OGH 6Ob78/12g

OGH6Ob78/12g24.5.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache der am 31. August 2011 verstorbenen A***** S***** über den Revisionsrekurs ihrer Eltern 1. W***** S*****, 2. C***** S*****, beide *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 30. November 2011, GZ 23 R 505/11d‑14, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Melk vom 16. September 2011, GZ 1 A 349/11y‑4, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Einschreiter Dr. S***** E*****, Rechtsanwalt in L*****, eröffnete bei einer Bank das Anderkonto „Hilfsaktion A*****“, das er auch verwaltet. Das Anderkonto weist einen Guthabensaldo von rund 30.000 EUR auf. Dieses Geld stammt von verschiedenen Personen, die Zeitungsaufrufen gefolgt waren, für ein „Prinzessinnenfest“ für die im Alter von fünfeinhalb Jahren verstorbene A***** zu spenden, die im Zeitpunkt der Zeitungsaufrufe bereits an einem unheilbaren Gehirntumor litt. Zu diesem Fest kam es aufgrund des Gesundheitszustands der Verstorbenen jedoch nicht mehr.

Das Erstgericht sperrte über Anregung der Eltern der Verstorbenen gemäß § 147 AußStrG das Anderkonto mit der Begründung, es sei derzeit nicht geklärt, ob dieses in den Nachlass falle und die Gefahr bestehe, dass dieses Vermögen der Verlassenschaftsabhandlung entzogen wird. Die Eltern erheben Ansprüche auf dieses Geld, der Einschreiter vertritt die Auffassung, es sei nicht Wille der Spender gewesen, dass das Geld den Eltern zukommen solle.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss ersatzlos auf und ließ den Revisionsrekurs zu; es liege keine neuere Rechtsprechung zur Frage vor, wie die Rechtsverhältnisse an aufgrund eines Spendenaufrufs zustande gekommenen Vermögen zu beurteilen seien. In der Sache selbst vertrat es die Auffassung, der Einschreiter sei Treuhänder der Spender, die gespendeten Gelder seien noch nicht in das Eigentum oder die Verfügungsmacht A*****s übergegangen. Damit gehörten sie jedoch nicht zu deren Nachlassvermögen, sodass eine Sperre unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Eltern der Verstorbenen ist unzulässig.

1. Die Eltern, die bislang eine Erbantrittserklärung nicht abgegeben haben, sind zwar im Hinblick auf § 762 ABGB nach ihrer vorverstorbenen Tochter erb‑ und pflichtteilsberechtigt. Der Oberste Gerichtshof hat jedoch bereits klargestellt, dass auch nach der geltenden Rechtslage aufgrund des Außerstreitgesetzes 2003 der Noterbe im Verlassenschaftsverfahren nur insoweit Beteiligter ist, als durch eine Entscheidung des Verlassenschaftsgerichts eine Verkürzung seiner materiellen Rechte oder eine Beeinträchtigung seiner verfahrensrechtlichen Stellung herbeigeführt wird. Die Antragslegitimation des Noterben ist im Verlassenschaftsverfahren auf die Rechte nach §§ 784, 804 und 812 ABGB beschränkt. Die Vorschriften der §§ 784 und 804 ABGB über die Rechte des Noterben auf Inventarisierung und Schätzung des Nachlasses haben nur den Zweck, dem Noterben eine Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils zu geben, ihm also die Geltendmachung seiner Pflichtteilsforderung überhaupt erst zu ermöglichen. Mit Rücksicht auf seine Rechte nach §§ 784, 804 und 812 ABGB ist der Noterbe dem Verlassenschaftsverfahren beizuziehen; er kann sich auf diese Weise ‑ ohne dass dadurch allerdings einem späteren Pflichtteilsprozess in irgendeiner Weise vorgegriffen würde ‑ die Grundlagen für die Berechnung seines Pflichtteils verschaffen und so schon in diesem Stadium des Verfahrens einer allfälligen Verkürzung seiner Rechte vorbeugen. Gegen die Zurückweisung eines Antrags eines Noterben auf Anordnung von Sicherungsmaßnahmen nach § 147 AußStrG steht diesem ein Rechtsmittel daher nicht zu (3 Ob 229/09m iFamZ 2010/80 [W. Tschugguel] = JEV 2010/19).

Aber auch aus der Stellung der Eltern als präsumtive (gesetzliche) Erben folgt mangels Erbantrittserklärungen keine Beteiligtenstellung (RIS‑Justiz RS0006398, RS0007926, RS0106608).

Damit ist der Revisionsrekurs der Eltern der Verstorbenen unzulässig.

2.1. Lediglich der Vollständigkeit halber sei jedoch ausgeführt, dass der Einschreiter nicht Empfänger des sich aus Spenden zusammensetzenden Guthabens auf dem von ihm eröffneten, mit „Hilfsaktion A*****“ bezeichneten Konto ist; es liegt also jedenfalls keine ihm zugewendete Schenkung vor (5 Ob 36/75 SZ 48/55 [„Katastrophenfonds“]). Es kann aber ‑ mangels eines dafür geeigneten Besitzübereignungs-akts ‑ auch nicht von einer Geldschenkung der Spender an die aus der Sammlung begünstigte A***** gesprochen werden (5 Ob 36/75). Vielmehr ist der Einschreiter uneigennütziger Treuhänder des Guthabens, welches er widmungsgemäß ‑ im Auftrag der Spender ‑ zu verwenden hat (5 Ob 36/75; 7 Ob 706/86). Bei einem offenen (Vollrechts‑)Treuhandkonto wird der Bank gegenüber offen gelegt, dass der Treugeber als Kontoinhaber zwar formell Rechtsinhaber ist und als solcher allein verfügen kann, es wirtschaftlich gesehen aber um fremdes Vermögen geht, das der Treuhänder nur gemäß der Treuhandabrede verwenden darf. Bei einem solchen Konto ist also ausschließlich der Treuhänder gegenüber der Bank berechtigt und verpflichtet, während die Bank mit dem Treugeber in keiner das Konto betreffenden Vertragsbeziehung steht (7 Ob 8/05k; RIS‑Justiz RS0010450).

2.2. Aus diesen Überlegungen folgt zum einen, dass dem Einschreiter, der das Anderkonto bei der Bank eröffnet hatte, tatsächlich Rekurslegitimation gegen die vom Erstgericht angeordnete Sperre zukam. Zum anderen ist nicht ersichtlich, dass A***** noch zu Lebzeiten (Mit‑)Besitzerin des Kontos gewesen wäre; gerade dies wäre aber Voraussetzung für eine Aufnahme des Guthabens in das Inventar (6 Ob 287/08m ecolex 2009/223 [Verweijen] = iFamZ 2009/212 [W. Tschugguel] = EF‑Z 2010/51 [Dullinger]).

Zum dritten ist davon auszugehen, dass der Auftrag der Spender ‑ zu Lebzeiten von A***** ‑ dahin zu verstehen war, die gespendeten Geldbeträge zu ihrem endgültigen (Vermögens‑)Vorteil zu verwenden (vgl 5 Ob 36/75; 7 Ob 706/86). Worin der Auftrag nach dem Ableben von A***** besteht, hat der Einschreiter zu beurteilen; „Vorteil“ kann dabei nach Auffassung des erkennenden Senats nunmehr aber auch in einem übertragenen Sinn verstanden werden, wobei etwa an eine Einrichtung oder Institution zu denken wäre, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, krebskranken Kindern ihre letzten Tage durch persönliche Betreuung oder dergleichen „erträglicher“ zu machen.

Stichworte