Normen
ABGB §26
ABGB §358
ABGB §881
Bundes-Stiftungs und Fondsgesetz, BGBl. 11/1975 §22
ABGB §26
ABGB §358
ABGB §881
Bundes-Stiftungs und Fondsgesetz, BGBl. 11/1975 §22
Spruch:
Einem durch eine Sammlung für wohltätige Zwecke zustande gebrachten Vermögen kommt eigene Rechtspersönlichkeit nicht zu; rechtlich ist es nach dem besonderen Zweck der Sammlung und dem mutmaßlichen Willen der Sammler und Spender zu beurteilen
Eine Gemeinde, deren Bürgermeister zu einer Sammlung zugunsten von Katastrophenopfern aufrief, ist Treuhänderin der auf ihr Konto einbezahlten Beträge, die sie widmungsgemäß zu verwenden hat; an die Opfer widmungsgemäß ausbezahlte Beiträge kann sie mangels Rechtsgrund nicht zurückfordern
OGH 29. April 1975, 5 Ob 36/75 (OLG Wien 7 R 262/74; KG St. Pölten 2 a Cg 122/74)
Text
Die Untergerichte haben ihren Entscheidungen im wesentlichen folgenden vom Erstgericht festgestellten und im Berufungsverfahren unbekämpft gebliebenen Sachverhalt zugrunde gelegt:
In der Nacht zum 17. Jänner 1972 wurde das dem damals 68 Jahre alten und halbseitig gelähmten Ehemann der Klägerin gehörige und von den Eheleuten bewohnt gewesene Haus in E, H 160, durch einen Brand vernichtet.
Um den zu Schaden gekommenen Eheleuten zu helfen, erließ der Bürgermeister der nun beklagten Gemeinde einen an alle Haushalte der Gemeinde zur Versendung gelangten "Aufruf an alle Bürger von E", in dem es nach Schilderung des Unglücksfalles unter anderem wörtlich hieß:
"Es ist dem Ehepaar unmöglich, an eine Wiedererrichtung ihres Heimes zu denken.
Ansprüche aus der Feuerversicherung sind leider nicht gegeben, da zufolge der geringen Einkünfte des Ehepaares keine Versicherung abgeschlossen wurde.
Es ergeht die inständigste Bitte an alle Bürger von E, diesem schwer geprüften Ehepaar Ihre Hilfe angedeihen zu lassen und diese in Form einer finanziellen Unterstützung.
Wir wollen durch unseren gemeinsamen Einsatz unter Beweis stellen, daß wir Solidarität und Hilfsbereitschaft nicht nur im Munde führen, sondern auch willens und bereit sind, durch unsere Tat zu beweisen, diesen Begriffen realen Inhalt zu verleihen.
Wenn wir alle einen entsprechenden Teil beitragen, wird es möglich sein, bis zum ausgehenden Sommer dieses Jahres diesem alten Ehepaar eine bescheidene Heimstätte zu schaffen.
Helfen wir diesen Menschen, die alles, bis auf ihr Leben, verloren haben, den Glauben an die Menschlichkeit und an die Nächstenliebe zu erhalten.
Ihr sehr ergebener Johann G Bürgermeister PS. Spenden wollen mit beiliegendem Erlagschein oder auf das Konto Nr. 1431/215 bei der Raiffeisenkasse E zur Einzahlung gebracht werden."
Das Spendenkonto wurde bei der genannten Raiffeisenkasse vom Bürgermeister eröffnet und lautete auf die Bezeichnung "Katastrophenfonds für S Karl und Elfriede"; abhebungsberechtigt war der Bürgermeister der nun beklagten Gemeinde.
Durch Einzahlungen in unterschiedlicher Höhe zwischen 20 S und 4830 S erreichte das Spendenkonto am 18. April 1972 einen Stand von
69.148.48 S. Nach Abschluß der Aufräumungsarbeiten an der Brandstelle wurde mit dem Bau eines bescheidenen Heimes für die Klägerin und ihren Ehemann begonnen. Zur Deckung des auf die Herstellungskosten von 105.000 S fehlenden Differenzbetrages zum Spendenerlös wurde von den Eheleuten S bei der Raiffeisenkasse E ein Darlehen in der Höhe von 35.000 S aufgenommen.
Am 19. Mai 1972 starb der Ehemann der Klägerin; der Bau des Hauses wurde zunächst nicht fortgesetzt, weil nicht klar war, auf wen die Liegenschaft im Erbwege übergehen wird, zumal die Klägerin neben ihrer Tochter nur zu einem Viertel zum Nachlaß nach ihrem Mann erbberechtigt war. Die Erbinnen einigten sich jedoch derart, daß im Wege der Naturalteilung der Liegenschaft die Klägerin jenen Teil der Liegenschaft erhielt, auf dem das Haus wiedererrichtet wurde.
Am 5. Juni 1972 wurden 20.000 S und am 26. Juni 1972 14.079.70 S durch den Bürgermeister der beklagten Gemeinde von dem Spendenkonto abgehoben und zur Bezahlung von Teilrechnungen des mit der Bauführung betrauten Baumeisters verwendet.
Nach dem Tode des Gatten der Klägerin wurde in der Bevölkerung von E das Gerücht laut, die Klägerin werde das auf Kosten der Bevölkerung hergestellte Haus verkaufen. Der Bürgermeister der beklagten Gemeinde wandte sich deshalb an den damaligen Rechtsanwalt Dr. St., damit dieser eine Lösung suche, einen nach Meinung des Bürgermeisters - der Klägerin durch die Veräußerung der Liegenschaft auf Kosten der Bevölkerung erwachsenden ungerechtfertigten Vermögensvorteil zu verhindern. Demnach sollte die Klägerin in dem aus den Spenden hergestellte Haus wohnen dürfen, aber im Falle einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Veräußerung der Liegenschaft die aus den Spenden erhaltenen Beträge an die beklagte Gemeinde "zurückerstatten". Infolge ihrer schlechten finanziellen Lage sollten der Klägerin auch die durch die Teilung der Liegenschaft mit ihrer Tochter fällig gewordenen Aufschließungskosten gestundet werden. Gegenüber der Erklärung des Rechtsanwaltes Dr. St., es müsse verhindert werden, daß sie aus den Spenden der Bevölkerung ungerechtfertigt bereichert werde, wenn sie das Grundstück mit dem Haus verkaufe, zeigte die Klägerin Einsicht und war bereit, die Verpflichtung einzugehen, daß sie im Falle einer Veräußerung der Liegenschaft die aus den Spenden erhaltenen Beträge an die beklagte Gemeinde "zurückerstattet". Auch der Bürgermeister der beklagten Gemeinde hat der Klägerin im Zuge eines Gespräches über die Fortsetzung des Hausbaues erklärt, sie müsse das ihr zur Verfügung gestellte Geld an die beklagte Gemeinde "zurückzahlen", wenn sie das Grundstück veräußere.
Nach einer Besprechung mit dem Rechtsanwalt Dr. St. unterfertigte die Klägerin, beglaubigt durch das Bezirksgericht N, am 3. April 1973 eine von Dr. St. verfaßte "Schuld- und Pfandbestellungsurkunde" nachstehenden Inhaltes:
"Frau Elfriede S, Pensionistin, H Nr. 32, E, bekennt hiemit, der Gemeinde E auf Grund des Bescheides vom 13. Dezember 1972, Zahl 6- 631-1972/BGM./K, den auf das nach durchgeführter Teilung der Liegenschaft EZ 137 Katastralgemeinde E ihr zufallende Grundstück Nr, 742 Baufläche der Katastralgemeinde E entfallenden Aufschließungskostenbeitrag von 24.590 S aufrecht zu schulden und von der Gemeinde E aus einem Sammelergebnis zu ihrem Gunsten sowie zu Gunsten ihres bereits verstorbenen Ehegatten Herrn Karl S den Betrag von 69.148.48 S erhalten zu haben und aufrecht zu schulden.
Die vorangeführten Beträge von 24.590 S und 69.148.38 S werden zur Rückzahlung an die Gemeinde E im Zeitpunkte der entgeltlichen oder unentgeltlichen Veräußerung des Grundstückes Nr. 742 Baufläche der Katastralgemeinde E im Ausmaße von 605 m2 bzw. Übertragung des Eigentumsrechtes an dritte Personen fällig.
Frau Elfriede S verpflichtet sich hiemit für sich und ihre Rechtsnachfolger im Besitze oder Eigentume des Grundstückes Nr. 742 Baufläche der Katastralgemeinde E zur Zahlung der vorangeführten Beträge im Zeitpunkte der Fälligkeit. Die Vertragsteile vereinbaren zur Sicherstellung des inneren Wertes der umseits angeführten Beträge Wertsicherung nach dem Lebenshaltungskostenindex - Revision 1966. Es sind demnach höhere oder niedrigere Zahlungen zu leisten, und zwar, im Verhältnis der Veränderung der Indexziffer. Als Ausgangsbasis dient die für den Monat April 1973 zu errechnende Indexzahl.
Frau Elfriede S verpfändet zur weiteren Sicherstellung die aus der Verlassenschaft nach ihrem verstorbenen Ehegatten Herrn Karl S ihr zukommende Liegenschaft bestehend aus dem Grundstück Nr. 742 Baufläche im Ausmaße von 605 m2 der Katastralgemeinde E und erteilt hiemit ihre ausdrückliche Einwilligung, daß auf Grund dieser Urkunde ohne ihr ferneres Wissen und Einvernehmen ob dem Grundstücke Nr. 742 Baufläche der Katastralgemeinde E des Gerichtsbezirkes N das Pfandrecht 1. für den Aufschließungskostenbeitrag von 24.590 S, 2. für den Darlehensbetrag von 69.148.48 S zugunsten der Gemeinde E grundbücherlich einverleibt werden könne.
N, 3. April 1973."
Der Klägerin war Inhalt und Bedeutung dieser Vereinbarung klar und sie hat ihre Unterschrift ohne Willensmangel geleistet.
In der Folge wurde der Bau des Hauses der Klägerin fortgesetzt, die Klägerin wohnte jedoch noch nicht darin.
Am 24. September 1973 wurde auf dem Spendenkonto Nr. 1431/215 der Raiffeisenkasse E der Klägerin aus dem ihr gewährten Kredit der Betrag von 34.530 S gutgeschrieben. Weitere Gutschriften erfolgten in der Höhe von 7001.76 S am 24. September 1973, in der Höhe von
13.128.65 S, 1321.70 S, 1290.15 S, 1705.20 S und 1638 S am 25. September 1973. Am 27. September 1973 wurde der Betrag von 42.973.40 S von diesem Konto abgehoben und zur Bezahlung von Handwerkerrechnungen verwendet, die das auf der Liegenschaft der Klägerin errichtete Haus betrafen.
Die Klägerin behauptete in der Klage, die beklagte Partei habe nach dem Ableben ihres, der Klägerin, Ehegatten die Auszahlung der auf dem Spendenkonto eingegangenen Beträge von der Unterfertigung der "Schuld- und Pfandbestellungsurkunde" vom 3. April 1973 in sittenwidriger Weise und in Ausnützung der Notlage abhängig gemacht, in der sie sich damals befunden habe. Der Inhalt der "Schul- und Pfandbestellungsurkunde" verstoße gegen gesetzliche Bestimmungen und gegen die guten Sitten, weil die Sammlung ausdrücklich zu ihren Gunsten veranstaltet worden sei und eine Schenkung an sie darstelle. Die Klägerin begehrte daher die Feststellung, daß sie die Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 3. April 1973, worin sie bekennt, von der beklagten Gemeinde aus einem Sammelergebnis zu ihren Gunsten sowie zu Gunsten ihres bereits verstorbenen Ehegatten Karl S den Betrag von 69.148.48 S erhalten zu haben und aufrecht zu schulden, nichtig sei, und die beklagte Gemeinde überdies schuldig zu erkennen, daß sie der vorbehaltlosen Löschung der ob der EZ 137 der KG E einverleibten Pfandrechtes in der Höhe von 69.148.48 S samt Anhang binnen 14 Tagen zustimme.
Die beklagte Gemeinde hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt und im wesentlichen eingewendet, es habe sich bei den Einzahlungen der angesprochenen Spender nicht um eine Geldschenkung zugunsten der Klägerin und ihres damaligen Ehegatten, sondern um eine Schenkung an die beklagte Gemeinde, die darüber widmungsgemäß zu verfügen gehabt habe, gehandelt. Zweck der Sammlung sei es gewesen, der Klägerin und ihrem damaligen Ehegatten eine bescheidene Heimstätte errichten zu können. Die Widmung der Spenden sei auf den persönlichen Wohnungsbedarf der Eheleute S ausgerichtet gewesen. Dies sei der Klägerin und ihrem in der Zwischenzeit verstorbenen Ehemann von Anbeginn klar gewesen. Um zu verhindern, daß dritte Personen ungerechtfertigte Vorteile erlangen, seien die Eheleute S von vornherein darauf hingewiesen worden, daß sie im Falle einer entgeltlichen oder unentgeltlichen Übertragung des Bauwerkes an dritte Personen die der beklagten Gemeinde zugeflossenen Beträge an diese "zurückzahlen" müßten. Die Klägerin habe in voller Kenntnis der der Sammlung zugrunde liegenden Absicht freiwillig und ohne jegliche Beeinflussung die Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 3. April 1973 unterfertigt. Es könne weder von einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten noch von einer Ausnützung der Notlage der Klägerin durch die Beklagte gesprochen werden.
Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Es verneinte den Charakter der Sammlung als einer Schenkung der Spender an die Klägerin (und ihren damaligen Ehegatten), da es zufolge der alleinigen Verfügungsberechtigung des Bürgermeisters der beklagten Partei über das Spendenkonto an einer tatsächlichen Übergabe gemangelt habe, und kam zu dem Ergebnis, die auf dem Spendenkonto eingegangenen Geldbeträge seien ins Eigentum der beklagten Partei übergegangen, der es folglich freigestanden sei, an die Verwendung des Geldes Bedingungen zu knüpfen und mit der Klägerin die Zurückzahlung der zur Errichtung ihres Hauses verwendeten Beträge für den Fall zu vereinbaren, daß sie, die Klägerin, das Grundstück entgeltlich oder unentgeltlich an dritte Personen veräußern oder Eigentumsrechte daran übertragen sollte. Ein solcher Vertrag sei nicht sittenwidrig; es könne auch nicht von einer Ausnützung einer "dringenden" Notlage der Klägerin durch die beklagte Partei gesprochen werden. Im übrigen bilde der Vertrag (beurkundet in der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 3. April 1973) zusammen mit der Stundung der durch die Liegenschaftsteilung aufgelaufenen Aufschließungskosten eine unzertrennliche Einheit.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung der Klägerin nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes, daß die Spenden nicht in den Besitz der Klägerin und ihres damaligen Ehegatten gelangt seien, weil es an einem Übergabemodus fehle und die Formvorschrift des § 1 Abs. 1 lit. d NotZwG nicht erfüllt sei, und verneinte in Übereinstimmung mit dem Erstgericht die Nichtigkeit der Vereinbarung der Parteien über die Zurückzahlung der Spendenbeträge durch die Klägerin an die beklagte Partei; vom Zweck der Spendensammlung (Sicherstellung des Wohnens der Eheleute S) her betrachtet, verstoße die Vereinbarung nicht gegen die guten Sitten, denn es könne weder aus der Rechtsordnung noch aus der im Sinne des § 879 ABGB verstandenen Sittenordnung der Satz abgeleitet werden, daß der Klägerin der aus Mitteln der Allgemeinheit - hier der Spender geschaffene Wert des wiedererrichteten Hauses auch dann noch zukommen müsse, wenn sie darin nicht mehr wohnen wolle. Das Vorliegen einer Notlage der Klägerin habe das Erstgericht zutreffend verneint und der Hinweis der Berufungswerberin auf § 879 Abs. 2 Z. 4 ABGB gehe fehl, weil sie in erster Instanz nur von einer - allenfalls der "Zwangslage" gleichstellbaren - Notlage gesprochen habe und die nunmehrige Behauptung ihrer Unerfahrenheit, Verstandesschwäche und Gemütsaufregung gegen das Neuerungsverbot verstoße.
Über Revision der Klägerin änderte der Oberste Gerichtshof die Urteile der Untergerichte dahin ab, daß die Entscheidung zu lauten hatte:
"Das Bekenntnis der klagenden Partei in der Schuld- und Pfandbestellungsurkunde vom 3. April 1973, daß sie der beklagten Partei einen aus der zu ihren, der Klägerin und ihres inzwischen verstorbenen Ehegatten Karl S, Gunsten veranstalteten Sammlung erhaltenen Betrag von 69.148.48 S aufrecht schulde, besteht nicht zu Recht.
Die beklagte Partei ist schuldig binnen 14 Tagen vorbehaltlos in die Löschung des ob der klagenden Partei gehörigen Liegenschaft EZ 137 des Grundbuches über die Katastralgemeinde E zugunsten der Forderung der klagenden Partei in der Höhe von 69.148.48 S samt Anhang einverleibten Pfandrechtes einzuwilligen."
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Bei der rechtlichen Beurteilung der Sache ist zunächst davon auszugehen, daß sich die beklagte Gemeinde durch ihren Bürgermeister an alle ihre Bürger mit der Aufforderung gewandt hatte, dem durch den Brand ihres Heimes geschädigten Ehepaar S (nunmehrige Klägerin und ihr damals noch lebender Ehegatte) mit Geldspenden, die auf ein von der Gemeinde unter der Bezeichnung "Katastrophenfonds für S Karl und Elfriede" bei der Raiffeisenkasse E errichtetes Konto eingezahlt werden sollten, beim Wiederaufbau einer bescheidenen Heimstätte zu helfen.
Es handelte sich demnach um eine Sammlung der beklagten Partei bei ihren Bürgern, deren Ertrag nach dem von der Sammlerin den angesprochenen Spendern angekundigten Willen der nunmehrigen Klägerin und ihrem damals noch lebenden Ehegatten zum Zwecke der Wiederherstellung eines bescheidenen Heimes zukommen sollte.
In Lehre und Rechtsprechung besteht keine Einigkeit darüber, daß die durch eine Sammlung, wie hier zu einem wohltätigen Zweck, aufgeworfenen Rechtsfragen nach einer allgemeingültigen Regel beantwortet werden können (vgl. Gschnitzer, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts 95; Ehrenzweig[2] I/1, 200; Bartsch, Die Uneigennützigkeit im Privatrecht, 30; Koziol - Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts[3] I, 61; Laux, Sammelvermögen, DJZ 1953, 214;
Engler in Staudingers Kommentar zum BGB[10]/[11] IV, 1032; Coing ebendort I, 377 f.; Denecke - Oegg in BGB-RGRK[10] IV/2, 129;
Palandt, BGB[34], 48 und 1562; Klang[2] II, 43; SZ 18/191; JBl. 1916, 585; RG in RGZ 62, 391). Der Oberste Gerichtshof stimmt jedenfalls mit dem überwiegenden Teil der Lehre darin überein, daß dem Sammelvermögen keine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt (Gschnitzer, 95; Klang, 43; Bartsch, 30; Coing, 377; Denekke - Oegg, 129; Schaffler in BGB-RKRK[10]/[11] IV/2, 1488; Palandt, 1562; Engler, 1032; Laux, 215 für den Regelfall) und daß es von der Stiftung unterschieden werden muß, für die der dauerhafte Zweck charakteristisch ist (Koziol - Welser, 61; Ehrenzweig, 201; Coing, 377; Palandt, 48), wie sich nunmehr für den österreichischen Rechtsbereich durch den im § 2 Abs. 1 des am 1. Jänner 1975 (mit Rückwirkung auf bereits vorher errichtete Stiftungen unter gewissen Ausnahmen, die hier nicht in Betracht kommen: §§ 41, 44) in Kraft getretenen Bundes-Stiftungs- und Fondsgesetzes vom 27. November 1974, BGBl. 1975/11, enthaltenen Stiftungsbegriffes unzweifelhaft ergibt. Mit Rücksicht auf die Verneinung der eigenen Rechtspersönlichkeit des Sammelvermögens kann ungeachtet der von der beklagten Gemeinde verwendeten Kontenbezeichnung "Katastrophenfonds" auch nicht von einem Fonds im Sinne des § 22 des Bundes Stiftungs- und Fondsgesetzes gesprochen werden, zu dessen Errichtung im übrigen außer der formbedürftigen Erklärung des Fondsgrunders (§ 24 Abs. 2 leg. cit. erfordert Schriftform) auch noch die Zulässigkeitsentscheidung der Fondsbehörde (§ 23 leg. cit.), wodurch dem Fonds erst eigene Rechtspersönlichkeit zukommt (§ 26 Abs. 4 leg. cit.), erforderlich ist.
Es kann vielmehr die Beurteilung der Rechtsverhältnisse einer Sammlung in Ablehnung jeglicher generalisierender Einordnung unter bestehende typisierte Rechtsformen (so auch Laux, 215 und SZ 18/191) nur nach dem besonderen Zweck des Einzelfalles und dem mutmaßlichen Willen der Sammler und Spender (so auch Koziol - Welser, 61; vgl. auch SZ 18/191) erfolgen, wie sie sich unter Anwendung der Regeln der allgemeinen Verkehrssitte (§ 863 Abs. 2 ABGB) im wesentlichen aus dem Inhalt des Spendenaufrufes erschließen lassen.
Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall kann es keinem Zweifel unterliegen, daß die Spender ihre Geldzuwendungen der beklagten Gemeinde als Sammlerin treuhändisch mit dem Willen endgültiger Hingabe zum Vorteil der geschädigten Begünstigten (Klägerin und ihr damals noch lebender Ehegatte) überantwortet haben. Es war Aufgabe der beklagten Gemeinde als uneigennütziger Treuhänder der Sammler, die auf das Sammelkonto eingegangenen Spenden den Begünstigten endgültig dadurch zuzuwenden, daß sie zur Deckung der Kosten der Herstellung eines bescheidenen Heimes anstelle der durch Brand vernichteten Heimstätte der Begünstigten verwendet werden. Die beklagte Gemeinde hat sicherlich nicht schon dadurch widmungswidrig gehandelt, daß sie die ihr treuhändisch zugeflossenen Spenden den Begünstigten nicht gleich bar übereignete; es kann als dem Willen der Spender entsprechend bezeichnet werden, wenn sie die Kontrolle für die widmungsgemäße Verwendung der Spenden dadurch sinnvoll und wirksam ausübte, daß sie sich die Verfügungsberechtigung über das für die Sammlung bei der Raiffeisenkasse eröffnete Konto vorbehielt und daraus die jeweils aufgelaufenen Kosten der Wiederherstellung eines bescheidenen Heimes der Begünstigten beglich. Es war aber durch die erkennbar endgültige Widmung der Spenden zugunsten der Begünstigten für diese das Recht entstanden, daß die zu ihrem Vorteil gespendeten Geldbeträge dem gewidmeten Zweck, nämlich der Deckung der Kosten der Herstellung eines bescheidenen Heimes der Begünstigten anstelle des durch Brand zerstörten, zugeführt werden. Wenn auch, wie den Untergerichten beizustimmen ist, mangels eines dafür geeigneten Besitzübereignungsaktes von einer Geldschenkung der Spender an die aus der Sammlung Begünstigten nicht gesprochen werden kann, so doch von einem Auftrag der Spender an die Sammlerin, die gespendeten Geldbeträge zum endgültigen Vermögensvorteil der Begünstigten zu verwenden. Eine Schenkung der Spender an die beklagte Gemeinde, wie diese meint, liegt jedoch keinesfalls vor, denn es ist für eine Schenkung wesentlich, daß der Beschenkte durch die endgültige Zuwendung eines Vermögenswertes bereichert wird (Stanzl in Klang[2] IV/1, 590; gegen die Annahme einer Schenkung auch RG in RGZ 62, 386 ff., Coing, 377 und Denecke - Oegg, 129); die Absicht der Spender, den Erlös der Sammlung endgültig ins Vermögen der beklagten Gemeinde als Sammlerin einzubringen, damit sie bereichert sei, muß nach dem im Spendenaufruf zum Ausdruck gebrachten besonderen Zweck der Sammlung ausgeschlossen werden. Die zur Herstellung des Eigenheimes der Klägerin widmungsgemäß verwendeten Geldmittel stammten deshalb auch nicht aus dem Vermögen der beklagten Gemeinde, wie diese offenbar in unzulässiger Identifizierung mit den Spendern annimmt, sondern aus dem Vermögen der Spender (so auch Engler, 1033 und die dort angeführte Lehre) und waren der beklagten Gemeinde als uneigennütziger Treuhänderin zur widmungsgemäßen Verwendung anvertraut worden. Das Bekenntnis der Klägerin in der "Schuld- und Pfandbestellungsurkunde" vom 3. April 1973, von der beklagten Gemeinde den Betrag von 69.148.48 S erhalten zu haben und ihr "aufrecht zu schulden", entspricht daher nicht der wirklichen Sach- und Rechtslage. Der beklagten Gemeinde steht kein Anspruch auf diesen Betrag gegen die Klägerin zu, so daß deren Schuldbekenntnis und Zahlungsversprechen mangels Vorliegens eines Rechtsgrundes ohne rechtliche Wirkung sind. Abgesehen von hier nicht zu erörternden Ausnahmefällen, bei denen die Rechtsordnung ein Rechtsgeschäft von der Causa löst (Wechsel und andere forderungsrechtliche Orderpapiere, Inhaberschuldverschreibungen, Anweisungen, auch bei der Schuldübernahme, bei der dem Gläubiger gegenüber von dem Verhältnis zwischen dem Urschuldner und dem Schuldübernehmer abstrahiert wird), gibt es keine abstrakten Geldforderungen (SZ 44/108 u. a.). Ein konstitutives Schuldanerkenntnis der Klägerin, durch das eine zwischen den Prozeßparteien damals etwa bestehende unsichere und ungewisse Rechtslage bereinigt werden sollte - wie dies dem Wesen des konstitutiven Anerkenntnisses entspräche (vgl. EvBl. 1974/4 u. a.) -, hat die beklagte Gemeinde nicht behauptet; es besteht auch nach der Aktenlage kein Hinweis darauf, daß derartiges in der Absicht der Parteien lag. Bestand aber kein Rechtsgrund für die in der "Schuld- und Pfandbestellungsurkunde" vom 3. April 1973 von der Klägerin "einbekannte" Schuld, dann kann die Klägerin auch nicht der beklagten Gemeinde gegenüber zur Zahlung des angegebenen Betrages verpflichtet worden sein. Die Urkunde geht von der unrichtigen Annahme einer "Zurückzahlungsverpflichtung" der Klägerin aus, so daß auch eine denkbare Umdeutung der Zahlungsverpflichtung der Klägerin in eine Schenkung nicht in Betracht kommt. Freilich wäre ein Schenkungsversprechen der Klägerin mangels Erfüllung der erforderlichen Formvorschrift (Notariatsakt gemäß § 1 Abs. 1 lit. d NotZwG) ohnedies schon deshalb nichtig. Die Klägerin ist aus den dargelegten Gründen mit ihrem Klagebegehren im Ergebnis im Recht. Im Sinne der herrschenden Lehre und Rechtsprechung kommt es den Gerichten - auch im Rechtsmittelverfahren (Fasching III, 646; 4 Ob 505/74, 4 Ob 336/74) - zu, das Klagebegehren so zu verstehen, wie es im Zusammenhalt mit der Klageerzählung gemeint ist (EvBl. 1964/187; MietSlg. 22.645 u. v. a., zuletzt 3 Ob 170/74; Fasching, 646), und dem Urteilsspruch eine vom förmlichen Wortlaut des Klagebegehrens abweichende sinngemäße und deutlichere Fassung zu geben (Fasching, 646; MietSlg. 22.551; ÖBl. 1972, 17 u. v. a.). Dieser prozeßrechtlichen Pflicht ist der Oberste Gerichtshof auch im vorliegenden Falle nachgekommen.
Mangels substantieller Bestreitung der entsprechenden Klagebehauptung ist auch davon auszugehen, daß auf Grund der "Schuld- und Pfandbestellungsurkunde" vom 3. April 1973 zugunsten der beklagten Gemeinde für ihre nicht bestehende Forderung in der Höhe von 69.148.48 S samt Anhang auf der Liegenschaft der Klägerin EZ 137 KG E das Pfandrecht einverleibt wurde, so daß auch das Begehren der Klägerin auf Einwilligung in die Löschung dieses Pfandrechtes berechtigt ist.
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