OGH 8Ob117/12g

OGH8Ob117/12g24.10.2012

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers R***** N*****, vertreten durch Mag. Dr. Martin Deuretsbacher, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1. M***** F*****, 2. C***** F*****, beide vertreten durch Simma Rechtsanwälte GmbH in Dornbirn, 3. A***** M*****, wegen Abstammung, über den Revisionsrekurs der Erst- und Zweitantragsgegner gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. August 2012, GZ 3 R 181/12h-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 25. Mai 2012, GZ 9 Fam 23/11t-19, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses wird der Beschluss des Rekursgerichts als nichtig aufgehoben und der Rekurs der Erst- und Zweitantragsgegner zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens werden aufgehoben.

Text

Begründung

I. Der Antragsteller wurde im Jahr 1970 als uneheliches Kind in Österreich geboren. Als sein leiblicher Vater gilt aufgrund eines rechtskräftigen Versäumungsurteils des Bezirksgerichts Dornbirn vom 7. 9. 1970 der Drittantragsgegner. Im Jahre 1971 wurde der Antragsteller von einem niederländischen Ehepaar adoptiert.

Mit seinem am 11. 11. 2011 eingebrachten Antrag begehrt er die Feststellung, dass er von dem 2007 verstorbenen Vater der Erst- und Zweitantragsgegner abstamme und der Drittantragsgegner nicht sein Vater sei. Er habe Nachforschungen über seine biologische Abstammung im seinerzeitigen Lebensumfeld seiner Mutter angestellt und sei dabei auf konkrete Hinweise gestoßen, die für das Antragsbegehren sprächen.

Das Erstgericht bestellte nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Beschluss „die Gerichtsärzte“ am Institut für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck zu Sachverständigen und erteilte ihnen den Auftrag, ein erbgenetisches Gutachten darüber zu erstatten, ob der Drittantragsgegner oder der verstorbene Vater der Erst- und Zweitantragsgegner der leibliche Vater des Antragstellers sei. Hinsichtlich des Verstorbenen werde um Gutachtenserstattung insbesondere durch Einbeziehung seiner leiblichen Kinder, der Erst- und Zweitantragsgegner, ersucht.

Dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rekurs der Erst- und Zweitantragsgegner, mit dem sie ein „gestaffeltes Vorgehen“ im Sinn einer Beschränkung des Gutachtensauftrags auf die Frage der Vaterschaft des Drittantragsgegners anstreben, gab das Rekursgericht keine Folge. Es erachtete das Rechtsmittel im Hinblick auf § 85 Abs 2 AußStrG zwar für zulässig, weil die Rekurswerber bereits in erster Instanz Bedenken gegen das Bestehen ihrer persönlichen Mitwirkungspflicht angemeldet hätten, aber inhaltlich nicht berechtigt. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung darüber vorliege, welche Anhaltspunkte für eine biologische Vaterschaft vorliegen müssten, um die Einbeziehung von Deszendenten des möglichen Vaters zu rechtfertigen, solange eine Nichtabstammung vom bisherigen Giltvater nicht erwiesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses der Erst- und Zweitantragsgegner ist festzuhalten, dass verfahrensleitende Beschlüsse des Erstgerichts, zu denen insbesondere auch die Bestellung eines Sachverständigen und der Auftrag zur Erstattung von Befund und Gutachten gehören, nach § 45 Satz 2 AußStrG nicht abgesondert, sondern nur mit einem Rekurs gegen die Entscheidung über die Sache anfechtbar sind, wenn das Gesetz nicht im Einzelfall ausdrücklich etwas anderes anordnet.

Das Erstgericht hat aber auch keine Entscheidung über die Verweigerung der Mitwirkung an der Befundaufnahme nach § 85 Abs 1 AußStrG getroffen, weil Weigerungsgründe im Sinn dieser Gesetzesstelle von den Rechtsmittelwerbern nicht nur nie behauptet, sondern sogar ausdrücklich verneint wurden. Die Erst- und Zweitantragsgegner stellen ihre Mitwirkungspflicht als solche nicht in Frage, sondern wollen lediglich über die Reihenfolge der Gutachtensaufträge bestimmen und damit die Verfahrensführung des Erstgerichts beeinflussen. Eine über dieses Anliegen getroffene Entscheidung ist nach § 45 Satz 2 AußStrG grundsätzlich nicht selbstständig anfechtbar.

Darüber hinaus sind die Revisionsrekurswerber durch den bekämpften Beschluss auch nicht beschwert, weil ihnen damit noch keine persönliche Handlungs- oder Duldungspflicht auferlegt wurde. Die Methode und Reihenfolge der Befundaufnahme bleibt nach dem Beschluss den Sachverständigen überlassen.

Bereits das Rekursgericht hätte daher das unzulässige abgesonderte Rechtsmittel zurückweisen müssen (§ 54 Abs 1 Z 1 AußStrG). Entscheidet ein Gericht zweiter Instanz über einen unzulässigen Rekurs nicht formal durch Zurückweisung, sondern meritorisch, so ist der Mangel der funktionellen Zuständigkeit für eine solche Erledigung vom Obersten Gerichtshof aus Anlass des gegen eine unzulässige Sachentscheidung erhobenen Revisionsrekurses als Nichtigkeit, die immer eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, wahrzunehmen; der unzulässige Rekurs gegen den Beschluss erster Instanz ist zurückzuweisen (RIS-Justiz RS0115201; RS0042059; RS0121264; RS0043969; Zechner in Fasching/Konecny² IV/1, vor §§ 514 ff ZPO Rz 36, § 515 ZPO Rz 20, § 528 ZPO Rz 24).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 1 und 3 AußStrG iVm § 51 Abs 2 ZPO. Eine Revisionsrekursbeantwortung ist nach § 68 Abs 1 AußStrG nur für Beschlüsse vorgesehen, mit denen „über die Sache“ oder über die Kosten entschieden wurde (RIS-Justiz RS0120860); der Antragsteller hat auch nicht auf den Nichtigkeitsgrund hingewiesen.

II. Für das weitere Verfahren ist auch noch § 82 Abs 2 AußStrG zu beachten.

Im Abstammungsverfahren kommt dem anderen Elternteil des Kindes - sofern er am Leben sowie einsichts- und urteilsfähig ist - Parteistellung zu.

Grundlage für diese Einbeziehung ist die höchstpersönliche Betroffenheit beider Eltern, die unabhängig davon besteht, ob das Verfahren einen Einfluss auf die Rechtsstellung des anderen Elternteils hat (vgl ErlRV 224 BlgNR 22. GP, zitiert in Fucik/Kloiber AußStrG § 82 vor Rz 1). Die Rechtswirkungen der Adoption beseitigen die Betroffenheit der leiblichen Eltern in Bezug auf die biologische Abstammung des Kindes nicht.

Mit dem Antragsteller wird daher zu erörtern sein, ob die Voraussetzungen des § 82 Abs 2 AußStrG auf seine leibliche Mutter zutreffen, gegebenenfalls ist sie dem Verfahren als Partei beizuziehen.

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