitute mit dem möglichst exakten Firmenwortlaut sowie eine Begründung voraus, warum gerade bei den genannten Kreditinstituten angefragt werden soll. Auch dafür reichen zwar schon geringe Indizien aus, wie sie etwa eine Behauptung enthalten würde, es habe sich um die Hausbank des Verstorbenen gehandelt. Solche Angaben lässt der Antrag jedoch gänzlich vermissen.

Im Ergebnis erweist sich somit die Abweisung des Antrags auf Anfrage wegen Sparbüchern durch die Vorinstanzen als nicht korrekturbedürftig.

Betreffend die (vom Antragsteller offenbar gemeinte) U* Bank * AG besteht der Anspruch auf Anfrage nach Sparbüchern überdies schon deshalb nicht zu Recht, weil dieses Kreditinstitut bereits bekanntgegeben hat, dass bei ihm „keine weiteren legitimierten Werte, Safes oder Sparbuch-Schließfächer auf Namen des Erblassers vorgefunden werden“ konnten (Beilage ./E).

1.3. Aufforderung an die Tochter, ihre Bankverbindungen bekanntzugeben (Spruchpunkt IV. des Beschlusses ON 41):

Zu diesem Punkt enthält der Revisionsrekurs (wie auch schon der Rekurs) keinerlei Ausführungen, sodass sich eine Stellungnahme erübrigt.

1.4. Offenlegung des Girokontos:

Dies hat der Antragsteller in erster Instanz nicht begehrt, weshalb darauf nicht einzugehen ist.

1.5. Zu dem den Beschluss ON 41 betreffenden Teil des Beschlusses des Rekursgerichts hat der Rechtsmittelwerber somit keine erhebliche Rechtsfrage aufgeworfen, weshalb das Rechtsmittel insoweit zurückzuweisen ist.

2. Zum Gegenstand des Beschlusses ON 42:

Der Rechtsmittelwerber macht geltend, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob einem Pflichtteilsberechtigten ein Rekursrecht gegen einen Beschluss zusteht, mit dem die auf seinen Antrag erfolgte Sicherung durch Versiegelung wieder aufgehoben wird. Dazu habe sich das Rekursgericht nur auf eine Literaturstelle bezogen. Die „Schätzung“ hätte unter seiner Beiziehung wiederholt werden müssen. Die Bewilligung der Nachlasseparation sei mit der Sicherung des Nachlasses durch Versiegelung derart verknüpft, dass keine Bewilligung für sich allein aufgehoben werden könne.

Hierzu wurde erwogen:

2.1. Besteht die Gefahr, dass Vermögensbestandteile der Verlassenschaftsabhandlung entzogen werden, oder sind die vermutlichen Erben, nahen Angehörigen oder Mitbewohner zur Verwahrung nicht fähig oder doch nicht bereit, so hat der Gerichtskommissär gemäß § 147 Abs 1 AußStrG die Verlassenschaft auf geeignete Weise zu sichern. Nach Absatz 2 der Bestimmung kommt als Sicherungsmaßnahme neben dem Versperren insbesondere die Versiegelung der Verlassenschaft oder ihre Verwahrung beim Gerichtskommissär oder einem Verwahrer in Betracht.

2.2. Nach der sich auf 3 Ob 229/09m berufenden Aussage der Entscheidung 6 Ob 78/12g steht einem Pflichtteilsberechtigten gegen die Zurückweisung dessen Antrags auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 147 AußStrG ein Rechtsmittel nicht zu.

Aus der Entscheidung 3 Ob 229/09m lässt sich diese Aussage jedoch in dieser Form nicht entnehmen. Denn dort hat der 3. Senat den Revisionsrekurs des Antragstellers erkennbar mangels erheblicher Rechtsfrage und nicht mangels Rechtsmittellegitimation zurückgewiesen, weil nämlich ein Interesse an der beantragten Nachlassverwahrung nicht erkennbar war. In der Entscheidung 6 Ob 78/12g wurde die zitierte Aussage nicht näher begründet.

Im Folgenden ist zu prüfen, ob diese Aussage – wie das Rekursgericht annahm – auf den vorliegenden Fall sinngemäße Anwendung findet, in welchem dem Antrag gemeinsam mit jenem auf Nachlassabsonderung rechtskräftig stattgegeben, die Antragslegitimation also implizit bejaht worden ist.

2.3. Als Verlassenschaftsgläubiger ist der Pflichtteilsberechtigte im Abhandlungsverfahren nach dem klaren Wortlaut des § 812 ABGB zur Antragstellung auf Nachlassabsonderung legitimiert (vgl auch RS0006500 [T10], RS0012909). Der Beschluss über die Nachlassabsonderung dient nicht bloß der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens und ist daher selbständig anfechtbar (RS0126101; vgl zuletzt etwa 2 Ob 174/19f). Daraus folgt, dass der Pflichtteilsberechtigte auch gegen einen Beschluss, mit dem die Nachlassabsonderung gegen seinen Willen wieder aufgehoben wird, rekursberechtigt ist.

2.4. Nach Auffassung des Rechtsmittelwerbers soll die Nachlassabsonderung mit der Versiegelung derart „untrennbar“ verknüpft sein, dass nur im Fall der Aufhebung der Nachlassabsonderung die Rechtsmittellegitimation des Pflichtteilsberechtigten auch gegen die Aufhebung der Versiegelung zu bejahen wäre.

Der Rechtsmittelwerber stützt sich hierzu auf die Entscheidung 5 Ob 107, 108/58 = RS0007593 mit der Aussage: Die vom Erstgericht zugleich mit der Bewilligung eines auf § 812 ABGB gestützten Absonderungsantrags angeordnete Versiegelung und Inventur des Nachlasses ist eine Maßregel der Absonderung und als solche mit der Absonderung selbst so verknüpft, dass sie für sich allein, etwa bei Aufhebung der Absonderungsbewilligung durch das Rekursgericht, nicht bestehen kann.

Dieser Fall liegt hier aber nicht vor, vielmehr blieb hier die Nachlassabsonderung aufrecht, lediglich die Versiegelung wurde aufgehoben. Nach der zitierten Entscheidung ist zwar die Versiegelung von der aufrechten Nachlassabsonderung abhängig, nicht hingegen umgekehrt. Es ist nämlich durchaus denkbar, dass zwar die Voraussetzungen für die Nachlassabsonderung weiter vorliegen, die Notwendigkeit für die Versiegelung jedoch weggefallen ist. Das würde auch dann zutreffen, wenn sich herausstellen sollte, dass im versiegelten Objekt entgegen den ursprünglichen Annahmen keine zum Nachlass gehörigen, werthaltigen Sachen vorhanden sind.

2.5. In der Lehre ist der Zusammenhang zwischen Nachlassabsonderung und Sicherungsmaßnahmen nach § 147 AußStrG umstritten:

Nach Meinung von Grün (in Rechberger,AußStrG2 § 147 Rz 3) soll die Sicherung der Verlassenschaft durch den Gerichtskommissär strikt von der Nachlassabsonderung zu trennen sein. Die Besorgnis eines Legatars über die Erfüllung seiner Ansprüche begründe daher keine Sicherungspflicht (die zitierte Belegstelle 3 Ob 260/09w trägt diese Aussage aber nicht).

Auch nach der Auffassung von Winkler (in Schneider/Verweijen, AußStrG § 147 Rz 2 und 5) dient die Bestimmung nicht dem Schutz der Interessen dritter Personen wie ua Pflichtteilsberechtigter, die nur die Nachlassabsonderung beantragen können.

Andererseits muss die Absonderung aber auch „durchgeführt“ werden (vgl Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG § 175 Rz 17), wofür etwa Welser (Erbrechts-Kommentar § 812 Rz 25) die Sicherungsmittel der §§ 147, 165 AußStrG ausdrücklich nennt (ebenso Nemeth in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 812 Rz 8). Keine Äußerung findet sich in diesen Belegstellen dazu, ob dem Sicherungsberechtigten ein Antrags- oder Rechtsmittelrecht zusteht.

2.6. Nach § 44 AußStrG 1854 war das Nachlassvermögen bei Bewilligung einer Nachlassseparation zwingend zu versiegeln. Eine vergleichbare Regelung enthält das neue Recht nicht. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass eine Versiegelung nun generell unzulässig wäre. Weggefallen ist vielmehr nur die diesbezügliche Verpflichtung. Im Übrigen ist daran festzuhalten, dass Sicherungsmaßnahmen nach § 147 Abs 2 AußStrG auch der Durchführung der bewilligten Nachlassabsonderung dienen können (idS obiter bereits 1 Ob 43/09v).

Zwar enthält die (zur Ausfolgung gemäß § 150 AußStrG ergangene) Entscheidung 2 Ob 162/15k die Aussage, Maßnahmen nach § 147 AußStrG 2005 dienten nicht dem Gläubigerschutz. Dies bezog sich jedoch auf Maßnahmen, die (allein) nach § 147 Abs 1 AußStrG zur Sicherung des Nachlasses und damit im Interesse der Erben getroffen werden. Insofern werden Gläubiger tatsächlich nicht geschützt (Winkler in Schneider/Verweijen, AußStrG § 147 Rz 2; Bittner/Hawel in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge2 § 11 Rz 52; Schilchegger/Kieber, Verlassenschaftsverfahren2 77; Schatzl/Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 § 147 Rz 2, jeweils mwN). Das folgt insbesondere aus der von § 43 AußStrG 1854 signifikant abweichenden Formulierung von § 147 Abs 1 AußStrG, die nicht mehr auf eine „das Vermögen übersteigende Schuldenlast“ – also auf die Gefährdung von Gläubigern – abstellt. Die Sicherung des Nachlasses nach § 147 Abs 1 AußStrG dient daher nicht mehr dem Schutz von Gläubigern und damit auch nicht mehr jenem von Pflichtteilsberechtigten (6 Ob 78/12g). Folgerichtig sind sie insofern nicht antrags- oder rechtsmittelbefugt.

Anders verhält es sich aber dann, wenn sich die Notwendigkeit einer Sicherung im Zusammenhang mit einer Nachlassabsonderung ergibt. Denn die Absonderung wird nach Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen im Interesse des Gläubigers angeordnet. Daraus folgt aber zwingend, dass auch die zu ihrer Durchführung erforderlichen Maßnahmen seinem Schutz dienen. Diese Situation unterscheidet sich daher grundlegend von der allgemeinen Nachlasssicherung aufgrund von § 147 Abs 1 AußStrG; sie war in der Entscheidung 6 Ob 78/12g nicht zu beurteilen. Ist Zweck der Sicherung aber Schutz des Absonderungsgläubigers, so besteht an dessen Antrags- und Rechtsmittelbefugnis kein Zweifel (zur Frage des allenfalls verfahrensleitenden Charakters eines solchen Beschlusses gleich unten Punkt 2.7.).

2.7. Die Sicherung der Verlassenschaft liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichtskommissärs (3 Ob 260/09w; Winkler in Schneider/Verweijen, AußStrG § 147 Rz 3 mwN). Bei dessen Untätigkeit ist ein Antrag, nach § 147 AußStrG tätig zu werden, als Abhilfeantrag nach § 7a Abs 2 GKG zu verstehen (vgl 3 Ob 260/09w). Nach den bisherigen Ausführungen steht diese Antragsbefugnis auch dem Pflichtteilsberechtigten zu, wenn es um die Sicherung der zu seinen Gunsten bewilligten Absonderung nach § 812 ABGB geht. Weist das Gericht einen solchen Antrag ab oder zurück, kommt es für die Rechtsmittelbefugnis darauf an, ob der Beschluss (im Rahmen des Verfahrens nach § 175 AußStrG) als verfahrensleitende Verfügung iSd § 45 AußStrG zu beurteilen ist (vgl 2 Ob 55/15z; 2 Ob 183/15y; 2 Ob 23/16w). Es ist somit zu klären, ob der Beschluss, mit dem die Versiegelung aufgehoben wurde, verfahrensleitend ist.

2.7.1. Ganz allgemein zählt die Rechtsprechung zu den verfahrensleitenden Beschlüssen im Rahmen eines Beweisverfahrens getroffene Erledigungen (Beschlüsse, Aufträge und Verfügungen), die der Stoffsammlung dienen und deren Ziel es ist, die Sachverhaltsgrundlage für die gerichtliche Sachentscheidung zu klären oder zu verbreitern (RS0120910). Dementsprechend ist etwa ein Beschluss, mit dem ein Sachverständiger bestellt oder abberufen wird, als verfahrensleitender Beschluss anzusehen (RS0120052). Außer den Entscheidungen, die der Stoffsammlung dienen, zählen auch sonstige den Verfahrensablauf betreffende Verfügungen zu den verfahrensleitenden Beschlüssen. Damit dienen verfahrensleitende Beschlüsse der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens, insbesondere des Beweisverfahrens, und haben kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben; das Gericht ist jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen (9 Ob 11/15f mwN).

2.7.2. Speziell im Verlassenschaftsverfahren wurden als nicht verfahrensleitend zB Beschlüsse über die Nachlassseparation (vgl 2.3.) oder die Genehmigung bzw Nichtgenehmigung der Veräußerung von Gegenständen aus der Verlassenschaft beurteilt (RS0126101). Auch Beschlüsse gemäß § 166 Abs 2 AußStrG, mit denen darüber entschieden wird, ob eine Sache in das Inventar aufgenommen oder ausgeschieden wird, sind selbständig anfechtbar, sofern ihnen nach Errichtung des Inventars gestellte Anträge zugrundeliegen (2 Ob 64/18b; vgl 1.1.1.).

2.7.3. Im Licht dieser Rechtsprechung ist ein Beschluss, mit dem – wie hier – die im Zusammenhang mit einer Nachlassabsonderung angeordnete Versiegelung als Sicherungsmaßnahme iSd § 147 Abs 2 AußStrG aufgehoben wird, nicht als bloß verfahrensleitender Beschluss zu qualifizieren. Denn er dient – ebenso wie die Anordnung der Versiegelung – nicht der Vorbereitung einer anderen Entscheidung, sondern hat eigenständige Bedeutung. Die Versiegelung verhindert das Verbringen von zur Verlassenschaft gehörigen Sachen und kann auch der Beweisbarkeit der Höhe und unter Umständen der exekutiven Durchsetzbarkeit eines Anspruchs des Absonderungsberechtigten dienen. Diese Wirkungen fallen durch die Aufhebung der Versiegelung weg. Sowohl die Versiegelung als auch deren Aufhebung haben daher – ohne dass insofern eine weitere Entscheidung erginge – unmittelbare Folgen für den Absonderungsgläubiger. Das schließt die Annahme eines bloß verfahrensleitenden Charakters aus.

2.8. Hat das Rekursgericht einen Rekurs als unzulässig zurückgewiesen, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, anlässlich der Entscheidung über diesen – seiner Ansicht nach verfehlten – Zurückweisungsbeschluss gleich in der Sache selbst zu erkennen (vgl RS0007037). Dies gilt auch im Außerstreitverfahren (2 Ob 203/19w mwN; RS0007037 [T1, T11]; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 § 70 Rz 3). Die Zurückweisung eines Rechtsmittels von der ersten oder zweiten Instanz kann zwar durch Rekurs an die nächsthöhere Instanz angefochten werden, wenn eine sachliche Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht stattgefunden hat. Nimmt das Gericht jedoch eine Sachprüfung vor, obgleich es zunächst seine Entscheidungsbefugnis verneint, so ist ein solcher Beschluss als Sachentscheidung anzusehen; der formale Teil ist dann unbeachtlich (RS0044232). Dieser Fall liegt hier vor, weil das Rekursgericht in seiner Begründung zunächst die inhaltliche Berechtigung des Rekurses verneint hat und danach die fehlende Rechtsmittellegitimation bloß als Hilfsbegründung herangezogen hat. Der Oberste Gerichtshof ist daher befugt, den Revisionsrekurs in der Sache zu prüfen.

2.9. Der Rechtsmittelwerber zeigt mit seinen Ausführungen keine Unrichtigkeit des angefochtenen Beschlusses auf. Er geht nämlich nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, wenn er behauptet, die Schränke und Schrankbehälter seien nicht durchsucht worden. Angesichts der Feststellungen über nicht aufgefundene Silber- und Goldmünzen trotz Suche im ganzen Haus bedarf es einer Versiegelung nicht mehr. Soweit der Rechtsmittelwerber als Verfahrensmangel rügt, er wäre der Suche nicht zugezogen worden, handelt es sich um einen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens, der in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden kann. Ein Fall des § 66 Abs 1 Z 1 AußStrG liegt nicht vor.

2.10. Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung ist mit der aus dem Spruch ersichtlichen Maßgabe (Entfall des Ausspruchs über eine Zurückweisung) zu bestätigen (vgl 2 Ob 53/18k).

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 185 AußStrG.

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