OGH 2Ob64/18b

OGH2Ob64/18b26.6.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am * verstorbenen F* A* F*, zuletzt *, über die außerordentlichen Revisionsrekurse des pflichtteilsberechtigten Sohnes H* M* F*, vertreten durch Giesinger, Ender, Eberle & Partner, Rechtsanwälte in Feldkirch, (a) gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 16. Februar 2018, GZ 53 R 15/18x‑92, mit welchem sein Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 13. Dezember 2017, GZ 3 A 200/16f‑84, zurückgewiesen wurde, und (b) gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 16. Februar 2018, GZ 53 R 14/18z‑93, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 9. Jänner 2017, GZ 3 A 200/16f‑86, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E122415

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs gegen den zurückweisenden Beschluss ON 92 wird nicht Folge gegeben.

Aus Anlass des außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den bestätigenden Beschluss ON 93 wird dieser Beschluss als nichtig aufgehoben und der Rekurs des Rechtsmittelwerbers gegen den Beschluss des Erstgerichts ON 86 zurückgewiesen.

 

Begründung:

Der am * verstorbene Erblasser hinterließ seine Frau und drei Söhne. In einem Testament hatte er seine Frau zur Erbin eingesetzt und den Söhnen Vermächtnisse ausgesetzt. Die Witwe gab eine bedingte Erbantrittserklärung ab, der Rechtsmittelwerber beantragte als Pflichtteilsberechtigter die Inventarisierung des Nachlasses.

Der Erblasser war Eigentümer eines Viertelanteils an einer Liegenschaft gewesen, auf der er mit seiner Frau ein Haus bewohnt hatte; ein weiteres Gebäude auf dieser Liegenschaft hatte ein Bruder des Rechtsmittelwerbers errichtet. Dieser Sohn ist zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft, der verbliebene Viertelanteil steht im Eigentum der Witwe. Weiters war der Erblasser mit seiner Frau je zur Hälfte Eigentümer einer unbebauten Liegenschaft.

Zur Vorbereitung der Inventarerrichtung wurden die Liegenschaften und die Fahrnisse im Wohnhaus des Erblassers beschrieben und geschätzt. Weiters beschaffte der Gerichtskommissär zu einem Girokonto des Erblassers die Umsatzlisten der letzten sieben Jahre. Die in Form einer Genossenschaft betriebene Bank gab bekannt, dass der Erblasser bei ihr einen Geschäftsanteil „von 15 EUR“ halte.

Noch vor Errichtung des Inventars durch den Gerichtskommissär beantragte der Rechtsmittelwerber, folgende Urkunden beizuschaffen und seinem Vertreter zu übermitteln:

a. die Ein- und Auszahlungsbelege zu näher bezeichneten Positionen der Umsatzlisten,

b. die „Unterlagen für den Wert des Geschäftsanteils“ an der Bank,

c. den Pachtvertrag für die unbebaute Liegenschaft.

Weiters beantragte er, auch die Fahrnisse im Haus seines Bruders zu inventarisieren und zu schätzen. Der Gerichtskommissär legte diese Anträge nach § 7a GKG dem Gericht vor.

Das Erstgericht wies die Anträge mit getrennten Beschlüssen ab.

Die Urkunden seien nicht beizuschaffen, weil

a. Kontoöffnungen nur der Ermittlung von weiterem Vermögen des Erblassers dienen könnten und im konkreten Fall aufgrund der Umsatzlisten keine Indizien vorlägen, dass Auszahlungen auf ein weiteres, bisher unbekanntes Konto des Erblassers erfolgt wären,

b. die Bank mitgeteilt habe, dass der Wert des Geschäftsanteils 15 EUR betrage und die vom Antragsteller offenbar angestrebte Bewertung durch einen Sachverständigen einen unverhältnismäßigen Aufwand bildete,

c. die Witwe mitgeteilt habe, dass es keinen schriftlichen Pachtvertrag gebe, sondern jährlich eine mündliche Vereinbarung abgeschlossen werde.

Die Fahrnisse im Wohnhaus des Bruders seien nicht zu beschreiben und zu schätzen, weil sie nicht im Besitz oder Mitbesitz des Erblassers gestanden seien.

Das Rekursgericht entschied mit getrennten Beschlüssen. Es wies den Rekurs gegen die Entscheidung über die Beischaffung der Urkunden zurück und gab jenem über die Inventarisierung der Fahrnisse im Wohnhaus des Bruders nicht Folge. In beiden Entscheidungen sprach es aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Der Rekurs gegen die Entscheidung über die Beischaffung der Urkunden sei unzulässig. Entscheidungen nach § 7a GKG seien nur anfechtbar, wenn es sich dabei um eine Entscheidung „über“ das Inventar handle. Das treffe nur bei Entscheidungen darüber zu, ob eine bestimmte oder durch geeignete Erhebungen bestimmbare Sache in das Inventar aufgenommen oder ausgeschieden werde. Die vom Rechtsmittelwerber gestellten Anträge seien demgegenüber auf verfahrensleitende Verfügungen gerichtet, die nicht gesondert anfechtbar seien. Zweck des Inventars sei es zudem nicht, dem Antragsteller Grundlagen für allfällige Ansprüche auf den Schenkungspflichtteil zu verschaffen.

Die Fahrnisse im Wohnhaus seien aus dem bereits vom Erstgericht genannten Grund nicht in das Inventar aufzunehmen. Da das Haus vom Bruder des Rechtsmittelwerbers bewohnt werde, sei nicht anzunehmen, dass der Erblasser Besitzer der darin befindlichen Sachen gewesen sei.

Gegen diese Entscheidungen richten sich außerordentliche Revisionsrekurse des Rechtsmittelwerbers, mit denen er jeweils eine stattgebende Entscheidung über seine Anträge anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

A. Der Revisionsrekurs gegen die Zurückweisung des Rekurses gegen den Beschluss über die Beischaffung von Unterlagen ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Auch im Verlassverfahren sind verfahrensleitende Beschlüsse nach § 45 Satz 2 AußStrG nur dann selbständig anfechtbar, wenn das ausdrücklich angeordnet ist.

1.1. Verfahrensleitende Beschlüsse sind der Stoffsammlung dienende Verfügungen (16 Ok 6/06; RIS‑Justiz RS0120910) und sonstige den Verfahrensablauf betreffende Maßnahmen, wie etwa die Anberaumung oder Erstreckung einer Tagsatzung (8 Ob 61/14z SZ 2014/69). Sie dienen der zweckmäßigen Gestaltung des Verfahrens, insbesondere des Beweisverfahrens, und haben kein vom Verfahren losgelöstes Eigenleben; das Gericht ist jederzeit in der Lage, sie abzuändern und einer geänderten Situation anzupassen (8 Ob 61/14z = RIS‑Justiz RS0120910 [T11]). Der Grund für die aufgeschobene Anfechtbarkeit liegt in verfahrensökonomischen Erwägungen: Verfahrensleitende Verfügungen sollen nur dann überprüfbar sein, wenn sie sich auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben; das Verfahren soll nicht dadurch verzögert werden, dass jeder einzelne zur Entscheidung führende Schritt des Gerichts in einem Rekursverfahren überprüft wird. Vielmehr soll die Kontrolle dieser Schritte auf ein einziges Rechtsmittel – jenes gegen die Entscheidung über die Sache – konzentriert werden.

1.2. Für das Verlassverfahren hatte der Oberste Gerichtshof zunächst (obiter) ausgesprochen, dass alle im Zuge des der Einantwortung vorgelagerten Verfahrens ergehenden Entscheidungen „schon begrifflich“ verfahrensleitende Entscheidungen seien (6 Ob 140/08v). In weiterer Folge hat er allerdings klargestellt, dass es auch vor der Einantwortung selbständig anfechtbare Beschlüsse gibt. Darunter fallen jedenfalls Beschlüsse, die einen Antrag abschließend erledigen, ohne dass dies der Vorbereitung eines weiteren Beschlusses über die Sache dient, also etwa die Entscheidung über Anträge auf Bestellung eines Kurators für die Verlassenschaft (vgl etwa 7 Ob 135/08s), auf Genehmigung eines Rechtsgeschäfts oder auf Nachlassseparation (2 Ob 229/09d; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 45 Rz 19 mwN). Anfechtbar ist auf dieser Grundlage auch ein Beschluss, mit dem das Gericht den Antrag auf Errichtung eines Inventars überhaupt abweist (2 Ob 229/09d).

2. Wird ein Inventar errichtet, so sind nach der Rechtsprechung des Senats Beschlüsse „über“ das Inventar anfechtbar. Für solche Beschlüsse wurde der verfahrensleitende Charakter bisher generell verneint.

2.1. Das Verfahren zur Errichtung des Inventars ist vom Gerichtskommissär durchzuführen (§ 1 Abs 1 Z 1 lit b GKG). Das Inventar bedarf zu seiner Feststellung keiner Annahme oder Entscheidung des Gerichts (§ 169 Satz 2 AußStrG). Innerhalb des Abhandlungsverfahrens besteht daher grundsätzlich (zu den Ausnahmen unten 2.2.) keine Möglichkeit, das Inventar als solches oder die dabei vorgenommene Bewertung zu überprüfen (2 Ob 55/15z mwN). Der Grund liegt darin, dass das Inventar nur der Beweissicherung dient und keine Bindungswirkung entfaltet (6 Ob 205/12h mwN; 2 Ob 150/16x). Das mag man rechtspolitisch bedauern (Hofmann, Glosse zu 2 Ob 55/15z, iFamZ 2016/166), entspricht aber der vom Gesetzgeber gewählten Konzeption (EB zur RV 224 BlgNR 22. GP , zu § 169).

2.2. Zu entscheiden hat das Gericht demgegenüber nach § 166 Abs 2 AußStrG über die strittige Aufnahme oder Nichtaufnahme einer Sache in das Inventar (2 Ob 55/15z mwN). Insofern kann auch geltend gemacht werden, dass die Beischaffung von Auszahlungsbelegen unterblieb, die die Ermittlung von weiterem Vermögen des Erblassers ermöglicht hätte (2 Ob 183/15y). Zudem erfordert der (wenngleich beschränkte) Zweck des Inventars die Möglichkeit, dessen formale Mangelhaftigkeit geltend machen zu können, etwa die substanzlose Dürftigkeit, mangelnde Nachvollziehbarkeit oder die Missachtung der in § 167 AußStrG vorgegebenen Rahmenbedingungen für die Bewertung (2 Ob 23/16w mwN). Unter Letzteres fällt insbesondere das Unterbleiben der in § 167 Abs 2 AußStrG vorgesehenen Schätzung von Liegenschaften bei Antrag einer Partei (6 Ob 205/12h) oder im Interesse von Pflegebefohlenen (2 Ob 23/16w).

2.3. Die im vorigen Absatz genannten Entscheidungen „über das Inventar“ – das heißt über seine inhaltliche Vollständigkeit iSv § 166 Abs 2 AußStrG und über das Vorliegen formaler Mängel – wurden bisher als anfechtbar angesehen, auch wenn sie noch vor der Errichtung des Inventars ergingen. Ihre Grundlage waren entweder (weit verstandene) Anträge nach § 166 Abs 2 AußStrG oder Abhilfeanträge nach § 7a GKG. Letzteres galt zumindest in der Sache: Da die Erstellung des Inventars dem Gerichtskommissär obliegt, kann die formale Mangelhaftigkeit des Inventars (nur) zu einem Auftrag an diesen führen, nicht zu einem eigenen Handeln des Gerichts.

3. Richtigerweise sind solche Beschlüsse allerdings nur dann nicht verfahrensleitend und daher anfechtbar, wenn sie aufgrund eines nach Errichtung des Inventars gestellten Antrags ergehen.

3.1. Wäre das Inventar mit Beschluss festzustellen oder – wie nach altem Recht – nach einer Prüfung (§ 109 AußStrG 1854) „anzunehmen“, bestünde kein Zweifel, dass davor nach § 7a GKG gefasste Beschlüsse nur verfahrensleitenden Charakter hätten. Auch die nach Ansicht einer Partei verfehlte Aufnahme oder Nichtaufnahme einer Sache in das Inventar könnte erst mit dem Rekurs gegen den das Inventar feststellenden oder annehmenden Beschluss wahrgenommen werden. Damit wäre die durch § 45 AußStrG angestrebte Konzentration des Verfahrens gewährleistet: Über inhaltliche oder formale Mängel des Inventars wäre nur aufgrund eines Rechtsmittels gegen den Beschluss über dessen Feststellung zu entscheiden; nach § 7a GKG gefasste Beschlüsse im davor liegenden Verfahren wären als verfahrensleitend nicht anfechtbar.

3.2. Der Gesetzgeber hat allerdings in § 169 AußStrG 2005 ausdrücklich vorgesehen, dass das Inventar nicht zu Gericht anzunehmen ist. Die Materialien (EB zur RV 224 BlgNR 22. GP , zu § 169) begründen das mit der beschränkten Wirkung des Inventars, deretwegen sich jede über die Zustellung hinausgehende Mitwirkung des Gerichts erübrige. Dem Gesetzgeber lag daher erkennbar an einer Vereinfachung und damit auch Beschleunigung des Verfahrens. Nach der Konzeption der Neuregelung sollte lediglich die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Sachen überprüfbar sein (§ 166 Abs 2 AußStrG); nach der Rechtsprechung erfordert der (wenngleich bloß beschränkte) Zweck des Inventars darüber hinaus die Möglichkeit, auch bestimmte formale Mängel wahrnehmen zu können. Nur darüber haben daher – wie schon in der bisherigen Rechtsprechung des Senats klargestellt (oben 2.2.) – anfechtbare Beschlüsse zu ergehen.

3.3. Mit dem Zweck dieser Neuregelung wäre es aber nicht vereinbar, wenn bereits vor Errichtung des Inventars gesondert anfechtbare Beschlüsse ergehen könnten. Denn der grundsätzliche Verzicht des Gesetzgebers auf eine gerichtliche Überprüfung und Annahme des Inventars sollte dieses Verfahren durch formlose Gestaltung beschleunigen. Dem widerspräche es, wenn die mit einer formaleren Konzeption verbundene Konzentration des Verfahrens (oben 3.1.) verloren ginge und nun laufend anfechtbare Beschlüsse gefasst werden könnten. Ein solches Ergebnis kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden. Vielmehr kann der Regelungszweck nur dadurch umgesetzt werden, dass anfechtbare Beschlüsse erst aufgrund von Anträgen ergehen, die nach Errichtung des Inventars gestellt werden. Davor gefasste Beschlüsse leiten das Verfahren zur Inventarisierung und sind daher nicht gesondert anfechtbar. Die in § 45 AußStrG genannte „Entscheidung über die Sache“ ist in diesem Fall die Entscheidung über Anträge, die nach Errichtung des Inventars wegen inhaltlicher (§ 166 Abs 2 AußStrG) oder formaler Mängel des Inventars gestellt werden. Verfahrensleitende Beschlüsse können dabei aber nicht in weiterem Umfang überprüft werden als das Inventar selbst; soweit sie sich etwa auf Einzelheiten der Bewertung beziehen, sind sie ebenso wie diese einer gerichtlichen Überprüfung entzogen.

3.4. Diese Vorgangsweise ermöglicht im Allgemeinen eine einheitliche Entscheidung über alle gegen das Inventar erhobenen Einwände. Zunächst ist das Inventar nach Durchführung der erforderlichen Erhebungen, Beschreibungen und Schätzungen in einem einheitlichen Akt durch den Gerichtskommissär zu errichten. In weiterer Folge steht es den Parteien frei, in Kenntnis dieses Inventars Anträge nach § 166 Abs 2 AußStrG oder wegen formaler Mängel zu stellen. Zwar sind solche Anträge nicht fristgebunden. Da aber nach Errichtung des Inventars – außer bei einem Streit über das Erbrecht – in der Regel die Voraussetzungen für die Einantwortung vorliegen werden, liegt es schon im Interesse der Parteien, solche Anträge unverzüglich zu stellen. Damit ist die Konzentration des Verfahrens über alle gegen das Inventar erhobenen Einwände zumindest im Regelfall sichergestellt.

3.5. Aufgrund dieser Erwägungen geht der Senat als Fachsenat von der bisherigen – allerdings in diesem Punkt nicht näher begründeten – Rechtsprechung ab, dass anfechtbare Beschlüsse wegen inhaltlicher (§ 166 Abs 2 AußStrG) oder formaler Mängel des Inventars schon vor Errichtung des Inventars gefasst werden können. Vielmehr setzen anfechtbare Beschlüsse die Errichtung des Inventars und einen danach gestellten Antrag voraus.

(a) Dabei kann der Antragsteller einerseits geltend machen, dass eine in das Inventar aufgenommene Sache nicht oder eine nicht in das Inventar aufgenommene Sache doch in das Inventar aufzunehmen ist. § 166 Abs 2 AußStrG erfasst – entgegen Fucik/Mondel, (Verlassenschaftsverfahren2 [2016] Rz 383) – beide Varianten (so auch Verweijen, Handbuch Verlassenschaftsverfahren2 [2018] 249). Denn die Nachlasszugehörigkeit wird auch dann im Sinn dieser Bestimmung bestritten, wenn eine Sache, deren Nachlasszugehörigkeit der Antragsteller behauptet hatte, von Amts wegen oder aufgrund eines gegenläufigen Antrags nicht in das Inventar aufgenommen wird (implizit in diesem Sinn auch 2 Ob 183/15y).

Im letztgenannten Fall ist eine bestimmte Angabe der Sache nicht erforderlich, wenn sich aus den Verfahrensergebnissen Indizien für das Vorhandensein eines weiteren Vermögenswerts ergeben haben und das Verfahren insofern mangelhaft geblieben ist. Hier kann der Antrag zwar zunächst bloß auf die Vornahme weiterer Erhebungen gerichtet sein; er hat aber auch in diesem Fall bestimmt anzugeben, aufgrund welcher Verfahrensergebnisse das Vorhandensein welchen weiteren Vermögens anzunehmen ist. Ein Antrag auf Beischaffen von Überweisungsbelegen wird daher regelmäßig nur dann Erfolg haben, wenn besondere Indizien dafür vorliegen, dass Auszahlungen auf ein weiteres, bisher unbekanntes Konto des Erblassers erfolgten (2 Ob 183/15y); reine Erkundungsbeweise sind in diesem Zusammenhang nicht aufzunehmen. Von vornherein unerheblich für das Inventar sind Schenkungen, die der Erblasser schon zu Lebzeiten an Pflichtteilsberechtigte oder Dritte gemacht hatte. Auf die Ermittlung solcher Schenkungen gerichtete Anträge haben daher keine Grundlage in § 166 Abs 2 AußStrG.

(b) Andererseits kann eine Partei bei formalen Mängeln des Inventars einen Abhilfeantrag nach § 7a GKG stellen. Davon sind Fälle substanzloser Dürftigkeit, fehlender Nachvollziehbarkeit oder missachteter Rahmenbedingungen für die Bewertung erfasst (2 Ob 23/16w). Die gerichtliche Überprüfung einer Bewertung kann mit einem solchen Antrag keinesfalls herbeigeführt werden (2 Ob 55/15z). Sollte ausnahmsweise ein weiterer Schritt des Verlassverfahrens vom Wert des Nachlasses oder einzelner Nachlassgegenstände abhängen – etwa im Fall einer Nachlassseparation oder beim Erfordernis einer Sicherstellung nach § 176 Abs 2 AußStrG (vgl dazu Mondel, Glosse zu 2 Ob 23/16w iFamZ 2016/232) – wäre die Bewertung Vorfrage des insofern ergehenden Beschlusses (allenfalls auch des Einantwortungsbeschlusses); sie könnte daher aus Anlass von dessen Bekämpfung überprüft werden.

4. Diese Erwägungen führen hier zur Bestätigung der angefochtenen Entscheidung. Denn das Erstgericht hatte über Anträge entschieden, die vor Errichtung des Inventars gestellt wurden. Sein Beschluss hatte schon aus diesem Grund nur verfahrensleitenden Charakter und war daher nicht anfechtbar. Der Revisionsrekurs des Rechtsmittelwerbers muss daher scheitern.

5. Die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

Beschlüsse, die im Verfahren zur Errichtung des Inventars gefasst werden, haben grundsätzlich verfahrensleitenden Charakter und sind daher nicht selbständig anfechtbar. Ihre Richtigkeit kann in gewissen Fällen mittelbar dadurch überprüft werden, dass eine Partei nach Errichtung des Inventars einen Antrag nach § 166 Abs 2 AußStrG oder einen auf formale Mängel des Inventars (Substanzlosigkeit, fehlende Nachvollziehbarkeit, Missachtung der Rahmenbedingungen für die Bewertung) gestützten Antrag nach § 7a GKG stellt. Über solche Anträge ergehende Beschlüsse sind nach den allgemeinen Grundsätzen anfechtbar.

B. Aus Anlass des Revisionsrekurses gegen die Bestätigung der Entscheidung über die Inventarisierung der Fahrnisse im Wohnhaus des Bruders ist der Beschluss des Rekursgerichts aufzuheben und der Rekurs des Rechtsmittelwerbers zurückzuweisen.

Wie oben ausgeführt, kann eine anfechtbare Entscheidung über die Aufnahme oder Nichtaufnahme einer Sache in das Inventar erst aufgrund eines nach Errichtung des Inventars gestellten Antrags erfolgen. Der hier bekämpfte Beschluss des Erstgerichts erging vor Errichtung des Inventars und hatte daher verfahrensleitenden Charakter. Daher war schon der gegen die erstinstanzliche Entscheidung erhobene Rekurs des Rechtsmittelwerbers unzulässig. Die Entscheidung des Rekursgerichts ist daher aus Anlass des Revisionsrekurses aufzuheben, und der Rekurs des Rechtsmittelwerbers ist zurückzuweisen (8 Ob 117/12g mwN; RIS‑Justiz RS0121264).

C. Im fortgesetzten Verfahren werden die Akten dem Gerichtskommissär zuzuleiten sein, der aufgrund der vom Erstgericht gefassten verfahrensleitenden Beschlüsse das Inventar zu errichten hat. Dem Rechtsmittelwerber steht es danach frei, einen Antrag nach § 166 Abs 2 AußStrG oder wegen formaler Mängel des Inventars zu stellen. Er wird dabei allerdings den möglichen Inhalt solcher Anträge (oben A.3.4.) und – im Hinblick auf die Fahrnisse im Wohnhaus seines Bruders – die schon von den Vorinstanzen zutreffende betonte Indizfunktion des Besitzes (RIS‑Justiz RS0122722) zu beachten haben.

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