OGH 2Ob150/16x

OGH2Ob150/16x16.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin  Dr. E. Solé sowie den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am ***** verstorbenen Dkfm. E***** K***** D*****, über den Revisionsrekurs der erbantrittserklärten Erben 1. G***** D*****, und 2. DI P***** D*****, beide vertreten durch Dr. Fritz Schuler, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 25. Februar 2016, GZ 1 R 42/16h, 1 R 43/16f, 1 R 44/16b‑796, womit infolge der Rekurse der erbantrittserklärten Erben und Revisionsrekursgegner 1. D***** D*****, und 2. Mag. K***** D*****, beide vertreten durch Dr. Stefan Hämmerle, Rechtsanwalt in Dornbirn, der Beschluss des Bezirksgerichts Bregenz vom 4. Dezember 2015, GZ 2 A 179/10v‑729, aufgehoben und die Rechtssache zur

neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht

zurückverwiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0020OB00150.16X.1116.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Der Erblasser Dkfm. E***** K***** D***** ist am 24. 8. 2010 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung gestorben. Gesetzeserben sind seine Gattin, die Erstrevisionsrekurswerberin, zu 1/3-Anteil sowie seine drei Kinder, nämlich der Zweitrevisionsrekurswerber und die beiden Revisionsrekursgegner, zu je 2/9-Anteilen. Die Gesetzeserben haben in der Abhandlungstagsatzung vom 23. 2. 2011 entsprechend den Erbquoten die bedingten Erbantrittserklärungen abgegeben.

Im September 2015 beantragten beim Erstgericht einerseits die Erstrevisionsrekursgegnerin die „Marktbewertung sämtlicher Liegenschaften“ (die zur Verlassenschaft gehören) und andererseits der Zweitrevisionsrekursgegner die Schätzung der nachlasszugehörigen Immobilie mit der Adresse *****.

Das Erstgericht entschied über diese Anträge nicht.

Mit Beschluss vom 4. 12. 2015, GZ 2 A *****, antwortete das Erstgericht die Verlassenschaft entsprechend den Erbquoten den gesetzlichen Erben ein und ordnete gleichzeitig die entsprechenden Eintragungen im Grundbuch KG ***** an.

Die Revisionsrekursgegner rügten in ihren Rekursen gegen den Einantwortungsbeschluss unter anderem die nicht erfolgte Bewertung der Liegenschaften gemäß § 167 AußStrG, die zwingend zu erfolgen habe und beantragt worden sei.

Das Rekursgericht hob den Einantwortungsbeschluss auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es führte rechtlich aus, gemäß § 167 Abs 2 AußStrG seien unbewegliche Sachen grundsätzlich mit dem dreifachen Einheitswert, im Falle des Antrags einer Partei aber nach dem Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) zu bewerten, und zwar nach einer Lehrmeinung nach dem Wert zum Zeitpunkt des Todes. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen, vielmehr seien diese Liegenschaften mit dem dreifachen Einheitswert in das Inventar aufgenommen worden. Auch wenn die Bewertung im Rahmen des Inventars für die endgültige Haftung des erbserklärten Erben nicht bindend sei, so sei doch zu berücksichtigen, dass das Inventar auch ein Mittel der Beweissicherung sei. Von einer von den Revisionsrekurswerbern durch die späten Antragstellungen angenommenen Verschleppungsabsicht der Revisionsrekursgegner (vgl § 33 Abs 2 AußStrG) sei nicht auszugehen. Es sei daher der Einantwortungsbeschluss aufzuheben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen gewesen.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs gemäß § 64 AußStrG zu, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob ein Verstoß gegen gesetzliche Bewertungsvorschriften mittels Rekurses gegen den Einantwortungsbeschluss angefochten werden könne, auch wenn die Einantwortungsvoraussetzungen nicht vom Wert der Verlassenschaft bzw des Inventars abhingen.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Revisionsrekurswerber mit dem Antrag, den erstgerichtlichen Einantwortungsbeschluss wiederherzustellen.

Die Revisionsrekursgegner beantragen, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionsrekurswerber relevieren überdies folgende Rechtsfragen als erheblich:

1. Es fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung dazu, ob nach Vorliegen der Einantwortungsvoraussetzungen unter Berücksichtigung des Beschleunigungsanliegens des AußStrG beantragte Schätzungen unbeweglicher Gegenstände zwingend vorzunehmen seien oder der Gerichtskommissär gemäß § 33 Abs 2 AußStrG verspätete Anträge, durch die das Verlassenschaftsverfahren verschleppt oder erheblich verzögert werden solle, unberücksichtigt lassen könne.

2. Es sei strittig, ob Wertansätze im Inventar, das über das Verlassenschaftsverfahren hinausgehende Wirkungen nicht entfalte, mittels Rekurses gegen den Einantwortungsbeschluss angefochten werden können.

Die Revisionsrekurswerber machen Aktenwidrigkeit und unrichtige rechtliche Beurteilung geltend. Weil im vorliegenden Fall die Einantwortungsvoraussetzungen nicht vom Wert der Verlassenschaft bzw des Inventars abhingen, könne der Einantwortungsbeschluss nicht angefochten werden. Die Revisionsrekursgegner hätten ihre Anträge auf Schätzung der Liegenschaften nicht für das Verlassenschaftsverfahren, sondern zu Zwecken der Steuereinschätzung (Erstrevisionsrekursgegnerin) bzw „hinsichtlich der bevorstehenden Zivilteilung … und damit im Zusammenhang stehenden Ausgleichzahlungen“ (Zweitrevisionsrekursgegner) gestellt. Die Anträge hätten nicht berücksichtigt werden dürfen, weil sie rechtsmissbräuchlich und in offensichtlicher Verschleppungsabsicht gestellt worden seien.

Hierzu wurde erwogen:

1. Eine relevante Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 Satz 3 AußStrG).

2. Antragslegitimation der Revisionsrekursgegner auf Schätzung von nachlasszugehörigen Liegenschaften nach dem LBG

2.1. Gemäß § 167 Abs 2 AußStrG sind unbewegliche Sachen grundsätzlich mit ihrem dreifachen Einheitswert, beantragt dies aber eine Partei oder ist es im Interesse eines Pflegebefohlenen erforderlich, nach dem LBG zu bewerten.

2.2. Diese Bestimmung fasst inhaltlich unverändert § 102 Abs 2 AußStrG 1854 idF BGBl 1992/150 und § 102 Abs 3 AußStrG 1854 idF BGBl I 2001/131 zusammen (Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG [2013], § 167 Rz 1 mwN; Bittner in Rechberger, AußStrG2 [2013], § 167 Rz 1).

2.3. Die einschlägige zum AußStrG 1854 ergangene Rechtsprechung ist daher auch für das geltende AußStrG maßgeblich. Erwähnt sei ergänzend, dass der Gesetzgeber des AußStrG 2005, BGBl I 2003/111, davon ausgeht, dass dann, wenn eine Partei die Schätzung unbeweglicher Sachen nach dem LBG beantragt, diese „jedenfalls“ erforderlich ist (ErläutRV, zitiert in Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] bei § 167).

2.4. Zu den genannten Vorläuferbestimmungen wurde judiziert, dass – wie im vorliegenden Fall – auch gesetzliche Erben, die gleichzeitig pflichtteilsberechtigt waren, im Abhandlungsverfahren befugt waren, ein Inventar und die Schätzung zu verlangen (6 Ob 184/99y SZ 72/174 = RIS-Justiz RS0007804 [T1]).

2.5. Ein Fall der amtswegig angeordneten Schätzung, die nach der Rechtsprechung wegen des damit verbundenen Kostenaufwands nur dann berechtigt ist, wenn die Interessen der Pflichtteilsberechtigten oder anderer Dritter zu wahren sind (1 Ob 568/79 EvBl 1979/214 = RIS-Justiz RS0007895 [T3]; 10 Ob 521/95 = RIS-Justiz RS0009101 [T1]), ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens.

2.6. Nach § 2 Abs 1 LBG ist, sofern durch Gesetz oder Rechtsgeschäft nichts anderes bestimmt wird, der Verkehrswert der Sache zu ermitteln. Nach § 2 Abs 2 LBG ist der Verkehrswert der Preis, der bei einer Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann. Der Verkehrswert einer Liegenschaft ist gleichbedeutend mit dem in § 305 ABGB genannten „ordentlichen und gemeinen Preis“ (RIS-Justiz RS0010065; Stabentheiner, LBG [2005] § 2 Anm 5 mwN).

2.7. Dass die Revisionsrekursgegner zwar keine Anträge auf Bewertung „nach dem LBG“ gestellt haben, sondern die „Marktbewertung“ (Erstrevisionsrekursgegnerin) bzw die „Schätzung“ (Zweitrevisionsrekursgegner) beantragt haben, schadet nicht: Die zitierte gesetzliche Umschreibung des Verkehrswerts stellt ohnehin auf die Marktgegebenheiten ab, wie dies die Erstrevisionsrekursgegnerin begehrt hat. Für die „Schätzung“ laut Begehren des Zweitrevisionsrekursgegners kann im Licht der genannten Definitionen zum Wert einer Liegenschaft nichts anderes gelten. Die Anträge können daher sinnvollerweise nur so verstanden werden, dass damit die Bewertung nach dem LBG, der gesetzlich vorgesehenen Bewertungsvorschrift, gemeint ist.

2.8. Weder nach dem Gesetzeswortlaut des § 167 Abs 2 AußStrG noch in der zitierten Judikatur (6 Ob 184/99y SZ 72/174 = RIS‑Justiz RS0007804 [T1]) noch im Schrifttum (Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG, § 167 Rz 6, 20; Bittner in Rechberger, AußStrG2, § 167 Rz 1) wird die vorgeschriebene Schätzung nach dem LBG an weitere Voraussetzungen als den Antrag einer Partei geknüpft. Aus welchem Motiv eine Partei die Schätzung beantragt, ist daher nicht entscheidend; es würde den Revisionsrekursgegnern daher nicht schaden, falls sie – wie dies die Revisionsrekurswerber behaupten – die Schätzung aus nicht im Verlassenschaftsverfahren liegenden Gründen beantragt haben sollten.

2.9. Darüber hinaus ist den Revisionsrekursgegnern ein gewisses aus ihrer Rechtsstellung als bedingt erbantrittserklärte Erben resultierendes Interesse an der Bewertung der nachlasszugehörigen Liegenschaften nicht abzusprechen: Das Inventar wirkt zwar nicht über das Abhandlungsverfahren hinaus. Dritte, die aus der Unrichtigkeit der Bewertung im Abhandlungsverfahren Rechte ableiten wollen, müssen dies im streitigen Verfahren tun (2 Ob 55/15z; RIS-Justiz RS0006465). Die Bewertung im Rahmen des Inventars ist zwar für die endgültige Haftung des erbserklärten Erben nicht bindend (RIS-Justiz RS0006465 [T1]). Dennoch bietet die Ermittlung des Verkehrswerts der Liegenschaften für die bedingt erbantrittserklärten Erben ein Indiz für die Höhe ihrer Haftung gegenüber den Nachlassgläubigern und Legataren nach § 802 Satz 2 ABGB, ist doch dafür (nicht der dreifache Einheitswert, sondern) der Verkehrswert der unbeweglichen Sachen im Zeitpunkt der Einantwortung maßgebend (RIS-Justiz RS0047846 [T2]). Überhaupt handelt es sich beim Inventar und der Schätzung vor allem um ein Mittel der

Beweissicherung, womit das Vermögen, das nach den äußeren Umständen dem Erblasser gehört und daher den Nachlass ausmacht, vorläufig und ohne Bindungswirkung erhoben wird (6 Ob 213/09f = RIS-Justiz RS0006465 [T16]; 6 Ob 205/12h; RS0007726 [T2]). Weiters kann die Erhebung des Verkehrswerts einer nachlasszugehörigen Liegenschaft eine Hilfestellung für die Aufteilung des Erbes sein.

2.10. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Revisionsrekursgegner betreffend die Schätzung der Liegenschaften nach dem LBG gemäß § 167 Abs 2 AußStrG antragsberechtigt waren, dass sie solche Anträge (zumindest konkludent) gestellt haben und dass das Erstgericht über diese Anträge (stattgebend) mit Beschluss absprechen hätte müssen.

3. Rechtsmissbrauch, Verschleppungsabsicht

3.1. Im Sinn des Vorbringens der Revisionsrekurswerber ist zu prüfen, ob das Erstgericht die Anträge ausnahmsweise wegen Rechtsmissbrauch bzw Verschleppungsabsicht zurückweisen hätte können oder müssen und ob dieser Rechtsmissbrauch bzw diese Verschleppungsabsicht auch im Rechtsmittelverfahren aufzugreifen ist. Die Revisionsrekurswerber stützen sich dafür auf § 33 Abs 2 AußStrG.

3.2. Nach dieser Bestimmung kann das Gericht nicht erwiesene Tatsachenvorbringen unberücksichtigt lassen und von der Aufnahme von Beweisen Abstand nehmen, wenn solche Tatsachen oder Beweise von einer Partei verspätet vorgebracht oder angeboten werden und bei sorgfältiger Berücksichtigung aller Umstände kein vernünftiger Zweifel besteht, dass damit das Verfahren verschleppt werden soll und die Zulassung die Erledigung des Verfahrens erheblich verzögern würde.

3.3. Höchstgerichtliche Judikatur zu dieser Bestimmung ist noch nicht ergangen.

3.4. Nach dem Gesetzeswortlaut „kann“ das Gericht bei Verschleppungsabsicht und erheblicher Verzögerung von der Aufnahme von Beweisen Abstand nehmen. Die Materialien (ErläutRV zitiert in Fucik/Kloiber, AußStrG bei § 33) führen aus, es bleibe zu betonen, dass die Präklusionsvorschrift nicht „absolut“ und gleichsam als Strafsanktion wirke, sondern schon aufgrund der amtswegigen Aufklärungspflicht die Möglichkeit bestehe, auch Hinweisen nachzugehen, die von Parteienseite her nur als Verschleppung charakterisiert werden könnten. Sollte im einzelnen Fall das Gericht der Meinung sein, dass diese verschleppenden Tatsachenvorbringen oder Beweisanträge doch einen berechtigten Kern hätten, so stehe es ihm ungeachtet des Abs 2 im Sinne der Grundregel des Abs 1 frei, die Beweisaufnahme durchzuführen.

3.5. Höllwerth spricht unter Bezug auf diese Formulierung der Materialien von einer Ermessensentscheidung (Höllwerth in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 33 Rz 37). Ein Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens könne aus der Zulassung weiteren Vorbringens oder der Aufnahme weiterer Beweise jedenfalls nicht abgeleitet werden (Höllwerth aaO, AußStrG § 33 Rz 38). Die unrichtige Annahme der Präklusionsvoraussetzungen durch das Erstgericht begründe einen Mangel des Verfahrens erster Instanz, der im Rekurs mit Verfahrensrüge geltend zu machen sei. Erkenne das Rekursgericht in einem solchen Fall einen Verfahrensmangel im Sinne der Ergänzungsbedürftigkeit der Tatsachengrundlage, bilde eine allfällige Unrichtigkeit dieser Beurteilung keinen tauglichen Revisionsrekursgrund, sofern die Fehlbeurteilung nicht auf aktenwidriger Grundlage beruhe, nicht zugleich auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorliege oder die Klärung einer Tatfrage amtswegig, etwa aus Gründen des Kindeswohls, erforderlich sei. Lasse das Rekursgericht vom Erstgericht präkludiertes Tatsachenvorbringen oder Beweisanbote zu, dann könne daraus allein selbst im Fall tatsächlich unzweifelhafter Verfahrensverschleppung kein tauglicher Revisionsrekursgrund abgeleitet werden, sei doch die Anwendung des § 33 Abs 2 AußStrG ohnehin nicht zwingend vorgeschrieben (Höllwerth aaO, AußStrG § 33 Rz 41).

3.6. Der Oberste Gerichtshof schließt sich diesen Ausführungen an. Im Ergebnis entspricht die Auffassung Höllwerths auch der ständigen, nicht im Zusammenhang mit Verschleppungsabsicht ergangenen oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu Ergänzungsaufträgen des Rekursgerichts: Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts‑ und nicht Tatsacheninstanz; er kann daher Ergänzungsaufträgen des Rekursgerichts nicht entgegentreten (RIS-Justiz RS0006737 [insb T17]).

3.7. Aus dieser Rechtslage ergibt sich, dass der Oberste Gerichtshof selbst im Fall, dass Verschleppungsabsicht oder Rechtsmissbrauch vorläge, dies wegen des Ergänzungsauftrags des Rekursgerichts nicht mehr aufgreifen könnte.

4. Rechtsmittelbefugnis der Revisionsrekursgegner

4.1. Selbständige Anfechtbarkeit eines über einen Schätzungsantrag nach § 167 Abs 2 AußStrG absprechenden Beschlusses

4.1.1. In den Entscheidungen 2 Ob 229/09d und 6 Ob 205/12h wurde ausgesprochen, der Noterbe könne einen Beschluss, mit dem sein Antrag auf Inventarisierung und Schätzung abgewiesen wurde, selbstständig anfechten (vgl auch RIS-Justiz RS0126101; vgl auch jüngst 2 Ob 183/15y). Dies muss umso mehr auch für gesetzliche Erben, die gleichzeitig pflichtteilsberechtigt sind, gelten (vgl Punkt 2.3.; 6 Ob 184/99y SZ 72/174 = RIS-Justiz RS0007804 [T1]).

4.1.2. In der Entscheidung vom 12. 4. 2016, 2 Ob 55/15z, führte der Oberste Gerichtshof jüngst Folgendes aus:

„4.1 Das Verfahren zur Errichtung des Inventars ist vom Gerichtskommissär durchzuführen (§ 1 Abs 1 Z 1 lit b GKG). Das Inventar bedarf zu seiner Feststellung keiner Annahme oder – abgesehen von jener über die Nachlasszugehörigkeit nach § 166 Abs 2 AußStrG – Entscheidung des Gerichts (§ 169 Satz 2 AußStrG). Innerhalb des Abhandlungsverfahrens besteht daher keine Möglichkeit, das Inventar als solches anzufechten (Schilchegger/Kieber, Verlassenschaftsverfahren² [2015] 139; Verweijen, Verlassenschaftsverfahren [2014] 147). Das gilt insbesondere für die vom Gerichtskommissär gewählte Bewertung, die für das Abhandlungsverfahren bindend ist. Dem Verlassenschaftsgericht fehlt es insoweit an einer Entscheidungs- oder Bestätigungskompetenz. Das Inventar wirkt nicht über das Abhandlungsverfahren hinaus.

[…]

4.2 Im Schrifttum wird eine Ausnahme von dieser Regel anerkannt, wenn das Inventar formal nicht den Grundsätzen eines solchen entspricht, etwa wegen 'substanzloser Dürftigkeit', mangelnder Nachvollziehbarkeit oder Missachtung der in § 167 AußStrG gegebenen 'Wertungsrahmenbedingungen' (Knoll, Einiges zum neuen Verlassenschaftsverfahren, RZ 2005, 2 [4]; Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 169 Rz 5; Fucik/Kloiber, AußStrG § 169 Rz 3). Eine weitere Ausnahme soll gelten, wenn Einantwortungsvoraussetzungen vom Wert der Verlassenschaft bzw dem Inventar abhängig sind. Eine behauptete Fehlbewertung im Inventar könne in diesem Fall mit Rekurs gegen den Einantwortungsbeschluss geltend gemacht werden (Bittner in Rechberger, AußStrG² § 169 Rz 1; aA Spruzina in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 169 Rz 5). […]

5.1 Bewertung des GmbH-Anteils:

[…]

5.1.5 Dazu kommt, dass wie in Punkt 4.1 ausgeführt, die vom Gerichtskommissär gewählte Bewertung für das Abhandlungsgericht bindend ist. Ein Rechtsmittel, das auf eine Änderung des Inventars wegen behaupteter falscher Wertansätze abzielt, ist daher im Abhandlungsverfahren nicht möglich. Die in Punkt 4.2 erwähnten Ausnahmefälle liegen hier nicht vor. Eine Missachtung der in § 167 AußStrG gegebenen 'Wertungsrahmenbedingungen' kommt im gegebenen Zusammenhang nicht in Frage, weil die Bewertung von Unternehmen und Gesellschaftsanteilen in dieser Bestimmung – anders als noch in § 106 AußStrG 1854 – nicht geregelt ist und auch keine sonstige rechtlich vorgeschriebene Art der Bewertung von Unternehmen existiert (Bittner in Rechberger, AußStrG² § 167 Rz 6; Bittner/Hawel in Gruber/Kalss/Müller/Schauer, Vermögensnachfolge [2010], § 10 Rz 103; Schilchegger/Kieber, Verlassenschaftsverfahren² [2015] 147; Mondel, Die Bewertung nachlasszugehöriger GmbH-Anteile, iFamZ 2015, 185 [186]).“

 

4.1.3. Im vorliegenden Fall geht es um die Bewertung von Liegenschaften, für die – im Gegensatz zur Bewertung eines GmbH-Anteils in der Entscheidung 2 Ob 55/15z – in § 167 Abs 2 AußStrG durchaus eine Bewertungsvorschrift besteht. Wie unter Punkt 2. dargelegt, war die Unterlassung der Bewertung der in den Anträgen genannten nachlasszugehörigen Liegenschaften nach dem LBG rechtswidrig. Somit wurden hier die in der Entscheidung 2 Ob 55/15z genannten „Wertungsrahmenbedingungen“ sehr wohl missachtet, was nach den in der Entscheidung 2 Ob 55/15z zitierten Lehrmeinungen zur selbständigen Anfechtbarkeit eines Beschlusses gemäß § 167 Abs 2 AußStrG über die beantragte Schätzung von Liegenschaften nach dem LBG führt.

4.1.4. Sowohl nach der Rechtsprechung als auch der Lehre ist somit von einer selbständigen Anfechtbarkeit des Beschlusses über die Schätzung von Liegenschaften nach § 167 Abs 2 AußStrG auszugehen. Für den vorliegenden Fall ist somit festzuhalten, dass die Revisionsrekursgegner im Fall, dass ihr Antrag auf Schätzung der Liegenschaften abgewiesen worden wäre, diesen Beschluss selbständig anfechten hätten können.

4.2. Konsequenzen

4.2.1. Da das Erstgericht rechtswidrig (vgl oben Punkt 2.10) die Beschlussfassung über die Anträge der Revisionsrekursgegner unterlassen hat, konnten diese einen entsprechenden Beschluss nicht anfechten.

4.2.2. In einem mit dem vorliegenden Sachverhalt insoweit gleich gelagerten Fall hat sich der Senat ausführlich – und unter Berufung auf 2 Ob 55/15z – mit den damit verbundenen Fragen auseinandergesetzt (Entscheidung vom 29. 9. 2016, 2 Ob 183/15y). Die wesentlichen Aussagen dieser Entscheidung sind Folgende:

Der dortige Noterbe sei antragslegitimiert. Hätte das Erstgericht mit gesondertem Beschluss über den Antrag des Noterben entschieden, so wäre dieser als Beschluss selbständig anfechtbar gewesen. Das Erstgericht habe über den Antrag des Noterben weder durch gesonderten Beschluss noch im Rahmen des Einantwortungsbeschlusses – diese Möglichkeit hätte § 178 Abs 3 AußStrG geboten – abgesprochen. Im Ergebnis sei der Antrag begründungslos abgelehnt worden. Unter diesen Umständen sei der Noterbe zur Anfechtung des Einantwortungsbeschlusses berechtigt, sei er doch durch diese Vorgangsweise an der Durchsetzung der ihm in den §§ 784, 804 ABGB eingeräumten bzw daraus abgeleiteten Rechte gehindert gewesen. Dies führe bei Verletzung von dem Antragsteller zustehenden Rechten zur Aufhebung des Einantwortungsbeschlusses, müsse doch eine stattgebende Entscheidung zur Fortsetzung des Verlassenschaftsverfahrens führen.

4.2.3. Nichts anderes kann im vorliegenden Fall gelten: Die Rekursentscheidung steht mit den Aussagen der Entscheidung 2 Ob 183/15y im Einklang und war daher zu bestätigen.

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