OGH 2Ob203/19w

OGH2Ob203/19w30.1.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Erwachsenenschutzsache des F* S*, vertreten durch Mag. Dr. Stephan Medwed Rechtsanwalts-Kommanditpartnerschaft in Klagenfurt am Wörthersee, über den außerordentlichen Revisionsrekurs 1. der betroffenen Person und 2. des gerichtlichen Erwachsenenvertreters VertretungsNetz – Erwachsenenvertretung, *, beide vertreten durch Mag. Dr. Stephan Medwed Rechtsanwalts‑Kommanditpartnerschaft in Klagenfurt am Wörthersee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 16. Oktober 2019, GZ 4 R 304/19a‑124, womit der Rekurs des gerichtlichen Erwachsenenvertreters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Völkermarkt vom 26. August 2019, GZ 1 P 59/00w‑114, zurückgewiesen und der Rekurs der betroffenen Person gegen diesen Beschluss teilweise zurückgewiesen und ihm teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E127528

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

1. Dem Revisionsrekurs der betroffenen Person wird Folge gegeben. Der Beschluss des Rekursgerichts wird im angefochtenen Umfang aufgehoben und dem Rekursgericht wird insoweit die neuerliche Entscheidung über den Rekurs aufgetragen.

2. Der Revisionsrekurs des gerichtlichen Erwachsenenvertreters wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der am * geborene Betroffene hatte seit dem Jahr 2000 einen Sachwalter.

Mit Beschluss vom 18. 5. 2016 wurde der Wirkungsbereich des Sachwalters auf die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern sowie betreffend das Wohnungsrecht eingeschränkt.

Im Zwischenbericht des gerichtlichen Erwachsenenvertreters (Zweitrevisionsrekurswerber) vom 19. 5. 2019 beantragte dieser die Ausdehnung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung auf die Verwaltung von Einkünften und Verbindlichkeiten sowie die Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts für Rechtsgeschäfte, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen.

Mit rechtskräftigem Beschluss vom 22. 5. 2019 (ON 99) wurde der Zweitrevisionsrekurswerber zum einstweiligen Erwachsenenvertreter zur Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, von Konten und Sparbüchern sowie zur Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen, bestellt und insoweit auch der Genehmigungsvorbehalt nach § 242 Abs 2 ABGB angeordnet.

Im Clearingbericht des Zweitrevisionsrekurswerbers vom 24. 7. 2019 sowie in dessen Zwischenbericht vom 19. 8. 2019 wurde die Notwendigkeit eines Genehmigungsvorbehalts (nur) für die Vertretung beim Abschluss von Rechtsgeschäften, die über das tägliche Leben hinausgehen, für notwendig erachtet.

Das Erstgericht sprach mit Beschluss vom 26. 8. 2019 aus, die „bisherige Sachwalterschaft/nun Erwachsenenvertretung“ für den Betroffenen werde erneuert. Es bestellte wie bisher den Zweitrevisionsrekurswerber zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter. Die gerichtliche Erwachsenenvertretung umfasst nun die Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten, die Kontoverwaltung, die Vertretung betreffend Wohnungsrecht, die Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen sowie die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern. Für all diese Angelegenheiten wurde auch ein Genehmigungsvorbehalt gemäß § 242 Abs 2 ABGB angeordnet. Schließlich sprach das Erstgericht aus, die Erwachsenenvertretung ende vorbehaltlich der vorzeitigen Beendigung oder der Einleitung eines weiteren Erneuerungsverfahrens (§ 128 AußStrG) am 26. 8. 2022.

Nur gegen die Anordnung des Genehmigungsvorbehalts, soweit er weiter als für die Vertretung bei der Verfügung über das Wohnungs‑(gebrauchs‑)recht und die Vertretung bei Rechtsgeschäften, die über Geschäfte des täglichen Lebens hinausgehen, reicht, richtete sich der laut Anfechtungserklärung vom Betroffenen und vom nunmehrigen Zweitrevisionsrekurswerber namens des Betroffenen gemeinsam erhobene Rekurs mit dem Antrag, im angefochtenen Umfang den Genehmigungsvorbehalt zu beseitigen.

Der Betroffene selbst hat weder einen selbstverfassten noch einen von einem bevollmächtigten Vertreter erstatteten Rekurs erhoben.

Das Rekursgericht wies den im Namen des Betroffenen vom Zweitrevisionsrekurswerber erhobenen Rekurs (zur Gänze) und den Rekurs des Betroffenen in Ansehung des Wirkungsbereichs „Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten sowie Kontoverwaltung“ zurück. Im Übrigen änderte es den erstgerichtlichen Beschluss rechtskräftig dahingehend ab, dass der Genehmigungsvorbehalt für die Vertretung vor Gerichten, Behörden und Sozialversicherungsträgern entfällt. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs jeweils nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Rekursgericht die Ansicht, die Person, die zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellt werden solle, habe bis zum Eintritt der Rechtskraft des Bestellungsbeschlusses keine Vertretungsbefugnis für die betroffene Person. Sie könne nur im eigenen Namen ein Rechtsmittel erheben. Das im Namen des Betroffenen erhobene Rechtsmittel des bestellten Erwachsenenvertreters sei daher zurückzuweisen.

Zum Rekurs des Betroffenen führte das Rekursgericht aus, das Erstgericht habe bereits im Beschluss vom 22. 5. 2019 über die Anordnung der „vorläufigen“ Erwachsenenvertretung den Genehmigungsvorbehalt in dem im Rekurs relevierten Umfang ausgesprochen. Soweit das Erstgericht den identen Genehmigungsvorbehalt im Rahmen des Bestellungsbeschlusses neuerlich angeordnet habe, komme dieser Anordnung bloß deklarative Bedeutung zu, durch die der Betroffene nicht mehr in seinen Rechten beeinträchtigt werden könne. Er sei daher nicht beschwert.

Dagegen richten sich die wieder in einem gemeinsamen Schriftsatz erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurse des Betroffenen sowie des diesmal sowohl als dessen Vertreter als auch im eigenen Namen agierenden gerichtlichen Erwachsenenvertreters mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Genehmigungsvorbehalt betreffend die Verwaltung von Einkünften, Vermögen und Verbindlichkeiten sowie die Kontoverwaltung entfalle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Betroffenen ist wegen einer korrekturbedürftigen Fehlbeurteilung des Rekursgerichts zulässig; er ist im Sinn des den Abänderungsantrag in sich schließenden Aufhebungsantrags (vgl RS0041774 [T1]) berechtigt.

Der Revisionsrekurs des Erwachsenenvertreters ist unzulässig.

1. Zum Revisionsrekurs des Betroffenen:

Der Rechtsmittelwerber macht geltend, die Beschränkung seiner Freiheit könne gemäß § 120 Abs 1 AußStrG längstens für die Dauer des Verfahrens, in dem die Notwendigkeit der Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters geprüft werde, erfolgen. Die einstweilige Erwachsenenvertretung ende mit rechtskräftiger Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters bzw mit Einstellung des Bestellungsverfahrens. Stelle sich in dem Verfahren heraus, dass ein gerichtlicher Erwachsenenvertreter zu bestellen und zusätzlich ein Genehmigungsvorbehalt anzuordnen sei, so habe das Gericht dies mittels Beschlusses auszusprechen. Dieser Beschluss müsse bekämpfbar sein. Da nach § 128 Abs 2 AußStrG dem gerichtlichen Erwachsenenvertreter die Aufgaben des Rechtsbeistands im Verfahren zukomme, sei auch der vom Erwachsenenvertreter namens des Betroffenen erhobene Rekurs zulässig gewesen.

Hierzu wurde erwogen:

1.1. Im Rekursverfahren lagen nicht zwei gesondert zu beurteilende Rekurse (einerseits des Betroffenen und andererseits des gerichtlichen Erwachsenenvertreters), sondern nur ein einziger Rekurs des durch den gerichtlichen Erwachsenenvertreter vertretenen Betroffenen vor.

1.2. Unzutreffend hat das Rekursgericht die Befugnis des gerichtlichen Erwachsenenvertreters, namens des Betroffenen Rekurs zu erheben, verneint. Nach § 128 Abs 1 Satz 1 AußStrG sind die Vorschriften für das Verfahren zur Bestellung eines gerichtlichen Erwachsenenvertreters grundsätzlich auch auf das – hier allein relevante – Verfahren über die Erweiterung der gerichtlichen Erwachsenenvertretung anzuwenden. Das Gericht hat die in § 128 Abs 1 AußStrG genannten Verfahren von Amts wegen oder auf Antrag des gerichtlichen Erwachsenenvertreters einzuleiten. Diesem kommen im Erweiterungsverfahren gemäß § 128 Abs 2 Satz 2 AußStrG die Aufgaben des Rechtsbeistands gemäß § 119 AußStrG zu (vgl auch Schauer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 § 128 Rz 30), der die betroffene Person im Erwachsenenschutzverfahren vertritt.

Der Zweitrevisionsrekurswerber war somit zur Erhebung des Rekurses namens des Betroffenen befugt.

1.3. Unzutreffend ist weiters die tragende Begründung des Rekursgerichts, im noch strittigen Umfang komme dem erstgerichtlichen Beschluss nur deklarative Bedeutung zu, weshalb der Betroffene dadurch nicht beschwert sei. Nach § 120 Abs 1 AußStrG hat das Gericht, wenn es das Wohl der betroffenen Person erfordert, dieser zur Besorgung dringender Angelegenheiten längstens für die Dauer des Verfahrens, hier also des Erweiterungsverfahrens, einen einstweiligen Erwachsenenvertreter mit sofortiger Wirksamkeit zu bestellen. Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut konnten somit die Verfügungen im Beschluss vom 22. 5. 2019 über die Bestellung zum einstweiligen Erwachsenenvertreter nicht über die rechtskräftige Beendigung des Erweiterungsverfahrens hinaus wirken (vgl Fritz in Schneider/Verweijen, AußStrG § 120 Rz 10 und § 128 Rz 17; Schauer in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 § 120 Rz 33 und § 128 Rz 31). Das gilt auch für die in diesem Beschluss erfolgte Anordnung eines Genehmigungsvorbehalts. Es kann daher keine Rede davon sein, dass der nunmehrige erstgerichtliche Beschluss über die Erweiterung (und Erneuerung) der gerichtlichen Erwachsenenvertretung, in dem der Genehmigungsvorbehalt im noch bekämpften Umfang angeordnet wurde, insoweit bloß deklarative Bedeutung habe und der Betroffene daher nicht beschwert sei. Die Begründung des Rekursgerichts trägt daher die Zurückweisung des Rekurses nicht.

1.4. Hat das Rekursgericht einen Rekurs als unzulässig zurückgewiesen, ist es dem Obersten Gerichtshof verwehrt, anlässlich der Entscheidung über diesen – seiner Ansicht nach verfehlten – Zurückweisungsbeschluss gleich in der Sache selbst zu erkennen (vgl RS0007037). Dies gilt auch im Außerstreitverfahren (vgl 3 Ob 81/18k; RS0007037 [T1, T11]; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG2 § 70 Rz 3). Der Ausnahmsfall, dass das Rekursgericht (auch) eine Sachprüfung vorgenommen hätte und diesfalls eine überprüfbare Sachentscheidung vorläge (RS0044232), liegt hier nicht vor.

Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher im Umfang der Zurückweisungsbeschlüsse aufzuheben. Das Rekursgericht wird den (einzigen) Rekurs des Betroffenen in der Sache behandeln müssen.

2. Zum Revisionsrekurs des Erwachsenenvertreters:

Im Gegensatz zum Rekurs lässt der Revisionsrekurs keinen Zweifel daran, dass ihn der gerichtliche Erwachsenenvertreter auch im eigenen Namen erhoben hat.

Nach neuester Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, wird durch die Anordnung oder Aufhebung eines Genehmigungsvorbehalts nicht in subjektive Rechte des Erwachsenenvertreters eingegriffen, sodass ihm keine Rechtsmittellegitimation im eigenen Namen zukommt (4 Ob 115/19v = RS0132737 [T1]).

Der Revisionsrekurs des gerichtlichen Erwachsenenvertreters ist demnach zurückzuweisen.

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