OGH 7Ob706/86

OGH7Ob706/8626.11.1986

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang B***, Pensionist, Graz, Albert Schweitzer-Gasse 36-38, vertreten durch Dr. H.M. Muik und Dr. H. Werderitsch, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei H*** FÜR D*** K***

Ö***, Amstetten, vertreten durch Dr. Eduard Pranz,

Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Rechnungslegung und S 63.975,29 samt Anhang, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Berufungsgerichtes vom 10. Juli 1986, GZ. R 281/86-23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Ybbs vom 13. März 1986, GZ. C 89/85 -19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für das Revisionsverfahren wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die beklagte Partei veranstaltete für den nach einem Unfall querschnittgelähmten Kläger eine Spendenaktion in der Umgebung der Heimat des Klägers. In ihrem Flugblatt erbat sie Hilfe für den "schwergetroffenen Mitbürger" und wies auf das bestimmt bezeichnete Konto hin, um den Spendern Gewißheit zu geben, daß der eingezahlte Betrag auch bestimmungsgemäß verwendet werde. Nach einem Vorstandsbeschluß der beklagten Partei wird an Behinderte kein Bargeld ausbezahlt, es werden jeweils nur offene Rechnungen des Betroffenen beglichen. Das Spendenaufkommen betrug S 216.252,37. Davon überwies die beklagte Partei nach Vorlage entsprechender Rechnungen durch den Kläger S 78.600,-- und S 40.000,-- an zwei Gläubiger des Klägers. Die Forderung des Klägers nach Bargeld lehnte die beklagte Partei ab und forderte den Kläger auf, weitere offene Rechnungen vorzulegen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nicht nach. Der Kläger mußte sein Wohnheim infolge von Alkoholexzessen verlassen. Wegen Nötigung wurde er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die beklagte Partei verwendete vom Spendenaufkommen einen Teilbetrag von S 63.975,29 für einen anderen Behinderten und legte dem Klagsvertreter Rechnung. Gleichzeitig teilte sie diesem mit, daß weitere Rechnungen des Klägers bis zur Höhe von S 63.975,29 von ihr bezahlt würden. Das Erstgericht wies das Hauptbegehren des Klägers auf Rechnungslegung und das damit verbundene Eventualbegehren auf Zahlung von S 63.975,29 s.A. ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteigt und erklärte die Revision für zulässig. Nach der Auffassung der Vorinstanzen seien die ein Sammelvermögen betreffenden Rechtsverhältnisse nach dem besonderen Zweck des Einzelfalles und dem mutmaßlichen Willen der Sammler und der Spender zu beurteilen. Im vorliegenden Fall ergebe sich aus dem Spendenaufruf und dem Zweck der Sammlung, daß der beklagten Partei die Kontrolle für die widmungsgemäße Verwendung der Spenden dadurch vorbehalten sei, daß diese die Verfügungsberechtigung über das Konto behalte und nur im Zusammenhang mit dem Unfall des Klägers aufgelaufene Forderungen begleiche. Die kontrollose Ausfolgung von Bargeld widerspräche dem Willen der Sammler und Spender zumal die Gefahr bestehe, daß der Kläger Bargeldbeträge in Alkohol umsetze. Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision des Klägers ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Bei Prüfung der Zulässigkeit der Revision ist der Oberste Gerichtshof an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs. 3 ZPO nicht gebunden (§ 508 a Abs. 1 ZPO).

Die Auffassung der Vorinstanzen, daß die Beurteilung der Rechtsverhältnisse einer Sammlung in Ablehnung jeglicher generalisierender Einordnung unter bestehende typisierte Rechtsformen nur nach dem besonderen Zweck des Einzelfalles und dem mutmaßlichen Willen der Sammler und Spender erfolgen kann, wie sie sich unter Anwendung der Regeln der allgemeinen Verkehrssitte (§ 863 Abs. 2 ABGB) im wesentlichen aus dem Inhalt des Spendenaufrufes erschließen lassen, entspricht dem Rechtsstandpunkt des Obersten Gerichtshofes (SZ 48/55; SZ 18/191). Die Beurteilung der in Übereinstimmung mit dieser Rechtsansicht aus den Umständen des vorliegenden Falles gezogenen Schlußfolgerungen durch die Vorinstanzen geht über die Regelung der Rechtsverhältnisse der Streitteile nicht hinaus und schließt eine beispielgebende Entscheidung aus. Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO ist die Revision daher unzulässig. Da die beklagte Partei auf die Unzulässigkeit nicht hingewiesen hat, war ihre Revisionsbeantwortung einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht dienlich, sodaß ein Kostenzuspruch nicht in Betracht kommt (§§ 40, 50 ZPO).

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